Fresh from Absurdistan N°27 – Hoch spekulativ…

…beschreibt das aktuelle Leben aus meiner Sicht ganz gut. Wer kann schon mir Sicherheit sagen, wie sich die Pandemie in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten hierzulande entwickelt- Überall sieht man die Idioten unter ihren Steinen heraus kriechen, die jetzt mal flugs fordern, die Maßnahmen zu beenden, weil das ja eh alles nichts bringt, es war ja gar nicht so schlimm bisher… Tja, warum wohl war es bisher nicht so schlimm? Ich habe keine Lust darüber zu diskutieren, deswegen lasse ich diese ganze Kognitionsamateure mit dem Rätsel nun alleine.

Hoch spekulativ bedeutet, dazu genötigt zu sein, Pläne (und die dazu gehörenden Reserve-Pläne) machen zu müssen, ohne wirklich einen Anhalt zu haben, wohin der Zug fährt. Mein bisheriger Job im Rettungsdienst hat mich darauf vorbereitet, unvoreingenommen an jedwedes Szenario heranzugehen; schlicht weil Sunzi mit der Einschätzung vollkommen Recht hatte, dass noch jeder Plan an der ersten Feindberührung gescheitert ist. Unser aktueller Endgegner heißt SARS-CoV2; und der hat noch nicht mal hochgelevelt. Wir sind also dazu gezwungen, auf der Basis äußerst bruchstückhafter Informationen kritische Entscheidungen zu treffen, die bald erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Menschen haben werden. Wenn ich ehrlich sein soll – gut fühlt sich anders an!

Es scheint bei manchen Menschen der Eindruck entstanden zu sein, dass ich nicht gerade der große Organisator vor dem Herrn wäre. Doch tatsächlich ist es so, dass zumindest manchmal Reagieren besser ist als proaktives Agieren. Wir haben jetzt gerade so eine Zeit, in der auf Sicht gefahren wird. Das bedeutet mitnichten, dass ich unvorbereitet wäre; ich weiß nur ziemlich gut um die Fragilität von detaillierten Plänen. Ich habe außerdem eh zu wenig Ressourcen zur Verfügung, also muss ich mit dem, was da ist, haushalten. In so einer Situation sucht man sich seine Baustellen mit Bedacht und weicht Kämpfen aus, so gut es eben geht. Wenn das tatsächlich schlechte Organisation sein soll, kann ich mit der Meinung anderer leben, solange ICH Ergebnisse erziele.

Ja, ich habe mir mal wieder zu viel aufgeladen. Aber es gibt immer Wege aus der Krise, auch wenn diese nicht immer sofort augenfällig werden. Und ich habe noch ein bisschen Zeit. Was mich allerdings erheblich nervt ist, dass immer wieder Baustellen auftauchen, von denen ich gedacht hatte, damit fertig zu sein. Und manchmal werden welche aufgemacht, die gerade jetzt unnötig gewesen wären; aber die Ressource „Mitarbeiter“ muss sich für das Geschäft ja lohnen, also geht immer noch ’ne Schippe. Nun ja, man wächst mit seinen Aufgaben… Ich erdulde das alles bislang (zumindest äußerlich) relativ stoisch, weil ich angefangen habe, einem Satz zu huldigen, der von einer hochgeschätzen Kollegin stammt: „Am Ende wird alles gut; wenn’s noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!“

Wir werden in diesem Jahr 2020 allerdings ziemlich sicher noch einige böse Erwachen erleben und ganz gleich, wie man sich das ganze auch schönredet: bisher hat die Pandemie NICHTS ABER AUCH GAR NICHTS zum Besseren verändert. Sie lässt die Leute momentan egoistischer werden, wirft Pläne über den Haufen, tötet Geschäfte und damit Existenzen und bedroht die Schwachen. All das Gerede von mehr Solidarität kann ich nicht mehr hören. Ich habe das mindestens genauso satt wie Menschoiden, die zu blöd, zu arrogant, zu indolent, zu egoistisch sind, sich an ein paar einfache Regeln zu halten, um ihre Mitmenschen zu schützen. Man wird durch die Arbeit im Sozialen halt doch zum Misantrop erzogen… Also, bleibt sozial, bleibt gelassen und geht mir nicht auf den Sack. Gute Nacht.

Meditation über Maulkörbe…

Paradoxien werden erst sichtbar, wenn man ein Stück zurücktritt. Das Dilemma des Dogmatikers ist, dass er in seiner Meinung lebt, was den Schritt zurück, um von der Detailbetrachtung in die Totale zu wechseln sehr schwer macht. Folglich erkennt er zu oft die Paradoxien seines Denkens und Tuns nicht, oder zumindest nur ungenügend. Wirklich problematisch wird das zumeist erst, wenn entweder die Freiheit Anderer oder gar deren sonstige Unversehrtheit beschädigt wird. Das letztere kommt selten vor. Doch das erstere ist in den letzten Jahren – vor allem aber seit den gesellschaftlichen Auswirkungen von Covid 19 – zu einem Kennzeichen des öffentlichen Nicht-Diskurses geworden.

Ich sehe unfundierte Meinungen, die wie Monstranzen vorneweg getragen werden, welche allerdings anstatt der Überreste Heiliger bestenfalls die heilige eigene Meinung beinhalten, um dann den Geweihen brünstiger Hirsche gleich gegeneinander geschlagen zu werden, bis die individuelle verbale Gewalt erreicht, was die Argumente niemals könnten: den totalen Sieg. Und alle machen sie mit bei diesem totalen Krieg des Dogmatismus. Ich könnte im Strahl kotzen, wenn wieder einmal irgend so ein selbstgefälliger Forist meint, seine Monstranz sei hübscher als meine und dann sofort persönlich wird, wenn ich ihm mit Argumenten komme.

Es gibt so vieles, über das man diskutieren könnte. Doch anstatt Konsenz- und Lösungs-orientiert über Sachargumente zu sprechen, am besten auf Augenhöhe und ohne Dünkel, geht es sofort ad hominem, es werden Strohmänner aufgefahren, das Totschlagsargument der Political Correctness wie eine Peitsche geschwungen und wenn all das nicht gezogen hat, wird man halt beleidigend und unterstellt dem Gegenüber z. B., keine Ahnung zu haben. Ein kleiner Hinweis an die Netzcommunity: ICH MISCHE MICH NUR BEI DINGEN EIN, DIE ICH AUCH VERSTEHE! Vor diesem Hintergrund hat dieser Artikel bei ZON genau meinen Nerv getroffen, denn ich bin links, verstehe mich als systemkritisch – und verstehe dennoch nicht, warum man z.B. gewisse Corona-Schutzmaßnahmen verabsolutiert, ohne dafür eine sichere empirische Datenbasis zu haben. Warum man Klassiker wie Hegel und Kant plötzlich des Chauvinismus, Rassismus etc. bezichtigt, ohne dabei die historische Perspektive einnehmen zu können. Kants „Kritik der reinen Vernunft“ wird niemals ihrer Bedeutsamkeit beraubt werden können; und wenn er auch Rassist gewesen sein mag.

Wir leben heute mit Maulkörben, die eventuell unser Fortkommen als Menschheit behindern, zumindest aber das Miteinander schwerer machen. Unter anderem, weil z. B. das öffentliche Sichtbarmachen von Nicht-Binären Personen durch ein eigenes Personalpronomen (da es bei uns derzeit kein geeignetes gibt, wie etwa „hen“ im schwedischen, verwendet man momentan am besten „them/they“, auch wenn das sprachlich kontra-intuitiv sein mag) diese eher einer Stigmatisierung und Verfolgung aussetzen wird, anstatt ihnen als Personen in ihrer Identität gerechter zu werden. Und das ist nur einer von vielen Aspekten, bei denen proklamierte Diversity eher zu noch mehr dogmatisierendem Schubladen-Denken führen wird. Aber ich bin ja nur so ein cis-Typ, der keine Ahnung hat, woll…?

Sprache strukturiert das Denken. Dieses durchaus beachtliche Argument der non-binaries funktioniert in beide Richtungen. Indem ich Zonen des Unsagbaren definiere, schaffe ich automatisch – wenn auch mit etwas zeitlichem Abstand – Zonen des Undenkbaren. Wer also die Deutungshoheit über den Sprachwandel hat, der wird im Laufe der nächsten ein, zwei Generationen eine Gesellschaft umwälzen können. Sowohl die Linken, wie auch die Rechten versuchen im Moment mit verbaler Gewalt einen wahrhaft offenen „Marktplatz der Ideen und Argumente“ zu verhindern – jeweils in dem Bestreben, den anderen Pol zu vernichten. Wie viel Pluralismus hält der öffentliche Diskursraum wohl aus? Ich weiß es nicht. Aber ich würde das viel lieber herausfinden, anstatt mich mit einem Maulkorb arrangieren zu müssen, gleich welche Farbe dieser auch haben mag.

Eines zum Ende – ich habe ein großes Herz für die Anliegen der non-binaries und der LGBTQIA+-Menschen. Aber auch das sind nur Partikular-Interessen auf dem von mir favorisierten öffentlichen Markt der Ideen und Argumente. Wenn aber jemand von mir in spezieller Weise angesprochen werden möchte, so möge hen mir dies mitteilen. Und jetzt ein schönes Wochenende.

Fresh from Absurdistan N°26 – Reich und Schön?

Mehr Gedanken im Kopf, als gut für mich sind. Weniger Zeit, Ihnen nachzugehen. Normalzustand also. Statt Denken und Schreiben zumeist rennen, schuften, den Lieben hinterher-was-auch-immern, versuchen, den ganzen Mist unter einen Hut zu bringen. Klappt mal mehr, mal weniger gut, ist aber immer für Ärger oder Amüsement gut. Letztlich oszilliert mein Leben im Moment zwischen diesen beiden Polen: Mal oben, mal unten, aber immer mittendrin. Also ist mein ganzes Leben im Moment ’ne Borderline…

Es überrascht mich selbst vermutlich am meisten; jedoch darf ich berichten, meine Psyche ist stabil. Wenn ich das doch von meinem Körper nur auch behaupten könnte. Wie dem auch sei. Action ist die neue Achtsamkeit, Echauffement die Entschleunigung und Meetings meine Meditation. Ich werde mich nicht beklagen, denn all die Energie muss ja irgendwohin und wird dabei sogar – zumindest weitesten Teils – nutzbringend verbraucht. Aber, wie das Leben so spielt, sind wir ja immer noch in Absurdistan unterwegs. Maskenverweigerer, Aluhutträger und anderes asoziales Geschmeiss versuchen immer und immer wieder, den öffentlichen Diskurs zu kapern.

Heute las ich auf Zeit Online (der Artikel ist leider hinter der Paywall verschwunden), wie reiche Gesellschaftsverweigerer versuchen, sich vor dem Virus zu schützen, indem Sie ihr Kapital einsetzen: sich ’ne Insel kaufen, in exclusive Clubs zurückziehen, sich gleich aus der Staatsbürgerschaft auskoppeln. Ich dachte so bei mir, dass die auf diese Weise vielleicht ihr Infektionsrisiko minimieren. Allerdings um den Preis, dem Menschsein vollkommen zu entrücken. Der Artikel spricht auch davon, dass, je reicher man ist, man (durch sozial-psychologische Studien nachgewiesen) unempathischer gegenüber den Bedürfnissen der Nicht-Habenden wird.

Ich wusste ja schon immer zumindest subjektiv dass (zu viel) haben asozial machen muss. Nun habe ich das zur Abwechslung mal schwarz auf weiß. Und es erklärt, warum Menschen wie Michael Ballweg, speziell Menschen aus dem Wohlhabenden Baden-Württemberg so vehement tun, als wenn Covid19 eine Erfindung wäre, um sie ihrer Autonomie zu berauben. Wie viel geistige Autonomie hat eigentlich ein, von den Phantomen seiner Phantasie gejagter Dogmatiker wirklich? Ich bitte die Polemik zu entschuldigen, aber für mich sind diese Menschen so dumm, dass man ihnen das Wahlrecht aberkennen sollte. Aber das ist nur die Meinung eines Typen, der schon sein ganzes Leben versucht, die Menschen zu verstehen. Meist mit geringem Erfolg.

Doch ich war gerade beim öffentlichen Diskurs. Und der findet zum Thema Corona nicht statt. Es gibt jene, die einfach klaglos alles hinnehmen, was irgendwelche Politiker und/oder Behörden verzapfen. Beispiel: Maskenpflicht in Thüringen. Oder der Umgang mit der bodenlosen Sauerei bei Tönnies durch die Nordrhein-Westfälischen „Autoritäten“. Meine Erkenntnis hieraus: Ramelow hört auf die falschen Berater und Laschet ist auch nur ein Heißluft-blasender Populist. Dass er nicht mein Kanzlerkandidat wäre, ist ja klar. Was nicht klar ist – wer ist denn nun mein Kanzlerkandidat? Frau Kramp-Karrenbauer hat zur Abwechslung im ZDF-Sommerinterview etwas kluges gesagt: der Wahlkampf würde sich nicht an der Frage des Corona-Krisenmanagements entscheiden, sondern an der Frage der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Doch ich war bei der anderen Fraktion des nicht existenten öffentlichen Diskurses; denn der schweigenden Masse stehen die radikalen Idioten aller Coleur gegenüber. Und ich hocke zwischendrin und frage mich, was genau so schwer daran ist, zu verstehen, dass Absurdistan jetzt das neue „Normal“ ist. Das wir noch auf Monate, vielleicht Jahre mit immer wieder neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu rechnen haben. Das dies auch unsere Art zu Leben und zu Wirtschaften insgesamt in Frage stellt. Aber darüber reden sie nicht. Da wird nur von der Wirtschafts-Misere gesprochen, ohne wahrhaft über Nachhaltigkeit zu reden. Da wird nur von Gesundheit gesprochen, ohne tatsächlich Ahnung oder Konzepte zu haben. Da wird über Schule gesprochen, ohne die wahren Betroffenen im Blick zu haben. Und den Preis für diese Indolenz, Trägheit und Lobbyisten-Hörigkeit zahlen am Ende wir alle – auf die eine oder andere Art. Wollen wir mal darüber reden…?

Fresh from Absurdistan N°25 – Rassisten-Bullshit-Bingo

Ganz ehrlich – ich hatte eigentlich daran gedacht die FFA-Reihe leise weinend sterben zu lassen, weil es den allermeisten Menschen offenkundig schwer fällt, zu verstehen, dass wir immer noch in Absurdistan sind. Spätestens in dem Moment, in dem Kinn-Accessoire-Träger, Distanz-Verweigerer und Gesundheits-Diktatur-Rufer mich daran gemahnt haben, dass wir noch lange nicht über den Berg sind und dennoch allenthalben die Menschen tun, was sie halt so tun – anderen Menschen mit ihrem Verhalten auf die Nerven gehen, sinnlos konsumieren, Vernunft als nutzlos weil Spaß-bremsend diffamieren und was weiß ich nicht noch alles – wurde mir aber klar, dass ich genau diese Reihe weiterführen muss. Wir brauchen andere Aspekte in der Diskussion.

Im Moment ist es mal wieder ein „Merkel muss weg“; als wenn der Austausch einer politischen Führerin am System irgendwas ändern würde. Hinter Trump stehen – so peinlich er manchmal auch sein mag – ja auch jede Menge Menschen, die ihn pausenlos dafür feiern, dass er mit aller Gewalt eine nationalistische Zeitenwende in den USA einzuläuten versucht. Politik ist ein seltsames Geschäft, über welches der französische Komiker Henri Tisot mal folgendes sagte: „Bei der Fischsuppe und bei der Politik sollte man nicht zuschauen, wie sie gemacht werden.“ Mir schmeckt beides nicht besonders…

Und mitten in diese seltsamen Zeiten platzt die altbekannte Erkenntnis, dass es bei unseren Sicherheitsbehörden faule Äpfel gibt. Nun, die gab es leider schon immer, die gibt es jetzt offenkundig in zu großer Zahl und die wird es vermutlich auch noch eine ganze Weile geben. Diesen Umstand jedoch als Grund zu gebrauchen, nicht darüber reden zu wollen, ist schlicht dämlich. Denn der Satz „Das haben wir aber schon immer so gemacht!“ bringt halt weltweit die meisten Menschen um. Genauso wenig, wie es keinen latenten Rassismus bei Mitarbeitern unserer Sicherheitsbehörden gibt, gibt es nur gute Menschen mit Migrationshintergrund. Jedoch diese beiden Sachverhalte mittels Whataboutism gegeneinander auszuspielen, wie das gerade in der Diskussion um die Ereignisse von Stuttgart vom letzten Wochenende geschieht, wird weder den, auf Grund ihrer Herkunft stigmatisierten und benachteiligten in unserer Gesellschaft, noch dem leider notwendigen Vorgehen gegen kriminelles Handeln gerecht. Und nichts Anderes waren die Krawalle von Stuttgart. Man kann das natürlich sozial-psychologisch begründen, warum ausgerechnet junge Männer zu solchem Verhalten neigen. Das ändert nichts daran, dass es sanktioniert werden muss.

Die Gemengelage zündfähiger Befindlichkeiten, welche sich im Verlauf des Lockdowns gebildet hat, wird gerade durch die Einkehr des Sommers potenziert. Die Menschen möchten wieder mehr Mensch sein dürfen, weil sie sich durch Abstandsregeln, Masken und viele andere Einschränkungen der persönlichen Entfaltung sozial amputiert fühlen. Die Regelungen zu Corona haben den Zweck, uns Menschen vor uns selbst zu beschützen, weil wir als Spezies im Median ziemlich schlecht darin sind, auf uns selbst – vor allem aber auf die Schwächeren unter uns – Acht zu geben. Anders kann man sich den Zustand unserer Welt auch schwerlich erklären. Aber nun ist es sehr vielen einfach genug! Ich verstehe das – Empathie meint zuvorderst, sich in die Gefühls-Welt des Gegenübers rational hinein denken zu können. Mitgefühl, oder gar Mitleid reserviere ich mir gerne für jene, die mir wirklich nah sind, aber ich kann wohl durchdenken, was die Menschen landauf, landab so umtreibt, weil ich selbst einer bin. Und das Gefühl der behinderten Selbstentfaltung habe ich in den vergangenen Wochen auch dann und wann erlebt.

Was haben aber nun diese beiden Phänomene miteinander zu tun? Aus meiner ganz bescheidenen Sicht Folgendes: wir projizieren unsere Gefühle und suchen Schuldige für das, was uns gerade am Menschsein hindert. Wir wollen unsere Freiheit verteidigen; unbeachtet der Tatsache, dass sie eigentlich gar nicht bedroht ist. Wer in den Lockdown-Maßnahmen eine Bedrohung der Demokratie, bzw. seiner individuellen Freiheit sieht, darf gerne mal ein Austauschjahr in Nordkorea machen. Frustration und Wut über die eigene Lage vermengen sich mit diffuser Xenophobie und Wumms => Rassismus. Oder Frustration und Wut über den Mangel an Freiheit vermengen sich mit einem, hierorts allerdings in den allermeisten Fällen ungerechtfertigen ACAB-Gefühl und Wumms => Randale in Stuttgart. Angst ist nur ein guter Ratgeber, wenn sie dazu führt, dass ich mich einer Auseinandersetzung entziehe. Angst und Wut zusammen sind meist ein guter Grund für unnötiges Leid; egal bei wem…

Wie man es auch dreht und wendet – der Lockdown lässt diese alten Gefühle seit Wochen hochkochen und niemand hat bisher ein gutes Rezept gefunden, wie man diese Bombe entschärft. Fest steht jedoch, dass sie da ist und irgendwelche Idioten immer wieder versuchen, die Lunte anzuzünden. Möglicherweise ist es doch wahr, dass es immer ein paar Menschen gibt, die die Welt einfach nur brennen sehen wollen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Soziopathen und Psychopathen nicht die Oberhand gewinnen. Denn weitere solche Unruhen wie in Stuttgart in Verbindung mit Corona wären in ihren Auswirkungen noch viel schlimmer als die sozialen und hygienischen Abgründe, welche sich beim Skandal-Schlachter Tönnies offenbart haben. Kauft eigentlich noch irgendwer von euch beim Discounter Fleisch? Schönes Wochenende mit Steaks vom Grill…

Fresh from Absurdistan N°14 – Das Undenkbare…

…kehrt zurück in unsere Welt. Das Unaussprechliche feiert Urständ und unsere sogenannten Eliten nehmen daran teil. Ein kurzer Exkurs auf das Gebiet der sogenannten Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik mag uns ernüchtern, falls wir glauben, dass Wirtschaftslenker die Humanität auf ihrer Agenda haben, wenn sie jetzt nach rascher Lockerung des Lockdowns rufen. Es erinnert ein bisschen an die Geschehnisse rings um den Ford Pinto in der 70ern des vergangenen Jahrhunderts. Die Firma Ford wollte aus wirtschaftlichen Erwägungen lieber Schadenersatz für verlorene Leben zahlen, als ein fehlerhaftes Fahrzeug überarbeiten zu lassen. Wer die Parallelen zur Forderung nach schneller Liberalisierung der Distanzierungs-Regeln nicht erkennt, dem kann ich auch nicht helfen.

Peter Sloterdijk, der trotz seines mittlerweile oft nur noch dreist-dämlichen Geseiers immer noch als Intellektueller von Rang betrachtet wird, schießt den Vogel ab, wenn er – zusammen mit Anderen – den Regierungen Europas vorwirft, im Angesicht einer bloßen Grippe viel zu viel zu tun. Wie zynisch muss das Menschenbild sein, wie analytisch erkaltet die Denke über unsere Welt und ihre Wesen, wenn man sich tatsächlich dazu herablässt, den Preis eines Menschenlebens ausrechnen zu wollen? Ich mag nicht ermessen müssen, was in den Köpfen dieser Menschoiden vorgeht. Es kann mit Mensch-Sein als solchem allerdings nicht mehr allzu viel zu tun haben.

Ich ging heute durch den Wald, allein mit meinen Gedanken, weil ich selbst von einer dieser Stimmungen heimgesucht wurde, die mich schon seit Jahrzehnten begleiten. Der Moment ist, da ich diese Worte schreibe, schon wieder vorbei; aber bei allem was mir heilig ist, heute war ein Scheiß-Tag! Vielleicht nagt der Lockdown auch an meinen mentalen Reserven mehr, als ich mir das eingestehen möchte. Vielleicht habe ich es auch nur in den letzten Tagen verabsäumt, ausreichend sozial-psychologische Selbst-Hygiene zu betreiben.

Ich muss für Solitude nicht weit gehen…

Mir geht es aber immer noch so, dass ich die meisten Dinge am besten mit mir selbst abmachen kann; zumindest rede ich mir das seit bald 46 Jahren mit Erfolg ein. Heute hat es einmal mehr geklappt. Der Stress fiel ab, die Traurigkeit wurde vom Wind fortgetragen; nur die Wut… meine unbändige Wut auf die Idioten dieser Welt blieb. Wie sie das immer tut. Es ist nicht so, dass ich sie nicht zähmen könnte. Die allermeiste Zeit ist sie ein Raubtier im Käfig, dass von innen herausschaut und genau weiß, dass jene, die hereinschauen viel mehr Angst haben. Doch wenn ich an das Undenkbare denke, werde ich glühend heiß wie mein kleiner Grill und meine Wut möchte alles verzehren, was an Ausgeburten der Dummheit meinen Weg kreuzt.

Ich bin ein zivilisiertes Tier. Ich kann meine Affekte perfekt kontrollieren und auch dem größten Arschloch kalt lächelnd den Olivenzweig reichen, wenn es denn sein muss. Aber die ganzen Menschoiden, die jetzt wegen der wirtschaftlichen Probleme rumheulen, hätten eventuell mal ein Geschäftsmodell ausarbeiten können, dass auf Nachhaltigkeit und nicht auf Profit ausgelegt ist. Das unsere Gesellschaft auch wirklich braucht. Das Menschen hilft, anstatt sie zum Konsum überreden zu müssen. Man könnte mir jetzt entgegnen, dass doch aber auch die ganzen lokalen Geschäfte und Gaststätten wegsterben. Ja, das ist leider sicher richtig. Doch seien wir mal ganz ehrlich – niemand hat sich in den letzten 30, 40 Jahren wahre Gedanken darüber gemacht, was wir wirklich brauchen. Wachstum war das Mantra; und damit hatte es sich auch schon.

… und kann mich einer Illusion der Weite und Menschenleere hingeben.

Jetzt sortiert Sars-CoV2, quasi als Pandemie-Beiwerk, mit beängstigender Effizienz unser Wirtschaftssystem neu und alle reden nur darüber, wie viele Verlierer das mit sich bringen wird. Dass wir als Gesellschaft auch gewinnen könnten, wenn sich unser Wirtschaften in der Zukunft mehr an Nachhaltigkeit, Brauchbarkeit und gesellschaftlichem Nutzen orientierte, wird dabei gerne allzu oft vergessen. Denn das stellt die alten Ordnungen in Frage. Und an unseren Traditionen hängen wir, ganz gleich wie viele Menschen diese töten. Nun ja, wenigstens das verdammte Oktoberfest haben sie für dieses Jahr abgesagt. Wir werden sehen, wohin der Zug fährt. Denn im Gegensatz zu meinen Bildern herrscht auf der Corona-Landkarte immer noch dichter Nebel – nur ein paar Spacken wollen schon wieder Vollgas fahren. Hoffen wir, dass irgendjemand das zu verhindern weiß.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°11 – …ist denn gar Freitag?

„Süss und Fruchtig“ steht auf einer Weinflasche, welche die beste Ehefrau von Allen zum Behufe der Herbeiführung einer „Kastrierter-Feiertag“-Amnesie mit nach Hause gebracht hat. Der Wein ist ein Trollinger; kann man zu stehen wie man will, aber mein erster Gedanke war, dass Trollinger im Internet eher „Bös und Suchtig“ sind. Nun ja. Es ist wahrscheinlich, dass mein Osterfest ein ruhiges – vielleicht, vielleicht sogar harmonisches – wird, was ich allen anderen natürlich auch wünsche. Allerdings beschleicht mich das Gefühl, dass die Menschen unter ruhig und harmonisch jeweils etwas anderes verstehen.

Ich hatte hier gerade neulich von der Macht der Bilder gesprochen. Und dass auch Bilder nicht nicht kommunizieren können. Nun bin ich natürlich, auch wenn ich immer gerne behaupte, dass es mir bisher noch nicht gelungen ist, auf der Erde nennenswert viel intelligentes Leben zu finden, bei weitem nicht der Einzige, der das kapiert hat. Es gibt einen ganzen Wirtschaftszweig, der sich nur um diese Erkenntnis dreht: Marketing! Welchen Schaden diese Profession manchmal anrichten kann, lässt sich an Hand dieses Artikels auf Zeit Online ganz gut erahnen: nur so viel, ernste Wissenschaft und Marketing kann man nicht Hand in Hand betreiben, weil Marketing IMMER ETWAS VERKAUFEN MUSS! Grausiger Gedanke. Nun kann man Marketing als notwendiges Übel des postmodernen Kapitalismus betrachten. Oder man liest mal dieses Buch von Mark Fisher – oder soll ich lieber k-punk sagen?

Man mag zu unserer Gesellschaftsordnung ja denken, was man will. Die oft propagierte „Alternativlosigkeit“ politischen und gesellschaftlichen Handelns, welche man uns immer wieder – mal mehr, mal weniger geschickt medial aufbereitet – serviert, will mich aber nicht mehr so recht überzeugen. Dass ich Sozialdemokrat bin und das heutzutage nur noch wenig mit SPD-Wählen zu tun hat, habe ich an vielen Stellen schon durchblicken lassen. Doch der Gedanke, dass der allseits behauptete Realismus des Systems Kapitalismus nur eine Illusion ist, die uns von dessen Notwendigkeit – und damit von der Notwenigkeit der Konformität, Selbstausbeutung, Selbstoptimierung und Ökonomisierung unseres Daseins – überzeugen soll, verfängt auf mehr als einer Ebene. Ich empfehle es daher als Lektüre. Auch für jene, die einen Schrein des Kapitalismus in ihrem Herzen errichtet haben. Denn sich selbst zu hinterfragen, steht jedem gut zu Gesicht.

Mir übrigens auch und daher muss ich an dieser Stelle (Karfreitag!) natürlich auch etwas Selbst-Kasteiung betreiben. Ich nutze dieses Medium nicht selten polemisch, manchmal nachgerade agitatorisch und stets als Vehikel für MEINE Meinung. Dies geschieht jedoch und das soll an dieser Stelle deutlich kommuniziert werden, nicht etwa, weil ich diese für absolut halte, sondern weil ich sie an Anderen reiben und differenzieren möchte. Da sich leider nur selten Widerspruch ergibt, bedeutet das für mich, dass es drei mögliche Interpretationen gibt:

  1. Ich habe aus dem – auch in der Realität stattfindenden Denken und Diskutieren – ein Gedankengebäude destilliert, das Hand und Fuß hat – vulgo: ich habe Recht (wenigstens ein bisschen).
  2. Die meisten Anderen sind einfach zu faul, zu abgestumpft oder schlicht zu blöde, um zu verstehen, wovon ich rede und können oder wollen sich deswegen nicht die Mühe machen, mich hier auf meinem eigenen Felde anzugreifen – was ich absolut lieben würde!
  3. Ich habe nicht die Reichweite, die ich mir erhoffen, erwarten, zutrauen würde.

Ich befürchte, dass es eine Mischung aus zwei und drei ist, weil Recht zu haben bedeuten würde, dass auch ich langsam dem Dogmatismus anheim zu fallen beginne; etwas, dass ich mit allen Mitteln zu verhindern versuche, denn Dogmatiker haben in meiner Welt per Definition nie Recht, weil sie Arschlöcher sind! Allerdings – und das gibt mir wiederum die Energie, hier weiter zu machen – glaube ich an die Macht der Ergotherapie. Um es einmal mehr auszusprechen: das hier ist eine öffentliche Sortierung und Reifung meiner Gedanken. Wenn andere daran teilhaben wollen, sind sie dazu herzlich eingeladen und ich würde mich freuen. Im Grunde meines Herzens aber weiß ich, dass es auch vollkommen ohne Publikum das wäre, was es jetzt ist: eine Spielwiese für meine Dämonen!

Es ist übrigens – dies sei hier noch mal erwähnt – Karfreitag. Und mit Bezug auf den ersten Absatz bin ich erstaunt. Ich hatte ernsthaft in den letzten Tagen wenige (tatsächlich gar keine) Trollinger vor der virtuellen Flinte. Stattdessen habe ich mich unversehens zu einer „Kettenmail“ hinreißen lassen. Aber wenn die Helferherzen schon vor den Vorhang sollen… 😉 . Denn tief drinnen bin ich ja immer noch verdammt stolz auf meinen Ursprungs-Job und glücklich, dass ich im Laufe der Jahrzehnte (verdammich, bin ich tatsächlich schon so alt…? ) eine Menge netter und ein paar wirklich außergewöhnliche Menschen kennen lernen durfte. Daher wünsche ich allen – im Rahmen der Möglichkeiten – einen stressfreien und sonnigen Karfreitag. Wir sehen uns.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°10 – Blockwart Ahoi!

„…du kannst einen -ismus einfach nicht bekämpfen!“ Jo, dem ist eigentlich nix hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass ich nie gedacht hätte, dass ich irgendwann mal Blockwartismus in nazi-esker Form wahrhaft erleben müsste. Nun ist es nicht so, dass ich selbst schon ausgegrenzt wurde, weil ich zu den „Systemrelevanten“ zähle. Ich hatte auch noch nicht die zweifelhafte Ehre, von der Polizei kontrolliert zu werden, weil sich Nachbarn, in wohlverdienter Erregung über die dauernden Qualmfahnen von meinem Balkon zur Denunziation bei den, eh schon überlasteten, Ordnungsbehörden entschlossen hätten. Und schließlich musste mich niemand auffordern, nur eine Packung Klopapier einzukaufen. Andere produzieren wohl doch mehr Scheiße als ich…

Und doch beschleicht einen das Gefühl, dass die Leute einander im öffentlichen Raum mit Misstrauen beäugen, sich anscheinend sehr genau überlegen, ob das Gegenüber (also ich) wohl gerade ein ächtbares Verhalten an den Tag legt; oder ob das schon OK ist, wenn der Typ im Waldpark spazieren geht? Vergessen die freie Gesellschaft, vergessen auch das Sommermärchen von 2006 und schließlich wurde auch das 2015er „Wir schaffen das!“ vergessen – die einzige Aktion, für die ich Frau Merkel wirklich respektiere. Es fühlt sich fast so an, als wenn diese Krankheit mit all den Maßnahmen, die gerade Gültigkeit haben, eine allzu dünne Schicht freundlichen Putzes auf dem, immer noch inhuman kalten, vom Ruch der Geschichte umwehten Zweckgebäude unserer Gesellschaft wegblasen würde, als wenn’s nix wäre.

Die Tage hatte ich – wie immer auf Fratzengedöhns, oder wie auch immer diese verdammte Zeitverschwendungsmaschine auch heißen mag – eine Diskussion um einen Artikel von Heribert Prantl, in dem er vor den möglichen Folgen eines prolongierten Lockdowns für unsere Demokratie gewarnt hat. Und natürlich kamen sofort eilfertig Leute daher, welche die „alternativlosen“ Argumente der Politiker Mantra-artig zu wiederholen begannen. Nicht dass mich hier jemand falsch versteht: die Maßnahmen an sich sind absolut sinnvoll! Und dennoch hat der Lockdown Folgen für unser Gemeinwesen, die jetzt noch nicht abzusehen sind; was die bange Frage aufwirft, ab welchem Zeitpunkt wir denn nun den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

Ich möchte hier nicht als Cassandra auftreten (auch, wenn ich den Namen mag). Und doch lassen sich bereits jetzt Erosions-Prozesse unserer Demokratie wahrnehmen (wie eben der, Anfangs beschriebene, Blockwartismus), die mich zu folgenden, möglicherweise etwas verstörenden Fragen führen:

  • Wann wird die Zahl der Suizide durch zerstörte Existenzen und vernachlässigte psychisch Kranke höher sein, als die der Todesfälle durch Covid-19?
  • Wie viel – oder wenig – Zeit braucht es noch, bevor sogenannte „Gegenöffentlichkeiten“ den politischen Diskurs bestimmen können?
  • Wie sehr wird sich die Meinungsbildung durch die unverantwortliche Verkürzung und Vereinfachung von Sachverhalten polarisieren und radikalisieren?
  • Warum will die Bundeskanzlerin keine öffentliche Diskussion über Wohl und Wehe des Lockdowns und die Frage, wie lange dieser noch zu dauern hat?
  • Bis wann nehmen Bürger Repressalien, die im guten Glauben, „das Richtige“ zu tun verhängt wurden hin – und bis wann kann man diese wirklich schadfrei zurücknehmen?
  • Wer glaubt wirklich, dass Eltern Monate der Schulschließung überbrücken können, ohne dass unser Bildungssystem und damit ganze Jahrgänge nachhaltigen Schaden nehmen?
  • Was sage ich meinen Kindern, wenn sie fragen, warum man ihnen – subjektiv – einfach verbietet, zu leben, wie Kinder das eben tun, obwohl wir doch angeblich ein so freies Land sind? Und was macht das mit ihnen?
  • Polizisten, welche jetzt die Rechtsmaßnahmen rings um den Lockdown durchsetzen müssen: wer vertraut denen danach noch? Und was ist mit den Beamten, die genau jetzt jene repressive Macht schätzen lernen und diese vielleicht nicht mehr abgeben wollen?

Ein Haufen Fragen, dem so mancher sicher noch die eine oder andere beifügen möchte. Was mich betrifft: ich halte mich an die Ge- und Verbote, wohl wissend, dass über den Berg der Pandemie zu kommen viel, viel länger dauern wird, als bis zum 20.04. Warum die Politik solche Maßnahmen ergriffen hat, wurde ausführlich erklärt. Wer es bis jetzt noch nicht begriffen hat, dass Distanz zu wahren Leben rettet, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Und dennoch muss man die Diskussion um den Lockdown jetzt zu führen beginnen. Denn sonst nimmt unsere Gesellschaft, nimmt unsere Demokratie irreparablen Schaden. Und das kann ja auch niemand ernsthaft wollen. C U soon enough…

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°4 – Asozial…?

Wenn man durch den Strom der Social-Media-Angebote dümpelt, kann man dieser Tage verschiedene Phänomene beobachten, die durchaus ein bisschen irritierend sind. Da sind einerseits Menschen, die sich öffentlich darüber echauffieren, dass es so viele asoziale Ar*******er gibt, die ihnen was wegkaufen – also Hamsterer-Hasser. Das die Hamsterer auf Grund drohender Shit-Storms nicht ihre Einkäufe teilen, kann als Indiz dafür gewertet werden, dass es sich dabei doch um halbwegs vernünftige Mitglieder unserer Spezies handelt – zumindest haben sie einen Überlebensinstinkt. Dann gibt es die Mahner, die jedes sich bietende Meme und Sharepic teilen, welches auf die Gefahren von Sars-CoV2 aufmerksam macht, ganz so, als wenn man das nicht eh schon auf jedem News-Channel bis zum Erbrechen vorgekaut bekäme. Überdies gibt es noch die Relativierer, die gerne auf einer „Das ist doch alles gar nicht so schlimm!“-Welle reiten wollen, obwohl es doch verdammt schlimm ist! Und dann gibt es noch, wie bei fast jedem relevanten Thema, die Aluhut-Träger. Ach ja, was wäre Storytelling nur ohne die Aluhut-Träger…

Wenn es nicht so verdammt traurig wäre, dass vorgeblich erwachsene Menschen sich auf derlei despektierliche, dreiste, dilettantische und ganz und gar dümmliche Art gerieren müssen, könnte man sich bei einigen Äußerungen echt wegschmeißen. Aber nach Millisekunden des Nachdenkens gehe ich dann doch lieber zu Thorsten Sträter. Der kommt wenigstens halbwegs ehrlich rüber; und seine durchaus humanistischen Betrachtungen über das Menschsein sind zumeist brüllend komisch. Das Problem ist indes, dass man sich dem Ausfluss dieser Menschoiden kaum verschließen kann, es sei denn man will vollkommen auf Social Media verzichten. Doch für mich als Pädagogen und Geschichtenerzähler ist dieser Teil des Internet ein Soziotop, auf das ich nicht verzichten kann und will. Also mime ich den Human-Tierfilmer, nehme das Gute und akzeptiere, dass ich mich dafür halt durch einen atomar großen Haufen Cerebral-Poo wühlen muss…

Genug aufgeregt. Asozial – was ist das überhaupt? Nach Buchdefinition reden wir wohl von Leuten, die ein Verhalten zeigen, welches von den gesellschaftlichen Normen abweicht. Na sauber, wir sind im Arsch, Leute. Denn Unfug teilen, aus der subjektiven Distanz der Anonymität im Internet Hasstiraden absondern und im Zweifel lieber dem Rattenfänger oder Verschwörungstheoretiker, anstatt dem ausgewiesenen Fachmann zu glauben, haben schon seit ein paar Jahren Konjunktur. All diese Verhaltensweisen hätte man noch vor zwei Jahrzehnten als schädlich für die Öffentlichkeit betrachtet und sozialer Druck hätte das Unterlassen derselben höchst wahrscheinlich gemacht. Doch heute… Man kann nun trefflich darüber streiten, ob sozial-konformes Verhalten tatsächlich gut für die Menschen und die Gesellschaft ist; und ob deviantes Verhalten nicht doch eher zu vorteilhaften Kulturveränderungen führen kann. Und mit Sicherheit sind nicht all diese Social-Media-Phänomene nur schlecht; was jedoch nicht den Umkehrschluss zulässt, dass sie automatisch gut sein müssen.

Nun kann man die Zeit nicht zurückdrehen, oder Pandoras Wunder zurück in die Büchse drängen – mal davon ab, dass wir dann ja auch die Hoffnung entsorgen müssten. Z .B die Hoffnung darauf, dass eine gewisse Zeit der Reife diese eher uncharmanten Auswüchse des Internet zurückgehen lässt. Vielleicht lachen wir in ein paar Jahren, wenn sich dann doch mal verbindliche Spielregeln durchsetzen, die nicht nach Gutdünken geändert oder re-interpretiert werden können, über diesen Zirkus und blicken mit einem nostalgischen Tränchen im Augenwinkel auf den „Wilden Westen der Informationstechnologie“ zurück. Oder aber, es wird alles noch viel schlimmer und wir müssen irgendwann gar das Netz abschalten. Wie auch immer das gehen sollte….

Neulich war ich im Netz unterwegs und nach einer Weile der Diskussion mit einem selbst ernannten Historiker wurde es meinem Gegenüber zu bunt, weil seine Argumente nicht stichhaltig genug waren, mich zu überzeugen; und dann ging er zum „DU“ über, was ich nicht gut fand. Ich sagte ihm das und er wurde persönlich. So läuft das heutzutage. Rezo ist fälschlicherweise der Meinung, das „DU“ sei das „SIE“ des Netzes, weil er davon ausgeht, das Netz stelle heute schon soziale Äquidistanz her. Das ist Bullshit! Vielleicht in 20 Jahren, aber heute noch nicht. Doch genau dieses Missverständnis befeuert die oben beschriebenen Auswüchse: Manche meinen, sich online gegenüber jedem das Gleiche herausnehmen zu können, weil das Netz gleich mache. Das Netz macht (vielleicht) anonym. Gleich macht es jedoch mitnichten. Und so lange diese soziale Gleichheit eine Illusion bleibt, wird vieles, was dort geschieht von vielen als asozial empfunden werden. Ganz gleich ob es das in der realen Welt auch ist, oder nicht.

Wir täten gut daran, mal ein bisschen Druck aus dem Propaganda-Kessel zu lassen. Vielleicht würde es helfen, eine Zeitschranke für die Beantwortung von Kommentaren einzubauen. Wenn man nämlich jedesmal 20 Minuten warten müsste, würde das so manche Amygdala-gesteuerte Dummheit unterbinden. Aber was weiß ich schon – ich bin ja auch nur ein Typ mit einer Meinung. Genug über Menschen nachgedacht – der Grill wartet. Was soll man auch sonst bei dem Wetter tun, wenn man keinen Ausflug machen kann. C U.

Auch zum Hören…

Postmoderne Gedanken N°5 – Sprache de-konstruiert?

Sich „einen Begriff“ von etwas machen, etwas „begreifen können“; das ist eine grundlegende Komponente des Lernens an sich. Natürlich – und das kann jeder ganz intuitiv verstehen – bedeutet es, sich Dinge durch eigene sinnliche Erfahrung aneignen zu können. Was ich anfassen, fühlen, riechen, sehen kann, dass kann ich im wahrsten Wortsinn be-greifen. Ein Begriff ist damit der Ausdruck des Verständnisses von einem Sachverhalt oder einem Gegenstand. Doch schon, wenn wir den Radius der Aneignung nur ein Wenig ausweiten und zum Beispiel eine Idee zu begreifen versuchen wollen, stehen wir bereits vor einem Problem. Denn nicht einmal den Prozess des Begreifens selbst können wir nun mit der Metapher von der Berührung beschreiben.

Schon in unserem ureigensten Kulturraum besteht also ein immanentes Problem darin, sich anderen wirklich verständlich machen zu können. Ein Bild, das in meinem Kopf wohnt, bleibt darinnen und wird nur schwerlich durch bloßes Beschreiben ein wahrhaft kongruentes Abbild im Kopf eines Anderen finden können. Natürlich gibt es sowas wie gemeinsame kognitive Landkarten; sozusagen Pläne, durch die wir Wissen, Konzepte, Ideen und vieles mehr miteinander zu teilen vermögen. Unsere Sprache selbst ist eine solche Landkarte. Kognitive Landkarten entstehen durch den sozialen Umgang, das gemeinsame Lernen und Begreifen und brauchen für ihre Reifung vor allem zwei Dinge: Zeit und Training.

Teilen Menschen eine Sprache, wird das funktionieren. Doch wir Menschen sprechen nicht alle dieselbe Sprache. Und so wie das soziale Lernen einerseits und das sinnliche Begreifen andererseits unser Denken formen, so tut dies auch unsere Sprache, indem sie Begriffe für Konzepte bereitstellt – oder auch nicht. Die Kognitionspsychologin Lera Boroditsky forscht schon seit einiger Zeit an der Frage, wie stark unsere jeweilige Sprache unsere Wahrnehmung und damit unser Denken beeinflusst. Wer’s genauer wissen will, liest den verlinkten Artikel, aber ganz kurz gesagt: um eine Vorstellung von manchen Dingen haben zu können, brauche ich dafür ein Wort. Und manche Sprachen haben Worte für Dinge, die wir nicht verstehen; dafür sind zum Beispiel zum eigenen Standpunkt relationale Zeit- oder Ortsangaben manchmal nicht vorhanden. Da kann’s schon schwierig werden, sich um 13:30 am Paradeplatz zu verabreden….

Wenn Sprache aber auf so profunde Weise unser Denken beeinflusst, dann kann man sie auch als Waffe benutzen. Und das geschieht bereits an jeden Tag, da man Faschos erlaubt, den Diskurs im öffentlichen Raum zu brutalisieren. Gegen die Meinungsfreiheit, den Rechtsstaat, das Solidarische Prinzip, die Soziale Marktwirtschaft und eine offene, pluralistische Gesellschaft, kurz, gegen alle Errungenschaften unseres demokratischen Staatswesens wird gehetzt und polemisiert. Unsere wunderbare Sprache verroht, wird der Nuanciertheit und Tiefe beraubt und von Nazisprech unterwandert. Und was tut unser Ministerpräsident Kretschmann: findet, das Rechtschreib-Unterricht nicht mehr so wichtig ist, weil intelligente Geräte uns ja korrigieren. Diese nachgerade dämliche Aussage bedarf einer klaren Antwort: NEIN!

Ich bin kein Verschwörungs-Theoretiker, der über die Möglichkeit nachdenkt, durch Algorithmen dann den Wortschatz zu steuern und so alle ins Dunkel des Faschismus zu ziehen. Obwohl das – rein theoretisch – durchaus möglich wäre. Allerdings dient der Unterricht in Rechtschreibung ja auch dazu, das Sprachgefühl und den Wortschatz der Schüler wachsen zu lassen. Und wenn ich die nicht mehr – auch und gerade – mit der Notwendigkeit des Übens konfrontiere, lassen sie’s natürlich sein. Es ist zwar nicht so, dass der Gebrauch von sozialen Medien bislang nennenswerte Erosionsspuren in unserer Sprache hinterlassen hätte. Sprache als Kulturtechnik unterliegt allerdings immer einem gewissen Wandel, der auch jetzt zu beobachten ist. Doch bevor man dort schreibend und rezipierend tätig wird, sollte man die Fähigkeit zum schriftlichen Ausdruck gefestigt haben. Und dazu braucht es nun mal Rechtschreib-Unterricht, werter Herr Kretschmann.

Der Zusammenhang zwischen dem möglichen Begreifen unserer Welt und dem Erlernen von Sprache ist Manchem offenkundig nicht klar. Ich will es ein wenig vereinfachend ausdrücken, wenn ich Folgendes sage: verarmt die Sprache, so verarmt automatisch meine Fähigkeit, mir die Welt verstehend zu eigen machen zu können. Eine solche Begrenztheit des Horizonts würde manchen Menschen, deren Pläne ein gewisses Maß an blindem Gehorsam bei ihren Anhängern voraussetzen, gut in den Kram passen. Den Neurechten Denkern zum Beispiel. Für die meint „Dekonstruktion“ eine Absage an das zwanghafte „Interpretieren-Müssen“ von Texten. Nehme ich Worte aber einfach für wahr, ohne Sprecher, Kontext, Intention mit einzubeziehen, ist es viel wahrscheinlicher, dass ich dem Rattenfänger mit seiner Flöte hinterher renne.

Für mich bedeutet Dekonstruktion eher eine Veränderung der Art des Interpretierens; dabei spielen eben gerade Sprecher, Kontext und Intention eine wesentliche Rolle. Denn genau die Intention interessiert mich, weil diese zu verstehen das Mittel schafft, die Methoden zu demaskieren, mit denen die Faschos unsere Sprache unterwandern. Wahrscheinlich denke ich für viele zu kompliziert. Ich möchte aber, das meine Rezipienten da draußen eines mitnehmen: der Verrohung unserer Sprache und dem Verlust an Differenziertheit im Diskurs müssen wir entgegenstehen. Immer und Überall! Bonsoir…

Auch zum Hören…

Postmoderne Gedanken N°3 – öffentlich vs. privat

Öffentlich ist, wenn ich’s so mache, dass alle zukucken können – oder? Also, egal was, meine ich. Nun könnte man entgegnen, dass manche Dinge nicht in die Öffentlichkeit gehören. Liebe an und für sich z.b. – also Masturbation. Und sicher fallen jedem einige Dinge ein, die er nicht so gerne öffentlich, oder noch besser veröffentlicht sähe. Das liegt u. U. daran, dass wir stets versuchen, eine positive Geschichte unseres Selbst zu erzählen. Und da empfinden wir bestimmte Bilder eben als störend im Storyboard. Im Gegenzug versuchen wir natürlich, uns im besten Lichte strahlen zu lassen. Und hier gibt es – wie stets im Leben – ein Gleichgewicht, dass allzu schnell in die Toxizität abgleiten kann; zu wenig offenbart einen Mangel an Selbstwertgefühl, zu viel eine Narzisstische Störung. Das Erste quält vor allem einen selbst, das Letztere die Mitmenschen.

Was für den Menschen als Individuum gilt, hat auch für Organisationen Bedeutung. Zumindest insofern, als jedes komplexe Konstrukt, in dem viele Menschen an irgend einem Ziel zusammenarbeiten irgendwann die Legitimitätsfrage gestellt bekommt, oder sich diese selbst stellt. Bei einem Industrieunternehmen ist die Frage leicht zu beantworten: es geht darum, Geld zu verdienen. Da hängen Existenzen dran. Macht das Ding Kohle und verteilt diese halbwegs gerecht an alle Teilnehmer, ist alles Tacco, wie ein Kollege von mir sagen würde. Problematisch wird es hier höchstens, wenn das mit der Verteilungsgerechtigkeit nicht (mehr) funktioniert. Kann man im Moment überall in den entwickelten Industrienationen beobachten. Doch dazu später mehr.

Wie ist es mit behördlichen Institutionen? Ämter, auf denen man all diese staatlichen Dienstleistungen abrufen kann/muss, welche die Verwaltung einer Nation mit ca. 82 Millionen Menschen darin so mit sich bringt. Ich meine – Politiker werden in ihre Ämter gewählt, was eine recht direkte Form von demokratischer Legitimierung mit sich bringt. Aber die Sachbearbeiterin im Ordnungsamt? Kurz gesagt: mit dem Entstehen moderner, säkularer Staatswesen, mit welchem ein enormes Wachstum und damit die Notwendigkeit leistungsfähigerer Verwaltungen einher ging, entstand die Bürokratie als eigenständiges gesellschaftliches Subsystem, welches sich nicht nur selbst erhält (Autopoiese) sondern auch seine eigene Legitimität produziert (vgl. hierzu Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit). Das Amt macht also, dass das Amt sein muss. (Falls irgendjemand jetzt noch nicht verstanden hat, warum wir eine so ausufernde Steuergesetzgebung haben, kann ich leider auch nicht mehr helfen).

Warum nun so kompliziert Dinge herleiten, die man doch aus dem alltäglichen Leben kennt? Nun, kennen und verstehen, insbesondere das Verstehen der Zusammenhänge sind immer zwei Paar Stiefel. Und bezüglich dieser Zusammenhänge wird es haarig, wenn wir uns Private-Public-Partnerships anschauen: die öffentliche Hand (legitimiert sich selbst durch Notwendigkeit der Verwaltung) und Privatunternehmen (legitimieren sich durch Gewinnoptimierungs-Absichten) arbeiten zusammen, um Geld zu sparen. Aus unternehmerischer Sicht immer Win-Win, denn dem utilitaristischen Prinzip folgend stehen die Regularien des Staates (der ja zuvorderst den Interessen seiner Bürger verpflichtet sein soll) beim Geldverdienen im Weg. Arbeite ich mit dem Staat also direkt zusammen, habe ich (un)mittelbaren Zugriff auf diese dämlichen Regularien. Oder einfacher formuliert: mit PPPs öffne ich die Tür für die Lobbyisten so weit, dass diese mit dem Laster ins Rathaus einfallen und alles abräumen können, was ihnen in den Kram passt.

Bürokratie-Abbau, Lockerung der Arbeitnehmerschutzgesetze, verbilligter Zugang zu Energie und anderen Ressourcen, etc. Das sind zumeist die wahren Gründe, warum Unternehmen ein bisschen Kohle in die Hand nehmen und zusammen mit staatlichen Institutionen irgendwelche Projekte machen – und dafür auch noch eine positive Mediendarstellung bekommen. Doch altruistisch ist an solcherlei Aktionen gar nichts. Direktes Mäzenatentum steht im krassen Gegensatz dazu. Dabei wird, zumeist durch Stiftungen Geld für öffentliche Projekte bereit gestellt, ohne das eine Leistung durch ein gemeinsames Unternehmen generiert werden soll. Und so mancher Unternehmer kommt seiner sozialen Verpflichtung, wie sie unser GG bestimmt, in hohem Maße nach. Mit Sicherheit spendet ein Herr Dietmar Hopp auch deshalb nicht unerhebliche Teile seines Privatvermögens, weil es seinem individuellen Narrativ und damit ihm selbst gut tut; wahrscheinlich mag er auch die positive Publicity.

Was nun die Verteilungsgerechtigkeit angeht: eben PPPs verschlechtern diese in vielen Fällen, weil die Teil-Privatisierung vormals staatlicher Leistungen zumeist mit der Unterwerfung dieser Dienstleistung unter das Primat des Marktes einher geht. Insbesondere das Gesundheitswesen leidet, seit der marktwirtschaftlichen Wende Mitte bis Ende der 90er des letzten Jahrhunderts, unter einer Dehumanisierung und qualitativen Verschlechterung seiner Dienstleistungen für jene, die nicht extra zahlen können. Et voilá: Zweiklassen-Medizin.

Ich muss hier nicht explizieren, an welchen anderen Stellen derlei Auswirkungen noch zu beobachten sind. Ich empfehle an dieser Stelle zwei Buchtitel: Michael Sandel „Gerechtigkeit“ und Colin Crouch „Postdemokratie“; und überdies bitte ich darum, sich selbst via Recherche ein Bild zu machen. Ich kann für mich sagen, dass ich PPPs zutiefst misstraue, weil ich stets unlautere Absichten unterstelle. Ich mag mich ab und an irren, aber in der Gesamtschau muss man demgegenüber kritisch bleiben; denn es geht hier oft nicht um Bürokratie-, sondern um Demokratie-Abbau! Schönen Tag noch.

Auch zum Hören…