Gut gemeint…

Alles in allem geht man so seinem Tagwerk namens „Leben“ nach und versucht, die Dinge im Fluss und den Kopf über Wasser zu halten. Manchmal gelingt das besser, manchmal weniger gut; was kein Problem darstellt, solange man dabei nicht bewusst nennenswerten Schaden anrichtet. Im Großen und Ganzen ist das der Gang der Dinge. Außer, man trägt für irgendetwas Verantwortung – dann passiert der Schaden in dem Moment, da man die Verantwortung übernimmt. Meine beste Ehefrau von allen sagte die Tage zu mir, dass sie das hat kommen sehen, seit ich für etwas Verantwortung übernommen habe: nämlich dass ich, solange ich nicht mein echter eigener Boss wäre, immer unglücklich bliebe, weil ich zwangsläufig von anderen, weiter oben in der Hierarchie ins Handwerk gepfuscht bekäme. Und wisst ihr was – sie hat verdammt recht. Man muss dazu allerdings etwas differenzieren. Ich habe kein Problem damit, mir von meinen Teammitgliedern etwas sagen zu lassen, solange es dem Gesamtergebnis dient. Unser angestrebtes Gesamtergebnis ist übrigens, qualitativ hochwertige Aus- und Fortbildung anzubieten, uns als Pädagogen und Menschen weiter zu entwickeln und dabei wirtschaftlich verantwortungsvoll zu handeln. Der zweite Passus bedeutet allerdings nicht „Gewinnerzielungsabsicht“, sondern „Kostendeckung“. Und damit kommen wir zu dem Punkt, an dem ich fuchsig werden muss. „Man muss doch auf dem Markt mit dieser Dienstleistung richtig Geld verdienen können! Mindestens soundsoviel Prozent Bruttoumsatzrendite müssen es schon sein…!“ NÖ, MUSS MAN NICHT! Man MUSS endlich verstehen, dass der Homo Oeconomicus eine Schimäre ist, und dass eine Organisationskultur, die den Namen auch verdient, auf Transparenz, Vertrauen, Wertschätzung und gegenseitigem Respekt aufbaut – IN BEIDE RICHTUNGEN.

Barrieren…

Ich meine es meistens gut mit den Menschen, auch wenn ich die meisten von ihnen zu hassen behaupte. An schlechten Tagen ist die Behauptung wahr, an guten… nicht so ganz. Einer meiner Chefs meint manchmal sogar, ich meine es zu gut mit den Menschen. Ich sei vielleicht gelegentlich zu weich. Kann sein. Doch in einer Welt, in der es offenkundig Usus geworden ist, Menschen vor allem nach ihrer geschäftlichen Nützlichkeit, ihrer Produktivität und ihrer Anpassbarkeit an betriebliche Notwendigkeiten zu beurteilen, verweigere ich mich dieser kapitalistischen Verzweckung des Menschen. Auch, wenn immer wieder gerne behauptet wird, dass Unternehmenshandeln sich am Besten der Angestellten und Kunden orientieren würde, kommt mir der Mensch mit seinen Interessen, Bedürfnissen, Begrenzungen und Sorgen zu kurz. Als Pädagoge ist ein nicht unerheblicher Teil meiner Zeit darauf verwandt, an Einstellungen zu arbeiten. Mindsets wachsen zu lassen, indem man die Menschen dazu bringt, ihre eigenen Überzeugungen zu hinterfragen – die bewussten und die unbewussten. Und die ganze Zeit über beschäftigt man sich dabei notwendigerweise mit seiner eigenen Begrenztheit. Ich habe in den letzten Tagen erfahren müssen, dass ich an meinen Grenzen angekommen, evtl. sogar darüber hinaus gegangen bin. Und stehe dennoch hier und kann nicht anders, als weiterzumachen. Weil ich es gut meine. Gut mit den anderen Menschen, ihren Interessen, Bedürfnissen, Begrenzungen und Sorgen. Nur meine eigenen, die habe ich wohl aus dem Blick verloren…

Ich bin im Job auf Probleme gestoßen, die zum Teil meinem Gutmeinen geschuldet sind. Diese Kritik nehme ich an; weil mir bewusst geworden ist, dass ich da zu lax gehandelt, zu sehr auf den Respekt und die Verlässlichkeit Anderer vertraut habe. DEN Fehler mache ich nicht noch einmal. Zu einem anderen Teil sind diese Probleme aber auch den tauben Ohren jener Anderen geschuldet, welche sich die Welt nun machen Widdewiddewie sie ihnen gefällt. Und DIE nehmen ihre Kritik NICHT an. Und das schaue ich mir höchstens noch ein paar Monate an. Wenn sich bis dahin kein Verstehen und kein Respekt für meine Posoitionen abzeichnet, bin ich weg! Denn die haben geschafft, dass mir mein Commitment und meine Arbeit der letzten Jahre nutzlos vorkommen! Dass ich kein Land mehr sehe! Dass ich an mir und meiner Qualität zweifle! Danke für nichts! Dafür wird immer schön eine Schippe Arbeit nach der anderen nachgelegt. Mehr Verantwortung gefordert. Mehr Leistung. Mehr Umsatz. Doch entschädigt das Schmerzensgeld, welches ich derzeit beziehe, wirklich für all das? Dafür, dehumanisiert und funktionalisiert zu werden? Nicht mehr als der Mensch wahrgenommen zu werden, der man eigentlich ist – nicht mal von sich selbst…? Ich mochte meinen Job – bis nur auf Zahlen fixierte Narren ihn mir wegnehmen und durch einen riesigen Haufen Kapitalistenscheiße ersetzen wollten. Aber noch bin ich nicht fertig. Mal sehen, wie’s ausgeht. Ab jetzt muss ich es mit mir selbst gut meinen. Mein einziges Ziel dabei ist, auch in Zukunft erhobenen Hauptes in den Spiegel sehen und sagen zu können: „Meine Ideale kann NIEMAND kaufen! No pasarán!“

Aidoru – Vorbilder gefällig?

Ich hatte dieser Tage ein Gespräch mit meiner älteren Tochter. Eine Person aus ihrem weiteren schulischen Dunstkreis ist derzeit auf dem besten Wege in die ernsthafte Jugend-Delinquenz, und wir kamen in dem Zusammenhang natürlich auf die Frage, was dazu geführt haben könnte; und ob ihr das auch passieren könnte? Einer der Erklärungs-Ansätze bezog sich auf falsche Vorbilder. Lustigerweise wurden wir, während das Gespräch in unserer von mir chauffierten Familien-Droschke stattfand, von zwei Posern mit einer portablen Schwanzverlängerung überholt, welche einen Straßentunnel hier in der Stadt nutzten, um den Ferrari mal ordentlich röhren zu lassen. Auf die Frage, was Tochter Eins denn in diesem Kontext als falsche Vorbilder betrachten würde, kam wie aus der Pistole geschossen „Gangster-Rapper!“ Braves Kind. Wenn Sie in dem Alter schon in der Lage ist, hinter die Bling-Bling-Bumm-Bumm-Ficki-Ficki-Fassade eines nicht unerheblichen Teils dieser sogenannten Musiker zu schauen, muss ich mir zumindest über den Musikgeschmack keine Sorgen machen. Und für alle, die diese Art von Musik mögen: bei halbwegs intelligenten Texten, welche auf chauvinistische Erniedrigung von Frauen, das Dreschen von „Isch-bin-der-Babbo-du-Opfa“-Clichés und anderen machismoiden Quatsch verzichten, hör ich sogar mal rein. Versprochen.

Blick in die Weite – keine Vorbilder zu sehen…

Die zwei Typen in dem Ferrari entsprachen im Übrigen jedem denkbaren Cliché über Poser: jung, südländisch, auf diese spezielle Art gestyled, stets um Coolness bemüht. What was it, that seperated the boys from the men…? Ich denke, ich machte eine abfällige Bemerkung darüber, dass ich es für ziemlich unwahrscheinlich hielte, dass dieser Ferrari, so er sich denn überhaupt im Besitz des Fahrers befände, mit ehrlich erworbenem Geld bezahlt sein könnte. Das ist natürlich ein bösartiges Stereotyp. Vielleicht hat er im Lotto gewonnen, geerbt, arbeitet im spekulativen Finanzwesen, oder ist doch ein Tech-Startup-Genie; die Wahrscheinlichkeiten sind allerdings auf ganzer Linie gegen ihn. Wir bogen dann ab, während die Penisprothese – wie sich das in der Welt des Fahrers anscheinend gehört – unter lautem Getöse in die untergehende Abendsonne entschwand. Und ich fragte meine Tochter die Frage des Abends: „Hast DU denn Vorbilder…?“ Es dauerte einen Moment, und vielleicht lag es daran, dass wir schon fast zu Hause angekommen waren, dass sie mir entgegnete, dass ihr keine einfielen! Ich fragte dann noch, ob es denn Leute geben könnte, welche die Funktion eines Vorbildes einnehmen oder sie zumindest inspirieren könnten? Das wurde allerdings bejaht.

Wir waren auf Vorbilder gekommen, weil die anfangs erwähnte Person über sich selbst gesagt hatte, dass es dem Vater wohl egal wäre, in welchem Ärger sie gerade stecken würde. Und ich tat meine Analyse kund, dass dies ein Teil des Problems sein könnte, wenn es denn wahr wäre. Denn sich für DAS zu interessieren, was das eigene Kind tut oder lässt und Grenzen zu setzen, wenn man dies für angemessen und gerechtfertigt hält (auch, wenn das eigene Kind meistens anderer Meinung sein dürfte) vermittelt dem Kind ein Gefühl für die Konsequenzen des eigenen Tuns – und damit eine Selbstwirksamkeits-erfahrung. Beliebigkeit hingegen führt dazu, dass sich die Bemühungen, Aufmerksamkeit zu erlangen eventuell in eine pathologische Richtung entwickeln => et voilá: Delinquenz. Diese Analyse ist natürlich auf grund mangelhaften Detailswissens über die weiteren Umstände verkürzend und unvollständig. Aber Kurt Lewin, einer der Väter der modernen Sozialpsychologie – und bekannt für eines der ersten Modelle zu Führungsstilen – sagte ja bereits, dass Laissez-Faire die Abwesenheit von Führung sei; und nicht, wie oft fälschlicherweise dargestellt, ein Führungsstil, der den Geführten größtmögliche Freiheiten lässt. Abseits einer objektiv existenten Hierarchie, die ein Machtgefälle beschreibt (und so KANN man eine Eltern-kind-Beziehung auch charakterisieren) stellt sich immer die Frage, worin sich Führung konstituiert. Und da komme ich wieder zu Vorbildern…

Ein Vorbild ist – im positiven Sinne gedacht – ein Role-Model, an dessen Tun und Lassen sich Kinder und Jugendliche, aber auch Auszubildende oder Studenten orientieren können. Imitations-Lernen findet selbstverständlich auch (oder sogar vor allem) im Kontext von Sozialisation statt. Das Problem für eine pubertierende Jugendliche ist, in unserer von (anti)social media durchwirkten Welt herauzufinden, wer oder was tatsächlich als ein solches Role-Model taugt. Würde ich allerdings versuchen, ihr vorzuschreiben, an wem sie sich zu orientieren hätte, würde ich unter Garantie etwas völlig Anderes erreichen. Nur was, das lässt sich eher schwer vorhersagen. Wir Erwachsenen meiner Generation haben diesen Prozess ja alle selbst mal durchlaufen, leider aber offenkundig vergessen, wie schwer das alles ist! Und heute ist das noch viel schwerer als vor 35 Jahren, als es vielleicht 5 oder 6 Fernsehprogramme, kein Internet, keine social media und ansonsten vor allem die eigene Peergroup gab. Verdammte Axt…

Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine große Tochter, wenn sie eine Weile darüber nachgedacht hat, auf die Frage nach Vorbildern doch eine Antwort geben könnte. Vielleicht möchte sie diese Frage aber auch gar nicht beantworten, weil sie vielleicht befürchtet, dass ich ihre Vorbilder nicht gut finden könnte? Oder weil sie manches erst noch für sich selbst rausfinden muss/will? Und vielleicht wechseln diese Vorbilder auch noch dann und wann? Ich konnte meiner Frau die Frage, was in dem Alter meine Vorbilder gewesen wären, auch nicht wirklich beantworten. Vielleicht, weil es eine – in meiner Erinnerung – emotional sehr fluide Zeit war. Mein Fazit aus der Erfahrung ist, dass wir als Eltern vermutlich selbst als Vorbilder nur bedingt taugen und auch keine Ratschläge dazu geben sollten, wer als Vorbild taugen könnte. Vielmehr besteht unserer Aufgabe darin, unseren „Lieben Kleinen“ als Grenze, Brandmauer, sicherer Hafen, aber manchmal auch böser Papa so lange zur Seite zu stehen, bis sie selbst ein informiertes Urteil darüber treffen können, wer denn geeignet sein könnte. Ich sehe Tochter Eins da allerdings auf einem guten Weg. Ich muss mir allerdings mal dringend wieder Gedanken machen, wer meine Vorbilder waren und sind, falls sie mal zurückfragt. Ein Aidoru (Idol) ist sicherlich William Gibson; denn ich wäre auch gerne ein so lesenswerter und erfolgreicher Autor. In diesem Sinne – verdampft nicht. Hoch die Hände – Hitzewende.

Auch als Podcast…

Der Storyschreiner N°1 – Neues aus Kannitvastan

Geschichtenerzählen ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst; bei deren Alter sind wir uns zwar auch noch nicht so recht sicher, man kann aber sagen, das über viele Jahrtausende die einzige Möglichkeit, Geschichten für die Nachkommen zu konservieren darin bestand, sie von Generation zu Generation, von Barde zu Barde, Herold zu Herold weiterzuerzählen. Eine notwendige Gedächtnisleistung, die dazu führt, dass einem Manches an den überlieferten Liedern, Epen, Gedichten, Märchen, Fabeln, Dramen, Tragödien, Komödien, etc. heute formelhaft vorkommen mag. Weil diese großen Mengen an Content ja memoriert und aus dem Gedächtnis rezitiert werden mussten, war eine der wichtigsten Techniken, sich dabei vieler standardisierter Redewendungen zu bedienen, die zudem in das übliche Versmaß passen mussten. Die griechischen Tragödien zum Beispiel haben diese besondere Form, in welcher sie – über die jahrzehnte sehr zur Pein so manches Schölers – heute in den Reclamheftchen stehen, weil die Übersetzer versuchten, jene Versform ins Deutsche zu transponieren, in welcher sie zu ihrer Zeit in Altgriechisch dargeboten wurden. Die Verschriftlichung vieler Dichtungen fand ja erst lange nach dem Tod des jeweiligen Dichters statt.

Die Darbietung der derart memorierten Geschichten, also orales Storytelling war ein kollaborativer Akt, da zu jener Zeit durch die äußere Form der großen Geschichten das Denken sowohl der Erzähler, wie auch der Zuhörer strukturiert wurde. Wenn ich Gedanken nicht schriftlich niederlegen kann, sondern alles im Gedächtnis behalten muss und die Äußerung stets nur als flüchtige Momentaufnahme erfolgen kann (es gibt ja ohne Schrift auch keine Tonaufzeichnung), dann folgt jede Argumentationsstruktur notwendigerweise der inneren Logik der großen Erzählungen und bekommt so u. U. eine für unsere heutigen Begriffe eine eher rigide, teils redundante und/oder schablonenhafte Darreichungsform. Für jene, welche diese Geschichten in ihrer ursprünglichen Form erlebt haben, waren diese u. U. die Basis für ihr Verständnis der eigenen Kultur. Der Ausspruch, dass das Sein das Bewußtsein bestimme, bekommt in diesem Kontext eine ganz neue Bedeutung. Daraus folgt, dass eine neue Argumentation sich des vorhandenen Erzählungs-Kanons bedienen musste. Denn schließlich wurden nicht nur Geschichten erzählt, sondern auch kodifiziertes Gesetz, Erbfolgen, politische Entscheidungen; einfach alles, wofür wir heute mal eben eine Notiz machen, oder ein Dokument auf einem Computer erstellen, musste im Gedächtnis getragen und per Mund zu Ohr von Mensch zu Mensch übertragen (und hoffentlich auch verstanden) werden! [Wer sich mit dieser Betrachtung etwas näher vertraut machen möchte, dem empfehle ich Walter Ongs „Oralität und Literalität“, siehe unten]

Mir geht es vor allem um folgende Überlegung: ich betrieb Storytelling über Jahrzehnte nur im Hobbykontext als kollaboratives Medium, bei welchem ich die Story-Primer erzählte und verschiedene Plotpoints, Locations, Antagonisten, Sidekicks, etc. entwickelte, um diese nach und nach mit in die entstehende Geschichte einzuführen. Jedoch wurde erst durch die Teilnahme ALLER Beteiligten EINER der aus diesen Ingredenzien ermöglichten Verläufe der Geschichte im Prozess der Interaktion festgeschrieben – Pen’n’Paper-Rollenspiel in a nutshell. Heute jedoch interessiert mich auch noch eine andere Möglichkeit der Verwendung, nämlich als Einzel- oder Komplementär-Methode in verschiedenen Bildungsformaten und -kontexten. Ich habe allerdings mittlerweile auf Grund eines erweiterten Quellenstudiums und eigener Beobachtungen den Eindruck gewonnen, dass die Macht des gesprochenen Wortes, bzw. die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit eines Lehrsaalpublikums mittels einer Erzählung auf bestimmte Punkte und Inhalte zu lenken, einerseits hoch abhängig von der Übung des Anwenders im Geschichtenerzählen ist, und andererseits einer möglichst ablenkungsarm gestalteten Umgebung bedarf. Da wir jedoch nicht mehr bei Sonnen- und Fackelschein ohne Medieneinsatz unterrichten, kommt man da recht schnell an seine Grenzen.

Ich hatte ja bereits neulich erzählt, dass man beim Umherspazieren im Lehrsaal bei den SuS durchaus auf Tätigkeiten stößt, die mit dem aktuellen Unterrichtsgeschehen oder der gestellten Aufgabe eher wenig zu tun haben. Und wenngleich ich das zugegebenermaßen als Respektlosigkeit empfinde, ist mir bewusst, dass sich die Modalitäten der Medien-Nutzung in den letzten Jahrzehnten nochmals erheblich geändert haben. Was zu meiner Schulzeit üblich war, existiert heute heute oft genug höchstens noch als Legende. Die Ausgangslage für eine möglichst ablenkungsarme Umgebung muss damit als deutlich erschwert betrachtet werden. Bleibt also noch die Erzählkunst des Lehrers – der hier gegen Medien anerzählen muss, deren bunte Bildchen die jungen Erwachsenen im Lehrsaaal mit traumwandlerischer Leichtigkeit in andere Welten zu entführen vermögen. Man könnte sich jetzt darauf zurückziehen, dass Storytelling als Methode bei unseren übermediatisierten Generation-Z-Kindern nicht funktionieren könne. Wenn da nicht der Umstand wäre, dass ich mich neulich mit einer wirklichen Kennerin des Fachs austauschen durfte und ihre Erfahrungen eine andere Sprache sprechen! Es sei durchaus möglich, auch ein jüngeres Publikum mit einer mündlichen Erzählung abzuholen. Es käme auf die lebensweltliche Relevanz der Themen und die Zugänglichkeit der Sprache an – was mitnichten auf die Verwendung von Jugend-Sprech verweist, sondern die tradierten Topoi, welcher sich das mündliche Erzählen bedient; und welche die jungen Leute immer noch in der Schule kennenlernen. Die Klassiker können uns als Vorbild dienen. Danke, Reclam.

Ich befinde mich noch auf einer Reise durch Kannitvastan, da ich bestimmte Aspekte an oral storytelling, oder mündlichem Erzählen noch nicht soweit durchdrungen habe, dass ich mein Ziel einer Theoriebildung zur Verwendung als pädagogische Methode verfolgen könnte. Aber ich bin mir fast sicher, es immer besser zu durchdringen. Tatsächlich bekam ich von einem anderen ausgewiesenen Fachmann im Thema des Geschichtenerzählens den Ratschlag, mich auch ausdrücklich an meinen Erfahrungen im Pen’n’Paper-Rollenspiel zu bedienen. Ist vermutlich das erste Mal in meinem Leben, dass jemand von außerhalb meiner Rollenspiel-Bubble meinem diesbezüglichen Wissenschatz irgendwelchen Wert zuerkannt hat. Eine interessante Erfahrung. Wer übrigens Kannitvastan noch nicht auf der Karte gefunden haben mag: es ist jener magische Ort der Neugierde und Enttäuschung, der jenseits unseres Horizonts des bereits Gekannten liegt; manche nennen ihn auch „Kann nicht verstehen…“. Ich wünsche einen guten Start in die neue Woche.

Auch als Podcast…
  • Ong, W. J. (2016): Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes. 2. Auflage mit einem Vorwort von Leif Kramp und Andreas Hepp. Wiebaden: Springer Fachmedien GmbH
  • Ryan, M.-L. (Hrsg. 2004): Narrative across media. The Languages of Storytelling. Lincoln and London: University of Nebraska Press.

Das große Staunen N°4 – stur lächeln und winken!

Als wenn ich’s nicht gewusst hätte! Die letzten zwei Wochen sind an mir vorbei galoppiert wie’n Eichhörnchen auf Koks. Natürlich sagt man sich immer, dass man nach dem Urlaub erst mal langsam reinmäandern möchte, aber das ist eigentlich nicht mein Ding. Ich hasse es abgrundtief, wenn Dinge zu lange unerledigt rumliegen; und das ist nach zwei Wochen Absenz halt automatisch der Fall. Und musste mich dennoch dieser Tage schelten lassen, weil etwas so lange liegen geblieben ist, dass dies gewisse Probleme verursacht hat. Aufmerksamkeit ist schon eine merkwürdige Angelegenheit. Einerseits sind wir mit etwas Übung in der Lage, unfassbare viele kleine Dinge im Nahbereich beinahe gleichzeitig zu registrieren. Aber das große Ganze, oder auch ein Prozess, der nicht direkt vor unserer Nase liegt? Pfffft… aus den Augen, aus dem Sinn! Das ist wohl einer der Gründe, warum so viele Menschen nicht verstehen, dass auch ihr – zugegeben oft sehr kleiner – Beitrag zum Klimaschutz einen Wert hätte, wenn sie denn bereit wären, diesen zu leisten. Oder das Wählen gehen nicht nur ein demokratisches Recht ist, sondern gleichsam auch eine Pflicht, die Demokratie durch Legitimation zu stärken. Auch, wenn man nicht immer der gleichen Meinung sein mag, wie der schlussendliche Gewinner.

Gorges de Galamus

Ich versuche derzeit, meine Aufmerksamkeit so nah wie möglich bei den Dingen zu lassen, die MIR persönlich wichtig sind, weil sie mein Leben berühren; gleich, ob das jetzt primär meine Familie, meine Freunde, meine Studien oder meine Arbeit betrifft. Vorhin versuchte ich, etwas zu lesen, dass mir wichtig ist und für meine Studien hilfreich sein wird. Allerdings war ich so blöd, diesen Versuch auf meinem Handtuch, im Schatten eines Baumes an den Gestaden unseres bevorzugten Badesees zu unternehmen. An einem Samstagmittag im Frühsommer ist es da ja auch menschenler und total beschaulich, nicht wahr…? Kurz gesagt, nach fünf Minuten habe ich das Buch entnervt wieder weggelegt, weil die immer wieder zwischen Englisch und Deutsch wechselnde Konversation mehrerer Hardcore-Gamer in der Nähe mich brutal abgelenkt hat; wofür die natürlich nichts konnten, sie suchten ja auch nur Erfrischung im Grünen. Ich stelle einmal mehr fest, dass ich für bestimmte Tätigkeiten meine Solitude brauche. Das fickt mich auch immer wieder während der Arbeit. Ich sitze in meinem Büro und versuche mich gerade tief in einen Kaninchenbau hineinzudenken, auf der Suche nach einer Alice der Erwachsenenbildung – und alle verdammten fünf Minuten gibt’s irgendeine Ablenkung. So sehr ich die meisten meiner Kollegen:innen auch schätze und mag – ICH kann so NICHT arbeiten! Zumindest nicht an Projekten, die nach Hirnschmalz verlangen.

Der Input, den ich in meinem Job als Schulleiter abarbeiten muss, erfordert ein schnelles Hin- und Herfokussieren incl. Scharfstellen nach Auffinden der richtigen Brennweite, analog zum Gebrauch eines guten Reisezooms (in meinem Fall: M. Zuiko Digital ED 12-100mm F4 IS Pro). Das Problem ist, dass ich dabei – im Gegensatz zu meinen Knips-Sessions – nicht immer selbst darüber bestimme, wie viel Zeit ich mir für ein bestimmtes Motiv nehmen kann, weil es viele Stakeholder gibt, deren interessen ich im Blick behalten muss. Ist ein bisschen wie Jonglieren mit Fackeln, worin ich definitiv viel weniger geübt bin, als im Fotografieren. Daraus folgt, dass mein Job eine gewisse Fehleranfälligkeit bekommt, je mehr Prozesse unterschiedlicher Natur und Geschwindigkeit gleichzeitig am Laufen sind. Manche Menschen akzeptieren das als Entschuldigung, wenn mal was verrutscht ist, andere nicht, weil in der Geschäftswelt am Ende eines Quartals / Jahres nur das Ergebnis unter dem Strich zählt. Und ich verstehe das selbstverständlich, nehme ich meine Gesamt-Verantwortung doch durchaus ernst. Ich werde jetzt nicht behaupten, dass mich das nicht belasten würde; tatsächlich ist für mich persönlich meine erste und wichtigste Mission, sach- und fachadäquate pädagogische Qualität an die SuS / TN zu bekommen! Und ich höre in letzter Zeit immer wieder, dass es so, wie wir das täten zu teuer würde. Die ursprünglich ausgelobte Mission war jedoch eine andere. Die Parameter haben sich mittlerweile aber geändert, weil ambitionierte Projekte entwickelt werden. Geld wächst aber nicht auf Bäumen und Preise kann man genauso wenig beliebig erhöhen, wie SuS / TN-Zahlen. Das will man aber an gewissen Stellen nicht hören.

Ich will wieder dahin!

Wir bleiben nach wie vor, auch wenn das auf den ersten Blick anders wirken mag, beim Thema Aufmerksamkeit: wenn ich irgendwas anschaue, dann gibt es immer bestimmte Qualitäten eines betrachteten Objektes, die verschiedenen Betrachtern unterschiedlich stark augenfällig werden: meine beste Ehefrau von allen ist Goldschmiedin. Sie macht Dinge von erlesener Kunstfertigkeit, die nicht unbedingt zum Alltagsbedarf gehören. Nähere ich mich einem solchen Objekt, kann ich entweder die handwerkliche Arbeit und Expertise bewundern, die hineingeflossen sind, mich fragen, ob dieses Stück zu mir passen würde – oder ich hänge mich am Preisschild auf und fange an rumzunölen, dass das ja viel zu teuer sei. Das Material würde doch nur soundsoviel kosten. Die Gegenfrage ist dann immer, ob man, wenn man ein Auto bräuchte auch nur bereit wäre, die Materialien zu bezahlen, nicht jedoch das ganze Handwerk, welches sich in einem so komplizierten technischen Gerät realisiert. Viele Leute verstehen die Frage nicht, weil es ihnen vielleicht nicht an finanzieller Expertise gebricht – wohl aber an dem angemessenem Respekt für die Komplexität und das Know-How, welche es für die fragliche Leistung braucht. Wer Analogien zu meiner Tätigkeit findet, darf gerne darüber nachdenken.

Ganz ehrlich – ich hatte heute mit einem alten Freund eine kurze Konversation via Chat, die sich um die Frage drehte, ob ich nicht kürzer treten könnte. Mein Antwort war, dass das genau JETZT nicht der Fall sei, weil ich eben für bestimmte Dinge eine Verpflichtung habe, die ich erfüllen will, das Licht am Ende des Tunnels jedoch vom Jahresende aus schon langsam sichtbar wird. Und ich empfinde die eben erwähnte Verpflichtung – dies sei in aller Deutlichkeit gesagt – zuvorderst für meine Kollegen:innen und die uns anvertrauten SuS; nicht jedoch zwingend für meinen Arbeitgeber. DER muss sich langsam aber sicher genau überlegen, ob der eingeschlagene Kurs wirklich so gesund ist, wie man sich das derzeit einredet! Meine Antwort darauf ist mittlerweile leider ein klares „NEIN“! Und ich bin mittlerweile müde, dies durch die Blume zu sagen, um dabei, wie die Pinguine aus Madagaskar, stur zu lächeln und zu winken. Skipper kann mir mal den Buckel runter rutschen. Ich wünsche euch dennoch ein schönes Wochenende und viel Spaß bei dem guten Wetter. Genießen wir es, so lange es noch geht.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°47 – Der DEMOTIVATOR!

Klingt das Wort da oben etwa ein bisschen wie der DEMENTOR aus Harry Potter? Na ja, die Ähnlichkeit ist vielleicht gewollt. Als Lehrer in einer Berufsfachschule stehe ich nicht selten vor dem Problem, junge Menschen zum Lernen motivieren zu müssen. Man geht ja immer naiv davon aus, dass die alle im Unterricht nicht nur physisch, sondern auch psychisch präsent sind, weil sie sich ja freiwillig für diese Berufsausbildung entschieden haben. PUSTEKUCHEN. Geht man dann nämlich durch die Reihen, stellt man durchaus fest, dass da nebenher ganz andere Dinge eine Rolle spielen. Vielleicht, weil nicht jedes Thema jeden Menschen gleich stark interessiert. Was zunächst vollkommen legitim ist. Allerdings ist das ALLERMEISTE davon am Ende prüfungsrelevant. Aber das geht ihnen erst so ca. vier Monate vor Schluss auf – und dann gehen ihnen noch ganz andere Dinge; z. B. die Düse, oder der Arsch auf Grundeis. Fakt ist, dass man nicht JEDE:N zu ALLEM gleich gut motivieren kann. Aber zumindest kann man versuchen, Interesse zu erzeugen, denn Interesse hilft bei der intrinsischen Motivation (vgl. hierzu Krapp 1999, S. 400 ff).

End of the road…

Man könnte im Umkehrschluss sagen, dass schlechtes Unterrichtsdesign, vor allem aber auch schlechtes Aufgabendesign die Motivation der Schüler:innen vernichten, oder anders gespochen absaugen kann, so wie ein Dementor seinem Opfer alle Emotionen und Affekte absaugt und es psychisch verkrüppelt zurücklässt. Nun führt ein, oder auch mehrere nicht optimal gelaufene Unterrichte mitnichten dazu, Schüler:innen psychisch zu verkrüppeln. Wohl aber kann es mit der Zeit zu einer insgesamt sinkenden lernmotivation führen, die zu schlechteren Leistungen führt (wir müssen halt taxonomieren, also Noten geben), was widerum zu einer sinkenden Lernmotivation führt, was… der Teufelskreislauf ist leicht zu erkennen, wenn man denn möchte. Eines der großen Probleme hierbei ist, dass selbst bei hinreichend guter, ausgewogener, methodenpluralistischer Vorbereitung durch Pädagogen, wie bereits oben erwähnt, nicht alle Menschen auf die gleiche Weise zu packen sind. Nun haben junge Erwachsene zwar noch keine voll ausgereifte Selbstkontrolle, sind aber schon ein Stück des Weges gegangen; weshalb man die zumeist irgendwie auf die Spur bekommt. Bei Grundschulkindern ist dies jedoch NOCH nicht der Fall.

Ich bin nicht nur Pädagoge, sondern auch Vater. Und meine kleinere Tochter ist, wenngleich ein kluges, wortgewandtes, sportliches Kind auch ein ziemlicher Sturkopf – und unter dem ganzen Bohei, den sie verzapfen kann ein eher sensibler Mensch. Nun ist es so, dass die Grundschule hier in Deutschland nachweislich darauf angelegt ist, die Kinder zu normieren, in Schubladen zu packen und zur passenden pädagogischen Weiterbearbeitung an die „richtige“ Folgeschulform zu verweisen. Ich meine das nicht böse. Es gibt gewiss jede Menge Pädagogen:innen da draußen, die ihr Bestes geben, ihren Schülern:innen Spaß am Lernen zu vermitteln; aber das primäre und sekundäre Schulwesen in Deutschland sind – Marktwirtschaft sei Dank – darauf ausgerichtet, möglichst viele, möglichst reibungslos in den Arbeitsmarkt integrierbare Humanressourcen zu dressieren! Und nicht wenige Pauker:innen haben eben dies so sehr verinnerlicht, dass sie die Notwendigkeiten dieses „Dressierens“ bis zum bitteren Ende durchdeklinieren! Mit der Folge, dass Kinder wie meine kleinere Tochter an der Schule verzweifeln. Denn sie LÄSST SICH NICHT EINPASSEN!

Ja, da müsste ich in meiner Funktion als Lehrer und Leiter einer Berufsfachschule doch Jubeln – da kommen doch lauter super beschulbare Drohnen zu mir, oder? NÖ! Da kommen nicht selten Menschen, denen man das Lernen Wollen von Grund auf verleidet hat und denen, in der Folge, meine Kollegen und ich mit Mühe wieder beibringen müssen, für sich selbst und seine Ziele Eigenverantwortung zu übernehmen (ich verweise hier auf das Thema „Metakognitive Strategien“ stärken, über welches ich im letzten Post dieser Serie gesprochen hatte). Schaue ich nun auf meine kleine Tochter, könnte ich im Strahl kotzen, wenn ich z.B. höre, dass sie ein Referat mit einem frei wählbaren Thema halten darf/soll, allerdings erst im Nachhinein sehr spezielle Formatvorgaben gemacht werden und dann bemängelt wird, dass die Kinder sich nicht an diese Vorgaben gehalten hätten. Also ich sage mal, wie man das bei uns macht: für selbstorganisierte Arbeitsaufträge gibt es auch bei jungen Erwachsenen Vorgaben hinsichtlich Quellen, Zeitansätzen, Meilensteinen und Formaten, die zuvor transparent kommuniziert werden. Innerhalb dieser Vorgaben ist jedoch eine Menge Kreativiät möglich – und wünschenswert. Andernfalls bekomme ich nämlich keine Eigenleistung, sondern irgendwas – was bei einer 10jährigen dann vermutlich auch noch eine Menge Starthilfe von den Eltern benötigt, weil ein Kind in dem Alter in aller Regel noch nicht auf der formal-operationalen Stufe der kognitiven Entwicklung angekommen ist, die es aber braucht, um komplexe Zusammenhänge erfassen und darstellen zu können. Insbesondere, wenn man auch noch erraten muss, was der/die Pädagoge:in denn nun sehen möchte, oder auch nicht! Befasst man sich heutzutage in der Pädagogen:innen-Ausbildung nicht mehr mit Piaget, Erikson, Kohlberg…?

Ich las neulich Bob Blumes Buch „10 Dinge, die ich an der Schule hasse […]“ und ich musste leider bei sehr vielen Absätzen nicken und hatte dabei den schulischen Werdegang beider Kinder, vor allem aber den meiner jüngeren Tochter vor Augen. Mit deviantem Verhalten und originellen Denk- und Argumentationsstrukturen (ich habe beide Kinder vom frühest möglichen Zeitpunkt an mit Ironie gegängelt, damit sie mir jetzt ordentlich Kontra geben können – Gott wie ich das hasse, wenn ein Plan funktioniert…) können eine Menge Lehrkräfte offenkundig schlicht NICHT umgehen. Und nutzen daher ihre „Machtposition“, um das Kind zu disziplinieren. Und die Eltern am Besten gleich mit, damit die das Kind auch schön in Form pressen helfen. Bei uns funktioniert das nicht. Und ich gebe ehrlich zu, dass ich manchmal einfach nur nicke wie der Wackeldackel, mir mein Teil denke und tue, was ICH für richtig halte! Denn am Ende müssen das Kind selbst und ICH es den Rest meines Lebens miteinander aushalten – nicht die Pädagogen:innen, die es gerade mit Ansage verbocken! Daher ist mir deren Meinung – auch weil ich selbst Pädagoge bin – herzlich gleichgültig. In ein paar Wochen ist dieses Kapitel eh rum, dann kommt meine Kleine in die Sekundarstufe. Was dann passiert, wird sich weisen. Aber noch mal ganz ehrlich: am Ende fragt keine Sau mehr nach den Noten der 7., 8., 9. Klasse! Der Mensch, der dabei am Ende rauskommt soll eigenständig denken und lernen, kritisch sein, für sich selbst einstehen und trotzdem Spaß am Leben haben können! Dann haben wir als Eltern nicht alles falsch gemacht! In diesem Sinne – Urlaub rum, morgen ruft die Arbeit. Drauf geschissen. Euch ’ne schöne Woche!

  • Krapp, A. (1999): Intrinsische Lernmotivation und Interesse. Forschungsansätze und konzeptuelle Überlegungen. Zeitschrift für Pädagogik45(3), 387-406.
  • Blume, B. (2022): 10 Dinge, die ich an der Schule hasse und wie wir sie ändern können. München: Mosaik Verlag.
Auch als Podcast…

Das große Staunen N°3 – AI anybody…?

Es ist für mich ein wenig komisch, wenn ein Blogpost nicht komplett in einem Rutsch geschrieben wird, weil ich meine Gedanken nämlich oft „hot as they come“ erst im Schreibprozess selbst sortiere; dabei Pausen zu machen, führt manchmal zu Verwirrung und Brüchen im Text. Der eine Rutsch war diesmal nicht möglich, weil Teile des Posts in Amsterdam am Flughafen entstanden sind, während ich auf meinen Flieger nach Hause warten durfte. Und dann war ein paar Tage Zwangspause, weil Hektik und Umtriebigkeit am Arbeitsplatz, gepaart mit der Notwendigkeit die Familien-Reise auf den letzten Drücker vorzubereiten, dazu geführt haben, dass das Ganze erst ein paar Tage später in Südfrankreich zu einer Konklusion kommen konnte. Aber ich will ehrlich sein – diese Gedanken haben sich schon über einen längeren Zeitraum entwickelt; und erst der Besuch einer Veranstaltung mit vielen anderen Spezialisten aus dem Feld hat dann eine Art Initialzündung in meinem Kopf bewirkt, die ich irgendwie zu fassen versuchen musste, bevor der „Spirit of thoses days“ verdampft gewesen wäre. Dieses Mal führte der beschriebene Prozess dazu, dass ich mich mit Abstand nochmal mit den Gedanken auseinandersetzen musste – und ich kam zu dem Ergebnis, dass das Geschriebene für mich immer noch passt. Also geht’s jetzt los!

„…über den Wolken…“

Es ist, wie ich denke, momentan ein Allgemeinplatz, dass AI oder Artificial Intelligence der neue heiße Scheiß ist; und zwar egal wen und egal wo man fragt. Es gibt keinen Bereich, in dem man der Thematik entgeht. Ich arbeite ja im Bereich Rettungsdienst /Rettungsdienst-Ausbildung und auch für uns ist die AI-unterstützte Evaluation der vielen Daten, welche wir im Laufe eines Jahres produzieren von erheblichem Interesse. Sie kommen aus den Geräten, die bei der Diagnostik und Behandlung der Patienten genutzt werden sowie der kumulierten Anamnese der Patienten; und sie müssen erhoben werden, weil wir zur sauberen Dokumentation unserer Befunderhebung und Behandlung gesetzlich verpflichtet sind. Und sie könnten Mehrfachnutzen haben. Einerseits, weil Evidenz-basierte Medizin Evidenz braucht. Ohne epidemiologische Daten kann man nämlich nur sehr schwer herausfinden, ob die gegenwärtig installierten Prozeduren tatsächlich tun, was sie sollen – also in unserem Fall den Patienten wirklich helfen, oder ob wir’s nur so machen, weil man’s halt schon länger (immer) so macht. Manchmal habe ich nämlich den (höchst unangenehmen) Eindruck, dass verschiedene Protagonisten gar nicht so sehr daran interessiert sind, weil eine Änderung der Prozeduren sie notwendigerweise aus ihrer Komfortzone prügeln würde. Und die Bereitschaft zum Wandel war schon immer ein Problem. Nicht nur in meiner Profession…

Andererseits, weil diese Daten verschiedenen Institutionen und Personen im Verlauf einer Behandlung zugänglich gemacht werden müssen, um einen allzeit der Patientensicherheit förderlichen Wissensstand der Behandler gewährleisten zu können. Und auch da trifft man auf eine Menge Hindernisse, weil viele unterschiedliche Institutionen und Behandler mit höchst unterschiedlicher Tech-Infrastruktur und variierender Expertise in deren Nutzung in eine Patintenversorgung involviert sein können. Sinnvoll wäre mehr und tiefgreifendere Datenanalyse aber auch, weil eine sie Aufschluss darüber geben kann, welche Klientel, denen wir begegnen tatsächlich in ein Krankenhaus gehören – und welche nicht! Und zwar unabhängig davon, ob jemand glaubt, dass seine Convenience durch den Ritt im Pflasterlaster zur Ambulanz verbessert würde, man also tatsächlich annimmt, schneller dranzukommen, weil Blaulichtauto. Das ist nämlich eine Legende! Wie wir allerdings dahin kommen – also, ob wir uns darauf verlassen können, dass die Industrie und ihre Vertreter im Rahmen ihres Profit-Interesses jene Lösungen liefern können und wollen, die uns wirklich helfen, oder ob wir doch besser selbst zu Entwicklern unserer Arbeitsumgebung werden sollten – steht derzeit noch nicht fest. Nur eines ist sicher: alles bleibt anders. Oder besser: ALLES MUSS ANDERS BLEIBEN! Andernfalls fährt unser Gesundheitswesen mit Wucht an die Wand. Und das nicht nur in Deutschland.

Da aber aus meiner Sicht der Ruf laut werden muss, dass man der Wirtschaft durchaus einen guten Teil der Entwicklung von Produkten überlassen kann, politische Prozesse jedoch von Stakeholdern aus dem Feld moderiert und mit verhandelt werden sollten, gibt es nur den Weg, sich noch mehr selbst Lobby zu werden und alle möglichen Kanäle der Einflussnahme zu sichern. Das wird kein Leichtes sein, aber eines ist sicher: die berufsständischen Vertretungen gegenwärtigen Zuschnittes sind NICHT der Weisheit letzter Schluss, weil sie sich allzu oft in binnenpolitischem Klein-Klein verlieren und Partikularinteressen einzelner Parteien und Personen viel zu viel Raum in Diskussionen bekommen, die eigentlich sozialadäquat, sachorientiert und mit systemischem Blick von Fachleuten ohne Ego-Ambitionen geführt werden sollten. Ich sehe in Deustchland vieles, doch das eben benannte passiert VIEL zu selten! Wer hat Lust, sich mit mir und meinen Ideen auseinanderzusetzen? Ich wünsche euch ein schönes Pfingsfest. Grüße aus Tautavel.

Erwachsen bilden N°46 – unnütz…?

Ich habe am Anfang der Woche in der Klasse eines Kollegen den Unterricht übernommen, und war zuvor gebeten worden, etwas zum Thema „Lernen lernen“ zu machen; ich sollte also dazu beitragen, Metakognition und Lernstrategien der SuS zu stärken. Der Kommentar des Kollegen dazu war, dass ich sowas doch „aus dem Ärmel schütteln könne“. Um hier mit einem Vorurteil aufzuräumen – JA, ich beschäftige mich sehr intensiv mit verschiedensten Aspekten der Pädagogik, verantworte zumeist die Ausbildung der Ausbilder und bin folglich auch mit Lernstrategien, Mnemotechniken und Metakognition vertraut; aber aus dem Ärmel schüttele ich hier gar nichts, weil junge Menschen für so ein Thema abzuholen unfassbar kompliziert ist. So fiel die Reaktion auf meine Antwort, was wir denn nun machen würden am Montagmorgen auch eher verhalten aus. Subjektiv war da das Gefühl spürbar, dass sich damit befassen zu müssen für einige unnütz wäre. Davon darf man sich aber nicht ins Bockshorn jagen lassen. Das liegt einerseits an bereits vorhandenen und sattsam beübten Strategien einiger SuS; andererseits erscheint Lernen lernen zu müssen anderen wohl als zusätzliche Aufgabe. Und zusätzliche Aufgaben werden von vielen SuS nicht als Chance, sondern als Zumutung empfunden.

Ich bleibe dabei: Der Weg ist das Ziel!

Ich zog meinen Plan trotzdem durch! Das klingt jetzt ein bisschen, als hätte ich den ganzen Tag im Frontalunterricht losgelegt, was aber nicht der Fall war. Ich habe am ersten Tag zunächst in einem Impulsvortrag Lernen aus kognitions- und sozialpsychologischer Sicht dargestellt, sie eine Debatte über ein kontroverses Thema vorbereiten, führen und (kurz) selbst debriefen lassen; Dann mussten sie verschiedene Aspekte des Themas in Stufen sammeln, selbst erarbeiten und für das digitale Lerntagebuch darstellen. Am zweiten Tag habe ich dann mal in einer zweiten Präsentation unter die Haube des Lehr-Motors blicken lassen und danach die SuS dazu aufgefordert, kreativ zu werden. Mit gewissem Zeitdruck (nur 3 UE) ein Video entwickeln zu müssen (incl. obligat einzureichender Mind- Concept-Map und Storyboard/Drehbuch als weiteren Handlungs-Produkten) hat die Schüler dazu gebracht, sich dem Thema „Lernen“ auf drei sehr unterschiedliche (und wie ich fand sehr kreative) Arten zu nähern. Und ich bin noch nicht mal um eine Beurteilung sondern lediglich um ein kurzes Feedback gebeten worden. Man kann solche Handlungsprodukte auch nicht im Sinne einer Notengebung beurteilen – weil dies den selbstorganisierten Lernprozess entwerten würde. Ich hatte aber den Eindruck, dass sie einerseits einer Erweiterung ihres eigenen Methodeninventars für das Lernen und anderseits einem besseren Verständnis konstruktivistischer Lerntheorie näher gekommen sind. Mehr kann man realistischerweise kaum erwarten.

Meine Vorbereitung beinhaltete dazu Arbeitsblätter zur Selbsteinschätzung des eigenen Lernstils und für die Debatte, Powerpoint-Präsentationen, Metaplanarbeit und natürlich ein Artikulationsschema – dass ich am zweiten Tag teilweise über den Haufen geworfen habe, weil ich bemerken musste, zu viele Redundanzen eingebaut zu haben. Andererseits war die Klasse auch nicht so groß, so dass der Zeitbedarf für die Präsentationen bei den Gruppenarbeiten deutlich reduziert daher kam. Ich vergleiche die Arbeit der Lehrperson im Unterrichtsraum manchmal mit dem Job eines DJs. Nicht selten muss man den Beat (Content) on the fly neu abmischen, auf die Emotionen (auch die Ermüdung) des Publikums reagieren und schließlich improvisieren können. Impro geht aber nur mit ordentlicher Vorbereitung – ansonsten verheddere ich mich in meinen eigenen Gedankenkonstrukten und labere am Ende Stuss zusammen. Das geht also nur mit profundem Wissen und einem Plan B (und manchmal auch noch einem Plan C). Tendenziell hat man besser mehr Content vorbereitet, als man braucht; dass dies aber leicht gesagt ist, weiß ich. Insbesondere, wenn man das noch nicht ganz so lange macht. Ich muss meistens nur ein opaar Momente in meinem Fundus stöbern und los geht’s…

Ich las unlängst in Bob Blumes Buch „10 Dinge, die ich an der Schule hasse […]“, dass Bildung auch mal unnütz sein darf. Was er damit meinte, sind – so glaube ich zumindest – jene Inhalte, die nicht direkt und ohne Umweg einer irgendwie gearteten Verwertung zugeführt werden können. Und es mag sein, dass ich ihn falsch verstanden habe, aber für mich schmeckt hier das Humboldt’sche Ideal „proportionierlicher Bildung“ durch; also die Menschen in der Schule als Ganzes wachsen lassen zu wollen, auf dass sie ihre Wege in der Welt finden mögen. Mir ist das immer noch eine tröstliche Vorstellung, dass auch eine Berufsfachschule ein solcher Ort der Bildung sein könnte. Ich hatte im letzten Post dieser Serie über den Erziehungsauftrag gesprochen, den auch solche Einrichtungen haben wie jene, der ich vorstehe! Und ich nehme diesen nur ernst, wen ich einerseits meine Arbeit, aber eben auch die Subjekte dieser Arbeit – also unserer SuS – ernst nehme. Deshalb sagte ich vohin auch, dass eine Benotung bestimmter Handlungsprodukte diese entwerten würde. Denn das wäre so, als wenn ich – nachdem die SuS sich ein ganzes Stück weit selbst offenbart haben – deren Ergebnissen im Anschluss meine Sicht der Dinge überstülpe, und so Denk- und Sichtweisen quasi zu normieren und zu disziplinieren versuche. Unter solchen Voraussetzungen können wir selbstorganisiertes Lernen mit persönlichkeitsbildendem Charakter auch gleich ganz bleiben lassen!

Ich denke, dass wir gut daran täten, auch im berufsfachschulischen Bereich noch mal intensiv darüber nachzudenken, was eigentlich unsere Ziele sein sollen. Die Chefs, für die ich einer solchen Schule vorstehe, haben Erwartungen an das Tun meines Teams und meiner Person, die sich vor allem in den Bereichen Wirtschaftlichkeit und erhöhte Personalbindung abspielen. Mein Ziel jedoch ist es – und da werde ich fürderhin auch keinen Hehl drauß machen – Notfallsanitäter:innen auszubilden, welche diese Bezeichnung verdienen und überall einen guten Job machen können. Ob wir diese unterschiedlichen Interessen wirklich unter einen Hut bekommen können – und falls ja, wie – weiß ich nocht nicht, bin aber für jeden Diskurs offen. Sofern dieser nicht wieder Amygdala-gesteuert mit einem Monolog über Zahlen beginnt, und was man nicht alles tun müsste, um die Klassen voller zu bekommen, obschon jede Vernunft auf Grund der gegebenen Strukturen und Ressourcen gebietet, nicht auf Teufel komm raus Auszubildenden-Zahlen steigern zu wollen! Und aus pädagogischer Sicht schon gleich drei Mal nicht! Ach wäre es nicht schön, wenn das Leben mal einfach wäre…? Ich wünsche noch ein schönes Wochenende.

Das große Staunen N°2 – Wie?

Es gibt da in der Kognitionspsychologie so einen Begriff: „intrinsische Motivation“. Was das hiermit zu tun hat, erläutere ich nach einer Geschichte: Es ist schon eine Weile her, da waren wir alle sehr plötzlich gezwungen, „social distancing“ zu betreiben (Gott hat das manchmal GUT getan!), man durfte nur noch zu fünfzigst in einen Supermarkt (ganz angenehm, mal nicht Omma Brömmelkamps Wagen vor Ungeduld in die Hacken geknallt zu bekommen!) und ganz viele Arbeiten mussten plötzlich von zu Hause erledigt werden (ich habe den morning commute ehrlich gesagt nicht vermisst)!. Da war Home-Office plötzlich toll! Das galt auch für Unterrichtsveranstaltungen und ich habe in der Zeit einige Male aus meinem Büro zu Hause gesendet. Dabei hatte ich auch mal – quasi als Einladung zum Unterrichtsbeginn – morgens in die Chatgruppe der Klasse ein Bild meines vorbereiteten Arbeitsplatzes gepostet. Und musste mir dann den Spott meiner Twitch-streamenden Schüler:innen anhören, dass ich total unterausgerüstet sei… Konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen! Also habe ich im Laufe der Zeit immer wieder nachgerüstet, ausprobiert, rumgefrickelt, mir mehr zum Thema Live-Streaming beigebracht, bis ich halbwegs zufrieden war. Nur um dann eine Weile später wieder rumzufrickeln… usw. Ich durchlief diesen Repeating Circle mehrfach – und tue es heute noch gelegentlich. Aber nicht, weil ich unbedingt besser ausgerüstet sein will als meine Schüler (bin ich vermutlich bis heute nicht, weil’s auch noch Anderes gibt). Auf Twitch zu zocken ist nämlich nicht mein Ding, dafür sind meine Reflexe zu langsam. Mich interessiert einfach, wie ich meinen Heimarbeitsplatz auf die Bedürfnisse meines persönlichen Workflows optimieren, und wie ich es mir dabei ein bisschen gemütlich machen kann.

Worüber Herr Gibbon wohl staunt…?

Beim Staunen als Begriff geht es mir um verschiedene Aspekte: Warum man es erlebt (Auslöser)? Wie und auch wann man es erleben kann (Umgebungsbedingungen)? Wozu es u. U dienlich ist (Kreativität und Entspannung)? Was man dafür tun kann (Achtsamkeit, und Aufmerksamkeit)? Gewiss kommen mir noch andere Gedanken dazu, aber wenn ich mir heute das „WIE“ mal genauer anschaue, ist es natürlich oft Neugier, die eine*n dazu treibt, sich mit Dingen zu befassen, die Anlass zum Staunen bieten können. Wie z. B. die oben erzählte Geschichte. Neugier erzeugt intrinsische Motivation, also den Drang, sich mit etwas aus eigenem Antrieb, ohne Not oder Zwang von Außen zu befassen. Und ich war neugierig geworden, was es bräuchte, um in diesem Bereich meiner Arbeit (Distanz-Lehre in der Erwachsenenbildung) besser zu werden, habe nebenbei ein bisschen Blut geleckt, was das Thema Vlogging angeht (obwohl ich noch nicht sehr weit gedieen bin) und durfte feststellen, dass bereits vergleichweise geringe Investitionen an Engagement, Zeit und finanziellen Ressourcen die Dinge vorangebracht haben. Wenn man die Lernkurve in Betracht zieht, bin ich daran durchaus gewachsen; denn es hat mir neue Möglichkeiten aufgezeigt, kreativ zu werden, Dinge auszuprobieren und nicht zu sehr in einen typischen Trott zu verfallen, der für meine Psyche Gift ist, wie ich mittlerweile weiß.

Ob ich dabei gestaunt habe? Nun, ich denke, dass diese fixe Idee, dass Staunen mit lautem „AH!“, „OH!“, „HEUREKA!“ und großen, glänzenden Kulleraugen einhergehen muss dem Umstand geschuldet ist, dass wir mit Staunen immer das kindliche Staunen assoziieren. Ich mag dabei vielleicht gelegentlich milde gelächelt und gegiggelt haben (vermutlich klang es eher wie dieses irre Kichern eines verrückten Wissenschaftlers), aber um das wahre Ausmaß meines Staunens quantifizieren zu können, hätte ich dazu wohl in einem MRT liegen müssen – und ich mag enge Räume nicht mehr besonders. Folglich müsst ihr mit der Versicherung leben, dass es mich fasziniert, zum Staunen angeregt und in einige sehr schöne Selbstwirksamkeitserfahrungen geführt hat – frei nach Hannibal Smith’s legendärem Satz „Ich LIEBE es, wenn ein Plan funktioniert!“ (wer’s nicht kennt => die Originalserie „Das A-Team!“). Staunen kann beim Erwachsenen vermutlich viele, ganz unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen, aber man darf sich sicher sein, dass Menschen auch oberhalb des Grundschulalters noch ganz erheblich zum Staunen fähig sind; und dann in der Folge häufig Dinge tun, die andere auch zum Staunen anregen! Und das alles nur, weil sie sich fragen „WIE geht das?“. Indem Sie sich das fragen, tauchen sie in eine neue Materie ein – und aus der Frage wird durch das Staunen die Antwort, weil Staunen Fragen aufwirft, und damit zu einem Prozess des Lernens anregt!

Igitt – Lernen? Ja genau. Im Grunde kann Lernen nur dann richtig gut funktionieren, wenn wir uns entweder für den Gegenstand des Lernens interessieren, weil dieser uns fasziniert (also zum Staunen anregt), oder wenn wir durch psychologisches Re-Framing aus der Notwendigkeit eine Tugend machen – uns also durch frommen Selbstbeschiss zum Lernen motivieren. Ob dieser Text eine Motivationshilfe ist? Keine Ahnung! Ob jemand darüber staunt? Vielleicht! Ob’s jemand kommentiert? Bestimmt wieder nicht! Macht nix – denn mich regt die Beschäftigung mit diesen Medien hier immer wieder zum Staunen an, weil ich am Anfang nie weiß, wie der Text, der gerade durch meine Hände auf den Bildschirm fließt enden wird. So ist das bei den Autoren. Oft genug sind wir von unseren eigenen Geschichten überrascht. Mal schauen, was das Wochenende noch bringt. Einstweilen einen schönen Tag.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°45 – Erziehungsauftrag…?

Um die Essentials auf den Punkt zu bringen: auch Berufsfachschulen haben einen Erziehungsauftrag! In einer Zeit, in der nicht wenige (vor allem junge) Menschen so ihre Probleme damit haben, in der dynamischen Realität einer sich – subjektiv dauernd – weiter partikularisierenden Welt anzukommen, ist es verdammt schwierig, Vorbild zu sein; weil man ja gar nicht weiß, A) welche Qualitäten das jüngere Gegenüber nun wirklich in einem Vorbild sucht, B) Menschen meines Alters per definitionem „cringe white middle-aged cis-gender males“ sind und C) ja eh keine Ahnung haben, wie das alles funktioniert, weil wir halt einfach Schuld sind. Woran, ist oft genug egal. An dieser Stelle wichtig: no insults taken, no fucks given. Ich jammere nicht drüber, sondern nehme das einfach hin, und bleibe, der ich war und bin. Wir sind also auf dem unebenen Terrain der Persönlichkeitsbildung angekommen, die auch ohne den ganzen Internet-Quatsch, die ganzen Unsicherheiten und verschiedene gesellschaftliche Großtrends (weniger Solidarität, mehr Egoismus, häufig Style over Substance, etc. – ich habe doch schon mehr als genug drüber gelabert…) schon immer schwierig genug gewesen ist. Ich war auch mal dort, wisst ihr.

Ich könnte mich jetzt darauf zurückziehen, es halt nur bei meinen Kindern zu versuchen; also das Erziehen meine ich. Und ich sage bewusst versuchen, denn in der Erziehung ist es wie im Krieg – noch kein Schlachtplan hat die erste Berührung mit dem Feind unverändert überstanden. ABER, ich bin eben auch Leiter einer Berufsfachschule. Und entgegen dem, was ich oft sehe – nämlich das die jungen Leute schlicht normiert und zu funktionierenden Vitalparameter-Mechanikern*innen gedrillt werden – habe ich einen eher Persönlichkeits-orientierten Ansatz. Ohne das richtige Bewusstsein für die eigene (Berufs-)Rolle, und vor allem auch das Werkzeug, diese bedarfsflexibel anpassen zu können, passieren mit den jungen Leuten nämlich zwei Dinge: Erstens werden sie verdammt schnell von der Alltagsrealität eingeholt, dass die weitaus meisten Patienten keinen lebensbedrohlichen Notfall nach Definition IHRES Handbuches haben, sondern irgendwelche sozialen, psychologischen, wirtschaftlichen Probleme, die Mangels Verfügbarkeit besser geeigneter Instanzen aus Sicht der Hilfesuchenden im Ruf eines RTWs münden. (der verlinkte Artikel ist auf Zeit Online hinter der Paywall, allerdings bisher eine der besten Reportagen, die ich je dazu gelesen habe). Das führt zweitens in der Folge zu Desillusionierung und nicht selten zu einem zügigen Berufsfwechsel (=> Fachkräftemangel anybody…?).

Okay, ich habe erklärt, WARUM ich einen Erziehungsauftrag in der Berufsfachschule sehe. Das erklärt aber natürlich noch keinen Meter, WIE man das dann anstellt, wenn es doch oft genug einen gewissen Graben zwischen Fachlehrer*in und Schüler*innen gibt? Und der resultiert nicht immer aus dem Alter der Fachlehrer*innen. Häufig genug werden heute sehr junge Kollegen*innen in den „Schuldienst“ rekrutiert, wenn sie schon früh ein gewisses Talent für die Betreuung von Auszubildenden zeigen. Es ist aber ein himmelweiter Unterschied, auf seinem Rettungswagen, oder bei Praxisanleitungen auf der Wache ein paar wenige Individuen an die Hand zu nehmen, oder vor einer vollen Klasse zu stehen, in der naturgemäß kein dauerndes Eingehen auf Partikularbedürfnisse möglich ist. Es kommt in der Folge immer wieder zu folgenden Prozessen:

  • Mangelnde analytische Distanz: Da man der im Lehrsaal vertretenen Peergroup subjektiv näher ist, verwechselt man Schüler*innen mit Freunden oder Kollegen. So funktioniert Lehren aber nicht! Denn am Ende muss ICH unzweifelhaft objektiv bewerten können, ob die Person vor mir für diesen Job geeignet ist, oder nicht. Und „Oder nicht“ ist niemals eine populäre Ansage!
  • Doppelbelastung Studium – Lehre: Das muss man wollen. Und es wird von so manchem Schulleiter auf Lehrerfang gerne freundlich kleingeredet, dass man bis zum Abschluss oft genug auf dem Zahnfleisch gehen wird… Folglich schmeißen nicht Wenige alsbald das Handtuch und suchen sich was anderes.
  • Unsicherheiten im Umgang mit dem Curriculum: Da steht eine Menge Zeug drin, das nicht auf den ersten Blick intuitiv zugänglich ist. Warum man manchmal Umwege gehen muss, um ans Ziel kommen zu können, erschließt sich einem oft erst mit wachsendem Alter und zunehmender Erfahrung.

Zusammengefasst braucht es eine gewisse charakterliche und fachliche Reife, um junge Erwachsene für das Berufsleben fit machen zu können. Kommen wir direkt zum WIE zurück: Fachlehrer*innen sind Role-Models! Vorbilder! Um dies sein zu können, müssen Sie aber über ein paar Eigenschaften verfügen, die aus meiner Erfahrung heraus unabdingbar sind, um Persönlichkeitsbildung im Gegenüber ermöglichen zu können: Situationsadäquate Kommunikation. Zuverlässigkeit. Integrität. Führungsstärke. Fachwissen und Fertigkeiten. Diese Dinge wachsen jedoch nicht auf Bäumen, sondern nur durch angeleitete Erfahrung in den Fachlehrer*innen selbst. Das bedeutet, bevor das Lehrpersonal erzieherisch tätig werden kann, muss es erst mal selbst erzogen werden! Menschen lernen relativ viel am Modell und durch Imitation, was schließlich durch Reflexion des Erlebten und Gefühlten zur Integration in das eigene Handlungsrepertoire führt / führen kann. Abkürzungen funktionieren hier NICHT! Und das ist bei sozialen Skills leider nicht anders. Was bedeutet, dass sowohl unser Unterricht, als auch unser kollegialer Umgang miteinander nicht nur fachlich, sondern auch sozial fordernd sein muss. Lernen ist eine Zumutung, die nur außerhalb der Komfortzone wirklich zum Erfolg führen kann. 24 Folien Powerpoint pro Sekunde mögen einen Film ergeben – Notfallsanitäter*innen, welche diese Bezeichnung auch wirklich verdienen, ergibt das aber nicht! Wie man die Schüler*innen tatsächlich aus ihrer Komfortzone und hinein in echtes Lernen holt, dafür gibt es übrigens genausowenig eine Musterlösung, wie für die Notfallbilder, welche erlernt werden müssen – auch wenn Schüler*innen niemals müde werden, danach zu fragen.

GOTT WÜRDE ICH MICH FREUEN, WENN JEMAND MIT MIR ZU DISKUTIEREN ANFINGE! Schönen Tag noch.