Ich rede immer wieder von meinem Hobby N°1 – Pen’n’Paper. Und es ist wahr; es war, ist und bleibt meine favorisierte Art, freie Zeit zu verbringen, ohne irgendeine Art von Wertschöpfung erzeugen zu müssen. Wobei es natürlich zu kurz gedacht ist, wenn wir Wertschöpfung immer nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten. Denn für MICH ist es sehr wohl ein Wert an sich, mit lieben Menschen eine gute Zeit zu verbringen, denkwürdige Geschichten zu erzählen / zu erleben und dabei Spaß zu haben. Es ist übrigens vollkommen unerheblich, auf welche Art ein Mensch dieses Gefühl des Erfüllt-Seins erreicht, welches einem solcherlei positive Erfahrungen erlaubt. Fahrt auf Fahrrädern Berge runter, drechselt den Kölner Dom aus Streichhölzern, umrundet den Globus, knipst euch an den abgefahrensten Stellen tot (aber bitte nur im übertragenen Sinne – nicht zu nahe an die Klippe gehen und so…), esst das schärfste Essen der Welt (und bereut es bitter) – ist mir vollkommen egal, was EUER geilster Kick ist; er sei euch von ganzem Herzen gegönnt! Für MICH jedoch bleibt TTRPG mein Favorit. Denn sich in unterschiedlichste Welten, verschiedenste Persönlichkeiten und wildeste Geschichten hinein zu denken und Probleme zu lösen (oder für meine Spieler Probleme zu entwerfen, damit DIE dann nach Lösungen suchen dürfen), ist so ziemlich der krasseste Spaß, den man mit seinem Gehirn haben kann. Ich war auf so vielen unfassbaren Welten und bin in der Realität doch nur eine sehr überschaubare Menge an Kilometern geflogen. Ich habe Rätsel gelöst, Schurken ihrer gerechten Strafe zugeführt, unzählige interessante Persönlichkeiten kennengelernt, Dinge gesehen und getan, die man nicht leicht erklären kann – und bin trotzdem einfach nur ich geblieben. Denn ich bin schon sehr lange ein Nerd alter Schule und Gaming ist für mich nicht einfach nur ein Hobby!

Ich habe schon ein paar Mal berichtet, wie es im Sommer 1989 um mich geschehen ist und ich in diese anderen Welten eingetaucht bin, um für immer dort zu bleiben – zumindest mit einem Teil meiner Selbst. Ich meine… im wahren Leben, im Hier und Jetzt habe ich als Rettungsdienstler einen Job ausgeübt, der mich manchmal physisch, häufiger jedoch psychisch an meine Grenzen geführt hat. Und auch darüber hinaus! Nach über 20 Jahren durfte ich zum ersten Mal bemerken, dass es so nicht weitergeht, als mein erster Burnout mich daran gemahnt hat, dass keine Seele aus Eisen ist. Und ich habe mehr als nur einen kleinen Teil dieser Seele auf den Straßen dieser Stadt zu Markte getragen, um anderen zu helfen. Und ja – FUCK IT – ich würde es wieder tun! TTRPGs warer für mich einerseits immer Eskapismus, also eine Möglichkeit, der manchmal sehr unschönen Realität für eine definierte Zeit den Rücken kehren zu können. Wann immer der Druck zu stark wurde, habe ich mich, zumindest ein bisschen, in andere Welten, andere Persönlichkeiten, andere Herausforderungen flüchten können. Herausforderungen, die häufig viel einfacher zu lösen waren, als die allzu komplexen Dilemmata der Realität. Ich habe dabei nie den Blick auf die wahre Welt verloren, konnte aber gleichsam meine Energien auffüllen durch Erfolge, die – wenngleich bestenfalls als virtuell zu bezeichnen – für diesen Teil meiner Selbst real genug waren, um sich daran hochziehen zu können. Andererseits war ich schon von Kindertagen an ein Geschichtenerzähler. Und der Push für meine Kreativität, meine Kommunikations-Kompetenz, Problemlösungsstrategien, etc., den ich durch die Auseinandersetzung mit unfassbar vielen Wissensgebieten im Rahmen meiner Beschäftigung mit TTRPGs erfahren habe, lässt sich mit nichts aufwiegen.
Natürlich hat das alles auch etwas mit Neugier zu tun; und neugierig war ich schon als kleines Kind in einem Maße, dass meine erwachsene Umwelt nicht selten in Erstaunen versetzt, aber noch viel häufiger auch beinahe in den Wahnsinn getrieben hat. Ein biografischer Umstand, den ich wohl mit so manch anderen Nerd teile. Für mich wurden folgerichtig alle möglichen anderen nerdige Interessen, welche mit Pen’n’Paper einhergingen – unterschiedlichste Regelwerke und Settings, Fantasy- und Scifi-Literatur, Filme, Serien, Mangas und Animes, Soziologie, Psychologie, Philosophie, Geschichte, Religionen etc. – zu meiner Nische, in der es mir gut ging, auch wenn ich mir über einen nicht unerheblichen Teil meiner Kindheit und Jugend hinweg eher schwer damit getan habe, Anschluss zu finden. Letztlich hat sich das alles gegeben, aber ein Normalo wurde ich nie. Ich habe mit dem Rettungsdienst einen schrägen Job angenommen, der mich viel mit Menschen und deren Problemen zusammengebracht hat, obwohl ich immer schon ein extravertierter Introvertierter war, eben weil ich meine Neugier befriedigt wissen wollte. Und über all die Jahre blieb das Gamen mein Anker in diese Anderswelten, aus denen ich einen erheblichen Teil meiner Energie zum Weitermachen bezog – und auch heute noch beziehe. Pen’n’Paper hat mir geholfen, wieder auf Spur zu kommen, als es schwierig war. Und ich habe durch das Gamen meine wichtigsten und längsten zwischenmenschlichen Beziehungen gefunden; zu meinen besten und ältesten Freunden ebenso, wie zur besten Ehefrau von allen. TTRPG KANN niemals nur ein Hobby für mich sein, denn es ist ein so wichtiger Teil meines Lebens gewesen und geblieben, der bis heute mitbestimmt, WER ICH BIN – es ist mein Lifestyle! Und soweit es mich betrifft, wird das auch so bleiben, bis ich irgendwann six feet under lande.
Für diejenigen, die meine Erfahrungen nicht nachvollziehen können, weil TTRPGs für sie doch nur ein Hobby unter vielen sind, sei angefügt: alles gut! Ein jeder ist auf seine Weise nerdig, denn jede Biografie hat ihre eigene Struktur. Meine ersten Erfahrungen stammen einfach aus einer anderen Zeit. Wichtig ist, dass wir alle damit unseren Spaß haben können. In diesem Sinne – always game on!

Eine Antwort auf „Der verwirrte Spielleiter N°65 – Nur ein Hobby…?“