New Work N°5 – …and again Home-Office!

Man sucht Probleme, wenn man keine hat. Das ist auch so eine Erste-Welt-Sache, die ich wirklich nie verstehen werde. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Menschen hierorts einfach keine vernünftigen existenziellen Probleme haben. Wenn so ziemlich das Übelste, was einem passieren kann darin besteht, dass der Kaffee-Vollautomat genau dann entkalkt werden möchte, wenn man Heiligabend nach dem Familienessen vor der Bescherung noch schnell einen Espresso ziehen möchte… tja, dann hat man’s halt geschafft. Denn wenn man sich darüber aufregen kann, ist man irgendwie doch zum wohlstands-verwahrlosten Snob geworden… Zu meiner Verteidigung: die Maschine war neu und ich hatte nicht erwartet, dass man so bald würde entkalken müssen. Das Lesen einer Bedienungsanleitung ist vielleicht doch nicht ganz so überbewertet, wie ich dies manchmal gerne darstelle.

Was hat das jetzt mit New Work zu tun? Zum einen stellt die Geschichte den Bezug zu meinem derzeitigen Hauptarbeitsplatz her, nämlich daheim. Ich verfüge dort über den keinesfalls selbstverständlichen Luxus eines eigenen Raumes, den ich als Home-Office bezeichnen darf. Und dessen Ausstattung ebenso diese Bezeichnung verdient. Wer sich gelegentlich mit meinen Einlassungen in diesem Blog beschäftigt, kann auch schon ahnen, womit ich mich im Moment gerade herumschlage: Distanz-Unterricht. oder besser, jetzt gerade noch dessen Vorbereitung. Technische Lösungen, Content, didaktische Strategien. Kommt so das eine oder andere zusammen.

Mein Schreibtisch sieht nicht immer so clean aus… die Darstellung wurde kuratiert!

Es stört mich eigentlich nicht besonders, wenn meine Lebens- und Arbeitszeit manchmal etwas entgrenzt sind. Wie ich in diesem Post schrieb, ist es mir in einem klassischen Büro-Umfeld manchmal schlicht nicht möglich, die Qualität zu erzielen, die es in meinem Job braucht. Insbesondere, wenn man auf alten Pfaden Neues ausprobieren möchte. Die Distanzlehre ist ja, speziell im allgemeinbildenden Sektor auf Grund der teilweise echt schlechten Infrastruktur und der Überforderung des Lehrpersonals mit den anders gelagerten mediendidaktischen Erwägungen für die Fernlehre durchaus in Verruf geraten. Zu Unrecht wie ich finde; denn viele Kolleginnen und Kollegen aus dem allgemeinbildenden Schulwesen können nichts dafür, wenn man ihnen keine vernünftigen technischen Lösungen und Fortbildungen für Distanzunterricht anbieten kann oder will. Dies ist ein Versäumnis der Bildungspolitik. Wenn ich im Moment gerne mal Kotzen möchte, muss ich mir nur irgendeine Verlautbarung der Kultusministerkonferenz oder unserer Baden-Württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann anschauen und schon geht’s los.

Wir haben technische Lösungen, die gut funktionieren und laufend nach Bedarf skaliert werden können. Nun machen wir aber auch nur Unterricht für eine Berufsschulklasse und gelten als privater Träger. Da flutscht manches besser. Und dennoch kommt nicht selten ein Gefühl von Altbackenheit auf, wenn der gute alte Präsentismus-Teufel seine Klauen zeigt. Man muss begründen können, warum man von zu Hause arbeiten will / muss / kann (wählen sie hier die zutreffende Antwort) – einfach, weil das schon immer so war. Wer mich kennt, weiß genau welchen Satz ich auf der Welt am meisten hasse: „Das haben wir schon immer so gemacht!“. Meine Standardantwort darauf lautet: „Was 1981 falsch war, ist heute nicht richtiger, weil wir 2021 haben!“. Hm… könnte man auch gut für die damalige Wahl von Ronald Reagan benutzen. Jedenfalls stehe ich auf dem Standpunkt, dass ich nicht 8h einen Bürostuhl wärmen muss, damit jemand sehen kann, dass ich arbeite. Denn wenn ich an so Manche(n) denke, der 8h den Bürostuhl wärmt und dabei ungefähr die Funktion eine Hemdenständers erfüllt; nun ja. Output kann man auch anders messen. In Zeiten von Corona ist es überdies doppelt Käse, wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, am Arbeitsplatz Hygienemaßnahmen zu implementieren – und dann auch konsequent durchzuhalten!

Falls sich jemand fragt, was da oben für Stoff rumhängt – ich kann bei Bedarf für Video-Konferenzen einen neutralen Hintergrund schaffen, der nicht so flimmert, wie diese virtuelle Kacke bei Zoom…

Ich sehe im Moment fast nur Vorteile im Home-Office; besserer Infektionsschutz, bessere IT-Ausstattung (sorry) und für mich bessere Zeiteinteilung, weil auch meine Kids im Moment natürlich gelockdowned daheim hocken und die beste Ehefrau von allen und mich mit ihrer gelegentlichen Home-Schooling-Totalverweigerung an den Rand des Wahnsinns bringen. Weil mein Kollege und ich alle halbwegs modernen Kommunikations-Kanäle bespielen können, um Sach- und Strategiefragen schnell und effizient zu klären, klappt trotzdem alles. Zudem würde man es ziemlich schnell merken, wenn wir unseren Job nicht machten. Spätestens, wenn die ersten Schülerbeschwerden herein kämen, bestünde erhebliche Erklärungsnot. Das wird gewiss nicht der Fall sein, aber es ist manchmal schon erschreckend, wie sehr manche Chefs immer noch am präsidierenden Blick über ihre Knechte hängen… war ’n bisschen polemisch? Ist mir egal. Ich habe mich langsam dran gewöhnt und werde alles mir zu Gebote stehende tun, damit ich meine neue, flexiblere Arbeitssituation behalten darf. Solange die Arbeit gemacht ist, gibt es nämlich keinen Grund, am Präsentismus festzuhalten.

Es gibt ja mittlerweile einige Studien zum Thema Produktivität im Home-Office (hier ein kurzer Google-Überblick); und es scheint ganz so, als wenn das Vorurteil, dass man dadurch Mitarbeiter bekäme, die sich auf Kosten der Firma auf die faule Haut legen im Mittel einfach nicht stimmt. Es hängt natürlich von der Branche und den Möglichkeiten, Arbeitsleistung als Telearbeit zu erbringen ab. Wer etwas anderes behauptet, glaubt auch, dass der Storch die Weihnachtsgeschenke vom Osterhasen austragen lässt. Aber wir brauchen insgesamt mehr Flexibilität. Und damit wären wir beim Bogen zur New Work. Denn im Kern geht es bei New Work um selbstbestimmteres Arbeiten. Dass muss mitnichten bedeuten, dass man macht, was man will; da die allermeisten von uns immer noch abhängige Lohnarbeit erbringen, kann das auch gar nicht funktionieren. Aber mehr Einfluss auf Bedingungen, zu denen unsere Arbeit erbracht wird – das ist keine Utopie mehr. Und wenn Corona diesbezüglich dereinst als Katalysator gedient haben sollte, gäbe es wenigstens ein kleines bisschen Glück in all dem Unglück. In diesem Sinne – schönen Abend. Ich will noch ’n bisschen arbeiten…

Zufriedenheit N°5 – Minimal zufrieden?

First-World-Problems. Das sind jene Sachverhalte, die Leuten ohne echte existenzielle Sorgen Kopfzerbrechen bereiten. Zum Beispiel so ziemlich alles, womit „Influencer“ ihr Geld verdienen. Minimalismus ist auch so eine Sache, die seit ein paar Jahren in den Köpfen der Menschen herumspukt, ohne dass man so genau weiß, woher das kommt. Oder, besser gesagt, man ahnt, dass es eigentlich mal was mit dem Wunsch nach Ressourcensparen und mehr Nachhaltigkeit im Privatbereich zu tun gehabt haben muss. Doch natürlich haben unsere selbsternannten hippen Trendsetter unbedingt eine Lifestyle-Geschichte daraus machen müssen; damit man das besser vermarkten und mit ober-chic aufgemachten Ratgeberbüchern, Blogs, Videos, Coachings, etc. der Konsumgestressten Großstadtelite noch ein paar Euros aus der Tasche leiern kann. Früher brauchte man zum Aufräumen keine Bücher, sondern Müllsäcke…

So wie Minimalismus heute inszeniert und kuratiert wird, ist er nicht mehr, als ein weiterer Stil im Portfolio von „Schöner Wohnen“; und es kann mir niemand glaubwürdig erklären, dass irgendeiner dieser „spontanen“ Schnappschüsse, die man überall auf Insta, FB und was weiß ich nicht noch wo findet, wirklich spontan zu Stande kam. Die meisten brauchen dafür mindestens mehrere Probeaufnahmen; manche ein ganzes Team. Mal eine Frage an Influencer: wie kann man eigentlich ohne Visagist so eine Visage haben…? Sinnentleerte, oberflächliche Heuchelei, so wie jede andere Werbung für nutzlosen Tand – das ist „Der Minimalismus“, wie er momentan propagiert wird! Es geht darum, in Menschen Unzufriedenheit mit dem zu schüren, was sie haben, um sie dazu anzuregen, einen neuen Zustand erreichen zu wollen. Doch anstatt dabei Verzicht zu üben – was ja der Philosophie eines echten Minimalismus entspräche – wird den Leuten ein Image vorgegaukelt, dass erst erkauft werden muss. Paradoxer Blödsinn, oder?

Mit weniger zufrieden sein können – ist das ein erstrebenswertes Ziel? Ich denke schon. Und ich meine damit jetzt nicht unbedingt weniger Arbeit 😉 Es ist aber schon so, dass wir tendenziell viel zu viel materiellen Besitz anhäufen. Gehe ich durch unsere Wohnung (in der neben meiner Frau und mir auch noch unsere zwei Kinder wohnen), überkommt mich nicht selten der Wunsch, säckeweise Kram wegzuwerfen, der überall rumliegt. Und wenn man eine Sache irgendwo rumliegen lässt, entwickelt diese ja nahezu magische Schwerkraft; sie beginnt also andere Gegenstände anzuziehen, die dann – schneller, als man NEIN rufen kann – eine weitere Agglomeration von Wohlstandsschutt im Sichtbereich bilden. Ich habe festgestellt, dass solche Phänomene meiner Zufriedenheit abträglich sind. Verhindern kann ich sie dennoch nicht. Und ich bin mir noch nicht mal sicher, dass ich das könnte, wenn ich alleine dort wohnen würde!

Natürlich führt Derlei gelegentlich zu familiärem Zwist. Wenn man keine existenziellen Sorgen hat, kann man sich halt schon mal mit Nichtigkeiten befassen. So schnell, wie solche Buschfeuer auflodern, sind sie allerdings auch wieder aus; das funktioniert aber nur, wenn man die ganze andere emotionale Brandlast vorher entsorgt/entschärft. Kleiner Ratschlag: immer auf Augenhöhe im Dialog bleiben tut Beziehungen gut. Ein Minimalist bekäme in unserer Behausung allerdings u. U. Schnappatmung. Wenn es jedoch wirklich um die Philosophie und nicht nur die polierte Oberfläche gehen soll, dann ist unsere Hütte ein Ort, an dem ziemlich vieles Zweitverwertet wird, an dem Menschen leben und der eine gewisse Wohnlichkeit allein dadurch entfaltet, dass seine Bewohner mit den Dingen darin auch durch Emotionen verbunden sind. Da kann ein noch so kleiner, zunächst unbedeutend erscheinender Gegenstand plötzlich große Wichtigkeit erlangen. Wehe mir, wenn ich mal sowas in einen Sack packen und entsorgen würde.

Äußerlichkeiten wirken also durchaus profund auf unsere Zufriedenheit. Doch genau hier liegt ein großes Problem: viele Leute verwechseln die Wirkung mit der Ursache. „Ich konsumiere, also bin ich glücklich“ funktioniert nämlich nur sehr begrenzt, weil das „Schnäppchen“ ja nicht wegen seiner Funktion oder seiner materiellen Dienlichkeit gekauft wird, sondern wegen seines Symbolwertes als Statusobjekt oder Belohnung. Aber was erzähle ich hier; das wisst ihr ja alle und habt daher euren Konsum schon eingeschränkt. Kein jährliches IPhone, keine Kurztrips nach London, Barcelona, Lissabon oder sonst wo hin mehr, kein fünftes Spielgadget für’s Wohnzimmer extra, und so weiter und so fort. NICHT WAHR?

„Aber wenn ich nicht mehr einkaufen darf, was macht mich dann glücklich?“ Ach, so hoch will ich gar nicht streben. Zufrieden wäre vollkommen ausreichend. Was es dafür braucht, kann ich hier natürlich nur für mich beantworten. Eines der kostbarsten Güter für mich persönlich ist Zeit. Zeit, mich mit den Menschen zu beschäftigen, die mir am Herzen liegen. Zeit ohne Sachzwang und Deadline jenen Dingen nachzugehen, die mich faszinieren und mir Freude bereiten. Das beinhaltet auch das Lehren. JA, mein Beruf ist zum Teil wirklich Berufung. Dennoch ist es ein Privileg, über seine Zeit weitgehend selbst verfügen zu können. Das ist ein Traum, den ich mir irgendwann noch erfüllen möchte; allerdings ohne, dass meine sozialen Beziehungen dabei unter die Räder kommen. Solange ich diese Zeit irgendwann bekomme, soll’s mir recht sein, wenn die Hütte manchmal aussieht, wie nach einer infantilen Fröhlichkeits-Detonation… Bis es soweit ist, bin ich dann halt trotz maximal mit Tinnef gefülltem Wohnraum ab und an nur minimal zufrieden. C U!

Erwachsen bilden N°28 – Erfahrung ist schlecht?

Um es kurz vorweg zu nehmen: Erfahrungslernen im Beruf und im Privaten haben etwas miteinander zu tun; auch wenn die Zusammenhänge nicht immer gleich offenkundig sind. Nun bin ich gestern über diesen Beitrag „Erfahrung macht ärmer“ von dieser Autorin gestolpert und muss sagen, dass man ein – noch dazu hoch unfundiert daher kommendes -Meinungsstück auch ruhig mal als Solches kennzeichnen könnte. Qualitätsjournalismus geht anders. Wie dem auch sein: die Kernaussage des Artikel ist, das Erfahrung das Individuum des Glaubens an große Veränderungen, tiefe Gefühle und „echte Entscheidungen“ berauben würde. Und dem kann ich nur entgegnen: WAS FÜR EIN BULLSHIT!

Es ist schon merkwürdig, dass mich, der ich doch so gerne von mir behaupte, nur dem ausgewiesenen Alter im Personalausweis nach erwachsen zu sein, ein Artikel über das Älter-Werden triggert. Solcherlei Schreibe gibt’s wie Sand am Meer und das Meiste davon ist – mit Verlaub – nicht die Tastaturabnutzung wert, die bei der Erstellung entstand. Denn zumeist arbeitet man sich wahlweise entweder an der „guten alten Zeit“, an individuellen Verfallserscheinungen oder unverstandenen Kulturphänomenen ab. Hier jedoch ist das anders, denn die Autorin spricht in ihren Äußerungen jedem Menschen oberhalb des Teen, oder gar Twen-Alters die Fähigkeit zu tiefen Emotionen ab. Sicherlich verändern sich sowohl die Wahrnehmung der eigenen Emotionen, als auch die Hormonlage, welche diese beeinflusst. Damit ist das, zumindest teilweise, ein obligater physiologischer Prozess. Es ist in manchen Berufszweigen sogar Teil der Ausbildung, die eigenen Emotionen schon früh besser kontrollieren zu lernen (z. B. bei NotSans, wie ich sie ausbilde). Mitnichten beraubt jedoch diese Ausbildungs-Erfahrung oder die eigene Lebenserfahrung diese Menschen Ihrer Wahrnehmungstiefe. Was sich ändert, sind die Reaktionen auf verschiedene Stimuli.

Hätte sich die Autorin mal mit Daniel Kahnemans Klassiker „Schnelles Denken, langsames Denken“ befasst, wüsste Sie, dass die Ausbildung emotionaler Kompetenzen notwendiger Bestandteil individuell-persönlichen Wachstums ist und würde nicht dogmatisch darauf beharren, dass Teenies und Twens eine bessere Welt erschaffen würden. Denn ihre anderen These, dass mit Erfahrung automatisch der Glaube an die Möglichkeit großer Veränderungen verloren ginge lässt sich – nach einem kurzen Blick auf die Geschichte der Menschheit – kaum aufrecht erhalten. Viele nachhaltige Umwälzungen wurden von Menschen meines Alters bewerkstelligt. Denn zusammen mit der Erfahrung wächst bei gesundem Framing auch die Stress-Resilienz. Individuelle psychopathologische Divergenzen müssen hier, weil es sonst zu unübersichtlich würde, außen vor bleiben. Was nun bleibt, ist durchaus spannende die Frage, was die denn mit „echten Entscheidungen“ meint? Ich würde vermuten, dass sie dabei an das bewusste Hören auf das Bauchgefühl (u. A. als „Schnelles Denken“ bei Kahneman beschrieben) gedacht hat. Nennen wir es doch der Einfachheit halber „Intuition“!

Ich weiß nicht, wie ich das jetzt sagen soll: würden wir alle Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen, lebten wir in einer noch chaotischeren, noch ungerechteren, noch grausameren Welt, als dies eh schon der Fall ist. Denn erst Erfahrung bringt die Reife mit sich, erkennen zu können, auf welchen Wegen sich dringend notwendige große Veränderungen – wie etwa Mobilitäts- und Energiewende – auch gegen den Willen Vieler durchsetzen lassen. Und man muss einer Tatsache ins Auge sehen, welche die Autorin in ihren Ausführungen konsequent übersehen hat: dass echte, tiefe, reichhaltige Emotionen nicht nur Altruismus und Liebe beinhalten, sondern auch ungebändigten, gierigen Egoismus! Seit Thomas Hobbes Widmung „Homo homini lupus“ für sein Opus „De Cive“ 1642 hat sich daran wenig geändert. Erst die Erfahrung als Teil unserer Sozialisation – privat wie beruflich – gibt uns überhaupt die Fähigkeit, den anderen Menschen keine Wölfe zu sein. Was also von dem Artikel bleibt, ist wohlfeiles „Boomer“-Bashing durch die Hintertür. Keinen Dank dafür; zudem war es nicht elegant genug, um nicht leicht durchschaubar daher zu kommen!

Warum ich diese Kritik in die Reihe „Erwachsen bilden“ integriert habe? Weil ich es für eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Lernen halte, niemals dogmatisch an irgendwas heran zu gehen! Nur indem ich mir einen offenen Geist erhalte, indem ich die Dinge ohne vorgreifende Wertung oder Vorurteil betrachte und analysiere, kann ich wertvolle Erkenntnisse selbst erfahren. Das ist die wahre Natur der Erfahrung; und ob eine wertvolle Erfahrung im ersten Augenblick positiver oder negativer Natur ist, macht keinen Unterschied. Auch im Scheitern kann man wachsen! Das hat die Autorin des von mir kritisierten Artikels offensichtlich noch nicht gelernt. Das die oben von mir geforderte Geisteshaltung bisweilen eine große, beinahe unmögliche Herausforderung darstellt, ist mir schmerzlich bewusst. Aber wenn man es nicht wenigstens versucht, kann man sich auch mit der Autorin gemein machen und braucht von sich nichts Großes mehr zu erwarten, weil man über 20 (oder gar 30) ist. Ich will mehr! Ich weiß allerdings auch, dass man nicht immer auf dem graden, schnellen Weg ans Ziel kommt…

Wahrscheinlich hat sie es gar nicht so böse gemeint, wie ich es gelesen habe, aber wenn man Watzlawick kennt, weiß man, dass sein zweites und drittes Axiom übersetzt bedeuten „Der Empfänger macht die Botschaft!“. In diesem Sinne wünsche ich ein schönes ersten Wochenende 2021.

Das einzige, was hier röhrt…

…sind die nutzlosen, niederträchtigen, überflüssigen und absolut Brechreiz erregenden Kommentarspalten in sozialen Medien. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte ich mich voller Hoffnung auf „New Roaring Twenties“ geäußert; ich dachte damals wirklich, dass das neue Jahrzehnt uns alle eventuell auf einen besseren Weg führen könnte. Verschiedene soziale Bewegungen rings um den Globus hatten meine Hoffnung genährt, dass wir Menschen ES besser machen könnten. Doch was haben wir stattdessen bekommen? Covid19! So eine verf****e Sch***e! Eine Pandemie, die – und das kann man nach dem ersten Jahr leider unumwunden so sagen – in vielen Menschen das Allerschlechteste hervorgebracht hat. Covidioten, Reichsbürger, Esoteriker, Nazis und was ich nicht noch alles für Geschmeiß marschieren hinter den gleichen Fahnen her. Und unsere Politik? Macht Klein-Klein, verzögert, taktiert, verwirrt und verschleiert. Wenn das tatsächlich die Vorboten unserer „New Roaring Twenties“ waren, dürfen diese gerne ohne mich weiter röhren…

SO! Dampf ist abgelassen, die Tabletten wirken und der Blick klärt sich langsam wieder. Ohne Frage, dass war ein verrücktes Jahr! Für die Welt, weil sich die Pandemie als echter Stresstest für Regierungsformen, unsere Art zu wirtschaften und die Weltgesellschaft insgesamt erweist. Und für mich, weil ich in all diesem Chaos, allen Widrigkeiten zum Trotz mein Projekt zu einem guten Abschluss bringen konnte. Es hat Energie und Kraft gekostet, aber das sind Kosten, die man nicht aufrechnen darf, wenn man etwas Neues auf den Weg bringen möchte. Und ich bin glücklich und zufrieden, dass sich der Einsatz immer mehr lohnt. Im Übrigen denke ich, das auch die restliche Welt wieder auf den Weg finden wird. Alle beklagen immer, was wir alles verlieren, bzw. was wir schon verloren haben. Und denkt man an die vermeidbare Übersterblichkeit, darf man ruhig auch mal mit dem Finger auf jene zeigen, die dazu negativ beigetragen haben. Sie wurden oben schon benannt.

Abseits der individuellen Trauer um persönliche Verluste, die manchmal nur schwer zu ertragen ist (ich hatte mein Teil davon schon im Februar ’20) sehe ich jedoch auch Grund zur Hoffnung. Jedes Ende ist immer auch die Chance für einen neuen Anfang. Und alles, was wirtschaftlich verloren geht, regeneriert sich in anderer Form wieder. Was mich dauert ist, dass wir abermals ein Fenster für echten gesellschaftlichen Wandel zu verpassen scheinen. Wieder einmal ist es Politik für das Geld, nicht für die Menschen, welche das Handeln in unserem Lande (und vielen Anderen ebenso) bestimmt. Doch anstatt zu versuchen unsere sozialen, politischen und wirtschaftlichen Prioritäten einmal ehrlich auf den Prüfstand zu stellen, wird überall nur der Status Quo verwaltet, als wenn es kein Morgen gäbe. Doch das Morgen ist schon da, es hat nicht mal angeklopft, sondern einfach die Tür eingetreten und sitzt jetzt in unserem Wohnzimmer auf unserem Sofa. NEIN, damit meine ich keine Zuwanderer, ihr sch*** Nazis da draußen. Ich meine den Wandel, den Covid19 jetzt einfach nur noch katalysiert: wachsenden Nationalismus, Abschottung, Rassismus, Spaltung. Der Brexit und „America First!“ waren doch erst der Anfang vom Ende. Schaut auf die Visegrád-Staaten, dann wisst ihr, was eventuell in der EU als Nächstes kommt.

Ob ich ein Pessimist bin, wollt ihr wissen? Nein, bin ich nicht. Ich stecke irgendwo zwischen Optimist und Realist fest; momentan mit leichter Verschiebung Richtung Realismus. Aber ich habe Hoffnung, dass die Demokraten der Welt sich solchen Bewegungen entgegen stellen und dabei die Oberhand behalten können. Und ich wähle dabei bewusst einen Begriff aus dem Kampf, den kampflos werden die Wiedergänger der Undemokratie nicht wieder verschwinden. Sie brauchen die dargebotene Stirn jedes Aufrechten, um sie wieder in ihre Löcher zu treiben, wo sie hingehören. Immer wird gesagt, dass eine vitale demokratische Gesellschaft 10 – 15% Idioten und Faschos in ihrer Mitte vertragen kann. Das sehe ich auch so – aber nur, wenn die anderen 85 – 90% stets wachsam und kampfbereit sind, den braunen Abschaum in den Gully zu spülen, wenn es notwendig wird. UND ES IST JETZT VERDAMMT NOCHMAL NOTWENDIG! Andernfalls kapern diese Feinde der Freiheit nämlich auch weiterhin unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit mit ihren Lügen, ihren Manipulationen und ihrem Getöse MEINE „New Roaring Twenties“! Und das Einzige was in denen erstmal röhren darf ist die Stimme der Demokratie!

Ich bin kein Narr. Die unheilige Allianz aus Faschos und Idioten wird nicht so mir nichts dir nichts verschwinden, solange jeder Fernseharmleuchter ihnen ein Mikro vor die Nase hält, in das sie dann munter „Lügen- und Systempresse“ hinein brüllen dürfen. Und mit Ruhm bekleckern sich unsere Medien seit Monaten nicht, wo jeder unwichtige Furz im Wasserglas zu einem Tsunami der Empörung aufgebauscht wird. Kommt mal alle runter von eurer Schnappatmung. Denn, wenn wir zur Sachlichkeit zurückkehren und den Feinden unserer Demokratie konsequent keine Bühne mehr bieten haben wir immer noch gute Chancen auf ein Jahrzehnt voller positiver Entwicklungen. Ob es intolerant ist, Covidioten, Faschos, Esoteriker und Reichsbürger vom öffentlichen Diskurs auszusperren? Gewiss. Aber wie Karl Popper schon 1945 in seinem Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ erklärte, führt vollkommene Toleranz notwendigerweise zum Verschwinden derselben, weil sie von den Intoleranten vernichtet wird. In diesem Sinne fordere ich Intoleranz gegenüber den Intoleranten!

Auch wenn dieser letzte Post des Jahres 2020 wenig versöhnlich daher kommt, wünsche ich euch allen da draußen einen guten Sprung nach 2021. Möge es ein besseres, gesünderes, gerechteres, freundlicheres, glücklicheres Jahr werden, als jenes krisengeschüttelte, das nun hinter uns liegt. Wir hören uns…

What about Dystopia…?

This morning I stumbled upon an article in the „Süddeutsche Zeitung“, which was referring to the desastrous release of the action-rpg „Cyberpunk 2077“, combined with the question, where one could find fresh dystopias? The author expressed his belief, that cyberpunk as a genre is old and therefore not relevant anymore. Well, everybody is entitled to his/her individual opinion, aren’t they. But I beg to differ!

One might complain the faulty unfinishnedness of „Cyberpunk 2077“ as a tech product, which has been highly anticipated by many people for years now. And, regarding that aspect, the developers of the game, polish „CD Studio RED“ truly failed on an epic scale. The game as is can be called a construction site in beta status, but not a finished product. And herein – albeit you might call that an ironic turn of events – lies a reference to the nature of cyberpunk dystopia itself: the game failed for the fans, because big money wanted as early a release as possible to generate profit from 2020 christmas sales. The corporation dictated the business framework and the developers are now being blamed for the poor outcome of the action taken. And despite all the online shitstorms, the strategy seems to work out at least economically. We’re speaking of 13 Million copies sold within just two weeks!

But the author of the article keeps on complaining about the weak tech and the visual aspects of the game, which – in his eyes – simply reproduct a distorted version of a bygone era: the 80s! And there you can see the shortsightedness of the aforementioned articles author regarding the nature of cyberpunk as a genre. The works of William Gibson, Neal Stephenson and for sure Philip K. Dick envisioned worlds, where capitalism in it’s final stadium had taken grasp of anything – even human emotions. That the author of the article refers to Mark Fisher, better known to the net-society as „k-punk“ – an eloquent, renowned criticist of capitalism and popculture – for me is a second ironic turn; as Fisher has been pointing out, that capitalism in it’s actual form can only exist in the present. It can have no future, as a future would mean a change of the system. Cyberpunk is a most gruesome dystopian vision, as it shows, where an unchained capitalism could lead us. But the only thing, shortsighted people can (or want to) see, are neon lights and cyberware…

Now, don’t get me wrong: I know, that cyberpunk has been quoting itself for quite a while now. I pointed out at that myself quite a while ago. But so does capitalism. It’s always on the move to create new ways to cement it’s supremacy over our world; and subsequently the great social and economical inequality, it has created over the last one and a half centuries. Maybe there is no need for another dystopia? What could be accomplished by other dystopias? A better distraction from the status of our world and the fact, that – at least in a political and social sense – it doesn’t seem to be developing anymore? Or is the love for cyberpunk just a weird expression of the human wish, to have the power to return to „the good ol‘ times“. Whenever I skim the internet, I read tons of comments in which people are telling, they wanted a time-machine, so they could go back to the 80s. What a marvelous time that has been…

In a sense the 80s must have been a simpler time than nowadays for some people. They had clear ideas of friends and foes, a simple economic aganda and most people nor knew neither cared for the problems of the rest of the world. That social and economic inequality already existed then, as they do now, can diligently be overlooked. Cyberpunk as a genre took those late 70s and early 80s as a starting point and created a possible path of further development of societies. Those roots are everpresent. And for some people (for example me) this is a good thing, as every cultural phenomenon – although they develop over time – must be seen in the context of it’s wake. Cyberpunk developed under the impression of the early reaganism/thatcherism and the impact, these politics had on a great many people. Looking back I can easily understand, what about all this unchained capitalistic mayhem scared some people to the point, they created these dystopias.

For me, cyberpunk is more, than just a subgenre of science fiction, that I frequently use as a theme for my rpg-campaigns. It is also a constant reminder, to never give up on the fight for human rights and better political solutions to the worlds many problems. The little I can do about the status of our world is being done. For example while writing this text; because I try to make people understand, that – to almost anything in life – there is more, than what you can see on the polished, neon-glitter-refelecting cyberware surface. Always remember, that even the most mainstream-looking imagery might have a hidden sense, you can only find, if you go searching for it. C U online…

Fresh from Absurdistan N°30 – Gesinnungsdiktatur?

Frisch zum Fest – auch wenn’s noch ein paar Tage hin sind, wird schon wieder überall um Fragen des Konsums, des Verzichts und deren Notwendigkeit gestritten. Man könnte einfach mal ein unperfektes Weihnachten feiern, wird auf ZON getitelt. Da hätte ich mal ’ne Frage: WAS ZUM HENKER IST EIN PERFEKTES WEIHNACHTEN? Und falls es sowas überhaupt geben kann, wer schreibt MIR mit WELCHEM RECHT vor, wie MEIN perfektes Weihnachten auszusehen hätte? Hm…? Eigentlich wollte ich nicht jammern, aber ein paar zu viel reden jetzt schon wieder von Gesinnungsdiktatur, weil sich Menschen über die Fehler unserer Gesellschaft Gedanken machen. Wir sollten alle mal wieder etwas lockerer werden!

Das, was ich letztes Jahr am zweiten Feiertag schrieb, ist ein Jahr später, wenn auch von von aktuellen Ereignissen überschattet (man erinnere sich: PANDEMIE UND SO), für mich nach wie vor gültig. Wir brauchen unsere Rituale, um uns daran zu erinnern, dass wir, allen Widrigkeiten zum Trotz, immer noch Menschen sind. Und zu diesen Ritualen gehört für viele Menschen eben auch, einander zu beschenken. Traditionen sind durchaus, wie jedes andere kulturelle Artefakt auch, einem Wandlungsprozess unterworfen. Dieser Wandel hat üblicherweise allerdings die Geschwindigkeit kontinentaler Plattendrift. Was in der Folge bedeutet, dass sich Bedeutung und Art des Feierns auch im Bezug auf das Weihnachtfest im Lauf der Zeit ändern.; aber meist so langsam, dass es uns immer erst hinterher bewusst wird. Mal davon abgesehen, dass unsere Weihnacht- so christlich sie heutzutage auch im Gewande daher kommen mag – von heidnischem Brauchtum, nämlich dem Sol-Invictus-Fest abgeleitet ist. Wer’s noch nicht weiß, sollte sich mal mit der Religionspolitik Konstatins des Großen (römischer Kaiser) befassen.

Wie viel es denn nun braucht, um jemanden glücklich zu machen, darüber kann man gerne diskutieren. Auch wenn ich denke, dass es da wie mit dem individuellen Geschmack ist: eigentlich verbietet sich Streit darüber, denn die Ansichten sind, wie eben schon gesagt hoch individuell. Doch genau da fangen die Probleme an. Schaut man sich nämlich mal die Kommentarspalte unter dem oben verlinkten Artikel an, fallen einem zwei Dinge auf: erstens, dass Aufrufe zum Konsumverzicht zu Weihnachten schon selbst eine gewisse Tradition haben und trotzdem viele, Leute jedes Jahr auf’s Neue auf die Palme bringen. DOGMATISMUS AHOI! Und zweitens, dass physical distancing aus Pandemie-Gründen und das eben erwähnte Konsum-Bashing hier in unzulässiger Weise verknüpft werden.

Ich würde mich ja drauf einlassen, wenn jemand sagte, dass das persönliche Überreichen von Geschenken aller Art im weiten Familienkreis dieses Jahr eine blöde Idee sei (ist es nämlich, weil, PANDEMIE und so…). Was nicht bedeutet, dass man sich nicht trotzdem was schenken dürfte. Auch das es möglicherweise dämlich ist, jedes Jahr seinen Scheiß auf den letzten Drücker besorgen zu müssen, zeugt jetzt nicht gerade von guter Planung, wer an einem normalen 23.12 durch deutsche Innenstädte geht, weiß schon, was ich meine. Dieses Jahr ist es nun eben der 15.12 – nur viel schlimmer, weil daraus ein Superspreading-Event par excellence wird. Man könnte auch ein bisschen auf Amazon schimpfen, weil die schiere Größe des Unternehmens mittlerweile den stationären Einzelhandel an vielen Orten existenziell bedroht; und das auch, wenn gerade nicht Corona ist. Jeff Bezos hat vermutlich mittlerweile einen Geldspeicher wie Dagobert Duck… Und grundsätzlich ist Weihnachten als prandiale Konsumattacke auch ein Anschlag auf meine eh schon bescheidene Figur. Verzicht ist so verdammt viel schwieriger, wenn’s auch noch dauernd was Leckeres gibt.

Aber was haben die Dinge miteinander zu tun? Konsumieren wir tatsächlich noch mehr, um uns über ein Jahr des Verzichts trösten zu können? Falls wirklich irgendjemand das glaubt, empfehle ich eine präzise, individuelle Selbst-Analyse folgender Frage: WER HAT WANN UND WARUM AUF WAS VERZICHTEN MÜSSEN? Ich verstehe, dass es Menschen gibt, die durch die Maßnahmen gegen die Pandemie ihre Existenz bedroht sehen – so wie ich Menschen sehe, die durch die Pandemie an Leib und Leben bedroht sind, bzw. schon dadurch umgekommen sind. Und Ersticken ist kein schöner Tod; soviel hat mich meine Tätigkeit im Rettungsdienst gelehrt. Aber bei Fragen wie den Folgenden könnte ich schreiend davon laufen :

  • „Ich konnte nicht dahin reisen, wo ich hin wollte!“
  • Ja, ging mir auch so, aber ich habe meinen Frieden damit gemacht.
  • „Ich konnte nicht feiern gehen!“
  • In den letzten Monaten hatte ich vor lauter Arbeit eh keine Zeit zum Feiern.
  • „Ich darf niemanden mehr treffen!“
  • Doch, dürft ihr, aber dabei ist Vorsicht angesagt.
  • „Ich konnte nicht einkaufen, wann und wie und was ich wollte!“
  • Herrgott, wie hat dieses Volk nur mit den alten Ladenschlusszeiten, wie ich so noch aus meiner Kindheit kenne überlebt? Da war um 18:30 Schicht!

Und so geht das in einer Tour. Das Einzige, was für mich immer mehr offenkundig wird, ist die egomane Degeneration unserer sogenannten „Gesellschaft“. Mehr nicht; weniger leider auch nicht. Es ist vollkommen egal, ob draußen eine Pandemie unterwegs ist, oder die Klimakrise, oder eine radioaktiv verstrahlte Riesenechse, die Häuser verspeisen kann: ICH WILL MEIN FÖRMCHEN! Ein riesiger Haufen sturer 4-Jähriger beherrscht den öffentlichen Diskurs. Oder soll ich besser „das sinnentleerte öffentliche Dissen und Rumschreien“ sagen? Wenn es etwas gäbe, dass ich mir für Weihnachten wünschen dürfte (neben den wenigen materiellen Wünschen, die sich auf ’ne Buddel guten Schnaps und hochwertige Küchenutensilien beschränken), dann wäre das wirklicher Frieden. Dass die ganzen sturen 4-Jährigen einfach mal ein paar Wochen die Fresse und sich selbst an die Anti-Pandemie-Maßnahmen halten!

Ja, wir werden uns, vor allem aber unseren Kindern etwas schenken. Ja, ein paar wenige Stücke davon wurden auch bei Amazon bestellt, schuldig im Sinne der Anklage. Ja, wir haben einen echten Baum (aus dem Schwarzwald, der Verkäufer steht jedes Jahr hier im Viertel). Ja, wir werden viel zu viel essen (Bio-Freiland-Gans aus Hessen zum Beispiel) und trinken (die Buddel Schnaps…?). Und ja, wir werden zu Hause bleiben, sanft entschleunigen und sehen, dass wir etwas Ruhe finden in unruhigen Zeiten. Und wir werden Freunde treffen – via Zoom-Call. Und ganz ehrlich – damit wird dieses Weihnachten wahrscheinlich nicht sehr viel anders, als die davor. Weil nicht wichtig ist, was geschenkt oder gegessen oder getrunken und womit geschmückt wird – sondern mit wem ich die Festtage verbringe; nämlich mit den Menschen, die mir gut tun und nicht mit jenen, denen ich mich aus irgendwelchen unwichtigen Gründen verpflichtet fühle. Reduce to the MAX and RELAX! Schönen Lockdown…

Freiheit die ICH meine…

Wieder so ein Terminus, der in letzter Zeit medial doch ein wenig überstrapaziert wurde. Alle berufen sich auf Ihre Meinungsfreiheit, ihre Konsumfreiheit und was weiß ich nicht noch alle Arten von Freiheit – stets sorgsam darauf achtend, die Freiheiten Anderer auf’s Brutalste zu missachten. Denn Freiheit die ICH meine, ist immer MEINE Freiheit, was bedeutet, dass ich mich um die Freiheit ANDERER einen Dreck scheren muss, nicht wahr…

So, erst mal genug auf dem Begriff herumgeritten. Was Kant dazu zu sagen hatte, sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (expliziert in der „Kritik, der praktischen Vernunft“ von 1787). Dieses Diktum bildet bis heute den Urgrund unserer Rechtsphilosophie. Und insbesondere Querdenkern muss man immer wieder sagen, dass die Freiheit des Einen da enden MUSS, wo die des Nächsten beginnt. Zugegeben ist dies ein schwieriges Unterfangen in moralisch entgrenzten Zeiten, wie den heutigen; aber selbst wenn Ulrich Beck mit seinen Thesen zur Risikogesellschaft auch weit über 30 Jahre später immer noch hoch aktuell ist, bedeutet das mitnichten, dass wir nicht verpflichtet wären, dennoch wenigstens den Versuch zu unternehmen, Moralgeleitet zu handeln.

Was ist denn Moral? Der Volksmund zitiert dann oft und gerne (meist im Unwissen um die Herkunft des Zitates; es stammt übrigens aus Wilhelm Buschs Bildergeschichte „Das Bad am Samstagabend“) Und die Moral von der Geschicht’: Bad’ zwei in einer Wanne nicht! Die meisten Menschen kennen allerdings nur den Satz bis zum Doppelpunkt… Um es ein wenig vereinfachend zu formulieren: Moral ist eine gesellschaftliche Übereinkunft darüber, was man tut und was man besser lässt. Also ein Kompromiss. Nun leben wir jedoch subjektiv in Kompromisslosen Zeiten. Das zeigen das Gezuchtel um den Brexit (der NO-DEAL wird mittlerweile immer wahrscheinlicher), Viktor Orbans Kampf gegen den ESM und natürlich Donald Trumps unerträgliches Gepolter. Selten habe ich mir einen Schuss im Dunkeln mehr gewünscht. Man kann also getrost sagen, dass der Kompromiss als Modell des Miteinanders ein wenig aus der Mode gekommen zu sein scheint. Und wenn schon die großkopferten Politiker so egoistisch, rücksichtslos und enthemmt handeln, warum soll ich kleiner Normalo mich dann bitteschön an Regeln halten müssen, hm…?

Diese Enthemmung ist die eine Seite der Münze. Die andere nährt sich aus einem äußerst schwierigen Verhältnis zum Titelgebenden Terminus. Pierre Bourdieu hat in seiner Forschung zum Habitus den Begriff „Geschmack“ expliziert. Und aus meiner bescheidenen Sicht verwechseln viel zu viele Menschen ihren – im Verlauf ihrer Sozialisation – verinnerlichten Notwendigkeitsgeschmack mit DER Freiheit, die SIE meinen. Lebensstile sind zwar auch von der eigenen Biographie abhängig, aber eben vor allem von der sozialen Herkunft und dem sozialen Kapital, welches dort erworben werden konnte, so dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass sich MEINE Freiheit so sehr von der der ANDEREN unterscheidet. Wir alle wollen einfach nur nach unserer Facon selig werden, nicht wahr…?

Das, was also Querdenker als DAUERHAFTE Einschränkung ihrer FREIHEIT wahrnehmen, ist in Wahrheit lediglich eine TEMPORÄRE Einschränkung ihres LEBENSSTILS. Das ist auch aus meiner Sicht unangenehm, aber wenn man die Perspektive verändert, nimmt es den Eingriffen, die zum Beispiel gestern mit Gültigkeit ab heute für Baden-Württemberg beschlossen wurden, einen erheblichen Teil ihrer Schärfe. Um zu dieser Einschätzung gelangen zu können muss man aber zu Kompromissen und zum Bedürfnisverzicht bereit sein. Und in der Hinsicht sind die allermeisten Querdenker ungefähr so gut aufgestellt, wie meine 7-jährige Tochter! Ein Armutszeugnis für angeblich „Vernunftbegabte Erwachsene“.

Ich versuche es mal mit Re-Framing und betrachte die Tage der Teil-Isolation, die uns nun bevorstehen als Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen. Ich darf Einkaufen und Spazieren gehen, werde also weder verhungern, noch in den eigenen vier Wänden ersticken. Und wenn man früh genug kommt, gibt es auch Nudeln, Mehl und Klopapier. Was ist also das Problem? Dass ich nicht enthemmt öffentlich konsumieren darf, wie sonst auch? Ich sehe die psychologische Auswirkungen des Nicht-gemeinsam-feiern-Dürfens auch mit einem sorgenvollen Blick. Allerdings nicht, weil mir Scheidungs- und Suizidraten Sorgen machen. Wenn wir durch intransparentes und damit willkürlich erscheinendes politisches Handeln noch mehr Menschen den rechten Bauernfängern in die Arme treiben, werden wir dereinst unsere Republik nicht mehr wiedererkennen. Neben den Freiheitseinschränkungen, die dann mit einem Neu-Rechten Regime auf uns zukämen, erschiene der Pandemie-Lockdown wahrscheinlich endlich wie jener Ringelpiez mit Anfassen, der er, gemessen am Umfang der Einschränkungen ist… Denkt mal DARÜBER nach! Schönen dritten Advent.

Fresh from Absurdistan N°29 – Zu Tode reguliert?

Föderalismus ist vom Prinzip her die Idee, die Dinge dort zu regeln, wo sie auch passieren, nämlich bei den Bürgern. Oft ist das auch hilfreich. Man denke zum Beispiel an zeitlich und räumlich begrenzte Lösungen für lokale und regionale Probleme. Dabei steht dann die Subsidiarität im Vordergrund. Strukturell höher angesiedelte Stellen sollen erst dann einschreiten, wenn die Regulierungsressourcen und Kompetenzen der untergeordneten Gliederungen überfordert sind. Nehmen wir an, eine lokal begrenzte Raumordnungs-Maßnahme (städte- oder straßenbaulich) muss auf den Weg gebracht werden. Dann wissen die Leute vor Ort wesentlich besser, was gebraucht wird, als jemand im fernen Stuttgart oder gar Berlin. Erst wenn dieses Projekt zu groß und zu teuer wird, sind Land und Bund mit im Boot.

Nach diesem Gedanken sollte auch die Pandemie bekämpft werden. Da wo viele krank werden, müsste man geeignete lokale Maßnahmen ergreifen können, die auch über die, zwischen Bund und Ländern beschlossenen Vorgaben hinausgehen dürften. Soweit die Theorie. Aber was nehmen die Menschen landauf, landab momentan wahr: jedenfalls keine präzise örtlich und zeitlich gesteuerten Maßnahmen. Die Leute sehen einen Regulierungs-Dschungel, neben dem unser Steuerrecht aussieht, wie ein frisch gemähter Fußballplatz!

Ein gutes Beispiel findet direkt vor unser aller Haustür statt: Schulpflicht vs. Präsenzpflicht, unterschiedlichste Daten für einen früheren Ferienbeginn, die gehandelt werden, konträre Aussagen zur mutmaßlichen Infektiosität der Kinder, und und und… Wir brauchen einen harten Lockdown jetzt, so sehr ich es auch bedauern würde, manche Dinge dieses Jahr nicht tun zu können. Doch dieses unsägliche Rumgeeier verschiedenster profilierungs-süchtiger Machtmenschen, gemischt mit den Einlassungen des Altherren-Clubs Leopoldina ist eine mächtige Illustration der Verhältnisse in unserem Lande. Eine sinnvolle Gewichtung der Interessen und eine echte Abwägung von Rechtsgütern ist dem Proporz der Macht gewichen!

Und mittendrin sitzen die Nazis und versuchen, in dem Vakuum der Gestaltungslosigkeit, welches die etablierten politischen Kräfte erzeugt haben, ihre Macht auszudehnen. Gott sei Dank bislang nur mit geringem Erfolg. Aber bei der Politik- und Pandemie-Müdigkeit, welche sich in der Bevölkerung breitmacht, ist das leider nur eine Frage der Zeit. Seht euch die sozialen Netzwerke und die Menschen auf den Straßen an. Die sind zwar nicht das Volk, wie manche meiner Sozen-Freunde immer wieder betonen; aber die Unterschiedlichkeit der dort vertretenen Menschen sollte jeden halbwegs wachen Demokraten alarmieren. Noch ist das kein Querschnitt durch die Gesellschaft, der sich dort abbildet. Aber es könnte in absehbarer Zeit einer werden. Was ist denn, wenn sich die enttäuschten Partypeople mit den erschöpften Pflegekräften und den erregten Wutbürgern verbünden, hm…

Wir brauchen jetzt Kulturförderung, damit nach der Pandemie noch eine vorhanden ist! Wir brauchen jetzt substantielle Unterstützung für das Gesundheitswesen, die auch nach der Krise aufrechterhalten wird – denn nach der Krise ist immer auch vor der Krise! Wir brauchen jetzt schnelle unbürokratische Hilfe für jene, die es alleine nicht schaffen! Wir brauchen jetzt einen harten Lockdown! Und wir brauchen für die nächsten Wochen und Monat bundesweit einheitliche Regeln, denn der Föderalismus hat in der Pandemie kläglich versagt! Aber wir brauchen definitiv kein Christfest und kein Sylvester als Superspreading-Event für die dritte Welle – die Zweite trifft uns schon hart genug. An all die Leugner: hoffentlich kratzt auch bei euch ein Freund, Bekannter, Kollege oder gar Familienmitglied (fast) ab, damit ihr’s endlich kapiert! Und tschüss!

Zufriedenheit N°4 – Rohe Weihnachten…

Erstaunlich aber wahr – ich freue mich auf die Festtage! Oft in den letzten Jahren waren sie der mentale Ort, an dem ich mal ein bisschen verschnaufen konnte und auch in diesen covidiesken Zeiten zeichnet sich wieder ein Bremsvorgang ab, den ich eigentlich schon seit Wochen herbeisehne. Immerhin ist aus dem, andauernd mit der Angst um eine mögliche Quarantäne-Order gewürzten Sprint der zweiten Jahreshälfte mittlerweile ein halbwegs gut verdaulicher Dauerlauf geworden. Und das Licht am Ende des Tunnels ist dieses Mal, wie’s aussieht, tatsächlich kein Zug. Aber warum ist das so?

Ich muss an dieser Stelle etwas gestehen: ich glaube, ich bin kein guter Christ. Also, in diesem Kirchgänger-Charitas-Normen-Sinn (für jene, die sich fragen, warum das da mit „ch“ steht: ich meine nicht den Wohlfahrts-Konzern, sondern das zu Grunde liegende lateinische Wort für Nächstenliebe). „Christliche Nächstenliebe“ hat ja oft diesen „Tue Gutes und lass es alle wissen!“-Charakter. Damit kann ich nichts anfangen. Ebenso wenig, wie mit Kirche als organisierter Institution zur Glaubensvermittlung. Schönen Dank, aber meinen Glauben, oder besser mein spirituelles Ich definiere und pflege ich selbst.

Was mich jedoch zufrieden macht, ist Zeit. Einfach mal Dinge tun oder auch lassen zu können, ohne sich den lieben langen Tag in diesem Hamsterrad der Nützlichkeit und Produktivität abmühen zu müssen. Ich habe dieser Tage abends mal mit der besten Ehefrau von allen geklönt und wir kamen überein, dass echte gepflegte Langeweile empfinden zu dürfen ein Privileg wäre. Selbst, wenn wir uns mal ein wenig gehen lassen, Dinge um ihrer selbst willen tun ; also Müßiggang betreiben, ist da immer dieses kleine Männchen im Hinterkopf, dass uns das Unbehagen des schlechten Gewissens einzuflüstern versucht, weil wir gerade NICHTS SINNVOLLES tun. Und genau da liegt die Crux: wer darf denn bitteschön für mich definieren, was sinnvoll und was sinnlos ist? Mein Boss? Mutter Kirche? Die Bundeskanzlerin? Meine Frau? Meine Kinder? Oder vielleicht ab und zu doch auch mal ich…?

Ich bin anscheinend in mancherlei Hinsicht doch schon so sehr ein Opfer dieser ganzen Selbstoptimierungs- und Work-Life-Balance-Kacke, dass ich nicht mal mehr zocken kann, ohne Unzufriedenheit auf Grund mangelhafter Produktivität zu spüren. Warum zum Henker blogge ich beispielsweise gerade? Weil ich nichts besseres zu tun habe? Oder weil ich als Macher wahrgenommen werden will. Ein – aber bitte günstiger – Psychotherapeut zur Klärung der Frage ist absolut willkommen. Ich weiß zumindest eines: meine Versuche, mich davon zu emanzipieren, sind noch nicht weit genug fortgeschritten. Wenigstens habe ich meine Nein-Schwäche mittlerweile etwas besser im Griff. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass dieses Ratgeber-Dauerfeuer zur Optimierung und Effizienzsteigerung des verdammten Lebens auf allen Social-Media-Kanälen seine Spuren hinterlassen hat.

Vor allem das Wort Lifehack kann ich nicht mehr sehen oder hören. Es macht mir Brechreiz. Wenn ich Hack will gehe ich zum Metzger! Wer braucht diese ständige Jagd nach Effizienz und Effektivität. Die meisten Leute können ja nicht mal den Unterschied benennen, ohne Google fragen zu müssen. Geschweige denn, dass sie wüssten, welche Formen von Effizienz unterschieden werden. Danke, aber NEIN DANKE. Ich habe davon die Schnauze gestrichen voll. Ich will Müßiggang und ich will diesen zu meinen Bedingungen. Ich will auch mal liegenbleiben dürfen, bis ich keine Lust zum Liegen mehr habe. Ich will tun – und auch lassen – was mir gerade in den Kopf kommt, ohne mich drum zu scheren, ob’s irgendwem nützt. Denn zumeist ist es ja doch nur der Nutzen Anderer, der durch dieses öffentlich zelebrierte Optimierungs-Brimborium erreicht werden soll. Arbeitsproduktivität. Für andere die Kohlen aus dem Feuer holen, Knete ranschaffen, den Laden am Laufen halten; und das am Besten für’n Taschengeld. Und was ist der Dank? WAS ZUM HENKER IST DER DANK?

Ich könnte darauf eine Antwort geben, aber sie wäre nicht allgemein gültig, könnte dem einen oder anderen Unrecht tun und zudem eher bitter ausfallen. Darum lasse ich es. Nur so viel: Es ist an der Zeit, über Zeit nachzudenken. Nämlich jene, die einem noch bleibt und was man damit für sich selbst anzustellen gedenkt. Und wenn jetzt jemand rumheult, ich sei der Anti-Altruist – mitnichten, meine Lieben… mitnichten. Ich habe aber erkannt, dass man als Mensch nur dann Zufriedenheit erfahren kann, wenn man sich auch im Nein-Sagen und im Nicht-Tun als Selbstwirksam erfährt. Denn ansonsten reißen die üblichen Verdächtigen einem auch weiterhin beim Reichen des kleinen Fingers den Arm am Schultergelenk raus. Denkt mal drüber nach. Rohe Weihnachten könnte heuer heißen: „Ich muss gar nix außer schlafen, trinken, atmen und ficken und nach meinen selbstgeschriebenen Regeln ticken“ Danke Großstadtgeflüster für diesen unfassbar wahren Satz. Schönen Abend noch.

Ich bin kein Feminist…

… denn eine solche Selbstzuschreibung empfände ich als anmaßend. Nilz Bokelberg, dieser Trottel hat sich vor gut drei Jahren mal im Zeit-Magazin so tituliert. Sein Ansinnen erschien mir, der ich selbst Vater zweier Töchter bin verständlich. Seine Denke jedoch war mir zu paternalistisch, sein Gestus zu pathetisch und die Äußerung an sich schlicht zu sehr auf die Generierung von Aufmerksamkeit ausgelegt. Nichtsdestotrotz habe ich seither so einiges auf den mentalen Prüfstand gebracht und bin etwas aufmerksamer hinsichtlich meiner eigenen alltagschauvinistischen Tendenzen geworden.

Nun habe ich heute Facebook aufgemacht und musste ein Bild sehen, in dem sich zwei mutmaßliche Kolleginnen vor einem RTW in eine Pose gebracht haben, die vermutlich weibliche Reize betonen soll; in diesem Fall den Gluteus Maximus. Und selbstverständlich musste ich mich dazu äußern. Denn selbst, wenn ich kein Feminist bin, ist diese Darstellung offenkundig dazu geeignet als sexuell aufgeladene Objektifizierung dieser Kolleginnen wahrgenommen zu werden. Das leistet aus meiner Sicht einerseits so ziemlich allen Frauen im Rettungsdienst, sowie auch dem Bild unseres Berufsstandes in der Öffentlichkeit einen Bärendienst!

Warum, werden vielleicht z.B. die Menschen, die dieses Machwerk produzieren fragen? Nun, das ist ganz einfach zu beantworten: indem Kolleginnen (und vielleicht auch Kollegen) sich in sexuell aufgeladenen Posen in mehr oder weniger PSA ablichten lassen, gestatten sie, auf den visuellen Reiz reduziert und mithin nicht mehr als Healthcare Professional, sondern als Stück Fleisch wahrgenommen zu werden. Nun möchte ich davon ausgehen, dass die Aufnahmen in gegenseitigem Einverständnis entstanden sind und die Kolleginnen sich sehr wohl der Wirkung der Pose bewusst waren. Und es spricht grundsätzlich nichts dagegen, auch in PSA gut aussehen zu wollen.

Doch was passiert mit der Wahrnehmung durch Andere? In dem Thread unter dem Bild auf FB entstand – sicherlich zu Unrecht – die Ansicht, dass man auf solche Kolleginnen gut verzichten könne. Das kann, will und werde ich nicht beurteilen, denn meine Vermutung ist eher, dass sie das als Spaß betrachtet haben und dabei die möglichen negativen Fremd-Wahrnehmungen nicht umfassend thematisiert oder bedacht wurden. Bezogen auf die Individuen gibt’s zwei Möglichkeiten, wie man mit diesen Zuschreibungen umgeht: entweder man beginnt sich zu schämen und das ganze als Dummheit zu betrachten, oder man sagt sich: jetzt erst recht. Wie auch immer sie damit umgehen: die Fremdattribution bleibt eine Weile haften.

Das aus meiner Sicht weitaus größere Problem ist, dass ein nicht unerheblich großer Teil der Social-Media-Nutzer gerne zu unzulässigen Verallgemeinerungen und Stereotypen neigen; d.h. nicht wenige werden sich denken, dass im Rettungsdienst „willige Weiber“ rumlaufen und in der Folge jene Kolleginnen, denen sie dann später begegnen auf Basis solcher Bilder beurteilen: mögliche Konsequenzen sind Respekt- und Distanzlosigkeit, bis hin zu sexueller Übergriffigkeit. Indem ich also Kolleginnen so darstelle, mache ich sie, aber eben auch andere zu potentiellen Sexismus-Opfern. Und dafür, ihr Macher dieses Kalenders verdient ihr euch mindestens einen der silbernen Ärsche mit Ohren des Jahres 2020. Verantwortungsvoller Umgang mit Social Media geht anders!

Ich bin gerne zu einer – gegebenenfalls auch öffentlichen Diskussion bereit. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt muss ich aber zum Boykott dieses – Gott sei Dank als limitiert bezeichneten – Produktes aufrufen. Limitiert ist nämlich nicht nur die Stückzahl, sondern auch die kognitive Reichweite seiner Macher. Schönen Sonntag noch