Der verwirrte Spielleiter N°61 – …und der Spielleiter?

Es ist so eine allgemeine Weisheit, die seit ein paar Jahren durch die Youtube-RPG-Sphere geistert, dass “der Spielleiter Spaß hat, wenn die Spieler Spaß haben.” Und tatsächlich kann ich das weitenteils bestätigen. Sitzungen, bei denen es allen Beteiligten so ein bisschen wie Müssen und weniger wie Wollen vorkommt, sind mir ein Graus, denn ich WEISS hinterher immer genau, dass es nicht so der Bringer war. Vielleicht nicht unbedingt “warum” – aber in jedem Fall “dass”. Ich muss, um das genauer erklären zu können, noch einmal zum Thema Prep zurückkehren. Wenn ich mich an meinen Schreibtisch setze und beginne, mir darüber Gedanken zu machen, was ich meinen Spielern das nächste Mal zum Fraß vorwerfen – ähm, ich meine zur Interaktion vorsetzen will, dann spiele ich bereits das Spiel. Natürlich sind die Spieler-Charaktere die Protagonisten der Handlung – und die Spieler gleichsam Mitautoren der Geschichte, weil sie mittels der Handlungen ihrer Avatare (der Chars) die jeweils aktuelle Geschichte, aber eben auch verschiedene, u. U, mehrere Story-Arcs überspannende Aspekte der umgebenden Spielwelt beeinflussen. Sitze ich nun an meinem Schreibtisch, so plane ich nicht voraus, was die Spieler mittels ihrer Chars tun werden; diese Entscheidungen müssen/dürfen sie schon selbst treffen. Aber ich mache mir selbstverständlich Gedanken, wie die Antagonisten – und auch der ganze Rest der Spielwelt – auf das Ergreifen verschiedener Handlungs-Optionen reagieren würden. Denn auch in der Secondary World haben Handlungen Konsequenzen. Andernfalls bräuchten die Chars ja gar nichts tun, weil die Dinge sich in jedem Fall in diese oder jene Richtung entwickeln würden. Das nennt man übrigens Railroading. Und da meine Spieler kein Problem mit (halbwegs) linearem Storytelling haben, sehr wohl aber mit Railroading, lasse ich das üblicherweise bleiben. Was ich jedoch tue, ist Folgendes: manchmal lasse ich es auf eine Begegnung ankommen, schlicht, weil diese durch die Anlage der Erzählung nicht vermeidbar ist. Ob das ein bisschen gemein ist? Vielleicht. Aber ist ein starker (evtl. sogar wiederkehrender) Antagonist, den zu hassen man einfach lieben muss, nicht das Salz in der Suppe einer spannenden Geschichte? Denkt nur mal an “Vecna” aus “Stranger Things”… what a wonderful villain…!

Wenn ich nun aber sage, dass ich bereits bei der Campaign-, oder Session-Prep selbst das Spiel spiele, so bedeutet dies, dass ich mich in die verschiedenen Figuren der Handlung hineinversetze und zu ergründen versuche, was sie in diesem oder jenem Fall tun würden. Und das ist nichts anderes als das, was ich als Spieler am Spieltisch auch tue. Ich versuche, so zu denken, wie mein Char es täte und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen, vor denen ich selbst vermutlich nie stünde. Mir sind jedenfalls letzthin keine Golems, Lindwürmer, lebende wie untote Piraten oder sonstiges seltsames Gesindel begegnet, die mir allesamt am Kittel flicken wollten. Meinem derzeitigen Hauptcharakter allerdings schon. Und diese Person ist von meinem wahren white-middle-aged-cis-gender-male-self SEHR weit entfernt. Jedesmal, wenn ich mir – nur im übertragenen Sinne – die Haut einer anderen Person überstreife, spiele ich das Spiel. Und selbstverständlich möchte ich dann Spaß haben. Beim Vorbereiten von Spielrunden habe ich den, wenn ich das Gefühl bekomme, eine Herausforderung geschaffen zu haben, die spannend, zum Nachdenken anregend, dramatisch, alle Mitglieder der Gruppe wirklich fordernd und schließlich im Abschluss auch belohnend ist. Ob das tatsächlich der Fall war, weiß ich allerdings auch immer erst hinterher. Denn zum einen sehen meine Spieler in meinen Szenarien IMMER WIEDER irgendwelche Dinge, an die ich im Traum nicht gedacht hätte. Was aber bedeutet, dass mein Encounterdesign sich auch nach dem Call for Initiative stets weiterentwickeln muss, um die eben genannten Adjektive wenigstens halbwegs erfüllen zu können. Und manchmal muss ich sehr hart improvisieren, weil sie – wie bereits erwähnt – auf Ideen kommen, die mich dazu zwingen, neue Seiten im jeweiligen Kapitel zu schreiben, weil ich DIESEN course of action einfach nicht vorhergesehen hatte. Was bedeutet, dass ich auch als Spielleiter das Spiel spiele – denn unvorhergesehene Herausforderungen gibt es halt auf beiden Seiten des Spielleiterschirms.

Kommen wir zum Graus, den ich am Anfang erwähnt hatte. Dieser entsteht unter Umständen aus mehreren Gründen. Zunächst einmal kommt es (sehr selten) vor, dass die Spieler an allen Plothooks vorbeirennen und selbst der grellbunte, laut hupende Plotbus nach Cottbus einfach ignoriert wird. Was machste dann? Tja, kurz recht blöd aus der Wäsche kucken und dann irgendeinen Kram aus dem Ärmel schütteln. Meine Truppe ist schon mal Hals über Kopf aus einer Stadt voller interessanter NSCs und Side-Quests geflohen, weil einer von ihnen das Wort “Vampir” auf eine Art gesagt hat, die alle ganz kirre gemacht hat. Okay, vielleicht war ich auch selbst schuld daran, weil ich halt bei jeder Gelegenheit betone, dass meine Vampire weder glitzern, noch blödsinnige Spielchen spielen oder lange fackeln und – ganz im Sinne Draculs – echte MONSTER abseits jeder romantischen Verbrämung sind. Ich habe eh nie verstanden, was dass mit dieser Soft-Erotik rings um Vampire soll. Die saugen Menschen aus und machen sie zu ihren Sklaven. Was ist denn daran bitteschön romantisch oder erotisch? So’n Quatsch. Zurück zum Thema. Ein anderer Grund für Graus ist, dass die Charaktere vollkommen antiklimaktisch durch alle Encounter walzen und null Spannung aufkommt. Auch das (bewusste oder unbewusste) Zerlegen von mir durchaus gewollter Suspense durch unpassende Witze oder Sprüche kann mir den Spaß zerlegen; was allerdings NICHT bedeutet, dass Humor keinen Platz am Spieltisch hätte. Nur bitte nicht dauernd und bei allem, denn DAS ist es, was Marvel am Ende kaputt gemacht hat: jedwedes Drama irgendwie semi-ironisch brechen zu müssen. Wenn die Spieler diskutieren und planen ist das okay. Aber ab einem bestimnmten Punkt wird jede Planerei vollkommen redundant, weil irgendjemand glaubt, alle Risiken ausschalten zu können – dann schalte ich auch kurz ab. By the way: it’s called adventuring. You knew the job was dangerous, when you took it! Um das zuvor Gesagte mal einfach zusammenzufassen: ich habe Spaß, wenn ich tatsächlich auch zum Spielen meiner Welt und meiner NSCs komme und trotzdem dramatische Encounter gestalten kann. Wenn jemand mutwillig (oder auch aus Versehen) mein Drama abschaltet, schalte ich auch ab. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es allen anderen SLs vollkommen anders geht. Daher… gönnt eurem Spielleiter doch auch mal seinen Spaß! In diesem Sinne – alway game on!

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Der Weg zur Hölle…?

Als ich heute morgen – zuvorderst um meiner mentalen Gesundheit Willen – einen längeren Spaziergang am Fluss machte, musste ich leider feststellen, dass dort schon andere Menschen waren. Stelle man sich das mal vor: man geht in “die Natur” und da sind andere Menschen! Pfui Teufel… Jedenfalls hörte ich im Vorbeigehen den Fetzen einer Unterhaltung, der in etwa so ging: “[…] Der ist ein richtiger sozialistischer Hund, ein Kommunist! Und dann gendert der so selbstverliebt […]” Der Sprecher – natürlich sagt sowas meist ein Mann – hatte dabei diesen verachtungsvollen Klang in der Stimme, der zumindest mir den Verdacht nahelegte, dass ER sich für einen richtigen Macher, einen sogenannten “Leistungsträger” hält, der überhaupt nicht verstehen kann (oder eher: nicht verstehen will), wieso man sich über anderer Menschen Belange überhaupt Gedanken machen sollte… Das ist nämlich der Hauptgrund, zu gendern. Das man es damit auch übertreiben kann, will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber es gar nicht zu tun, zementiert so am Rande halt die manifeste Ausgrenzung verschiedenster Personengruppen. Deshalb ist es in verschiedenen Kontexten durchaus nützlich. Aber ich bin ja auch so ein arroganter sozialistischer Hund, der (gelegentlich) selbstverliebt gendert, nicht wahr. Also nehmen wir uns doch einfach mal ein paar wenige Minuten, um diesen verbalen Abfall vom Flussufer mal zu dekonstruieren!

Ich bin, durch den kosmischen Zufall meines biologischen Geschlechtes und meiner Geburt hier in Deutschland in eine Periode großen Wohlstandes, in die unfassbar privilegierte Position gesetzt worden, zu einem white middle-aged cis-gender male heranwachsen zu können, dem die Welt offen steht. Insofern unterscheidet mich vom obigen Sprecher vermutlich eher wenig (er war schlanker als ich). Ich sage kosmischer Zufall deshalb, weil ich einerseits natürlich zu meinem Lebens-Erfolg durch harte Arbeit und ein paar halbwegs clevere Entscheidungen beigetragen habe; wäre ich jedoch im Süd-Sudan geboren, oder in Nord-Korea, oder in Peru, oder auch in der Volksrepublik China… sagen wir so: ich habe versucht, von den vielen Chancen, die mir das Leben hier in Deutschland geboten hat, wenigstens ein paar zu nutzen. Macht mich das zu einem wichtigeren, besseren, stärkeren, oder gar wertvolleren Menschen, als… sagen wir mal die Obdachlosen am Hauptbahnhof? Wohl kaum! Also scheint es andererseits doch so zu sein, dass ich zwar manche Aspekte meines Lebens gestalten kann, diese Gestaltungsfreiheit allerdings stets durch die Kontextbedingungen (verfügbare Ressourcen, medizinische Versorgung, Bildung, Staatsform, Frieden oder Krieg, Peergroups, etc.) begrenzt wird. Leute… wir segeln ALLE ZUSAMMEN auf dem gleichen, mit weitestenteils endlichen Ressourcen bestückten, stets vom Auseinanderbrechen bedrohten, nur von unsichtbaren Kräften auf seiner Bahn gehaltenen Gesteinsklumpen durch das lebensfeindlichste Medium, welches wir kennen: den Weltraum; und das mit einer, für unser Verständnis aberwitzigen Geschwindigkeit! Wie wäre es zur Abwechslung mal mit etwas Demut für die absolut unwahrscheinliche Verkettung von Zufällen, welche unsere Existenz überhaupt erst ermöglicht hat…? Mit etwas Dankbarkeit dafür, aus Versehen in einem Land geboren zu sein, dass uns so viel ermöglicht? Mit etwas Zusammenhalt für diejenigen, die es trotzdem wesentlich schwerer haben (auch hier bei uns)?

Wie wäre es etwa damit, wenigstens einen Teil seines “Leistungsertrages”, auf den man so stolz ist, dafür aufzuwenden, es denen, die weniger (oder gar keine) Chancen hatten etwas leichter zu machen, anstatt mit einer kruden Mischung aus Ekel, Mitleid und Arroganz auf sie herabzublicken; oder auf jene, die ihnen schon helfen. “Aus großer Macht erwächst große Verantwortung!” Da nicken alle Marvel-Fans pflichtschuldigst. Doch seid mal ehrlich zu euch selbst: lebt irgendjemand diesen Satz auch? Denn Geld istgleich Macht! Oder was glaubt ihr, warum dieser Psychopat Elon Musk ohne jedwede Eignung eine regierungsnahe Behörde “beraten” darf? Also, wie setzt ihr euer Kapital ein? Ach so, reicht gerade so zum Leben…? Aha. Was kostet ein Iphone gleich nochmal? Was kostet ein Premium-Fahrzeug mit vollkommen überdimensionierter Motorsisierung? Was irgendwelche Wohnraum-Accessoires mit Markenlabel, oder Klamotten desgleichen (die übrigens in dem gleichen Sweat-Shop von Kindern für einen Hungerlohn zusammengenäht werden, wie der Fast-Fashion-Mist von Shein, oder Primark, oder H&M!)? Was kostet die Welt? Wäre nicht die Frage wichtiger, was ICH von dieser Welt wirklich brauche? Es läuft immer wieder auf das Gleiche hinaus: viel zu viele definieren sich über die Kohle, die sie nach Hause bringen. Dann geben sie diese Kohle aus für Schrott, den niemand braucht, um sich so darüber hinweg trösten zu können, dass ihr Job nutzlos, nervtötend oder schlicht und einfach scheiße ist; weil sie dort an der Produktion und Vermarktung jenes Schrotts mitwirken, den andere Menschen nur dazu brauchen, um sich über die Nutzlosigkeit ihres eigenen Jobs… versteht ihr, dass diese Tretmühle ein Teufelskreislauf ist, der – bis auf wenige Menschoide ganz an der Spitze der Nahrungskette – nur Verlierer erzeugt? Die dann auch noch glauben, sich über andere erheben zu dürfen, die ein bisschen schlimmere Verlierer sind? Wie dieses Arschloch am Ufer? Ich könnte jetzt sagen: Ach was soll’s – erstickt doch einfach an eurem verfickten Konsum! Wenn ich nicht wüsste, dass ihr gerade die Zukunft meiner Kinder verbrennt. Wenn ich nicht wüsste, dass auch meine Bilanz noch Arbeit bedarf. Der Weg zur Hölle? Der ist mit vielen schlechten Entscheidungen geplastert. Viel Spß beim Nachdenken…

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…hab gecheated…!

Es gibt drei Dinge, die sich über den heutigen Freitag sagen lassen. Erstens ist es in den Medien sehr schnell verdächtig still um den Amoklauf hier in Mannheim geworden, einfach nur, weil man das Ganze nicht so schön migrations-medial ausschlachten kann. Buhu, kein “Ausländer” als Täter, da kann man nix draus konstruieren, also weiter im Text. ZWEI! MENSCHEN! SIND! TOT! IHR! VERKACKTEN! MEDIEN-ARSCHGEIGEN! Und ihr tanzt immer brav nach Pfeife der Drecksfaschos von der AfD! In Wahrheit ist unsere angeblich so linksgrünversiffte “Systemmedien”-Landschaft zum Sprachrohr der Rechten verkommen, indem sie deren Agenda des Noch-Nicht-Sagbaren immer weiter und weiter unter die Menschen trägt! Schämt euch in Grund und Boden, armseliges Journalistenpack! Der Taxifahrer, der den KRANKEN DEUTSCHEN MANN aufgehalten hat, ist übrigens gebürtiger Afhgane, der schon lange in Deutschland lebt und arbeitet. Gelungene Integration und so…? Zweitens habe ich durch die Einleitung einer “exlaboratio praecox” gecheated – also die Arbeitswoche frühzeitig beendet, um heute Abend mit meiner Gattin was Schönes zu unternehmen. Das haben wir uns nämlich sehr verdient, einfach weil wir das Alles, was das Universum uns vor die Füße zu werfen die Frechheit besitzt, jeden Tag auf’s Neue nonchalant, mit Chuzpe und Verve wegatmen! Drittens denke ich gerade über Wut nach! Das mag jetzt paradox klingen, jedoch ist die Reflexion der eigenen Gefühlswelt wichtige Voraussetzung, die Emotionen und Motive anderer Menschen verstehen und einordnen zu können. Man nennt diesen Vorgang gemeinhin übrigens Empathie – den rationalen Nachvollzug der Gefühlswelt meines Gegenübers. Mache ich mir indes die Gefühle meines Gegenübers zu eigen, so nennt man das Mitgefühl. Nur dass ihr das auch mal zu unterscheiden lernt…

Ich las heute Morgen beim ersten Kaffee auf Zeit Online einen Artikel über weibliche Wut. Und über die Wahrnehmung der Autorin, dass Frauen sich im Mittel nicht den Raum in der Öffentlichkeit nehmen, den Männer dieser Emotion einzuräumen sich erlauben. Ich stelle fest, dass die beste Ehefrau von allen in der Tat oft irritiert bis verärgert reagiert, wenn ich meinen diesbezüglichen Emotionen freien Lauf lasse. In den allermeisten Fällen leide ich dabei an Anfällen des klassischen Autofahrer-Tourette – und der muss halt raus, bevor ich Stücke aus dem Lenkrad beiße. Ich bemerke sehr wohl geschlechtsspezifische Verhaltens-Unterschiede im (teil)öffentlichen Miteinander. Mir ist auch bewusst, dass hierbei Elternhaus, Peergroup, sozio-kulturelle Normen, etc. eine entscheidende Rolle spielen. Ich gestehe allerdings, dass ich naiverweise davon ausging, dass Frauen sich ihren Raum für Ihre Wut einfach an anderen Orten oder in anderen Kontexten nehmen würden, schlicht weil Wut oft ein sehr privates Gefühl ist. Und sie haben ja auch jedes Recht dazu, wenn man sich die gesellschaftlichen Realitäten des Jahres 2025 mal genauer anschaut. In der Hinsicht wäre das private Gefühl dann doch eher ein politisches, und sollte sich in der Öffentlichkeit zeigen und entladen können. Denn von der, in unserem Grundgesetz in Artikel 3, Absatz 2 kodifizierten Gleichberechtigung und dem im Absatz 3 beschriebenen Schutz vor Benachteiligung sind wir immer noch verdammt weit entfernt. “It’s (still) a man’s man’s world”. Die zweite Zeile “But it wouldn’t be nothing, nothing without a woman or a girl” wird da immer noch gerne vergessen.

Ich glaube ja, dass vielen Frauen eine offen gezeigte, ungefilterte und unmoderierte Wut so unangenehm ist, auf Grund der kulturellen Konditionierung, welche sie auch heute noch viel zu häufig von Kindesbeinen an erfahren. Und das wir Männer das durch unser, im krassen Gegensatz dazu, häufig vollkommen unbeherrschtes Territorial- und Besitzverhalten auch noch weiter befördern. Ich würde Wut ja gerne normalisieren. ich hätte gerne wieder robustere Diskurse. Man gilt heutzutage ja nur etwas, wenn man stets beherrscht und höflich und allem Ärger über vom Gegenüber beigefügte Verletzungen zum Trotze sachlich – UND DAMIT EINFACH FALSCH – bleibt! Ich will, dass sich Menschen auch mal anschreien können, egal ob Mann, Frau oder sonstwas! Weil ich im tiefen Grunde meines Herzens davon überzeugt bin, dass diese ganze kulturelle Tünche, diese falsche Nettigkeit, diese vorgebliche Sachlichkeit die wir miteinander immerzu wahren zu müssen glauben, uns in Wahrheit nicht weiterbringt, sondern voneinander entfernt, weil sie Bigotterie und hinterfotziger Doppelzüngigkeit Tür und Tor öffnet. Und damit kann und will ich eigentlich nicht mehr umgehen müssen. Schreit mir ins Gesicht, was ihr denkt! Traut euch, nicht über euren Ärger zu lachen, um ihn so zu relativieren! Gebt einander Raum, die ganze Scheiße rauszulassen! Und dann, erst dann, wenn die Gewitterwolken sich verflüchtigt haben, besitzt die Größe, aufeinander zuzugehen und miteinander auszuhandeln, was es auszuhandeln gilt! Es ist die einzige Art, die für mich wirklich zufriedenstellend funktioniert und mir hilft, nicht wieder in Depressionen abzugleiten. Alle Emotionen brauchen Ventile – auch, nein insbesondere die negativen. Und wenn man – so wie ich – gefühlt schon immer wütend ist, dann nutzt es nichts, die nette Bedienberfläche aufzusetzen, wenn drinnen Dresden Februar ’45 ist. Mach ich nicht mehr! Sollten die Frauen auch nicht mehr machen. So. Gut is. Schönes Wochende… und lasst es mal raus. Tut. Echt. Gut…

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Stuck in the middle N°9 – …more about writing!

Trügerisch träge wälzt sich der Strom durch sein aktuell immer schmaler gewordenes Bett. Am Ufer liegen große Mengen Treibholz, kleingemahlen von der stillen Kraft, welche unter der idyllischen Szenerie lauert. Beschienen von der Märzsonne, die langsam aber sicher wieder an Kraft gewinnt, beobachte ich das sanfte Kräuseln der Oberfläche, schirme die Augen gegen die gleißenden Reflexe ab. Ein Sinnbild für meine derzeitige Fähigkeit, an meinem Projekt weiterzuschreiben. Gedanken treiben umeinander, schleifen sich gegenseitig so rund, dass anstatt Essenz nur noch nutzlose Reste übrigbleiben, bis irgendetwas davon ans Ufer meiner Wahrnehmung getrieben wird. In das Darunter hingegen kann ich wegen der Reflexionen, welche von Außen eingestreut werden, nicht hineinblicken. Zu viele Dinge, zu viele Menschen, die gleichzeitig nach meiner Aufmerksamkeit heischen; für manche davon werde ich bezahlt, andere entstehen dadurch, dass Existenz allein immer auch noch andere Verpflichtungen beinhaltet. Zum Beispiel gegenüber der Familie und den Freunden. Gerne wäre ich im Moment allein für mich. Doch diese Möglichkeit besteht gerade nicht. Ja, es ist Wochenende und offensichtlich habe ich genug Zeit, zwei Blogposts zu schreiben. Sich eine Stunde nehmen für einen Spaziergang am Fluss, das geht auch. Aber sobald diese zwei Tage wieder zu Ende sind, ruft er laut, der Trott des Alltags, garniert mit allzu würzigen Häppchen von Ärgernis, während große Brocken von Arbeit in einer Faden Brühe aus Ressourcen- und Motivationsmangel treiben…

Um mich von diesen Missempfindungen abzulenken, schreibe und zocke ich! Es gibt auch noch andere Gründe, aber in der Hauptsache ist es genau DAS – in andere Gedanken, in andere Personen, in andere Welten eintauchen und die reale Welt für einen definierten Zeitraum alleine in ihrem Saft schmoren lassen. Ich glaube man sagt Eskapismus dazu, aber ganz ehrlich… es ist mir scheißegal, wie das Kind heißt, solange es mir hilft, mit dem Rest irgendwie klarzukommen. Allerdings habe ich im Moment eine Blockade! Die ersten 150 Seiten schrieben sich beinahe wie von selbst, weil ich eine klare Vorstellung davon hatte, was wann und wie passieren soll, welche Protagonisten welche Rolle spielen müssten und worauf das alles hinausläuft. In anderen Worten – ich hatte einen Plan! Den habe ich immer noch. Das Problem mit Fantasy-Literatur ist Folgendes: wenn ich ein halbwegs gutes Buch schreiben möchte, also meine Charaktere und ihre Reise ernst nehmen will, dann sollte die äußere Welt, in welcher die Geschichte stattfindet den inneren Kampf der Charaktere widerspiegeln. [Wer gerne über das Thema mehr wissen möchte, liest Stephen R. Donaldsons Essay “EPIC FANTASY IN THE MODERN WORLD. A Few Observations.” aus dem Jahr 1986.] Das bedeutet, dass man einerseits seine Charaktere sehr gut kennen und wissen muss, was ihre Stärken und Schwächen sind, was sie in die Knie zwingt und womit sie psychologisch zu kämpfen haben, um die Herausforderungen der äußeren Welt darauf abstimmen zu können. Die Dynamiken der einzelnen Character-Arcs sollten daher auch aufeinander abgestimmt sein. Andererseits kann dann NICHTS in der äußeren Welt der Erzählung einfach so passieren, was nicht zu dieser inneren Reise passt! Ich kann nicht einfach eine Actionszene einbauen, nur weil mir beim Schreiben gerade langweilig ist. Das ist auch so eine oft unreflektiert replizierte Weisheit unter Autoren: wenn eine Szene notwendig aber langweilig ist, leg’ ne Kanone auf den Tisch und schau was passiert.

Man muss über das Schreiben auch noch dies wissen: wenn ich mich an eine Szene setze, dann weiß ich vorher NICHT, wie die fertige Szene aussehen wird. Und selbst wenn der First Draft meiner ursprünglichen Idee eventuell sehr nahe kommt, kann es nach der zweiten oder dritten Revision sehr wohl sein, dass die Szene nun vollkommen anders abläuft, als zunächst intendiert. Denn nehme ich beim Schreiben meine Charaktere ernst, muss ich im Prozess reflektieren, wie diese andere Person, durch deren Augen die Leser:innen später die Geschichte erleben auf die präsentierten Probleme und Herausforderungen reagieren würde – nicht, was ich dann täte. Was bedeutet, dass ich mich zum Schreiben tief in diese andere Person hinein versetzen muss. Ich streife mir – im übertragenen Sinne – deren Fleisch über. Niemand interessiert sich dafür, was ich täte, wenn ich von einem Dämon bedroht würde – ich, white middle-aged cis-gender-male Körpergulasch wäre einfach totes Fleisch! Meine Helden hingegen fahren unter Umständen mit einer Chaos-Kreatur auch mal Schlitten, dass es eine wahre Pracht ist. Oder auch nicht, wenn die Zeichen mal wieder gegen einen stehen! Daraus folgt, dass Action sehr wohl intergraler Bestandteil einer Geschichte sein kann (und manchmal sogar sein muss); allerdings nie zum Selbstzweck, sondern stets, um die Reise der Charaktere voranzutreiben. Für Sexszenen gilt übrigens das Gleiche. [Ja, ich schreibe echt für Erwachsene. Gibt schon mehr als genug Heiteitei-Young-Adult-Autoren da draußen!] An so einem Punkt bin ich gerade, wo das seichte Dahinplätschern auf den letzten Seiten geradezu nach einem feisten Weckruf verlangt, ich aber keine Action um der Action Willen inszenieren möchte, weil sich das im Verlauf falsch anführen würde. Blöd gelaufen.

Man kann den Schreibfluss manchmal nicht herbeizwingen. Oft ist es so, dass man etwas Zeit braucht, um seinen eigenen Kopf zu unfucken; und neben Zeit auch die Muße, Dinge einfach mal zu tun, weil man Lust darauf hat, nicht weil man muss. Und da ist er wieder, der Endpunkt des Wochenendes, der langsam aber sicher schon zu winken beginnt. Mal sehen, wohin der Zug heute noch fährt. Bis zum nächsten Mal eine gute Zeit und eine nicht zu beschissene Woche!

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New Work N°21 – wofür eigentlich…?

Um es auf den Punkt zu bringen – ich habe von einigen Dingen atomar die Schnauze voll! Zum Beispiel von Menschen, die unter hohem Zeitdruck erbrachte Arbeit nicht zu schätzen wissen. Nichts im Leben ist perfekt, insbesondere dann nicht, wenn man dabei mit knappen Ressourcen hantieren muss. Sich hinterher hinzustellen und alles zu zerpflücken, ist jedoch pille-palle-einfach – und wird in den seltensten Fällen der Mühe gerecht, die sich jemand gegeben hat. Das Corpus Delicti ist hier eine Online-Fortbildung, die nach Aussagen Dritter zu einfach, zu kurz, zu wasweißichnichtnochalles ist. Okay, ist kein Glanzstück, dass war schon vorher zu erkennen. Zudem beklagt sich eine gewisse Personengruppe, nicht genug eingebunden gewesen zu sein – obwohl diese Personengruppe von didaktischer Arbeit schlicht keine Ahnung hat. Und auch nicht von den technischen Grenzen bestimmter Methoden, Tools oder eines Lernmanagement-Systems. Egal. Was mich jedoch am meisten fuchst, ist, dass man es MIR vorwirft, dass ANDERE es sich zu leicht machen und dabei ARBEITSZEITBETRUG begehen. Würde man sich mit den Inhalten wirklich auseinandersetzen, so wie es vorgesehen ist, könnte man gewiss auf die angegebene Zeit kommen. Tut man aber nicht, aus Faulheit, Indolenz und Trägkeit, womit wir wieder bei der wahren Bedeutung von FIT wären. Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen möchte! Aber ich ziehe meine Lehren daraus. In Zukunft werde ich einfach NEIN sagen und die Herrschaften sollen doch bitte jemand anders suchen, wenn sie der Meinung sind, ich wäre zu blöd, zu faul oder zu wenig devot gegenüber gewissen Protagonisten. Ich bin weder blöd, noch faul, noch zu wenig kommunikativ – ICH BIN ÜBERARBEITET GODDAMMIT! Ich bekomme keine Ressourcen (zu teuer), keine vernünftige Unterstützung (da müsste man ja jemanden aus seinem Personalportfolio abgeben, geht ja gar nicht) und bin seit Jahren andauernd damit beschäftigt, mit heißer Luft zu zaubern. In regelmäßigen Abständen nähe ich die komplette Orga immer wieder frisch auf Kante, darf mir aber im Gegenzug das Gejammer Dritter anhören, die mit diesem oder jenem nicht zufrieden sind. Da fällt mir ein Zitat ein…

“We, the unwilling, led by the unknowing, are doing the impossible for the ungrateful. We have done so much, for so long, with so little, we are now qualified to do (almost) anything with nothing.”

Konstantin Josef Jireček

Mittlerweile bin ich nämlich vollkommen unwilling! Unwillig, für Undankbare unmögliche Aufgaben in unfassbar kurzer Zeit mit unglaublich wenig Mateial erledigen zu müssen. Unwillig, mich dafür beschuldigen zu lassen, wenn Dritte ihren normalen Aufgaben nicht nachkommen und es sich einfach machen, wenn man ein wenig Mühe aus verschiedenen Gründen erwarten dürfte. Unwillig, es weiter zu erdulden, dass man mich wahlweise zum Rezipienten für jedwede, noch so lächerliche Beschwerde macht, mir aber im Gegenzug untersagt, dem Beschwerdeführer eine deutliche Antwort zu geben; dafür jedoch in anderen Situationen einfach mal behauptet, wir seien auf einem guten Weg, wenn ich an dem gegenwärtigen Weg nur noch sehr wenig Gutes zu erkennen vermag. Unwillig, mich im politischen Kleinklein zuerreiben zu lassen, wenn mir dadurch viel zu wenig Zeit für die eigentlichen Aufgaben meines Amtes bleibt. Unwillig, zu akzeptieren, dass man stets versucht, meine Gestaltungsspielräume einzuengen. Unwillig, weiterzumachen… Es ist, paradoxerweise, momentan der Lehrsaal, der mich am wenigsten Energie kostet. Ja, die Auszubildenden sind teilweise anstrengende Sparringspartner, weil sie den Anspruch artikulieren, von mir ein Komplettpaket geliefert zu bkommen, dabei noch verkennend, dass sie eine Menge Eigenleistung dazugeben müssen, um am Ende das Ziel erreichen zu können. Aber es ist eine lohnende Arbeit, weil ich manchmal diesen Heureka-Ausdruck in den Gesichtern sehen kann. Und weil ich die Chance habe, den jungen Leuten zu einer Haltung zu verhelfen, die ich in so manch Anderen, mit dem ich beruflich zu tun habe deutlich vermissen muss. Respekt! Konfliktfähigkeit! Teamspirit! Leistungsbereitschaft! Dieses zwanghafte zu Tode verwalten, und vor allem zu Tode verwaltet werden jedoch, DAS kann ich nicht viel länger ertragen!

Ich habe mir schon ein paar Mal Ultimaten gestellt und – naiv, wie ich manchmal auch mit 50 Lenzen noch bin – verstreichen lassen, weil ich gelegentlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen glaubte. JEDES EINZELNE MAL WAR ES EIN ENTGEGENKOMMENDER ZUG! Bislang bin ich nicht überrollt worden, aber es kommt mir gelegentlich so vor, als wenn gewisse Dritte es genau darauf anlegen würden. Ganz so, als wenn sie sich nicht bewusst wären, wie sehr ein Gesamtkonstrukt manchmal an einer Person aufgehängt ist. Nimmst du den zentralen Nexus in der Mitte weg, bricht das ganze Netzwerk zusammen. Und ehrlich gesagt sehe ich gegenwärtig wenig Benefit für mich selbst darin, so weiter zu machen wie bisher. Ja, ich habe in der Tat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und schaue dabei auf die mir anvertrauten Kolleg:innen und Auszubildenden. Aber Selbstausbeutung MUSS eine Grenze haben. Meine ist, so weit ich das übersehen kann, mittlerweile wirklich und engültig erreicht. Ich mag Teile meines Jobs immer noch auf gewisse Art. Das, worauf ich nächste Woche am meisten gespannt bin ist, ob mein Unterrichtsansatz, jungen Menschen Ethik im Gesundheitswesen näher zu bringen fruchten wird, oder ob ich mal wieder zu verkopft an ein kopflastiges Thema rangegangen bin…? Wir werden sehen. Aber dieser ganze politische Quatsch, der mich von meiner eigentlichen Arbeit abhält, dieses Egogeficke verschiedener Protagonisten, diese Unfähigkeit zum systemischen Denken, dieser Egoismus, das ständige übereinander- anstatt miteinander Reden und die ständige Angst mancher Leute davor, was Dritte denken oder tun könnten, oder auch nicht, die brauch und will ich nicht mehr. Würde die beste Ehefrau von allen nicht gerade auch in einer großen beruflichen Transformation stecken, wäre ich wahrscheinlich zum 30.06 weg – und nach mir die Sintflut. Tja Scheiße gelaufen, Vielleicht spiele ich mal wieder Lotto. In diesem Sinne – versaut Kolleg:innen, die sich für ihren Job wirklich Mühe geben, nicht so den Tag, wie ich es oben beschrieben habe, sondern hegt und pflegt sie. Denn sind sie weg, werdet ihr feststellen, was ihr an ihnen hattet! Schönen Samstag…

Auch als Podcast…

Spalt-Textperiment…

Manchmal fließt ein Text ganz von selbst aus der Feder (bzw. durch die Tasten auf den Bildschirm). Und manchmal nehme ich sechs, sieben unterschiedliche Anläufe und schmeiße sie allesamt in den – mehr oder weniger virtuellen – Mülleimer, bis schließlich entweder IRGENDETWAS Sinn zu ergeben beginnt – oder ich mit einer Mischung aus Wut (die ich ja bekanntlich immer in mir trage) und Resignation (die sich nur gelegentlich meiner bemächtigt) den Deckel zumache und was anderes zu tun versuche. Da bezüglich meiner kreativen Texterei Schreib- und Reflexionsprozess Hand in Hand gehen, ist mein Schreibfluss selten gleichmäßig. Ab und an kommen richtige Bursts of Writing und dann ist es wieder wochenlang eine Schur, auch nur den ersten Satz gerade hinzubekommen. Aber selbst, wenn ich mich – wo auch immer – ruhig niedergelassen habe und eigentlich schon im Schreibprozess angekommen bin, kann es gut sein, dass ich eine Weile etwas Anderes tue; oder besser, tun muss! Etwa einfach nur irgendwohin starren (ja meine Damen, dieses Klischee ist wahr, Männer können einfach nur irgendwohin starren, und währenddessen wirklich NICHTS denken; und das betrifft nicht nur Politiker). Oder ich gehe kochen. Oder essen. Oder spazieren. Man nennt das gemeinhin Schreibblockade. Und bei Non-Fiction-Texten wie meistens hier in diesem Blog, bei denen man nicht einfach einen der Charaktere eine Waffe auf den Tisch legen lassen kann, um die Spannung zu steigern, weil man eventuell ein ausgefeiltes Argument durchdekliniert wissen möchte, hilft es, zwischendurch was anderes zu tun. Allerdings sollte man das nicht über Tage ausufern lassen, sonst weiß man ja gar nicht mehr, wo die eigenen Gedanken gerade hinspazieren wollten, aber nicht konnten…

Schloß Aulendorf

Eigentlich hätte dieser Text hier eine Elegie werden sollen; und zwar auf meine derzeitige Unfähigkeit, Yutori zu erreichen. Jenen Zustand, bei dem man die Welt ringsum bewusst wahrnimmt, den Drive aus den Dingen entweichen lässt und so zu Frieden mit sich und diesen Dingen kommt. Ich wollte in dem Kontext eigentlich über Wahrnehmung und deren indidviduelle Wirkung sprechen. Und das ganze mit Ideen aus einem Artikel verknüpfen, den ich dieser Tage las und der sich mit der Frage befasste, inwieweit die Nutzung von generativer KI in kreativen Prozessen das Endprodukt noch als Kunst erscheinen lässt; oder – mit Blick auf die Trainingsdaten solcher Algorithmen – doch eher als billige (Raub)Kopie der vorangegangenen Kreativität anderer? Doch in diesem Moment erwarte ich voller Vorfreude ein ungewöhnliches Abendmahl mit Freunden und bin ganz und gar nicht zu Hause. Die Qualia, welche dabei in meinem Geist emergieren, sind in der Tat nicht in Worte zu fassen. “Bittersüße Vorfreude” beschreibt die aktuelle Ambivalenz zwischen der (zumindest zeitweisen) Losgelöstheit von meinen ganzen – verfickt nervtötenden – Aufgaben und jenem typisch protestantischen Sense of Duty, der mich ungesunderweise immer munter weitermachen lässt nur sehr, sehr unzureichend. Was auch immer heute Abend passieren wird, hat das Zeug, mich mit Energie und Ideen zu versorgen. Und dennoch weiß ich um den Bruch, der in Kürze entstehen wird. Denn dieses Mal lüfte ich den Schleier – trete gleichsam durch die Vierte Wand meiner Erzählung – und verrate, dass dieser Text nicht an einem Tag fertig geschrieben werden wird. Denn im Grunde meines Herzens möchte ich genau jetzt schreibend über mein derzeitiges Scheitern jammern – und hoffe gleichzeitig auf genug Punch in den nächsten Stunden, um morgen Nachmittag, wieder an meinem Desk zu Hause angelangt, dem Phönix aus der Asche gleich auf die Erschöpfung scheißen zu können. Wir werden sehen…

…und feststellen, dass der Abend, sowie der darauf folgende Morgen nebst Besuch einer Playmobil-Ausstellung und die leider unvermeidliche Heimfahrt mich wirklich – wenigstens ein bisschen – aufgeladen haben. Einziger Wehrmutsstropfen war ein selten dämlicher Zwischenruf dummer, arroganter Kinder, die ich nicht mal kannte; und dann auch nicht mehr kennenlernen wollte, was auf Grund meines Sozen-Gemuffels wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Schwamm drüber; es ist nicht meine Art vor meinen Kindern jemandem für einen Nazi-Spruch eine auf’s Maul zu geben. Wäre nicht sonderlich pädagogisch wertvoll… Es ist immer noch so, dass ich mich mühsam von Wochenende zu Wochenende, von Pen’n’Paper-Runde zu Runde schleppe, stets auf der Suche nach einem bisschen frischer Energie. Ich bin eigentlich kein sehr fatalistischer Mensch; pragmatisch ja, aber nicht fatalistisch. Ich versuche die Dinge zu ändern, wenn etwas nicht funktioniert. Und ich gebe nur sehr ungern auf. Aber letzthin gewann ich so ein komisches Gefühl, dass jedes Mal, wenn ich mich BERUFLICH auf gutem Weg in ruhigeres Gewässer wähnte, irgendein Desaster von rechts ins Bild geritten kam (Desaster kommen IMMER von rechts…) und mir den Tag, die Woche, den Monat versaute. Ich bin mit dem jeweiligen Fallout ja nie alleine, aber trotzdem zehrt sowas an der Substanz. Die Beziehung zwischen meinem Job und mir ist wohl ziemlich verkorkst – allerdings haben auch verkorkste Beziehungen eine unheilige Tendenz, lange zu halten. Da fällt mir ein Liedtext von Jethro Tull ein…

When we can last for days on a loving night;
Or for hours at least on a warm whisper given.
You always pick the best time to rise to the fight.
To break the hard bargain that we've driven.
Once again we're flying colors.


(c) 1982 Jethro Tull, Lied "Flying Colours" aus dem Album "Broadsword and the Beast"

Der Phönix fliegt wohl, allerdings nicht allzu hoch und der Motor stottert. Yutori erreiche ich immer noch nicht. Und eigentlich ist mir gerade auch gar nicht mehr so richtig elegisch zumute, denn im Grunde habe ich nur noch auf die ersten Hochrechnungen des Abends gewartet. Und dabei gibt es nur drei Dinge die wichtig sind. Erstens, Die Linke ist offenkundig sicher drin – und das ist gut! Denn wir brauchen eine solche Kraft in unserem Parlament. BSW und FDP müssen zittern – und ich bete, dass beide NICHT drin sind! Denn solche Kräfte brauchen wir nicht in unserem Parlament. Und ich bete, dass sich Friedrich von Papen … ähm pardon, falsches Jahrhundert. Merz heißt der Sauerländer, der in Kälte kam ja… also jedenfalls bete ich, dass diese arrogante, alte Hetzbacke sich nicht zum Steigbügelhalter der blauen Nazis macht! Aber von mir hat der Sack ja auch keinen Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Das waren wie immer jene, die nicht verstehen können oder wollen, das als Otto-Normal-Verbraucher die CDSU zu wählen in etwa das Gleiche ist, wie an einer nächtlichen Stadtführung mit Serienkillern teilzunehmen. Irgendwas wirst du auf jeden Fall verlieren: günstigstenfalls deine Selbstachtung, schlechtestenfalls deine Existenz. Aber das mit der Lernfähigkeit war ja schon immer ein Problem bei den sogenannten “Konservativen”. “Egoistische Angstbündel” wäre der bessere Terminus. Aber genug davon. Irgendwann die Tage gibt’s auch wieder was Kopflastigeres von mir. Bis dahin ihr Schwarz-und Blau-Wähler: schaut euch genau an, was für eine Scheiße ihr mit eurem Kreuzchen angerichtet habt. Und ihr anderen – startet in die Woche, so gut es euch möglich ist! Gejammert wird später…

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N° 51 – Voll Frontal!

Ich bin immer wieder erstaunt. Man hört ja allenthalben, dass viele Menschen geradezu geschädigt aus der allgemeinbildenden Schule kämen, dass sie dort allzu oft mit bösem, bösem Frontalunterricht geschädigt würden… Man verortet diese Art des Unterrichtens wahlweise in der Hölle der schwarzen Pädagogik oder auf den eisigen, grauen Ebenen der Schüler-Demotivation. Ich mache – allerdings als Erwachsenenbildner – ehrlich gesagt häufig völlig andere Erfahrungen. Einerseits vernehme ich regelmäßig (unabhängig vom Ausbildungsstand) den Wunsch nach mehr Frontalunterricht. Insbesondere ausgerechnet in den Lernsituationen, bei denen es um die Vermittlung von theoretischem Wissen geht. Der Konstruktivist in mir weiß jedoch, dass genau dort eigentlich eine erhebliche kognitive Eigenleistung der Schüler:innen verlangt wird. Denn jedes Theoriewissen von der trägen Ruheposition in eine aktive Nutzbarmachung zur Entwicklung von Handlungskompetenzen zu überführen, bedarf im wahrsten Wortsinne oft des “Begreifens”. Andererseits nehme ich eine nicht unerhebliche Abneigung gegen Gruppenarbeiten wahr. Ich vermute, das könnte daran liegen, dass selbstorganisierte Lernphasen oft vom Pädagogen nicht mit dem notwendigen Kontext oder verbindlichen strukturellen Rahmenbedingungen versehen werden. Wenn dann eine gewisse Beliebigkeit im Lehrsaal Einzug hält, führt das dazu, dass manche Schüler:innen das alles sehr ernst nehmen und sich von den sozialen Trittbrettfahrern (und die gibt es immer) verarscht vorkommen…

Nun sollten wir vielleicht zunächst feststellen, was Frontalunterricht NICHT ist; oder besser nicht sein SOLLTE: Wir wollen nicht davon reden, dass die Schüler:innen Stunde um Stunde passiv dem Wissenskonsum frönen sollen; sondern wir wünschen uns etwas, dass man “aktive Beteiligung” nennt. Nun ist diese allerdings nicht immer so leicht festzustellen, Denn wer glaubt, dass jene Person immer mehr aus dem Unterricht mitnimmt, die sich dauernd zu Wort meldet, als die stille Person, die man nur ausnahmsweise wahrnimmt, der liegt ziemlich oft ziemlich falsch; und ist dabei auch noch ziemlich ungerecht. Lerntypen und Lernstile sind halt so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten, die da vor mir sitzen. Frontalunterricht ist kein Plenum für die Selbstdarstellung der Lehrperson! Ja, Humor ist erlaubt (gerne auch hintergründig), ja, Nachfragen ist auch erlaubt. Was jedoch nicht erlaubt sein kann, ist das Bloßstellen von Schwächen der Schüler:innen, oder Scherze auf Kosten Dritter und sowieso Unfreundlichkeiten aller Art. WIE man nun Augenhöhe herstellt, ist am Ende eine Stilfrage, DASS man sie herstellt, ist jedoch essentiell. Denn Frontalunterricht ist ebenfalls kein Raum für sozialen Freestyle! Regeln des Umgangs miteinander sind überall dort notwendig, wo Menschen für einen längeren Zeitraum zusammkommen, so auch in der (Berufsfach)Schule. Was bedeutet, dass die Lehrperson einerseits dazu verpflichtet ist, diese aufzustellen (oder vielleicht besser auszuhandeln) und dann bitte auch für deren Einhaltung zu sorgen. Und die wiederholte Missachtung mit geeigneten Mitteln zu sanktionieren! Denn NICHTS ist nervtötender als Laissez-Faire mit Clowns! Damit jedoch kann Frontalunterricht also bitte auch NIEMALS ein Monolog sein ! Denn nur in der GEMEINSAMEN Reflexion der Themen entsteht Wachstum! Und Frontalunterricht ist übrigens auch keine Methode, sondern vielmehr die Rahmung für verschiedene Methodenausprägungen, die gleichberechtigt nebeneinander existieren. Denn mittels welcher Technik ich vorne präsentiere, spielt nicht nur hinsichtlich der Replizierbarkeit, sondern auch bei der bewussten Steuerung von Aufmerksamkeit und Partizipation eine wichtige Rolle. Insbesondere das Herausfordern oder Spielen mit medialen Gewohnheiten kann interessante Effekte erzeugen.

Frontalunterricht ist deshalb so schlecht beleumundet, weil er so furchtbar oft so furchtbar schlecht gemacht wird. Weil sich Lehrkräfte nicht für ihre Schüler.innen interessieren, und sich einen lauen Lenz machen, anstatt einfach ihren verdammten Job zu erledigen. Wenn ich hingegen Frontal-Unterricht in ein frontal (also von vorne) moderiertes Unterrichtsgespräch verwandeln will, dann muss ich mir als Lehrkraft zuvor die Mühe gemacht haben, den Unterrichtsgegenstand a) selbst durchdrungen und b) zur Präsentation in handhabbare Häppchen zerlegt zu haben, was c) idealerweise den Einsatz verschiedener Unterrichtstechniken beinhaltet und mögliche Interaktionspunkte für die Schüler:innen aktiviert. Ob dann irgendjemand das Symbol mit der Queste auch ernst nimmt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber eigentlich findet sich immer jemand, der den Köder schluckt… Und so werde ich meinen Frontal-Unterricht für nächste Woche wieder auf eine Art aufzubereiten versuchen, die Komplexes verständlich machen soll. Die Schüler:innen haben es nämlich verdient. Wir hören uns.

Über Äußerlichkeiten…

Reduziert werden auf das, was man sehen kann. Ein Gefühl, dass viele Menschen mit erschrecken weit von sich weisen, weil sie es fürchten, weil sie sich, gedrängt vom allüberall herrschenden Überschuss an dem, was unsere Wahrnehmung uns als Ästhetik vorgaukelt. überwältigt und entwertet fühlen, niedergeworfen von dem kaum kompensierbaren Gefühl optischer Unzulänglichkeit. Unsere Wahrnehmung ist dabei wie ein Bumerang, der uns trifft, wann immer wir uns von den aufpolierten Hochglanzbildern blenden lassen, welche Andere auf das Postament mit dem Namen Schönheit zu hieven die Frechheit besitzen. 

Ich mag einen kleinen Schuss Polemik und Populismus, weil viele meiner Pointen ohne nicht funktionieren würden, aber es griffe wohl deutlich zu kurz, wenn ich mich darauf beschränkte, jetzt wieder singulär die bösen, bösen Medienfuzzis zu schelten, die uns andauernd mit delikat angerichteten sexy Häppchen beliefern, von denen wir unseren Blick nur ungern abwenden, weil diese Bilder gleichsam im besten wie im schlechtesten Sinne Symbole sind – Symbole für das, was wir an uns selbst gerne entdecken wollen würden: ein Äußeres, dass Begehrlichkeit weckt, dass uns Türen öffnet und ein wilderes, erfüllteres Leben verspricht. Mit Versprechen ist es ja nun so, dass sie meist, entgegen aller Schwüre dann gebrochen werden, wenn es uns den größten Schmerz bereitet. Murphys Law gilt eben auch für weiche Faktoren des sozialen Miteinanders. Was aber nun die Symbolik angeht, so lässt sich sagen, dass der schlechteste Sinn sich darin erfüllt, dass die gezeigten Bilder überstilisierte, mit normalem Aufwand unerreichbare Ideale zeigen. Das Ironische daran ist, dass wir – egal ob in Kenntnis, Unkenntnis oder Verleugnung des vorgenannten Umstandes – dennoch nach dieser optischen Perfektion gieren, die anscheinend eine Projektionsfläche für, in den allermeisten Fällen nicht erfüllte Träume bildet. Oder anders gesagt ein Versprechen, auf das wir uns einlassen, obwohl wir wissen, das es nie eingelöst werden wird; nie eingelöst werden kann! Denn dafür müssten wir die Realität bescheißen können!

So und jetzt trösten wir uns erstmal ein bisschen damit, dass wir im Grunde ja alle so gebildet, so reflektiert und zutiefst empathisch sind, dass wir trotz der ganzen vorgeblich ästhetischen Verrenkungen die wirklich wichtigen inneren Werte sofort erkennen können, zu schätzen wissen und uns von visuellen Komponenten ja eigentlich gar nicht täuschen oder ablenken lassen… Ja klar, und Luzifer verkauft Jakuzis mit eingebauter Kühlung...

DAS ist Perfektion – allerdings nicht optische sondern selbstbetrügerische. Ich habe eigentlich kein großes Problem damit, mich dazu zu bekennen, dass mir bestimmte Formen der Hochglanzoptik durchaus zusagen und das ich eher dazu neige, etwas oder jemand schönem meine Aufmerksamkeit zu widemen. Es ist, so meine ich, nicht verwerflich sondern zutiefst menschlich, sein Augenmerk, ja vielleicht auch seine Begierde auf etwas oder jemand schönes auszurichten. Es schmeichelt nicht nur den Augen, es weckt auch meine Phantasie. Allerdings bleibt es auch beim Kopfkino, was daran liegt, dass ich visuell überaus ansprechende Träumereien, Wunschvorstellungen und Hirngespinste in der Hollywood-Kategorie sehr gut von meiner Lebensrealität zu trennen vermag, ohne diese dabei herabwürdigen zu müssen. Ich übe mich im mentalem Eskapismus schon ziemlich lange, ohne dabei jedoch die - für ein prolongiertes Funktionieren als produktives Mitglied der mich umgebenden Gesellschaft - notwendigen Faktoren aus den ebenso metaphorischen Augen verlieren zu müssen. Eigentlich ist das auch nicht sehr schwer. Eigentlich…
Das Entscheidende hier ist, das man lernt zu begreifen, dass die Janusköpfigkeit uns allen vom Beginn unserer bewussten Indiviuums-Werdung mitgegeben wird. Nicht nur Typen mit dem Sternzeichen Zwilling, wie ich einer bin. Es ist vielmehr eine Basisfunktion, die alles Soziale aber auch die zutiefst intimen Bereiche erst richtig gut funktionieren lässt. Bei mir selbst bezeichne ich es als Bedienoberfläche, welche wie bei jedem einigermaßen gut funktionierendem Computer für den jeweiligen Benutzer ein wenig anders aussieht, aber dennoch die angemessenen und notwendigen Funktionen beherbergt. Man könnte es auch als ein Arsenal von Masken betrachten, die wir je nach sozialem Anlass und Umfeld aufsetzen, um die Ansprüche der jeweiligen Gegenüber erfüllen zu können. Abhängig vom Grad der Intimität einer Beziehung beschreibt die Maske einen größeren oder geringeren Abstand zu unserer wahren Persönlichkeit, die sich gerade in der Abgrenzung bestimmter Areale ihrer selbst von fast allem und jedem definiert, obwohl wir uns erst im sozialen Vollzug als Individuun realisieren. Klingt das kompliziert? Ist es nicht…

Es ist wie ein Tanz vor einem Spiegel, bei dem wir uns mal annähern und mal wieder entfernen, bei dem sich je nach Winkel zur Oberfläche immer andere Facetten unseres Selbst zeigen und bei dem wir nur dann so langsam werden, dass auch bedeutsame Details sichtbar werden, wenn wir genau diese Wahrnehmung unserem Betrachter gewähren wollen. Gleichsam haben wir aber im Taumel der Bewegung trotzdem nie eine Hundertprozentige Kontrolle über das, was unser Gegenüber sehen kann, und dennoch können – oder wollen – wir das Spiel nicht beenden, denn dieser Tanz ist unser Leben und gleich wem wir in unserem Spiegel begegnen, er oder sie wird mindestens ein Bild von dieser Begegnung mitnehmen.

Genau deshalb sind Äußerlichkeiten eben DAS – einfach nur das Außen; und diese Bemerkung weißt dem Außen keinerlei Wertung zu. Der Tanz zeigt nicht nur Außen, er zeigt auch das Innen. Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, echte Tänzer länger und genauer zu beobachten, dem fällt es leicht, die Analogie zu verstehen, denn selbst mit grell geschminkten, dauernd lächelnden Gesichtern und fest betonierten Frisuren zeigen die Augen, die winzigen Regungen der Mimik, der Habitus sehr genau, was sich unter der Oberfläche tut. Und in aller Regel ist das viel interessanter als das ganze Brimborium außen rum – obwohl es nicht selten durchaus schön anzuschauen ist. Die Kunst liegt darin, die Optik schlicht als Optik zu sehen und gegebenenfalls einfach genießen zu können und sich trotzdem der Existenz des Innen bewusst zu sein. Man muss ja nicht immer nach einem Zugang zu den inneren Werten suchen…
Auch als Podcast…

Stuck in the middle N°8 – …about music!

Ich habe gestern wieder so eine besondere Art von Flow-Zustand erreicht. Ein Gefühl, dass sich nur dann einstellt, wenn ich mich in der Musik verliere. Nicht in einer Musik, sondern in DER MUSIK. Wenn ich mich von Song zu Song treiben lasse. Wenn ich inspiriert werde von dem, was ich gerade auf dem Bildschirm sehe, was in der Folge Erinnerungen oder Gedanken hervorruft und dann angespielt werden MUSS, um zu sehen, ob das erste Gefühl wirklich ist, wonach ich gerade unbewusst suche. Ich könnte geshuffelte Riesenplaylisten nicht wirklich ertragen, weil ich meinen Musikkonsum stets unbewusst kuratiere: abhängig von der Stimmung, die ich gerade erlebe, oder die ich zu evozieren suche, klicke ich auf Dinge, die für mich saliente Reize darstellen. Vielleicht, weil ich DAS schon lange nicht mehr – oder noch nie – gehört habe, aber genau jetzt nach dieser Erfahrung suche. Manchmal treibe ich dabei in Genres, die sonst nicht unbedingt meine Favourites sind, einfach, weil dort etwas hervorsticht, dass meine Aufmerksamkeit aus unerfindlichen Gründen fesselt. Das macht diese Art, Musik zu hören zu einer gelegentlich schrägen Erfahrung. Ich hörte vor einer Weile mal von jemandem, dass er wieder mit Vinyl angefangen habe, einfach weil einem die streng serielle Natur des Hörens eine spezielle Hörerfahrung aufnötigt, Geduld verlangt und unter Umständen das Konzept hinter einem Album sichtbar macht. Was ich mache, ist allerdings nicht das komplette Gegenteil, denn auch meine Art des kuratierten Konsums verlangt volle Aufmerksamkeit und – mehr oder weniger – bewusste Entscheidungen. Das komplette Gegenteil wäre leise im Hintergrund laufender Shuffle-Play, am besten mit Playlists verschiedener Alben derselben Künstler:innen. Vollkommene Entkopplung von Künstler und semantischer Werk-Bedeutung. Kein Bezugsrahmen, nur Konsum. Obwohl… bei vielem, was heutzutage auf den Musikmarkt geschissen… äh, pardon geschmissen wird, hat eh nur den semantischen Gehalt des Einwickelpapiers beim kleinen Wirtshaus zur platten Frikadelle: allzeit geschmacklos, nährwertfrei und ungesund…

Winterspuk am Sonntag Morgen…

Ich erlebe auch Momente, in denen es vollkommen okay ist, die Musik im Hintergrund dudeln zu lassen, etwa um meine Denkkanäle beim Schreiben freizublasen. Dann ist es meistens ein sehr uniformer genrebegrenzter Sound, der mich nicht zu sehr kognitiv belastet, aber meine Stimmung unterstützt. Meistens irgendwas elektronisches, dass mich nicht fesselt oder ablenkt, sondern bestenfalls erfreut und energetisiert. Die Frage, welche mich dabei immer beschäftigt, lautet, was Menschen dazu antreibt, etwas zu erschaffen. Und sei es – auf den ersten Blick – noch so simpel oder uniform. Gerade im Bereich elektronischer Musik ist es ja vergleichsweise einfach geworden, etwas halbwegs gut hörbares mit ubiquitär verfügbarer Hardware zu erzeugen. Letztlich geht das mit jedem Computer; wenn man natürlich more sophisticated and special aussehen will, nutzt man Modular Synthezisers, wie etwa irgendeinen Moog (oder auch was billigeres). Es bleibt jedoch dabei, dass man den kompletten Produktionsprozess ohne riesen Hazzle in seinem Wohnzimmer erledigen kann – außer, man möchte unbedingt singen! Dann sollte man für ein Mindestmaß an Hörgenuß etwas mehr Aufwand betreiben. Und vielleicht singen können? Aber das ist im Zeitalter von Rap und Hiphop ja auch nur noch optional… Es braucht also eine Motivation. Lautet diese “Ich will auf Youtube (oder xyz) Kohle machen!”, wird das Ergebnis generisch, erwartbar, repetitiv daherkommen, aber zumeist noch so gut konsumierbar sein, dass es schon ein bisschen Spaß macht. Interessant wird es jedoch, wenn jemand tatsächlich a) etwas von Musik versteht – was heutzutage keine zwingende Voraussetzung mehr ist, um welche zu veröffentlichen – und b) mit seinen Kreationen die üblichen Hörgewohnheiten herausfordert. Das erzeugt Spannung – und bedeutet für mich automatisch, dass es nicht mehr casual Quatsch für die Begleitung meines sonntäglichen Blogschreib-Prozesses sein kann. And here we go again.

Ich habe manchmal das Gefühl – aber das ist ganz und gar nur meine eigene, gelegentlich durchaus abgstumpfte Weltsicht, die hier spricht – dass wir Musik nicht mehr als eine Form von Kunst wahrnehmen, sondern nur noch als Konsumartikel und Projektionsfläche für unsere eigenen Erwartungen. Überhaupt erscheint es mir so, als wenn viele Menschen gar nicht mehr anders können, als jegliches Work of Art ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Konformität mit ihren Erwartungen an leichte Konsumierbarkeit zu bewerten. Doch das ist nicht die Aufgabe von Kunst! Die Aufgabe von Kunst ist zuallererst, die Ideen, die Weltsicht, die Gefühle ihrer Schöpfer:innen für Dritte begreifbar zu machen; und zwar getrieben von der Annahme, dass dieser Ausdruck der eigenen Persönlichkeit für irgendjemanden anders als man selbst wertvoll sein könnte! Und damit ist es vollkommen Wumpe, ob ein Work of Art für MICH leicht konsumierbar ist – denn DAS. IST. NICHT. SEIN. ZWECK! Bestenfalls kann es mich zum Neu-Denken von allem möglichen oder unmöglichen anregen. Und das ist auch gut so. Da stößt der Mainstream-Menschoid aber anscheinend schnell an seine Grenzen. Meine Mutter sagte in solchen Fällen: “Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht…” Hier sind wir nun bei der Begründung für meinen gestrigen Flow-Zustand – mir ist Genre egal! Mir ist Künstler:in egal! Mir ist easy listening so was von egal! Und mir sind Charts, Media-News und die Meinung anderer Menschen so egal, wie eben möglich. Einzig interessant ist für mich in solchen Situationen die Wirkung von Musik auf meine Kognition und meine Emotionen – und zwar unabhängig davon, ob die Künstler:innen es mir damit leicht machen oder nicht! Und damit ist alles gsagt. Hört auf, euch von Charts, von Fandom, von irgendwelchen Meinungsproduzenten und vor allem von der, auf die reine Konsumierbarkeit reduzierten, Mainstream-Scheiße abhängig zu machen, die immer gleich klingt und nichts mehr anregt, außer vielleicht das Gefühl, unter Gleichgesinnten zu sein – die genauso auf den Mist reinfallen. Selbst fühlen und denken macht einen wirklich frei. In diesem Sinne: startet in die neue Woche, wie’s euch gefällt – aber erzählt mir bitte nix von Musik.

Auch als Podcast…