A snipet of stress!

Scheuklappen. Es fühlt sich an, als trüge man Scheuklappen. Man rennt fort und fort seiner Zeit hinterher, hetzt von Termin zu Termin, sieht nur noch Aufgaben, Anforderungen, Projekte und vergisst dabei nicht nur seine Lieben, sondern manchmal sogar sich selbst. Alle Welt spricht seit einer Weile immerzu von Arbeitsverdichtung, aber was dies Wort tatsächlich bedeutet…? Sicher ist, dass es für jeden andere Schmerzgrenzen gibt, dass weitaus nicht jeder gleichviel abkann, dass nicht jeder das eigene Belastungslevel gut justieren kann. Aber selbst wenn man normalerweise weiß, was man sich zumuten darf und was nicht, verrennt man sich gelegentlich unversehens in seinen eigenen Plänen. „Das krieg ich (auch noch) hin!“ ist meistens dann eine dumme Aussage, wenn man es zum dritten oder vierten Mal hintereinander sagt…

„Blöd bleibt blöd, da helfen keine Pillen…“. Schon mal gehört? Ganz bestimmt… und es stimmt immer noch. Denn selbst Psychopharmaka versagen. Ich nehme zwar keine mehr, aber falls ich meine Work-Life-Balance nicht bald wieder ein bisschen besser auf die Reihe kriege, könnte es wieder nötig werden. Ich will hier nicht jammern. Alles läuft gut. Vielleicht ist sehr gut aber zu gut, wenn es mich dazu bringt, mir zu viel aufzuladen. Das Gefühl, wieder obenauf zu sein, gepaart mit einer dezenten NEIN-Schwäche führt mich immer mal wieder an den Rand des Wahnsinns. Doch wenn man beginnt, sich zu fragen, ob das alles auch seine Richtigkeit hat, ist es schon zu spät, weil man wieder in diesem Hamsterrad steckt und rennt und rennt und rennt…

Dies ist kein Hilferuf! Es ist eher ein öffentlicher Versuch, mit mir selbst zu klären, dass ich jetzt – bildlich gesprochen – wieder auf die Bremse steigen und drauf stehen bleiben muss, auch wenn ich dabei ein paar Beläge opfere. Anders gesagt musste und muss ich noch immer verschiedene Dinge zurückstellen, die mir eigentlich am Herzen liegen; wenigstens so lange, bis ein paar Etappenziele, die jetzt langsam in greifbare Nähe gerückt sind, erreicht worden sind. Da geht’s vor allem um das Bloggen, das Zocken, bestimmte Engagements und manchen sozialen Kontakt, denn höchste Priorität genießen, neben meinen drei Mädels daheim, aktuell mein Studium, aber auch mein Job und mein – zumindest gefühlt – immer noch neuer Arbeitgeber, für den ich einige andere Aufgaben übernommen habe.

Wie gesagt, damit hadere ich nicht, ich habe es bewusst so gewollt! Ich habe mich einfach verzettelt und muss das jetzt büßen. Aber bald werde ich wieder Morgenluft schnuppern, ich kann sie schon fühlen. Dann werde ich bald darüber lachen können, während ich euch allen mit einem feinen Pot Still Whisky zuproste und sage: „Waren doch nur ein paar Schnipsel Stress…“

Das Fratzenbuch als Spiegel.

Ich glaub‘, ich steh‘ im Wald! Wenn man dieser Tage so durch die sozialen Netzwerke segelt, gewinnt man den Eindruck, dass diese immer mehr verlanden; und das bezieht sich nicht wirklich nur auf die Menge von Hetze, welche durch die Kommentarzeilen schwappt. Denn wenn man den Fehler begeht und versucht sachlich zu argumentieren, kommen die Arschkrampen auch schon aus allen Löchern gekrochen, geben ihren vollkommen unreflektierten und vor allem meistens überhaupt nicht kontextrelevanten Senf dazu und sind dann auch noch pikiert, wenn man sie darauf hinweist, dass man weder per du ist, noch auf Beleidigungen oder sinnfreies Gelaber steht… Ich erwarte ja schon lange nicht mehr, dass man zum Beispiel auf Facebook auf intelligentes Leben am anderen Ende des virtuellen Spiegels trifft. Aber wenigstens die Grundregeln der Kommunikation? Die auch nicht? Ja wie wäre es denn dann, wenn man seine Fresse hielte? Tun sie aber nicht und nun wird es dumm, es gibt nämlich nirgendwo genug Söldner mit Äxten, die diesen ganzen Spacken die Hände abschlagen könnten, damit sie um Gottes Willen nie mehr eine Tastatur berühren.

So für ungefähr 5 bis 10 Minuten ist es ja ganz amüsant, solche Honks verbal abzuwatschen. Das Problem ist, dass die meisten von denen zu blöd sind, zu kapieren, dass ich mich über sie lustig mache. Man kann ihnen die Lückenhaftigkeit ihrer Argumentation erläutern, ihnen Fakten hinlegen, die ihre Position entkräften und dann benehmen sie sich wie besoffene Paviane: sie drohen, kacken auf den Bildschirm und tun so, als wenn die „den Kampf“ gewonnen hätten – lächerlich! Bedauerlich ist dabei vor allem, dass es sich vermutlich um „Erwachsene“ handelt, die mit dieser Geisteshaltung (falls man das überhaupt so nennen kann) auch noch durchs Leben kommen. WO SIND NUR DIE ÄXTE? Falls irgendjemand jetzt meint, dass ich Gewalt gut finde – eigentlich ist das nicht der Fall, aber bei massiver Ignoranz der eigenen Beschränktheit würde ich gerne mal Ausnahmen machen.

Ich habe in den letzten Monaten eine gewisse Sympathie für Gernot Hassknecht entwickelt. Mir ist bewusst, dass er nur eine Kunstfigur ist, aber als gefühlt legitimer Nachfolger des HB-Männchens bereitet er mir mit seinen polemischen Ausbrüchen große Freude. All die dummen Menschen im Fratzenbuch so anzuschreien wäre doch emotional eigentlich eine runde Sache. Nur könnte ich mir zu gut vorstellen, dass jemand, der hetzt und zur Gewalt gegen Fremde aufruft, seine Verfassungsuntreue öffentlich stolz zur Schau trägt und dabei seine Dummheit genauso öffentlich demonstriert mich dann wegen Beleidigung vor den Kadi ziehen würde. Und diese Selbstverständlichkeit, mit der man seine unlogische, unfundierte, inhumane, kurzsichtige und von wenig Fakten getragene Meinung für maßgeblich hält, macht mich rasend. Also habe ich beschlossen, ihnen zu sagen, dass ich sie für dumm halte und wenn sie’s nicht kapieren, blockiere ich sie. Selbst Spacken haben eine Chance verdient – aber nur eine!

Nun ist das ein schmaler Grat. Denn einerseits steht rassistische Hetze in der BRD zwar unter Strafandrohung. Andererseits ist Vieles von dem, was geäußert wird, aber „nur“ diffus dumpfes borderline-braunes Gesülze vom Typus „das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“. Man muss sie schon dazu bringen, sich selbst als braune Schweine zu entlarven. Und eigentlich bin ich keine Strafverfolgungsbehörde, sondern nur ein Typ, der niemals live Pogrome oder noch Schlimmeres erleben müssen will! Aber wenn wir nicht genau darauf achten, was geäußert wird und wie die breite Masse der Bevölkerung darauf reagiert, könnten wir sehr wohl einen echten Rutsch nach rechts erleben.

An dieser Stelle ein kurzer Exkurs: 24% für die „Armselige finden Dumme“ in Sachsen-Anhalt mögen ein erschreckendes Ergebnis sein, aber mit einem Abstand von einer knappen Woche muss ich sagen: die Herkunfts-Melange dieser Wähler sagt vieles über den Zustand unserer Demokratie aus; insbesondere, dass sich Menschen nicht mehr von unseren Politikern abgeholt und zumindest halbwegs verstanden fühlen. Man könnte jetzt sagen, dass sie dann doch die bibeltreuen Christen oder die Marxisten wählen sollen, aber mal ehrlich: können die Populismus auch nur annähernd so gut wie unsere ultraneoliberalistisch-nationalistischen Bauernfänger, die jetzt „Petry Heil“ rufen…? Eher nicht. Und wenn man die AfD genau betrachtet sieht man, dass sie zu einem Sammelbecken für die enttäuschten geworden war, dass jetzt von strammen Vaterlandsvertretern auf eine neu nationalethische Linie getrimmt werden soll, die es „leider“ noch nicht gibt – also bedient man sich bei bewährter Kost. Hat in der Weimarer Republik doch auch funktioniert, nicht wahr? Mich beunruhigt dabei vor allem der Gedanke, dass das Polit-Establishment immer noch glaubt, diese Partei und ihre Wähler einfach abkanzeln zu können. Das wäre allerdings ein sehr, sehr dummer Fehler.

Denn Chauvinismus, Nationalismus, Konservativismus, soziale Abstiegsängste und noch manches mehr sind Gefühle, die in jedem von uns latent vorhanden sind, auch wenn wir dies nur allzu gerne bei Seite schieben und uns als über solchen Dingen stehend wähnen. Aber auch ich ertappe mich dabei, wie ich auf wenig freundlichen Stereotypen herumreite und Menschen auf Grund ihrer Ethnie, ihrer Kultur oder ihres Glaubens abqualifiziere. Ich bin dann wütend über mich selbst und das ist OK so. Aber was ist mit denen, die es nicht differenzieren (können), wenn sie anfangen zu stigmatisieren? Und solche gibt es offensichtlich ziemlich viele. Kann ich die wirklich einfach alle irgendwann blockieren?

NÖ! Kann ich natürlich nicht. Erstens weil es technisch ziemlich schwierig, vielleicht sogar unmöglich ist. Und zweitens, weil es meiner Idee von staatsbürgerlicher Verantwortung zuwiderläuft. Das klingt jetzt vielleicht etwas pathetisch, aber ich meine das ernst. Denn, wenn ich sie immer nur blockiere, anstatt tatsächlich auch mal den Streit zu suchen, multiplizieren sie in ihrer braunbunten Sozialblase nur munter ihren Hirnquatsch miteinander. Und Unwissen x Rassismus bleibt nun mal unwissender Rassismus! Also halte ich ihnen den Spiegel vor und hoffe, dass wenigstens der eine oder andere erkennt, wie hässlich sein hass- und angsterfülltes Antlitz via Fratzenbuch rüberkommt. Und wenn auch weiterhin Viele mitmachen, brauchen wir auch keine Angst vor der AfD zu haben. Eine vitale Demokratie kann auch eine Partei voller rassistischer Idioten aushalten. Wenigstens weiß man dann genau, wo man nach ihnen zu suchen hat, wenn man mal einen einlochen muss, weil er es doch zu (un)bunt getrieben hat…

Und mal ein Gedicht…

Weihnacht, was bist du ein seltsames Fest,
verrückt, so scheint‘s wird der Menschheit Rest.
Sie hetzen, sie rennen, missachten sich ganz,
denken nur an des schönen Scheines Glanz.
Geschenke, Pakete, soviel Stress durch Konsum,
das Gerenne und Gekaufe haut so manchen um.
„Hab ich das Richtige, wird man sich freuen?“
Bange Gefühle unter dem Christbaum dräuen.
Wie wäre es, wir ließen diesen ganzen Mist,
feierten dieses Fest, so wie es eigentlich gemeint
in Liebe zueinander und in Frieden vereint
und wären tatsächlich, nicht nur mit den Lippen, ein Christ.
„Aber die Kinder, die Kinder, sie freuen sich doch,
auf Geschenke und Zeichen, das ganze Drumrum!“
Tönen sie dann alle, mit sehr lautem Gebrumm –
und stürzen geschäftig in den Weihnachtsmoloch.
Was über’s Jahr nicht wirklich harmonisch verläuft,
wird vom Kugeln am Christbaum kaum besser.
Wer glaubt, es hilft wenn man Gaben aufhäuft,
läuft dann vielleicht in ein hübsch verpacktes Messer.
Auch ich hab Familie und Päckchen und Braten und Baum.
Und denk so bei mir, jetzt sehe ich ihn aber kaum;
doch der Geist der Weihnacht kommt trotzdem zu Gast,
wenn im Herzen ihr nur ein Plätzchen ihm lasst.
So ertrag ich meist gelassen das Brimborium,
denn am 26. so gegen Abend ist es schon wieder rum.
Und solange die Menschen ihre Freude dran haben,
geht’s auch nächstes Jahr weiter – mit neuen Gaben.

JA, ich blogge noch!

In den zurückliegenden Wochen ist so manches passiert. Vieles davon war, global betrachtet furchtbar. Die Kolumne von Meike Winnemuth im Stern rekurrierte darauf, dass das Jahr 2015 insgesamt ein ziemlich schlimmes gewesen sei und dass es wohl am besten wäre, wenn man diesem Zeitabschnitt, analog zum Sarg von Helmut Schmidt einen Kranz aus Sonnenblumen flechten würde, sozusagen als einen fröhlichen Kontrapunkt zum grausigen Geschehen. Auf Wiedersehen Helmut, auf Wiedersehen 2015, möge die Trennung nicht allzu sehr schmerzen. Eigentlich ein schöner Gedanke; nur dass mein Jahr 2015 ein so schlechtes gar nicht wahr.

Gewiss, auch ich hatte meine Ups & Downs und ebenso gewiss haben verschiedene Ereignisse rings um den Globus mich 2015 entsetzt, in Atem gehalten, zur Äußerung genötigt, mir auf’s Gemüt geschlagen und mich insgesamt ganz bestimmt auf die eine oder andere Art in meinem Tun und Denken beeinflusst. Der Mensch existiert als soziales Wesen im Dialog mit seiner Umwelt. Typisches Soziologengeschwafel, und man könnte überdies jetzt kleinlich sagen, dass Umwelt doch maximal jener kleine Bereich ist, den ich regelmäßig selbst durchwandern kann. Weitet man das aber vom Physischen auf das Mentale und vor allem das Virtuelle aus, dann ist die ganze Welt meine Umwelt, zumindest in einem übertragenen Sinne. Und eben dieses Gefühl, dass mich die ganze restliche Welt auch etwas angeht, weil wir die Probleme dieser ganzen Welt nur alle gemeinsam werden lösen können, ist meiner bescheidenen Meinung nach immer noch nicht weit genug verbreitet.

Ja, jeder hat auch hierorts sein Bündel zu tragen, seine Sorgen, Probleme, Aufgaben. Aber wenn ich mich so umsehe, dann ist echte, knallharte, existentielle Not hier in der BRD ein weitgehend unbekanntes Phänomen. Selbst Menschen, denen es schlecht geht hier in unserem Lande, geht es immer noch bedeutend besser als ungefähr 75% der restlichen Weltbevölkerung. Ein Fakt, dass immer wieder gerne verschwiegen wird. Ich werde jetzt nicht nochmal zur Überfremdungs-Debatte entgegnen, das habe ich im späten Oktober ausführlich genug getan und an meiner diesbezüglichen Meinung hat sich seitdem nix geändert. Aber ich weise darauf hin, dass meine Publikations-Tätigkeit schon gut illustriert, dass die großen politischen und sozialen Fragen von 2015 nicht spurlos an mir vorbeigegangen sind.

Mein ganz privates Jahr 2015 war indes gekennzeichnet von einem Arbeitgeberwechsel, der mich an einen Ort geführt hat, wo man meine Fähigkeiten und meinen Einsatz besser zu schätzen weiß, als bei meinem letzten Beschäftiger. Meine Familie erfreut sich guter Gesundheit, die Kinder wachsen und gedeihen (die „große“ geht jetzt in die Schule) und meine Beziehung zeigt auch nach fast 22 Jahren noch keine echten Ermüdungserscheinungen. Mein Studium geht gut voran (bin immer noch in Regelzeit) und mein Aufgabenspektrum erweitert sich in den Bereich, in den ich schon lange wollte und das mit dem nötigen professionellen Background. Das klingt doch gar nicht so schlecht, oder?

Ich sollte hier nicht verschweigen, dass ein hohes Arbeitspensum und der Dauerenisatz an einem Arbeitsplatz, dem ich nicht ganz so viel Liebe entgegenbringe, dem ich aber selbst zugestimmt habe, mich ein bisschen an einem neuerlichen Burn-Out haben entlang schliddern lassen. Doch jetzt, da sich endlich Land hinter den vielen Aufgaben abzeichnet, die gleichzeitig zu bewältigen sind und eine Marschroute fertig ist, die ich nur noch abzuschreiten habe, spüre ich Morgenluft und mein Herz wird freier. Man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass ein gewisses Pensum auch den stärksten Esel zusammenbrechen lässt; aber es braucht eine Menge Verständnis für sich selbst, um erkennen zu können, wann das Pensum zu viel wird. Ich mag Esel übrigens sehr. Sie sind nicht stur, sondern charakterstark und wissen, wann es genug ist. Dieses Wissen fehlt mir manchmal, weshalb ich bei verschiedenen Aktivitäten die Notbremse gezogen habe, um mentale Ressourcen und Zeit freizuschaufeln.

Dennoch ist dieser Blog nicht tot, bedeutet mir das Schreiben hier aus so vielen Gründen doch eine Menge. Ich habe schon mal erwähnt, dass es mir eine Mischung aus politischem Aktivismus, Ergotherapie und Selbstreflexion ist, die mir verdammt gut tut. Es wird zwar auch in den nächsten Wochen nicht allzu viele Beiträge geben, aber um es mal mit den Worten von Arnie zu sagen „I’ll be back!“. In diesem Sinne: frohe Weihnachten!

Werte-Gemeinschaft – Part VII

Eigentlich wollte ich in dieser Reihe jeden Tag einen Beitrag bringen, einfach weil das Thema brandaktuell ist, jeden von uns angeht, tatsächlich auch viele Menschen bewegt und weil es mir am Herzen liegt, ein wenig Licht in das Dickicht von Ängsten, Mythen, Halbwahrheiten und gezielter Desinformation zu bringen, welches sich rings um die Einwanderungswelle rankt, die derzeit in unser Land rollt. Doch ich habe mich in online-Konversationen verstrickt, die teils als direkte Reaktion auf meine Blogposts, teilweise auf Kommentare, die zu äußern ich mich genötigt gefühlt habe, mehr oder weniger von selbst entstanden sind. Ich habe dabei in der Diskussion speziell auf Facebook – das dieser Tage ja gern als Plattform für rechte Propaganda geschmäht wird – ein paar harte aber auch durchaus fruchtbare Gespräche geführt. Was mich betroffen macht ist der Umstand, dass selbst in den Äußerungen jener, die sich selbst grundsätzlich als weltoffen betrachten, mittlerweile allzu oft ein Unterton der Besorgnis, ja eines echten Zukunftspessimismus mitschwingt. Und deshalb muss ich diese Diskussion hier reflektieren!

Nun muss man kein grundsätzlich negativ eingestellter Mensch sein, um eingedenk der Bilder, die tagtäglich durch die Medien schwappen und der Zahlen, die da in der Politik jongliert werden ein wenig Muffensausen zu bekommen: schaffen wir das? Wirklich? Und wie? Die Ängste drehten sich bei den Gesprächen, welche ich geführt habe vor allem um die Frage, in wie weit speziell die muslimischen Flüchtlinge, die zu uns kommen überhaupt integrationswillig und -fähig sein würden; und ob man jenen – aber den Flüchtlingen insgesamt – überhaupt nachhaltig Respekt vor unserer demokratisch-rechtsstaatlichen Ordnung und die Tatsache der Gleichberechtigung von Frau und Mann beibringen könne? Ein komplexes Problem, stammen doch sehr viele Asylbewerber aus stark patriarchalisch-chauvinistisch geprägten Kulturen. Übrigens auch so mancher, der nominell Christ ist.

Ich wurde auf einen Beitrag auf ZDF Zoom vom 02.09 dieses Jahres aufmerksam gemacht, welcher der Frage nach Parallelgesellschaften in der BRD nachgeht. Und wie ich bereits hier sagte, gibt es die. Aber gerade die Fehler, die man damals gemacht hat – aus den im verlinkten Beitrag beschriebenen Gründen – sollten uns heute eine Mahnung sein, es gleich von Beginn an besser zu machen. Und nun folgt ein weiterer Aufruf an die Regierung, den übrigens die Bundesbeauftragte für Migration in dem ZDF-Beitrag bereits auch verlautbaren ließ: wir brauchen neben Betreuung und Unterbringung vor allem von Anfang an Unterrichtung in unserer Sprache und in Staatsbürgerkunde. Und ich gehe einen Schritt weiter und sage Folgendes: Jene, die sich diesem Unterricht verweigern, oder auf andere Art und Weise zeigen, dass sie die, von mir in dem verlinkten Beitrag ebenfalls berufenen Werte nicht für sich akzeptieren können, dürfen unser Land gerne auf dem schnellsten Wege wieder verlassen.

Nochmal: ich würde niemanden an der Grenze abweisen, weil Deutschland mittlerweile längst ein Einwanderungsland ist! Doch wir brauchen neben der rechtlichen Würdigung dieser Tatsache in einem Zuwanderungsgesetz auch klare Regeln, was wir von denen, die hier Asyl bekommen möchten im Gegenzug erwarten, nämlich Respekt für unsere Staatsordnung, unsere Gesetze und die Werte, welche diese reflektieren: Freiheit, Demokratie, Solidarität, Toleranz, Ausgleich. Was umgekehrt bedeutet, wer nicht bereit ist, diese Werte zu leben, gehört nicht zu Deutschland und darf sein Glück daher gerne woanders versuchen. Zu der Liste sei noch gesagt, dass sie den für mich persönlich wichtigsten Teil unseres Wertekanons umfasst, differierende Meinungen sind natürlich durchaus willkommen, sofern sie die Demokratie achten!

Die Angst vor den Folgen der Einwanderung ist, auch wenn die grellen Töne auf irgendwelchen PEGIDA-Kundgebungen und die dümmliche Dreistigkeit, mit der dort Nazi-Rhetorik angewandt wird möglicherweise ein Randphänomen vermuten lassen würden, längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und dort sind bei weitem nicht so viele Nazis zu finden, wie mancher Journalist gerne ausmachen möchte. Eher findet man dort Menschen, die sich selbst und ihre Art zu leben bedroht sehen. Dieser Angst muss man entgegen treten und sagen, JA unser Land wird sich verändern, aber Veränderung kann gut sein, wenn sie richtig betrieben wird und wir werden uns bemühen, sie besser zu betreiben, als wir das in der Vergangenheit getan haben! Doch genau hier versagt die Politik noch immer, zerstreitet sich in Grabenkämpfen, die mehr über den geistigen Zustand mancher Politiker als den der Republik aussagen. Meine Sorge ist, dass obschon die Probleme bekannt sind und man auch wüsste, wie man dagegen vorgehen könnte, ohne ein humanitäres Desaster heraufbeschwören zu müssen, das parteipolitisch-Machtinstinkt-gesteuerte Gezerre um die Deutungshoheit in der Flüchtlingsfrage einmal mehr gesellschaftliche Desintegration erzeugt.

Doch hier wäre es an uns mündigen Bürgern, etwas dagegen zu tun, für eine vernünftige Zuwanderungspolitik auf die Straße zu gehen, die PEGIDA-Mobs einfach links liegen zu lassen und dafür zu sorgen, dass sowohl der wirtschaftlichen Notwendigkeit weiterer Zuwanderung als auch der gesellschaftlichen Notwendigkeit gelingender Integration durch Sprach- und Staatsbürgerkunde sowie der stringenten Aussortierung der faulen Äpfel Rechnung getragen wird. Und für all jene, die sich fragen, wie man misslungene Integration objektiv betrachtet und wie groß die Gefahrenpotentiale durch bereits in der Gesellschaft vorhandene mangelhaft integrierte Migranten tatsächlich sind habe ich eine Leseempfehlung. Bis zum nächsten Teil wird es diesmal wohl ein paar Tage dauern, bis dahin alles Gute und auf rege Diskussion!

Werte-Gemeinschaft – Part VI

0,055%. Das ist der Anteil der als potentiell islamistisch angesehenen Personen an der Gesamtbevölkerung der BRD, laut Bundesamt für Verfassungsschutz (Stand 12/2014). In Zahlen sind es knapp 44.000 Personen; eine Zahl, die nach Gruppen gesplittet seit mehreren Jahren konstant bleibt. Mit einer Ausnahme: die Zahl der Salafisten hat sich seit 2012 um rund 75% erhöht, auf derzeit ca. 7000. Islamismus ist, den Zahlen zufolge also eine Randnotiz der mannigfaltigen kulturellen Strömungen in unserem Lande. Da stellt sich mir doch die Frage, warum sowohl die Medien, als auch rechte Gruppen so viel Zeit und Aufwand darauf verwenden, diese sozial gescheiterten Wirrköpfe und ihren fundamental-Islam so sehr in den Köpfen aller Bürger präsent zu machen? Muss eine vitale Gesellschaft wie die unsere wirklich Angst vor solchen Splittergruppen haben? 0,055%, insgesamt 0,0086% Salafisten, sind die so ein Gewese wirklich wert, Sharia-Polizei hin oder her?

Nüchtern betrachtet ist die Zahl der islamistisch motivierten Straftaten in unserem Land – auch auf Grund der durchaus achtbaren Arbeit unserer Sicherheitsbehörden – auf einem sehr niedrigen Niveau. Ich werde gewiss nicht in Abrede stellen, dass von diesen Hohlköpfen eine Bedrohung ausgeht, die sich insbesondere gegen das richtet, was man unter Terroristen „weiche Ziele“ nennt; nämlich die Zivilbevölkerung. Aber ich meine, dass unsere Medien einen Wahrnehmungsbias in unseren Köpfen erzeugen: für rechte Gewalt sind immer noch zu viele Menschen blind. Aus der vollkommen falschen Vorstellung heraus, dass die ca. 5,5% Muslime in unserer Bevölkerung ein Fremdkörper sind, der hier nicht her gehört. Die erste Generation hatte man übrigens eingeladen. Und dass die Menschen, die damals kamen, vorwiegend aus den armen, strukturschwachen Regionen Anatoliens stammten und sich in Deutschland gar nicht niederlassen, sondern hier nur etwas Geld verdienen wollten, um sich in der Türkei eine bessere Existenz aufbauen zu können, scheint man auch vergessen zu haben.

Es kamen Menschen, die zu Hause kaum Chancen auf ein besseres Leben gehabt hätten. Hier haben sie eine bekommen und sind geblieben. Doch weil beide Seiten auf der Illusion beharrten, dass es ja nur ein Deal auf Zeit wäre, haben sich weder die „Gastarbeiter“ noch die „Gastgeber“ um so etwas wie Integration bemüht. Ja, wir haben Parallel-Gesellschaften, aber daran ist unser Staat mindestens ebenso sehr schuld, wie die Menschen, auf die unser braunes Gesocks so gerne mit dem Finger zeigt. Und neben der kulturellen Fremdheit – mit der es oft gar nicht so weit her ist – sieht man dann auch noch die fremde Religion. Und es gibt eben Jene, die sich für das Fremde interessieren und Jene, die davor Angst haben; ein zutiefst menschlicher Makel…

Der Anteil der konfessionslosen in der BRD ist ca. 6,5mal so hoch wie der der Muslime. Der Anteil der Nichtwähler, je nachdem welche Art von Wahl man heranzieht zwischen 5,5 und 13mal so hoch. Was uns diese Zahlen sagen? Nun zum einen, das in der „öffentlichen Diskussion“ viel zu oft Äpfel mit Birnen verglichen werden und das blanke Zahlen, so toll Diagramme auch sein mögen nichts über die Menschen dahinter aussagen. Nach meinen persönlichen Erfahrungen – und ich lebe in einer Stadt mit einem Migrantenanteil von um die 30%! – gehen die allermeisten dieser Menschen zu bestimmten Festen ins Gotteshaus und leben ansonsten eine Leben, das sich von meinem kaum unterscheidet; sie arbeiten, ziehen ihre Kinder groß, träumen ihre großen und kleinen Träume, ärgern sich, wenn ihr Club schlecht spielt (OK, ICH interessiere mich nicht für Fußball, aber die meisten anderen schon) und glauben vielleicht so wie ich. Ich bin davon überzeugt, dass da mehr sein muss zwischen Himmel und Erde als die menschlichen Sinne wahrnehmen können, aber organisierte Religion ist mir ein Graus, weil es in meinen Augen vollkommen unsinnig ist, Worte die ein Mensch niedergeschrieben hat als Gottgegeben anzunehmen. Die frühe Bibel war ein Werk, dazu geschaffen, die damals üblichen Systeme der Herrschaft zu legitimieren und zu zementieren. Und diesen Ruch hat das Buch der Bücher nie ablegen können. Ähnliches gilt für den Koran.

Worauf ich aber hinaus wollte ist, dass diese Menschen, obschon Muslime unsere Rechte und Regeln achten und nach ihnen leben. Sie haben sich eingefunden in einem weitestgehend säkularen, auf demokratisch-rechtsstaatlichen Prinzipien basierenden Land, das seine Werte aus seiner sowohl religiös als auch philosophisch geprägten, über Jahrhunderte gewachsenen Kultur ableitet. Doch diese Kultur ist ein „work in progress“! So wie die Technik sich weiterentwickelt, unser Umgang miteinander sich weiterentwickelt, unsere Ideen von und unser Wissen über den Menschen als Individuum und Mitglied der Gesellschaft sich weiterentwickeln, so tut diese unsere Kultur; andernfalls wären uns Worte wie „Trend“, „Meinung“, „Entwicklung“ oder „Tendenz“ (und noch viele weitere) unbekannt.

JA – unser Land wird sich verändern. Das hat es immer, tut es jetzt und muss es auch in Zukunft, um bestehen zu können. Das sich dabei auch unsere Kultur ändert, ist unvermeidlich. Einzig wichtig ist, dass wir die Werte immer wieder neu finden und verteidigen, die den Kern unserer Kultur ausmachen: Das Freiheitliche, das Demokratische, das Solidarische (das freilich im Moment in Vergessenheit geraten scheint), das Tolerante und das Ausgleichende. In diesem Sinne stehe ich dazu, dass jene Menschen die hierher kommen und diese Werte nicht achten können oder wollen, gerne wieder dahin zurückgehen dürfen, wo sie her kommen. Doch glaube ich, dass die Zahl dieser Menschen, ebenso wie die der Islamisten in unserer Gesellschaft, eher ziemlich gering ist. Hört also endlich auf, euch vorzumachen (oder zum Beispiel von diesem bayrischen Vollpfosten vormachen zu lassen), dass man 90% dieser Menschen ganz schnell wieder abschieben kann. Denn DAS entspräche weder den Prinzipien unserer Demokratie noch den Werten, auf denen unsere Gesellschaft ursprünglich aufbaut!

Werte-Gemeinschaft – Part V

Eigentlich wollte ich heute über die vielbeschworene, aller Abneigung gegen rechte Thesen zum Trotz dennoch durchaus existente Bedrohung durch den Islamismus reden. Aber manchmal reagieren die Leute tatsächlich auf das, was ich äußere und wenn dies auf gehaltvolle Weise geschieht, ist mir das auch die Zeit wert, hier darüber zu meditieren. Doch zunächst das Zitat (es wurde nur um der Handhabbarkeit Willen ein wenig gekürzt):

„Wir werden in der nächsten Zeit Veränderungen erleben, die wir uns nicht wünschen. Die Migranten werden nicht aus Nächstenliebe ins Land gelassen, es ist das zukünftige Prekariat, das den Mindestlohn von 8,50 Euro sprengen wird und für kleines Geld für die Reichen in der Republik arbeiten wird.
Es sind 100 Tausende von Menschen im Land die nicht erfasst sind, da sie sich nicht in die staatlichen Auffanglager begeben haben. Die Politik wird mit Straßensperren / Checkpoints reagieren, wir werden bei einer Fahrt von Mannheim über den Rhein nach Ludwigshafen unsere Ausweise zeigen müssen, damit die Menschen nachträglich registriert werden. Es wird ein Europa der Grenzen werden… […] Das ist nicht mein Europa. Ich bezeichne mich als Europäer mit der Heimat Kurpfalz und einem deutschen Pass. Ich liebe es vom Nordkap bis Süditalien ohne Ausweis zu fahren. Und diese Freiheit möchte ich nicht verlieren“

Was hier geäußert wird, habe ich an dieser Stelle schon einmal angeschnitten und auch ich sehe die große Gefahr, dass die Zuwanderer sozialversicherungspflichtige Arbeits-verhältnisse sprengen und den ohnehin schon prekären Arbeitssektor noch weiter in Bedrängnis bringen. Sicher reibt sich der eine oder andere Arbeitgebervertreter schon die Hände bei dem Gedanken, endlich noch ein Chalet in der Schweiz kaufen zu können – die liefern ja auch nicht aus, wenn’s hier dann irgendwann hart auf hart kommt. Aber ebenso sehr glaube ich daran, dass viele dieser Menschen willig und fähig sind, sich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren und produktiv in unserem Wirtschaftssystem mit zu arbeiten, egal wie gerecht oder ungerecht es zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch sein mag. Unser Problem ist, dass Staatsministerin Aydan Özoğuz, unsere Bundesbeauftragte für Migration heute nichts weiter ist, als ein Feigenblättchen für die bislang extrem mangelhafte Fähigkeit unserer Politik, sich den Fängen ihrer neoliberalen Einflüsterer zu entziehen und endlich Geld in die Förderung und Bildung von Migranten zu stecken, anstatt sie in einem Bildungssystem, welches durch vielfältige soziale Mechanismen Kinder aus „gutem Hause“ viel zu oft automatisch bevorzugt, immer und immer wieder gegen unsichtbare Wände laufen zu lassen.

Unsere bundesweit tätige Kaffeehausmafia der Industrie-Lobbyisten weiß sehr genau, dass sich ein Prekariat nur dann im Griff und für die dreckigen, schlecht bezahlten Jobs bei der Stange halten lässt, wenn diese Menschen keine Alternativen, keine Hoffnung, keine Visionen haben; die meisten von ihnen müssten diese erst von jemandem gezeigt bekommen. Und was für die „alten Migranten“ gilt, hat sich bei den neuen kaum verändert. Solange auch kleine Privatanleger glauben, mit Aktienfonds für das Alter vorsorgen zu müssen, wird sich allerdings nichts an der geringen Nachhaltigkeit und kurzfristigen Gewinnorientierung der Unternehmen ändern, die ihre Manager quasi wie eine selbst erfüllende Prophezeiung vor sich her treibt: „Du musst dieses Quartal mindestens 7% Kapitalrendite erwirtschaften, um die Anleger zufriedenzustellen!“ Dass diese Margen auf dem Rücken derer erwirtschaftet werden, die glauben, vom System zu profitieren ist für mich persönlich die wahrhaft bitterste Ironie des Schicksals überhaupt! Doch es gäbe Wege, dem entgegen zu stehen, wenn man nur endlich von der Couch hoch käme!

Was aber nun Europa betrifft: das Gespenst des wieder erstarkenden Nationalismus weht durch Europa seit vor dem Beginn der internationalen Finanzkrise 2009. Dass sich nicht so mancher schon lange wieder aus der Staaten-Union verabschiedet hat, liegt doch nur an den mannigfaltigen Bezügen aus Brüssels Honigtöpfen, welche die Kosten der Krise ein wenig gedämpft haben. Anstatt aber die richtigen Schlüsse aus der Krise zu ziehen und dem Neoliberalismus endgültig den Rücken zu kehren, die Finanzmärkte zu regulieren und die Verursacher die Zeche zahlen zu lassen, hat man nach der Privatisierung der Gewinne die Kosten sozialisiert und auf uns alle abgewälzt. Doch anstatt zu begreifen, dass das Problem global ist, begann man noch vehementer mit dem Finger auf andere zu zeigen, woran die jeweiligen nationalen Medien so gut wie immer Mitschuld tragen – auch hier in Deutschland.

Auch ich möchte ein Europa ohne Schranken, einen Kontinent, ein Bündnis von Staaten in welchem ich mich frei bewegen, äußern und arbeiten kann! Auch ich fühle mich als Europäer mit kurpfälzischem Wohnsitz und deutschem Pass, aber so lange der Idee von Europa immer wieder mit der Idee nationaler Selbstbestimmtheit begegnet wird, welche aus dem Gedanken erwächst, dass es tatsächlich bei irgendeinem der europäischen Staaten so etwas wie eine gemeinsame nationale Identität, eine gemeinsame nationale Geschichte, ein gemeinsames nationales Schicksal gibt, dass auch unabhängig von Nachbarn – und damit von Europa – Gültigkeit und Legitimität besitzt, werden wir davon nur träumen können! Europa beginnt in den Herzen und solange Politiker mehr auf ihre Wahlergebnisse und ihre Verbindungen zu den Lobbyisten schielen, anstatt tatsächlich an einer gemeinsamen Agenda zu arbeiten, wird es auch immer nur ein Traum bleiben. Und so lange es ein Traum bleibt, was uns dazu zwingt, das Flüchtlingsproblem zunächst nur hier bei uns lösen zu können, fällt uns Deutschen die schwierige Aufgabe zu, zu zeigen, wie man es richtig macht. Ob wir das schaffen können? Ja, wir können – aber nur, wenn möglichst viele mitmachen!

Werte-Gemeinschaft – Part IV

Heimat als Wertegemeinschaft gemeinsam gestalten! Dieser Traum ist gegenwärtig zu schön, um wahr sein zu können; die Vielzahl der aktuellen Probleme bedeutet, dass zuerst einmal alles im Notfallmodus funktioniert, um wenigstens halbwegs Herr der Lage werden zu können. Es ist zwar nicht verkehrt, die Ärmel hochzukrempeln und ans Werk zu gehen, zeugt aber auch davon, dass einerseits die sich anbahnende Flüchtlingswelle nicht richtig eingeschätzt wurde und andererseits, als man hätte wissen können (und müssen), dass es richtig rund gehen würde, man die Öffentlichkeit nicht davon in Kenntnis gesetzt hat. Man hat sich sogar selbst belogen, den Kopf in die Hände gelegt und wie ein kleines Kind gesagt: „was ich nicht sehen kann, das existiert nicht“. Und das war dumm, sogar sehr dumm!

Das organisatorische Chaos, welches im Moment an der Flüchtlingsfront herrscht hat mehrere Ursachen. Zuvorderst die chronische Unterfinanzierung vieler Kommunen, die für die Erstaufnahme, Registrierung, Unterbringung, medizinische Versorgung, Unterrichtung und noch manches mehr zuständig sind und erst mit großer Verzögerung und in immer noch zu geringem Rahmen mit den hierfür dringend nötigen finanziellen Ressourcen unterstützt werden. Dann die ebenso chronisch unterfinanzierten Hilfssysteme des Bundes und der Länder. Es kann nicht angehen, dass man eine noch monatelang absehbar problematische Situation auf die Schultern derer abwälzt, die sowieso schon am Limit laufen. Einsatzeinheiten des Katastrophenschutzes sind weder personell noch materiell dafür geeignet, auf lange Sicht Flüchtlingserstversoger zu spielen. Und schließlich die – habe ich erwähnt, dass das so eine Art roter Faden ist – chronisch unterfinanzierten Polizeien der Länder und des Bundes. Man kann nicht jahrzehntelang den öffentlichen Dienst auf Verschleiß fahren und Spitz auf Knopf kalkulieren, ohne dass sich das irgendwann rächt. Aber auch das hat der dumme, alte Schwabe noch immer nicht kapiert.

Die Situation verlangt nach klarer Kante. Aber nicht der klaren Kante der Sofortabschiebung (was auch immer das bei der Bräsigkeit deutscher Beamtenapparate wohl zu bedeuten hat), der Transitzonen (willkommen in Bayrisch-Guantanamo) und der Sachleistungen anstatt Bargeld (ja klar, die kommen alle nur wegen des Geldes…); sondern vielmehr einer klaren Ansage aus Berlin, wann wie und wo gebaut wird, wie viele Lehrer, Sozialarbeiter, medizinischen Fachangestellten und Ärzte für Erstaufnahmestellen vom Bund bestallt werden, sowie Sachbearbeiter für die Ämter und Polizisten für den Sicherstellungsauftrag. Für all diese Bereich gibt es durchaus Fachkräfte am Markt, die aber von der Industrie nicht mehr angefragt werden, weil sie denen zu alt oder zu teuer sind. Ein Land wie unseres, in dem überall über Fachkräftemangel gejammert wird, leistet sich schon seit Jahren einen Brain-Drain durch krankhafte Verjüngungsmaßnahmen an allen Ecken und Enden, der uns mit Sicherheit mehr als nur ein paar Euro gekostet hat und kosten wird, weil in harter Arbeit erworbene Handlungspraxis einfach für wertlos erklärt wird. Diesen Menschen könnte man leicht eine neue Chance im Bereich der Flüchtlingsarbeit bieten. Der Bedarf ist so groß, dass man mit Sicherheit tausende Menschen ganz rasch wieder in Lohn und Brot bringen könnte. Ich könnte mir vorstellen, dass dem Herrn Weise, der nun ja mit der Agentur für Arbeit und dem Bundesamt für Migration beide Schlüsselstellen in der Hand hat, schon ein paar Ideen gekommen sind.

Einzig dafür notwendig wäre eine Gesetzesinitiative, die zunächst einmal offiziell klärt, was schon lange jeder weiß, nämlich dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und dies auch bleiben wird. Und die überdies die Rahmenbedingungen schafft, in denen eine – dringen gebotene – Professionalisierung der Flüchtlingsarbeit in allen Fachbereichen und auf allen Ebenen bis hinunter zu den kleinsten einzelnen Kommunen, die Asylsuchende aufnehmen schnell und effektiv ermöglicht wird. Der Bund hat im Artikel 73 des Grundgesetzes die Basis dafür, es bedarf dafür lediglich des politischen Willens! Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Länder und Kommunen dem Bund für eine zeitweise Entlastung sehr dankbar währen. Man kann ein solches Gesetz ja so gestalten, dass es Übergangsfristen vorsieht, nach denen die jeweiligen Zuständigkeiten wieder ortsnah übergeben werden. Eine Karenz von sagen wir drei Jahren, gefolgt von einer dreijährigen Staffelung schaffte genug Zeit, sich vor Ort organisatorisch und personell zu konsolidieren.

Die ersten paar Jahre müsste sich Herr Schäuble entweder von der schwarzen Null verabschieden, oder aber unnötige Steuergeschenke an die Falschen abbauen; danach aber, wenn die schnelle und präzise Abarbeitung eines stetigen Zustromes einerseits die Spreu vom Weizen trennt (vulgo uns Terroristen und Unbelehrbare vom Hals hält) und andererseits eine gewisse Zahl hier tatsächlich eine neue Heimat gefunden und sich ein neues Leben aufgebaut hat (und damit auch konsumiert und Steuern zahlt) wird sich die Investition lohnen. Denn nochmal: wir brauchen jedes Jahr einen positiven Einwanderungssaldo, um die rapide Überalterung der Bevölkerung aufzufangen, sonst gibt es irgendwann niemanden mehr, der uns im Alter pflegen könnte, geschweige denn jemanden, der das dafür notwendige Geld in die Solidarkassen einzahlen könnte. Und das sich unsere Kultur dabei ändern könnte… Nun, das tut sie schon immer, doch dass wir dabei einen islamischen Gottesstaat auf unserem Boden erben könnten, ist doch ein wenig weit hergeholt. Doch dazu morgen noch einmal mehr.

Werte-Gemeinschaft – Part III

Natürlich war das etwas überspitzt gestern, andererseits bin ich nicht der einzige, der auf diese Art argumentiert. Die Tage hatte jemand ein Bild des zerbombten Aleppo gepostet, mit dem Untertitel versehen, dass es gute Gründe gebe, Syrien zu verlassen. Die Antwort waren Bilder von verschiedenen deutschen Städten 1945, geschmückt mit dem – hier sinngemäß wiedergegebenen – Hinweis, dass unsere Leute aber dageblieben wären und die Scheiße wieder geflickt hätten. Na ja, wohin hätten sie auch gehen können, nachdem zum Beispiel alle östlichen Nachbarn die auf ihrem Territorium lebenden Volksdeutschen in Flüchtlingstrecks gezwungen oder sie gleich „entsorgt“ hatten. Immerhin war dieser Krieg aber auch schon vorbei. Für die Menschen aus Syrien gilt, der Krieg ist nicht vorbei! Nein, im Gegenteil führt die eigene Regierung Krieg gegen ihr Volk (ich nenne das auch Terrorismus) und die Menschen haben, Gott sei Dank, Alternativen. Sie können ihr Land verlassen. Weil aber rings um sie herum in der arabischen Welt nur failed states oder autoritäre Regimes zu finden sind, fliehen sie nach Europa. Würde ich auch so machen, wenn ich könnte. Aber das ist nicht, worum es hier im Kern geht.

Es geht im Kern vielmehr um die Frage, wie viel Leid ich zu Hause schon erlebt oder noch zu erwarten habe, wenn ich mich auf einen gefahrvollen Weg mache, mich dem Risiko des Ertrinkens, Verhungerns, Erstickens, Verdursten, ermordet Werdens aussetze, nur um am Ende dieser schier endlosen Wanderung mit nichts als den Kleidern am Leib und einem Handy (der einzigen verbliebenen Verbindung zu Familie und Freunden) in einer Lagerhalle abgesetzt zu werden; umgeben von Anderen, denen wie mir nur die Hoffnung auf die Gnade einer, zumindest dem Anschein nach seelenlosen Bürokratie bleibt, welche in Verbindung mit der Präsenz von Sicherheitsleuten und Polizisten sicher verdammt bedrohlich wirkt. Und schon bin ich wieder gefangen in einem System, in einem Wettkampf um Ressourcen und die Anerkennung meiner Verzweiflung. Zu viel Tränendrüse? Ja dann redet doch mal mit den Menschen, anstatt sie einfach nur hängen zu wollen!

Der Kern berührt die Frage nach Heimat. Was einen dazu bewegt sie zu verlassen, oder sie wortwörtlich mit Blut zu verteidigen. Ich habe gestern implizit erklärt, dass unsere Gesellschaft keinen anderen Wert anerkennen würde, als den des Geldes. Das ist zwar nicht vollkommen erlogen, es ist aber auch nur eine Seite der Medaille. Selbstverständlich gibt es jede Menge Menschen – gegenwärtig würde ich sogar vermuten, dass es die Mehrzahl ist – welche die Flüchtlinge bei uns begrüßen und ihnen helfen. Sie tun dies aus den unterschiedlichsten Motiven. Manche aus religiöser Nächstenliebe, manche weil es einfach ihr Job ist, manche weil sie sich etwas davon versprechen und wieder andere, weil sie sich moralisch dazu verpflichtet fühlen. Und manche helfen, weil es von ihnen erwartet wird, obwohl sie es eigentlich gar nicht wollen und Zweifel daran haben, ob das alles so richtig ist. Was das nun mit Heimat zu tun hat? Nun die Heimat ist da, wo das Herz ist und auch wenn viele Zuwanderungsgegner das wahrscheinlich erst mal in Abrede stellen wollen, auch die Menschen, die da kommen fühlen so. Sie haben eine Heimat aufgegeben, weil es dort einfach nicht weiterging und kommen jetzt hierher mit dem Wunsch, wenigstens auf Zeit bei uns eine neue Heimat zu finden. Jeder, der schon mal einen lieb gewonnenen Ort aufgeben musste, kann dieses Gefühl nachempfinden; das Gefühl zu vermissen und trotzdem weitermachen zu müssen.

Ja, nicht wenige haben keine Vorstellung davon, was sie hier erwartet, dass die BRD vom Paradies doch noch ein Stückchen weit weg ist und sind deswegen, aber auch wegen der Unterbringung und der Anfeindungen frustriert und wütend und traurig. Wäre ich auch. Aber unsere Heimat bietet genug Platz und Chancen für noch ein paar mehr, wenn wir es nur endlich verstehen könnten, dass wir miteinander gegen die Ungerechtigkeiten zu streiten haben, die unsere „Eliten“ uns jeden Tag auferlegen. Keiner hier muss Angst haben, weniger abzubekommen, weil jetzt mehr Asylanten zu uns kommen. Die Undemokraten konstruieren einen Kampf um mehr Verteilungsgerechtigkeit auf dem Rücken jener, die sie noch schwächer wähnen, als sich selbst, nämlich der Migranten.
Heimat ist, wo das Herz ist und tatsächlich schlägt mein Herz für Deutschland, aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies nur dem glücklichen Zufall zu verdanken ist, dass ich hier geboren wurde. Ich bin stolz auf mein Land, weil es einen weiten Weg gegangen ist und sich besser entwickelt hat, als viele andere. Aber in erster Linie bin ich stolz auf die Mitbürger, die Heimat nicht mit Nationalität verwechseln, sondern wissen, dass wir das Glück der Geburt im Sinne der Solidarität und der Menschenwürde mit anderen zu teilen verpflichtet sind. Die Nationalität ist nur ein künstliches Konstrukt, erschaffen um die Untertanen auf den Dienst am Vaterland zu verpflichten. Heimat jedoch ist das Gefühl der Liebe zu dem, was man am Ort seines Lebens zusammen mit allen für alle erschafft – und das Wissen um die Vergänglichkeit dieser Schöpfung.