Randnotizen eines Erschöpften #11 – was vom Tage übrig blieb…

Der Lindner von der FDP hat keine Ahnung von Steuergesetzgebung und rechnet den Quandts die Steuerbelastung schön. Warum? Das weiß nur er. Männliche Hühnerküken dürfen weiter geschreddert werden! Wo bleibt der Aufschrei nach Gleichberechtigung? Ein Sozialdemokrat meint, 12,00€ Mindestlohn würden Jobs kosten. Und manche Menschen glauben, dass Computer mit Hilfe von Algorithmen bessere Entscheidungen treffen würden, als Menschen. Hallelujah!

Wann immer ich mir die Mühe mache, irgendwelche Tagespostillen zu lesen, fällt mir, vor allem in letzter Zeit, vermehrt auf, dass die Technik-Gläubigkeit neue Höchststände erreicht und der Humanismus dafür immer weiter an den Rand gedrängt wird. Das erklärt natürlich relativ eingängig, warum nicht wenige Menschen heutzutage mit dem allzu Menschlichen, wie etwa den „Fridays for Future“ oder anderen Bewegungen, die uns ins Gesicht sagen, wie Scheiße wir mittlerweile wirklich geworden sind, so ihre Probleme haben. Doch diese De-Humanisierung ist nur ein Symptom.

Jeder von uns hat mit Kritik Probleme. Vor allem, wenn diese offensiv geäußert wird und überdies auch noch zutrifft. Ich kann mir da an die eigene Nase fassen, dass auch ich mitnichten stets den korrekten Ton treffe, wenn mich irgendwas trifft. Man darf ja auch gerne Mensch sein. Aber wenn die erste Wut verraucht ist und man die Gelegenheit bekommt, sich zurückzuziehen, sollte eigentlich ein Denkprozess einsetzen, der einen – zumindest im Idealfall – zu einem besseren Menschen werden lassen kann, wenn man sich auf die Veränderungen, welche einem die eigene Denke nahelegt denn einlassen will. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Bei den allermeisten Menschen geht es nicht darum, dass sie nicht verstehen, dass wir etwas ändern müssen; sei es nun sozial, ökologisch oder wirtschaftlich. Und dass es an jedem von uns selbst ist, der Politik so lange Feuer unter dem Arsch zu machen, bis sich überhaupt etwas ändert. Nein… es sind unsere Bequemlichkeit und unser steter Widerstand gegen die Veränderung als solches, die uns im Internet zu Anti-Greta-Trollen werden lassen, zu AfD-Wählern und Grünen-Hassern. Wir WOLLEN keine Veränderung, denn sie würde bedeuten, dass wir uns von lieb gewonnenen, kostbaren, wunderbar vertrauten Gewohnheiten trennen müssten.

Diese Gewohnheiten jedoch, so schlecht sie von Fall zu Fall auch sein mögen, sind unsere subjektive Garantie für eine sichere Zukunft. Wenn ich keinen Diesel mehr fahren darf, komme ich nicht zur Arbeit, verdiene kein Geld mehr, kann mir kein Schnitzel mehr leisten, mit dem ich unsere Wirtschaft ankurbele, was mein Gehalt steigert, damit ich mir einen schnelleren Diesel kaufen, mehr arbeiten und größere Schnitzel kaufen kann. „IHR SCHEISS-GRÜNEN WOLLT MIR MEINE EXISTENZ WEGNEHMEN!“ Dass die Sicherheit dieser Existenz eine Illusion ist, deren Dauer von so vielen Faktoren abhängt, die wir nicht beeinflussen können, haben wir offenkundig schon lange vergessen. Insbesondere, dass dieses Aufrechterhalten der Illusion um jeden Preis die Existenz, an die wir uns so sehr klammern noch viel schneller vernichtet. DUMME, DUMME MENSCHEN…

Und was bleibt nun am Ende vom Tage übrig? Nun, zum einen die Erkenntnis, dass ich es für mich und meine Lieben noch besser machen kann und werde. Und dass ich, allen negativen Auswirkungen auf meine persönlichen Befindlichkeiten zum Trotze nicht wegsehen kann, wenn online Scheiße gelabert und Unwahrheit verbreitet wird. In dem Zusammenhang ist mir auch etwas aufgefallen: wenn man offensiv gegen Trolle, Antidemokraten und Lügner vorgeht, werden sie zumeist recht schnell leise – denn sie haben keine Argumente; nur ihren Hass auf Veränderung. Lasst uns diesen Idioten gemeinsam entgegen treten. Denn im Gegensatz zu denen haben wir eine Zukunft, die wir selbst gestalten können und wollen. Schönes Wochenende.

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Me, Self and I #09 – noch ökologischer…?

Kohlendioxid-Emissions-Steuer. Was für ein langes Wort. Was für ein Haufen Probleme. Allseits großes Hauen und Stechen. Der angedachte Mechanismus ist eigentlich einfach: ich besteuere die Emission von CO2 bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, wodurch diese verteuert werden. Um daraus entstehende soziale Härten abzudämpfen, sollen die Einnahmen über ein Kopfpauschalensystem jenen zu Gute kommen, die wenig C02 erzeugen. Und da CO2 nun mal zu einem erheblichen Teil am – durchaus komplexen – Mechanismus der Erderwärmung teil hat, soll es eine Klimaschutz-Maßnahme sein.

Nun gibt es immer noch genug Menschen, die eine Erderwärmung durch unser Zutun für Käse halten (was wissenschaftlich eine nicht haltbare Aussage ist), jene, die immer mit dem Finger auf die Anderen zeigen und postulieren, dass die BRD allein das Klima nicht retten wird und wir es daher einfach ganz sein lassen sollten, um wenigstens wohlhabend in den Untergang zu schlittern (fatalistischer Egoismus vom Feinsten) und vor allem jene, die Besitzstände gewahrt sehen wollen und daher Einschnitte in ihre individuelle Haushaltskasse rundweg ablehnen; auch wenn die Kölner Bucht dann 2078 den Namen endlich verdient. Nach mir die Sintflut. Stop, ich habe die ganzen Greta-Hasser (man muss schon sehr mutig sein, um anonym ein 16-Jähriges Mädchen online zu verunglimpfen, dass sich wesentlich mehr Gedanken um seine Umwelt zu machen schein, als die allermeisten Erwachsenen), die (Auf)Rechten Nationalisten und die Manchester-Kapitalisten vergessen…

Und nun blasen viele der vorgenannten Protagonisten zum Sturm auf das Konstrukt, weil sie um ihre Pfründe fürchten. Ebenso natürlich gibt es auch jene, die tatsächlich darauf hinweisen, dass die aktuelle diskutierte Variante der CO2-Steuer wohl soziale Härten erzeugen wird, da sie Ältere mit kleiner Rente und Alleinstehende ganz generell benachteiligt – also diesen Gruppen höhere Kosten aufbürdet. Das ist natürlich problematisch, denn genau die leiden ja eh schon unter substanziellem Ressourcen-Mangel. Solche Härten auszugleichen, ist eine der Aufgaben jener Ministerialbeamten, welche die handwerkliche Ausgestaltung vorzunehmen haben.

Das jedoch eine Maßnahme, die explizit dem Klimaschutz dienen soll, indem CO2 eingespart wird für Menschen mit großem CO2-Footprint (und das sind nun mal häufig Menschen mit einem gewissen Einkommen) Einschnitte bedeuten kann, lässt mich kalt. Und es ist mitnichten so, dass ich selbst nicht vielleicht auch damit zu rechnen hätte. Aber wenn wir uns nicht endlich – und vor allem endgültig – von der Ressourcen-Verschwendung aus Luxus-Gründen verabschieden, werden unsere Kinder nichts mehr haben, dass sich verschwenden ließe; schon gar keinen Luxus.

Ich bin mitnichten ein Luddit, aber wir haben uns, speziell im letzten Jahrzehnt, an einen Lebensstil gewöhnt, der nichts mehr mit Vernunft zu tun hat. Immer noch viel zu viele Verbrenner auf den Straßen, jedes Jahr neue Gadgets, obwohl die alten noch gut sind, viel zu viel Fleisch und Wurst und Reisen um die Erde. Insbesondere wir in der ersten Welt verbrennen tagtäglich wortwörtlich die Zukunft Aller auf der Erde und es gibt tatsächlich Menschen, die sich über’s Schuleschwänzen aufregen? Obwohl uns diese Kinder einen Spiegel vorhalten. Da muss die Fratze, welche uns entgegen lächelt wohl doch recht hässlich sein; denn der getretene Hund bellt.

Wir alle tun gut daran, darüber nachzudenken, was wir selbst in ökologischer Sicht alles falsch machen. Bei mir ist es immer noch zu viel. Aber ich arbeite daran. Macht doch einfach mal dabei mit, unsere Welt zu retten, anstatt rumzunölen. Die meisten Helden tragen nämlich tatsächlich keine Capes…

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Erwachsen bilden #03 – Immergency…?

Einen nicht unerheblichen Teil meiner Arbeitszeit verwende ich heutzutage auf das Konzipieren und Durchführen von Simulations-Trainings. Ich arbeite in der Ausbildung von Rettungsfachpersonal und versuche dabei natürlich, mit der Zeit zu gehen. Ganz gewiss profitieren die Auszubildenden, aber auch das Bestands-Personal, welches immer wieder aufgerufen ist, seine Skills weiter zu entwickeln davon, wenn solche Szenarios möglichst nah an der Realität spielen. Möglichst nah an der Realität bedeutet allerdings u. U. einen nicht unerheblichen Ressourcen-Aufwand. Einerseits für die Materialien und Geräte – andererseits auch für die Schulung und Entwicklung der notwendigen Skills beim Ausbilder/Trainer selbst.

Die Prämisse ist, über eine Reduktion der Übungskünstlichkeit einen höheren Grad an Immersion zu erzeugen; also ein Für-wahr-nehmen des Übungs-Szenarios, was zu einem möglichst tiefen Eintauchen in die simulierte Realität führen soll. Wir wollen also quasi „Immergency“ erzeugen – Immersion in emergency. Und selbstverständlich sind dem Aufwand, den man dabei betreiben kann, kaum Grenzen gesetzt. Man kann bereits heute Tausende und Abertausende Euros in Material und Ausbildung investieren. Bei hohen Investitionen in die Qualifikationen bin ich da auch dabei. Was jedoch die Ausgaben für Equipment angeht, habe ich mittlerweile den einen oder anderen Zweifel, dass wir in die richtige Richtung gehen.

Man darf mich an dieser Stelle bitte nicht falsch verstehen: insbesondere das, was nicht unbedingt zu unserer alltäglichen Einsatzrealität gehört, müssen wir um so öfter üben, um im gegebenen Fall die indizierten Maßnahmen korrekt ergreifen zu können. Und ich bin stets bereit, für bestimmte Produkte Geld auszugeben, die einen leicht messbaren Mehrnutzen für die Aus- und Fortbildung erzeugen. So gehört zum Beispiel Video-gestütztes Debriefing nach der Simulation eindeutig zu den Dingen, von denen die Trainees (nicht nur subjektiv) profitieren; nämlich indem wir ihnen die Perspektive des Trainers auf ihr Tun zeigen und so den zweiten Learning-Loop anstoßen.

Doch wohin führt uns der Weg, wenn wir bei der Simulation immer mehr auf Immergency durch Technik setzen. Denn zweifelsfrei können wir mit den modernen Methoden erwartbare Reaktionen auf standardisierte Situationen drillen und durch Variationen auch das – oft notwendige – Um-die-Ecke-Denken in unseren Auszubildenden fördern. Was uns aber, wenn wir zu sehr auf technische Hilfsmittel setzen u. U. verloren geht, ist die Durchdringung der mannigfaltigen sozialen Aspekte unserer Tätigkeit. Ich brauche nicht unbedingt mehr Technik, um z. B. psychosoziale Notfälle zu simulieren, sondern vielmehr handwerkliche Skills als Ausbilder, die schon fast ans Schauspielerische grenzen.

Ich denke, erst die richtige Mischung aus Technik-Einsatz, wo er sinnvoll ist und stets entwicklungsfähigem Handwerk des Ausbilders/Trainers/Dozenten macht aus meiner Arbeit einen Gewinn für diejenigen, an denen ich sie ausübe – nämlich den jungen Kolleginnen und Kollegen, die unseren Beruf in die Zukunft führen werden. Das, was ich mir immer am meisten für meine Azubis wünsche – nämlich sie dahin zu führen, dass sie sich selbst und ihre Arbeit immer wieder reflektieren und aus eigenem Bestreben daran wachsen wollen – genau das muss ich durch mein eigenes Tun auch leben. Einerseits durch die Adaption neuer Simulations-Techniken, aber auch durch die Erweiterung meines persönlichen Methoden-Repertoires als Ausbilder. Denn auch für Ausbilder gilt – geführt wird von vorne und ich darf von niemandem mehr erwarten, als ich selbst zu leisten bereit bin. In diesem Sinne – frohe Pfingsten.

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Me, Self and I #08 – allzu beheimatet?

Manchmal schaut man in den Spiegel und fragt sich insgeheim, wer das wohl sein mag, der einen da anschaut. Keine Sorge, ich werde nicht langsam schizophren. Jedoch lässt sich schwer verleugnen, dass man sich angesichts der vielen Fragen zu allen möglichen Belangen des Daseins manchmal erst neu erden muss, bevor man weiter machen kann. Doch was erdet einen wirklich? Was bedeutet erden überhaupt? Rein technisch ist die Frage einfach zu beantworten, doch ich will mich natürlich mit dem psychologischen Aspekt befassen.

Übersetzt man es als Ableiten überschüssiger Energie, die wir in diesem Kontext mal als Stress denken wollen, bedeutet Erden aus menschlicher Sicht, festen Boden zu finden, auf dem sich Entscheidungen treffen lassen, weil man weiß, wer man ist und wo man hin will. Ein Zustand, um den vermutlich die allermeisten Menschen in unserer modernen ersten Welt immer wieder zu ringen haben. In einer partikularisierten Welt voller Optionen ist es nämlich oft gar nicht so einfach, zu wissen, was man will. Oder wer man eigentlich ist (bzw. sein möchte)?

Diesen sicheren Grund, den ich immer wieder mit mir selbst und denen, die mir wichtig sind aushandeln muss – den nenne ich Heimat. Mir ist bewusst, dass zu Heimat auch ein Gefühl der Vertrautheit, ein Wissen um das Funktionieren der Infrastruktur und ein Bewusstsein für die eigene Geschichte gehören. Doch all das bildet nur den Rahmen für mein eigenes Bild von der Realität. Das Bild, dass ich mir von meiner Heimat mache, kann von den Rahmenbedingungen ein Stück weit geprägt werden; ich muss es jedoch nicht davon bestimmen lassen. Denn so, wie mein Leben im Fluss ist, ist dies auch meine Heimat. Mich heimisch zu fühlen, dazu bedarf es neben der Vertrautheit (also zu spüren, dass hier andere wie ich sind) der Möglichkeit zur Verständigung (Die ist Teil von funktionierender Infrastruktur). Und hier beginnt – weil das vielen Menschen so geht – schon die Ebene der Probleme.

Was könnte man dann anfangen zu denken?

Zum Beispiel das hier: Er ist neu hier. Er sieht anders aus als ich. Er beherrscht meine Sprache nicht; oder zumindest nicht gut. Er ist fremd hier. Also ein Fremdkörper. Das bereitet mir Unwohlsein, weil es meinen sicheren Grund in Frage stellt. Denn, wenn viele von denen herkommen, ist es nicht mehr MEIN sicherer Grund, sondern es wird zu DEREN sicherem Grund und ich muss mir einen neuen suchen. Was ich nicht will. Außerdem haben die auch ganz andere Gebräuche (wiederum Teile von psychischer Infrastruktur). Die bedrohen mich, also müssen die weg!

Was könnte man stattdessen anfangen zu denken?

Nun, der ist neu hier und das funktioniert so nicht richtig. Er muss erst mal die Sprache und die hier üblichen Gebräuche lernen. Kann sein, dass er dann immer noch fremd wirkt, aber trotzdem reinpasst. Kann auch sein, dass das nix wird und er wieder dahin zurückgehen muss, wo er herkam. Sofern es da halbwegs sicher ist. Man kann, nein muss darüber diskutieren, wie sehr er sich den Gebräuchen anzupassen hat (bei Recht und Gesetz gibt es da allerdings keinen Spielraum); aber wenn er das schafft, soll er hier willkommen sein und sich in seiner neuen Heimat einrichten.

Einziger Unterschied zwischen den beiden Beispielen ist das Mindset des Betrachters. Über viele Dinge, wie etwa die Notwendigkeit, unsere Gesetze zu respektieren müssen wir gar nicht zu streiten. Doch was Heimat IST, definiert jeder für sich selbst. Und wie er mit seiner Heimat interagiert auch. Deshalb von vornherein ausschließen zu wollen, dass jemand von ganz woanders hier heimisch werden könnte, ist schlicht naiv. Wir Menschen sind verdammt anpassungsfähig, wenn es um das Überleben geht. Und bei so manchem ist das der Fall. Ob unser Staat die zusätzlichen Bürger integrieren kann, hängt von vielen Faktoren ab; strikte Ablehnung macht daraus allerdings eine selbst erfüllende Prophezeiung, so wie bei den sogenannten „Gastarbeitern“.

Letzten Endes wird es immer Streit darum geben, ob jemand von ganz woanders in MEINE Heimat passt, passen kann, oder nicht. Diesen Streit jedoch nur entlang ideologischer Dogmen zu führen, die reinen Befindlichkeiten entspringen, greift meines Erachtens zu kurz. Für mich ist Heimat ein multidimensionaler Begriff, dessen Rahmenbedingungen oft nur wenig mit meiner subjektiven Realität zu tun haben. Wenn ein Heimatminister also eine reale Aufgabe haben kann, dann die, diese Rahmenbedingungen für alle Menschen so zu gestalten, dass daraus ein individuelles Heimatgefühl erwachsen kann. Also Integrations-Hindernisse abzubauen. Sowohl für In- als auch für Ausländer. In diesem Sinne, noch einen schönen Tag, Her Seehofer…

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Der verwirrte Spielleiter #08 – in play?

Rollenspielern als uneingeweihte Person zuzuschauen, kann in den ersten Stunden (manchmal auch die ersten paar Sitzungen lang) recht irritierend sein. Oftmals wird da recht frei und auch ohne Ansage zwischen „in play“ – ich stelle meinen Charakter dar und das was ich sage, ist auch das, was er in diesem Moment im Spiel sagt – und „out play“ – gerne auch als „Meta“ bezeichnet; also Kommunikation rein zwischen den Spielern und dem SL – hin und her gewechselt. Was manchmal die Frage provoziert, ob ein Charakter das „in play“ gesagt habe? Denn so manche unbedachte Äußerung hat schon einen sorgsam vorbereiteten Plan gekippt, oder die Arbeit anderer Charaktere zu nichte gemacht.

Ich bin vor einer Weile auf Spielstile eingegangen; und auch auf den Umstand, dass manche Spieler eher wenig in ihre Rolle hineingehen, sondern lieber beschreiben und nur höchst selten in der ersten Person als ihr Charakter zu hören sind. Die Frage, die mich dabei immer umtreibt ist, ob der Grad der Immersion, den ich mir für meine Spielrunden wünsche – also die Tiefe des Eintauchens in die, von mir angebotenen Welten – auch kongruent ist mit dem, was sich die Spieler wünschen? In meiner ganz persönlichen Agenda als Spieler und SL möchte ich schon weit eintauchen und meinen normalen Alltag vergessen dürfen. Und ich brauche dazu das Einsteigen in meinen Charakter, indem ich als diese Person rede und nicht nur beschreibe.

Wenn jemand anders das nicht tut, dann bleibt der verwirrte SL zurück, denn es ist sehr schwer, in der Realität in den Kopf eines anderen Menschen hineinzuschauen. Auch ein Blick auf’s CT oder MRT wird da wenig Aufschluss darüber geben können, ob ich diesen Spieler genug flashen konnte; ich meine… genug für ihn. Denn das Dilemma ist klar. Was ich für mich selbst an Immersion als toll empfinde, kann für einen anderen Spieler zu viel, oder auch zu wenig sein. Natürlich helfen die Erfahrungswerte aus 30 Jahren Spielleiten, aber zumeist dauert es ein bisschen, bis ich mich auf jemandes diesbezügliche Bedürfnisse „eingegrooved“ habe.

Das ist aber nicht das einzige Problem. So wie ich versuchen muss, den angebotenen Grad der Immersion immer wieder nachzujustieren, beeinflusse ich damit auch das Investment des Spielers in meine Geschichte. Treffe ich nämlich den richtigen Ton nicht, macht der Spieler nicht mit. Oder zumindest nicht so, als wenn ich ihn mit der Geschichte richtig hätte einfangen können. Natürlich kläre ich mit den Spielern vorher, was für eine Art von Spiel wir, auf welcher Basis, miteinander spielen möchten. So bestimme ich den Grundton des Spiels und kann mich zumindest darauf verlassen, dass das Setting und das Regelwerk passen. Doch ob sie mir die Geschichte abkaufen – oder besser sich in diese Geschichte einkaufen – hängt eben auch davon ab, ob ich das richtige Maß an Immersion und damit Player-Investment treffe.

Wünschen sich meine Spieler einfach nur Rätsel? Intrigen? Hammerharte Action? Charakter-Spiel? Nehmen wir zum Beispiel eine Charakter-NSC-Interaktion, in welcher auch Gefühle eine Rolle spielen. Und das passiert regelmäßig, wenn ich NSCs benutze, die nicht einfach nur wie eine bemalte Kulisse daherkommen. Der undurchsichtige, steife Anzugträger, der versucht einen meiner Charaktere davon zu überzeugen, einen Verrat zu begehen, um mit allen Ehren in eine Heimat zurückkehren zu können, die der gar nicht mehr als Heimat empfindet, kitzelt jede Menge Player-Investment raus. Insbesondere, wenn der Anzugträger auf mehreren Ebenen die Antithese zum Spieler-Charakter darstellt.

Das funktioniert aber nur, wenn der jeweilige Spieler sich darauf einlässt. Gleiches gilt für NSCs, die ein potentielles Love-Interest darstellen könnten. Wenn ich NSCs baue, folgen die mechanischen Aspekte den Notwendigkeiten ihres Einsatzes. Damit ist aber wenig über ihre Motivation, ihre Emotionen, ihre Moralvorstellungen, etc. ausgesagt. Genauso wie bei einem Spielercharakter, ist bei einem NSC ein Blatt mit Zahlen nicht mehr als eine Blaupause, auf welcher die tatsächliche Persönlichkeit der Figur erst nach und nach Konturen gewinnt. Was bedeutet, dass auch NSCs ihre Pläne ändern und anpassen, mal hier, mal dort Allianzen eingehen, oder Feindschaften schließen.

Ich bin davon überzeugt, dass erst ein „passendes“ Set von NSCs, insbesondere solchen, die öfter auftauchen, es erlaubt, den richtigen Grad an Immersion und damit Player-Investment zu finden und dann auch regelmäßig zu erreichen. Auch das Problem der unterschiedlichen Anforderungen der Spieler lässt sich damit gut moderieren: nämlich indem ich jedem, zum jeweiligen Spielstil passende NSCs zukommen lasse. Wenn die Spieler nämlich darauf einsteigen, hat sich Frage „War das In Play?“ alsbald erledigt. In diesem Sinne – always game on!

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Me, Self and I #07 – allzu gewollt?

Ich bin, was manche Dinge angeht ein ziemlich normaler Typ: ich habe eine Familie, die mir manchmal, aller Liebe zum Trotz, den letzten Nerv raubt. Wenige wahre Freunde, mit denen ich immer noch stetig Kontakt pflege. Einen Job, der mich fordert, aber wenigstens meistens Spaß macht. Und natürlich Schulden; also das ganze Portfolio des Mittelstands-Mittvierzigers. Man könnte auch sagen: so cliché!

Auf der anderen Seite pflege ich seit 30 Jahren ein Hobby, das erst in letzter Zeit ein bisschen Mainstream geworden ist: Rollenspiel. Und das kotzt mich irgendwie an. Denn früher konnte man sich wenigstens beim Zocken un-mainstreamig fühlen. Da sind aber auch noch andere Aspekte, durch die ich mich als was Besonderes definiere; so wie jeder andere Mensch das auch tut. Und so wie die allermeisten von uns bin ich nicht besonders. Nicht besonders schlau, oder geschickt, oder stark. Ich bin einfach ich.

Wie jeder Mensch habe ich Träume. Welche, an denen ich festhalte, welche, die ich tatsächlich aktiv verfolge und jene, die ich zur Ruhe gelegt habe. Um einen meiner alten Freunde zu zitieren: es gibt da in meinem Hinterkopf einen Gottesacker, den ich stets alleine besuche. Denn dort stehe ich manchmal und streichle traurig die Grabsteine dieser gestorbenen Träume. Und weiß insgeheim doch genau, dass jeder so einen Friedhof im Hinterkopf hat. Denn was wollte man nicht schon alles tun…?

Als Kind lernt man – meist mühsam – Bedürfnisverzicht. Sich selbst zugunsten anderer Menschen oder einer Sache zurückzunehmen, sich mit dem zufrieden zu geben, was man jetzt gerade hat. Und doch hört das Wollen nie auf. Denn aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben; zumindest nicht in einer Welt andauernden Konsum- und Wachstums-Versprechens. Schwierig wird es allerdings in dem Moment, da sich unser Wollen auf etwas einschießt, das nur sehr schwer zu erreichen ist. Denn oft steht am Ende der Geschichte nur ein weiterer Grabstein auf dem eben beschriebenen Gottesacker.

Ich schrieb irgendwann die Tage, dass ich doch eigentlich zufrieden sein müsste, anstatt wieder einmal im finsteren Tal der Depression umher zu irren. Aber ich glaube, jetzt zumindest eine Teilantwort darauf gefunden zu haben, was mir momentan so sehr auf’s Gemüt schlägt. Natürlich hat das mit Wollen zu tun, denn sonst hätte ich ja nicht mit den obigen Ausführungen starten müssen, oder…?

Das größte Problem ist, dass Wollen und Träume manchmal miteinander konfligieren. Wir wollen etwas allzu oft, weil es vernünftig ist und uns erlaubt, zum Beispiel im Job weiterzukommen; was uns dann erlaubt, sich selbst und den Lieben mehr Wünsche erfüllen zu können. Zumindest reden wir uns ein, dass ein bisschen mehr Kohle, die man in einer neuen, bedeutenderen Position erzielen kann uns tatsächlich weiter bringt.

Doch tatsächlich ist es nicht das, was uns glücklich macht. Ich werde vermutlich demnächst aufsteigen können, wie man das so schön nennt. Es läuft also eigentlich alles super. Ich habe meinen Immatrikulationsantrag für ein Masterstudium auf den Weg gebracht, in dem Wissen, dass ich noch knapp 25 Jahre arbeiten muss und dabei lieber führen als geführt werden möchte. Und doch bleibt ein schales Gefühl; nicht dem Herzen zu folgen, sondern wieder nur das zu wollen, was vernünftig ist.

Denn eigentlich will ich vor einem alten Natursteinhaus sitzen, das auf einem sanften Hügel liegt, umgeben von uralten Olivenbäumen und Weinreben. Ich will mir immer neue Geschichten ausdenken und erzählen. Und ich wünschte mir so sehr, mehr Zeit für die Menschen und Dinge zu haben, die mir etwas bedeuten, anstatt der Illusion von Karriere hinterher rennen zu müssen, weil Träume meist nun mal kein Essen auf den Tisch bringen, den Kleiderschrank füllen, oder den Turnverein für die Kinder bezahlen.

Ich bin, was ich bin ; das was man sehen kann, weil ich es zulasse. Aber auch das, was ich in den tiefsten Tiefen meines Selbst verberge. Wenigstens gibt mir das die Sicherheit, dass man mir meine Träume nicht einfach wegnehmen kann. Ob ich sie zu Grabe lege oder weiter träume, ist ganz allein meine Entscheidung. Wir alle sollten, wenigstens dann und wann wagen, mehr zu träumen…

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Randnotizen eines Erschöpften #10 – opium populi?

Ich gebe es hiermit offen zu – ich kann es nicht lassen. Immer wieder wandere ich hinab in die Niederungen des Rechtspopulismus um an jene zu appellieren, von denen ich denke, dass sie sich aus verständlichen Gründen auf einen falschen Weg begeben haben. Und vermutlich denken die genau das gleiche über mich, denn ich bin ja nur eine elende, dreckige, links-grün-versiffte Schmarotzer-Zecke, die sich auf Kosten der „Leistungsträger“ vollkommen leistungsfrei durchfressen möchte. Ach stop, dass ich ein recht normaler Mittelstandstyp bin, der sich auch nur Sorgen um sein Land macht, zählt ja nicht, denn das würde ja bedeuten, dass man nicht mit dem Finger auf mich zeigen kann, weil ich ihnen zu ähnlich bin, nicht wahr…

Doch wann immer ich mich dort aufhalte, wo meine Komfort-Zone schon lange zu Ende ist, muss ich die wahrhaft erschreckende Argumentenarmut der Populierenden feststellen. Wenn man nichts Sachliches beitragen kann, nutzt man das niederträchtige Verächtlich machen des vermeintlichen Gegners. Ein stets auf’s neue abschreckendes Beispiel ist Stephan Paetows Kolumne „Blackbox“ auf „Tichys Einblick„. Was der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der Bildzeitung für Pseudo-Intellektuelle „Focus“ dort regelmäßig von Stapel lässt, verursacht mir Brechreiz. Noch schlimmer ist allerdings die Wirkung, welche er damit erzielt; denn seine Fans feiern seine Menschen verachtenden, chauvinistischen, rassistischen und ganz und gar undemokratischen Sichtweisen, als wenn er sowas wie ein ernst zu nehmender Journalist sei. Und loben seinen Witz, wo es NICHTS zu lachen gibt.

Offenkundig nicht dazu gedacht, zu informieren, damit man sich selbst eine eigene Meinung machen kann, sondern gezielt so gestaltet, Meinung direkt zu transportieren ist dies nur eine von vielen Seiten, die – wenngleich seriös daherkommen – alles andere als seriös ist. Wenn man fragt, was denn Lügenpresse wirklich bedeutet, kommt man leider nicht umhin, als Antwort die Frontpage von „Tichys Einblick“ zu präsentieren. Würde man dort die Fakten präsentieren, so wie sie sind, gäbe es sicher immer noch Menschen, die sich auf Grund ihrer Schlüsse als so reaktionär einordnen würden, dass man den Begriff „Nazi“ getrost verwenden könnte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jene, die gerade nach einer neuen Orientierung in einer Welt ohne gut erkennbare soziale und politische Landmarken suchen, dann so weit rechts landen, wäre allerdings deutlich geringer. Dass sich die Konsumenten dann auch noch bei anderen „liberalen“ Leitmedien wie der „Neuen Zürcher“ oder der „Jungen Freiheit“ komplementär informieren, komplettiert das Parallelfaktenuniversum in geradezu beängstigender Weise. Wobei rechts natürlich der falsche Begriff ist. Der, in diesem Post von mir ausgeführte Mechanismus der Partikularisierung macht einen solchen politischen Kompass obsolet. Ebenso, wie er übrigens die Klassenkampf-Rhetorik der SPD und der Linken obsolet macht. Die Mechanismen der Macht zur Kenntnis zu nehmen, wäre diesen Menschen dienlicher, als irgendwelchen gestrigen Rattenfängern hinterher zu rennen, die eine gute alte Zeit propagieren, die es so nie gegeben hat.

Aber das wäre ja zu einfach. Dann müsste man ja selbst denken, anstatt sich freiwillig zum Claqueur der Populisten zu degradieren, und gleichsam zur Nutte des Konsums zu werden. „Opium des Volkes“, so nannte Marx die Religion. Die wird in unseren Breiten immer unwichtiger; da wundert es also wenig, wenn die Populisten mit ihren einfachen Antworten auf komplizierte Fragen und vor allem einem klaren Feindbild es sehr leicht haben, jene hinter sich zu scharen, die nach Antworten und einem Feindbild suchen, in der Hoffnung, ihrer Existenz wenigstens ein bisschen Sinn geben zu können.

Ich frage mich, wie lange ich hier noch schreiben kann, bevor irgendwelche im Stechschritt marschierenden Idioten meine Karre anzünden, meine Frau und meine Kinder und mich bedrohen, weil selbst denkende Menschen mit einer eigenen, auf Durchblick basierenden Meinung den Reaktionären Kräften schon immer ein Dorn im Auge waren? Wir werden sehen. Bis dahin hören wir uns weiterhin regelmäßig…

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Alter Sack – am Arsch…

Ich habe gerade spaßeshalber mal geschaut, was ich zu Beginn dieses Blogs, also vor etwa sechs Jahren, im Mai 2013 zum Besten gegeben habe. Mir fiel ein Artikel auf, der sich offensichtlich mit einem Aufmacher in der Wochenpostille „Stern“ beschäftigte. Da ging es wohl um das Thema „40, was nun?“. Damals war ich noch nicht mal 40, habe mich aber tierisch darüber aufgeregt, dass die Autorin wohl zu dem Schluss kam, dass man nach 40 automatisch langsamer wird (werden muss), weil’s nicht mehr so geht. Und mir ging tierisch der Hut hoch. Retrospektiv betrachtet vollkommen zu Recht!

Ex post betrachtet stellen sich die vergangenen sechs Jahre in vielerlei Hinsicht als ein Parforce-Ritt dar, der mich durch viele Tiefen aber auch einige Höhen geführt hat und mich nun, mit knapp 45 vor neuen Projekten und Aufgaben hat ankommen lassen, die man getrost als ein wichtiges Etappenziel bezeichnen kann. Eigentlich bin ich genau da, wo ich sein will. Nicht dass ich vor sechs Jahren präzise hätte sagen können, wo ich hin will; auch, wenn ich damals im Grunde meines Herzens schon wusste, dass mein alter Arbeitgeber mir nicht gut tut.

Ich sagte Etappenziel, weil’s jetzt erst richtig losgehen soll. Zumindest beruflich. Und auch, was mein liebstes Hobby, das Geschichten erzählen (oder besser: das Bücher schreiben) angeht, läuft’s gut. Privat befinde ich mich zudem nach wie vor in halbwegs stabilem Fahrwasser. Wenn da nicht mein alter, dunkler Freund wäre, der mich in letzter Zeit dann und wann besucht hat, um mich daran zu erinnern, dass zu hoch zu fliegen für mich keine Option darstellt: Depressionen.

Es wäre manchmal fast zum Lachen, wenn es sich nicht nach dem Gegenteil anfühlen würde: objektiv betrachtet könnte es im Moment nur schwerlich besser laufen und ich kratze gerade am Grund eines tiefen, kalten Beckens an den Steinen und frage mich, wie man da raus kommt. Es ist nicht so, dass mich das an irgendwas hindert, oder von irgendwas abhält. Im Gegenteil „funktioniere“ ich fast schon exzellent. Beängstigend exzellent, wenn man die Innenschau in Betracht zieht.

Gegenwärtig nehme ich das mit Irritation zur Kenntnis und versuche das Beste daraus zu machen; mich nicht zu sehr über jene zu ärgern, die mein Leben gelegentlich unnötig schwerer machen, oder meinen, mich benutzen zu können, wie’s ihnen in den Kram passt. Ich habe eine Familie, die – wie Familien nun mal sind – mal mehr Stütze und mal mehr Schubser ist. Und ich habe einige wenige Freunde, auf die ich mich stets verlassen kann. Und doch… und doch fehlt etwas. Nämlich das Gefühl von Glück.

Es ist ja nicht so, dass man als Mensch ein Anrecht auf dauerndes Glücklichsein hätte – auch wenn ich finde, dass man das ruhig in die Menschenrechtscharta mit aufnehmen könnte. Aber im Moment ist es dessen persistente, sachgrundlose Abwesenheit, die an mir nagt. Ich bitte daher um Entschuldigung, wenn meine übliche Benutzeroberfläche manchmal rissig wird und ich dem einen oder anderen nicht so begegne, wie er oder sie das verdient hätte. Manchmal ist einfach alles zu schwer. Dennoch möchte ich allen ein akzeptables Restwochenende wünschen.

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Gemeindenotfallsanitäter – wie läuft’s?

Vor einem knappen Jahr hatte ich einen Blogpost veröffentlicht, der sich mit dem Oldenburger Pilotprojekt befasst hatte. Mittlerweile ist das Projekt am Laufen und ich verfolge die Entwicklung mit großem interesse. Auch, weil ich immer noch die Idee verfolge, derlei auch im Südwesten umzusetzen. Daher hier Re-Blog meines damaligen Posts vom 18.05.2018:

Es ist also soweit: im Landkreis Oldenburg startet nun ein wissenschaftlich begleitetes Projekt zur Etablierung eines Gemeinde-Notfallsanitäter-Systems. Und schon kommen Kommentare wie “billiger geht’s wohl nicht”. Tja, dümmer geht’s wohl nicht… Was soll ein GNFS denn tun? Hat sich mal jemand echte Gedanken über diese Frage gemacht? Wer aufmerksam liest, stellt einige Punkte fest, die interessant sind:

  • Alarmierung durch die Ortszuständige integrierte Leitstelle
  • Alarmierung bei Situationen unterhalb der Notfallschwelle
  • mehrmonatige Zusatzausbildung

Ein Gemeinde-Notfallsanitäter wird hier gedacht als Gatekeeper, der einer weiteren Überschwemmung der Notaufnahmen und des Rettungsdienstes mit unnötigen Bagatelleinsätzen Einhalt gebieten soll. Wenn ich das wenige, was bisher bekannt wurde richtig interpretiere, ist dies ein erster Schritt zur Veränderung der Akut-Versorgung, wie wir sie kennen. Und aus mehreren Blickwinkeln vermutlich der richtige: Aus ökonomischer, weil unnötige Hospitalisierungen und deren Folgekosten vermieden werden. Aus organisatorischer, weil eine Disposition aus einer Hand die Ressource RTW und NA für echte Notfälle freihält. Aus Sicht der Arbeitsgestaltung, weil es eine neue Chance zur Weiter-Qualifizierung schafft. Aus medizinischer, weil der GNFS eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Komponenten des Gesundheitswesens sein könnte. Und aus sozialer, weil es einen Teil der Sorge für die Gemeinschaft wieder näher an die Gemeinschaft trägt.

Sieht man sich nämlich amerikanische Community Paramedic Programme an (hier z.B.- aus Minnesota), so wird klar, dass diese auch für präventive Aspekte Sorge tragen sollen; also z.B. das Monitoring von chronisch Kranken, die Nachsorge nach Klinik-Aufenthalten organisieren oder auch Unterricht in medizinischer Selbstkompetenz planen und durchführen. Für diese Aufgaben ist der deutsche NFS ebenso wenig ausgebildet, wie der amerikanische Paramedic (wobei es den als Archetyp ja gar nicht gibt), was aber bedeutet, dass derjenige, der ein Curriculum für GNFS entwickeln möchte/soll tatsächlich “dicke Bretter bohren” muss, um es mal mit den unnachahmlichen Worten unseres Landesinnenministers zu sagen…

Hier mal ein Vorschlag für eine Grobstrukturierung eines solchen Curriculums:

  • 40 h Einführung in die Aufgabenbereiche des GNFS
  • 160 h Erweiterte Grundlagen der Pflege (davon 40 h Praxis-Einsatz auf Station)
  • 40 h Schnittstelle Pflege/Nachsorge – Akutversorgung
  • 360 h Krankheitslehre / Pharmakologie (davon 40 h Praxis-Einsatz in Arztpraxis und 40 h Praxis-Einsatz in einer ZNA)
  • 40 h Erstellung eines Behandlungsplans
  • 80 h Methodisch-Didaktische Aufbauschulung  zum Ausbilder für medizinische Selbstkompetenz (davon 20 h Hospitation in einer Ausbildungseinrichtung im Gesundheitswesen)
  • 40 h Rechtsfragen: u.a. Haftung und strafrechtliche Fragen, Delegation
  • 40 h Abschlusswoche mit Prüfung

Wären netto 800 h Ausbildung, die von einer E-Learning-Plattform zum Selbststudium und  weiteren Praxisbegleitungen in der Anfangsphase flankiert werden müssten. Die Voraussetzungen wären:

  • mind. 2 Jahre als NFS tätig gewesen
  • Aufnahmetest zur Ausbildung
  • Monitoring durch ein Board aus Ärzten (sowohl NA als auch aus dem hausärztlichen Bereich) und erfahrenen Pflege-, sowie NFS-Ausbildern.
  • obligate 48 h anstatt 30 h Fortbildung pro Jahr

Ich würde mich gerne an der Etablierung eines solchen Ausbildungsganges beteiligen. Sonst noch wer?

Randnotizen eines Erschöpften #09 – Popanz und Populismus

Menschen – und ich zähle, wenn auch wiederwillig, immer noch dazu – neigen zur Simplifizierung. Große Komplexität macht uns Angst, weil die allermeisten von uns NICHT in der Lage sind, große Zusammenhänge sinnbringend zu durchschauen. Also versuchen wir es erst mal mit einem kleineren Bild… und in der Folge auch mit dem kleineren Lösungsansatz. Insbesondere, wenn sich das wahre Problem in einem großen Wirrwarr von gegenseitigen Abhängigkeiten verbirgt.

Nun ist reziproke Dependenz leider eines der Hauptmerkmale unserer modernen Gesellschaften. Wir sind so viele, mit so vielen Interessen und Problemen. Und selbst, wenn diese Sorgen und Probleme und Interessen gebündelt werden, indem wir dafür Interessenvertretungen bemühen – z. B. Parteien, Gewerkschaften, etc. – bleibt immer noch der Prozess, innerhalb einer solchen Interessenvertretung Konsens über das gemeinsame Ziel herstellen zu müssen.

Die Partikularisierung der Gesellschaft, vorangetrieben durch deren fortwährende soziale und kulturelle Entwicklung, hat jedoch dieses Erzielen von Konsens immer schwieriger gemacht und tut dies noch. Und trotzdem erwarten die Menschen noch einfachere Antworten auf immer komplexere Fragen. Es braucht wenig Phantasie, um zu erahnen, wo das hinführt; nämlich bis zu einer weitreichenden Lähmung unserer demokratischen Institutionen, da deren Mitarbeiter in genau dem gleichen Fehlschluss gefangen sind, wie die Bürger, deren Interessen zu vertreten sie eigentlich aufgerufen sein sollten. Doch auch unsere Volksvertreter sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Das allein könnte man vielleicht noch irgendwie kompensieren. Doch in eben dem Maße, in dem diese Komplexität uns behindert, ist sie jenen hilfreich, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben. Und auch, wenn es Ausnahmen geben mag, sind diese doch nur dazu gut, die Regel zu bestätigen: jene die sowieso schon haben nutzen jede Deckung, welche unser Gesellschaftssystem bietet, um noch mehr in Besitz nehmen zu können, vernichten dabei nicht nur Existenzen sondern auch unsere Umwelt und zeigen stets mit dem Finger auf die anderen, um sie an ihre Eigenverantwortung zu erinnern.

Dabei ist Eigenverantwortung mittlerweile eine Illusion. Selbst wenn ich hart arbeiten gehe, stets pünktlich meine Rechnungen zahle, versuche, meinen CO2-Abdruck zu verkleinern, meine Kinder zu vernünftigen Menschen zu erziehen, Nazis, Rassisten und Chauvinisten entschieden entgegentrete, mich in meiner Gemeinde engagiere; also durch und durch ein verantwortungsbewusstes Individuum bin – habe ich keinerlei Einfluss auf unsere Politik. Den nehmen nämlich nur jene, die sich durch geschickten Einsatz ihrer vielfältigen Ressourcen stets an der richtigen Stelle Gehör verschaffen können.

Sie verstecken sich dabei hinter dem wohlfeilen, jedoch überkommenen Bild einer wünschenswerten Mittelstands-Gesellschaft. Die kann es aber – in deren Narrativ – nur geben, wenn jeder schön für sich tut, was ihm gesagt wird. Und dann kommt ein Kevin Kühnert daher und faselt von demokratischem Sozialismus. Und weil die Beißreflexe der selbsternannten Leistungsträger durch 70 Jahre ordoliberaler Indoktrination so schön konditioniert sind, fangen gleich alle an, die DDR-Keule zu schwingen. Armselige Narren, allesamt… Kevin K. wurde zum Popanz aufgebläht, obwohl er lediglich etwas angemerkt hat, was in der Bevölkerung schon lange als real erlebt wird: steigende soziale Ungleichheit. Und das diese nicht etwa entsteht, weil die Menschen sich nicht genug anstrengen würden.

Was mir dabei aufgefallen ist: alle schreien immer gleich „Populismus!“, wenn irgendein AfD-Fuzzi was Dummes oder Rassistisches absondert (was ja zumeist nur eine Frage der Zeit ist); wenn jedoch ein Politiker (OK, ein JUSO…) ein Thema aufrollt, das durchaus von relevantem gesellschaftlichen Interesse ist, jedoch nicht von Interesse der Habenden und andere ihn dann verbal platt zubügeln versuchen, redet so gut niemand von Populismus, weil die Lobbyisten der Habenden die Politik offensichtlich gut im Griff haben. Wen soll man denn da wählen, am 26.05.? Ich werde hier kein Votum abgeben, aber die schwarzen, die Gelben und die Blauen bekommen meine Stimme gewiss nicht. Schönen Sonntag noch.