Lass uns drüber reden…

Es ist nicht selten unglaublich schwer, seine eigenen Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse in Worte zu fassen. Vielleicht nicht so sehr hier, an diesem völlig virtuellen und dennoch irgendwie seltsam wahren Ort, wo ich einfach meine Gedanken in die Tastatur kloppe und mich im Grunde gar nicht so viel darum scheren muss, was andere irgendwann darüber denken mögen. Doch selbst beim Bloggen bemerke ich mittlerweile häufiger eine, eher unbewusste Zurückhaltung, die wohl auf diesem andressierten kulturellen Reflex basiert, “die Anderen” nicht zu sehr mit der Wahrheit überfordern zu wollen. Was auch immer meine Wahrheit nun sein mag… Doch im realen Gespräch, da fehlen mir oft die Worte. Oder, anders formuliert, hätte ich schon viele Worte, die ich aber nicht sagen kann oder nicht sagen will, weil ich genau weiß, dass meine Aussagen eine Reaktion provozieren werden, die mich nicht weiter bringen wird. Und es ist dabei vollkommen gleichgültig, ob ich es gerade mit lieben Menschen zu tun habe, oder mit Leuten, mit denen ich halt arbeiten muss. Man kann nicht immerzu jedem ungefiltert Dinge um die Ohren schlagen, die Anlass zu Kontroversen bieten; so viel Kraft und Energie habe ich nicht. Und die Anderen vermutlich auch nicht. Also unterbleibt die klare Artikulation meiner Meinungen und Erwartungen Face-to-Face nicht selten. Einfach, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass etwas zu sagen an der Gesamtsituation nichts ändert, außer dass ich mich dann auch noch schlecht fühle. Braucht man halt auch nicht…

Ich stelle zwar an mir eine Tendenz fest, manchen Personen meine unkuratierte Meinung häufiger zuzumuten als anderen. Allerdings werden diese oft auch dafür bezahlt; so wie ich dafür bezahlt werde, das reziprok ebenso aushalten zu müssen. Doch komischerweise tue ich das immer nur, wenn es um Sachverhalte geht, die mir zwar wichtig sind, die allerdings zumeist wenig zu meinem persönlichen Benefit beitragen – oft sogar eher das Gegenteil. Ich scheine mich tatsächlich eher zu exponieren, wenn es um anderer Leute Belange geht. Doch für mich selbst… da tue ich auffallend häufig auffallend wenig. Ich habe ehrlich keine Ahnung, warum mir das ausgerechnet heute auffällt, denn es ist ja nicht so, dass ich mir selbst nicht auch regelmäßig etwas Gutes tun würde; so auch dieses Wochenende. Aber ich belasse es zumeist bei Kleinigkeiten, die mich wenig bis nichts kosten (außer vielleicht ein wenig Anstrengung) und den Anderen ebenso wenig bis nichts abverlangen. Vielleicht, weil ich so erzogen wurde: erstmal leisten, dann mal kucken, dann noch ein bisschen mehr leisten und dann mal verschämt fragen; immer mit der Annahme, dass ein “Nein” eine legitime Antwort ist. Aber… ist das tatsächlich so, dass ich mich immerzu mit “Nein” abspeisen lassen muss, weil mein Gegenüber halt gerade nicht kann, nicht will, anderer Meinung ist, andere Ziele hat, oder was weiß ich sonst noch gerade nicht funktioniert?

Während ich diese Zeilen schreibe, laboriere ich gerade an einem Schnupfen. Wie dieser sich entwickeln wird, ist derzeit noch unklar, aber… anstatt jetzt eine klare Ansage zu treffen und mich einfach bis zur Genesung abzumelden, werde ich morgen früh, sofern ich mich nicht schon wieder physisch vollkommen niedergestreckt vorfinde, einfach arbeiten gehen, weil es halt einige Menschen gibt, die sich auf mich, bzw. auf meine Leistung verlassen. Und wer sich auf mich verlässt, ist im Nornalfall NICHT verlassen. Ob das eine clevere Idee ist, werde ich morgen früh wissen. Wahrscheinlich wäre es klüger, daheim zu bleiben, aber so bin ich halt nicht. Das soll jetzt bitte nicht als Aufforderung verstanden werden, mir den Orden “Held der Arbeit” zu verleihen. Ich will und brauche keine Auszeichnungen. Es ist auch kein Fishing for Compliments oder die implizite Aufforderung, mir einen “Bleib doch zu Hause!”-Kommentar zu schicken. Aber es illustriert für mich, wie wenig ich mich häufig um mich selbst kümmere – und wie dumm das eigentlich im Grunde ist. Und ich bin mir verdammt sicher, dass ich mit dieser ungesunden Einstellung – zumindest in meiner Altersklasse – nicht alleine bin.

Ich habe neulich, während einer Fortbildung, die Teilnehmenden dazu aufgefordert, junge Auszubildende im Nebenraum kurz bezüglich deren Blick auf sogenannte Generationen (insbesondere das Thema “Gen-Z”) zu interviewen. Ohne auf präzise Ergebnisse eingehen zu wollen, lässt sich sagen, dass die jungen Leutchen dieser konstruierten Dichotomien (und vor allem der Unterstellung, die jungen Leute seien alle faul, oder gleichgültig, oder sonstwas) überdrüssig sind und sich selbst keiner Generation zurechnen. Insgesamt nehme ich allerdings wahr, dass die jungen Leute zumindest in manchen Situationen besser darin sind, ihre Belange zu vertreten, als mir selbst das wohl gelingt. Und ich finde das gut, auch wenn es einen als Vorgesetzten manchmal ein wenig Contenance kostet, mit Forderungen umgehen zu müssen, die man für sich selbst so nie artikulieren würde. Vielleicht MUSS das einfach ein Lernprozess für beide Seiten sein, ein stetiges Aushandeln des jeweils Möglichen und eines immer wieder neu zu schaffenden Verständnisses für die Bedürfnisse, Sorgen und Herausforderungen des Gegenübers. Würde mir gefallen. Und wenn ich dabei lerne, meine eigene Klappe auch mal aufzumachen und etwas einzufordern, muss das ja nicht vollkommen schlecht sein.

Auch als Podcast…

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