Gehen wir mal lieber ein Stück weg von den eher philosophischen Betrachtungen der letzten Posts und rein ins pralle Leben; bevor hier noch jemand einschläft… Wenn man die 50 überschritten hat, wird alles grau, man lebt nur noch auf die Rente hin und jeder Spaß ist der Routine gewichen. Man was hatte ich als Jugendlicher für beknackte Vorstellungen über das Älterwerden! Man muss allerdings auch sagen, dass das durchgängig positive Kultivieren des inneren Kindes durchaus Kraft kostet. Kraft die nicht jede*r aufbringen kann oder will! Ich weiß nicht, ob ihr schon mal so jemanden kennengelernt habt, aber in meiner Erfahrungswelt gibt es auch jene Menschen, die mit 25 schon mental alt sind, weil sie den Lebensweg bis zur Rente durchgeplant haben: Heirat mit 23-24, erstes Kind mit 26-27, Haus gekauft mit spätestens 30, jedes Jahr 2 (vielleicht auch 3) Wochen Malle all inclusive, wenn Kinder da sind, halt nur noch 10 Tage Center-Parks (weil recht teuer), Anpassungs-Fortbildungen (oder – Gott behüte – sogar Jobwechsel) nur, wenn unbedingt nötig. Dazu gehören (vor allem auf dem Dorf) die typischen Vereinsmitgliedschaften, etc., Fußball kucken, Grillfeste, und was weiß ich nicht noch alles…! Ums klar zu sagen: wenn das jemandes Leben ist, ist das jemandes Leben und wer er/sie/es damit zufrieden ist, ist das gut so! Nur für mich ist das nix. Ich hätte bei so viel (teilweise extern indoktrinierter) Routine mit spätestens 31 an einem Heizungsrohr im Keller gehangen – ich schwör‘! Ich hatte im letzten Post dieser Reihe schon anklingen lassen, dass Gaming für mich ganz persönlich ein großer psychologischer Energieerzeuger ist; die Art von Gaming, die ich haptsächlich betreibe (klassisches Pen’n’Paper-Rollenspiel, aber auch gerne mal die Konsole quälen, momentan eine PS5) ist damit verbunden, ein erhebliches Level an Immersion in die secondary World zu erleben. Also so weit als nur eben möglich in ein Spielerlebnis einzutauchen, dessen inhärente Logik, Umwelt, Geschichte und Regeln sich erheblich von meiner jetzweltlichen Lebensrealität unterscheiden. Weil ich manchmal von der echten Welt so gestrichen die Nase vollhabe, dass ich sie nicht mehr ertragen kann. Wie bereits öfter erwähnt bin ich nämlich „stuck in the middle“…
Eigentlich müsste dieser Post dann aber „about escapism…“ und nicht „about gaming…“ heißen, nicht wahr? Well, we’ll see into that, shall we…? Eskapismus bedeutet ja zunächst per definitionem lediglich die Flucht aus der Realität, womit allerdings noch nicht gesagt wird, wie und wohin man denn nun flieht. Das kann einfach nur eine Trauminduzierte Phantasie sein (wobei „einfach“ in diesem Zusammenhang relativ zu sehen ist, wie ich hier schrieb), die bewusste Rezeption von Kunst (indem ich mir Zeit nehme, Works of Art, gleich welcher Coleur auf mich wirken zu lassen), oder eine simulierte Andersrealität wie etwa ein Film, ein Buch, ein Spiel. Durch welches der genannten Medien das Ziel der Immersion, also des willentlichen Übertretens in die Secondary World dann erzeugt wird, ist dabei stets individuellen Bedürfnissen überlassen. One man’s junk is another man’s art…! Für mich ist die Vorstellung in die Haut einer anderen Person schlüpfen zu können – und dabei gleichsam an einen Ort zu gelangen, an den ich auf andere Art nicht hinkommen könnte, schlicht weil er HIER in unserer Realität nicht existiert – immer wieder auf’s Neue reizvoll. Es lässt mich Dinge erleben, die zwar einerseits nicht wirklich sind (so sehr verbleibt man dann doch in der Realität) – auf der anderen Seite, wenn die Storyteller ihr Handwerk verstehen, aber für mich EMOTIONAL real genug werden, mich in dieser Situation subjektiv wiederfinden zu können; und dann zu denken, zu sprechen und zu handeln, wie es mein Charakter (also diese andere Haut, in die ich geschlüpft bin) tun würde, NICHT jedoch wie ich es tun würde. Der Reiz entsteht für mich dabei aus dieser ambivalenten Spannung, sehr wohl immer noch Ich zu sein und dennoch weit genug weg von meinem Alltag Dinge erleben zu können, die meinem realen Ich auf immer versperrt bleiben werden. Das Theater in meinem Geist entwirft dabei umwerfende Szenerien und Szenarien, deren Kunstfertigkeit und Detailtiefe es mit jedem Setdesigner in Hollywood locker doppelt und dreifach aufnehmen kann! Das innere Auge ist ein mächtiges Instrument, wenn man es nur regelmäßig trainiert…
Tatsächlich irritiert es mich selbst immer mal wieder, wie einfach mir dieser Wechsel von meiner Lebensrealität in die Andersrealität gelingt; es hat vermutlich einerseits damit zu tun, dass ich das seit über 35 Jahren mache (also seit einer Zeit, da es noch NICHT vom Mainstream als charmant anerkannt wurde, ein Nerd zu sein) und das sich meine sonstigen Interessen, befeuert durch meine natürliche Neugier dadurch im Laufe der Jahre sehr weit aufgefächert haben. Man könnte es auch sagen: meine Wissenstiefe und -vielfalt haben eindeutig von meinem Lieblingshobby profitiert; einfach, weil ich mich immer wieder in teils echt obskuren Shit eingelesen habe, mit dem ich anders NIE in Berührung gekommen wäre. Andererseits habe ich diesen Ehrgeiz, diese intrinsische Motivation, mir verschiedenste Dinge aneignen, sie verdammtnocheins verstehen zu wollen. Ich vermute, ich habe hier ein wenig soziales und kulturelles Kapital mitbekommen. Ich habe von meinen Eltern tatsächlich nur sehr selten ein „das kannst du nicht“ oder „das darfst du nicht“ zu hören bekommen; und wenn, war meist ein „noch“ mit im Satz. Das macht einen offener für alle möglichen Erfahrungen. Das bedeutet nicht, dass ich es als Nerd-Kind, dass ich nun mal war einfach gehabt hätte. Es gibt mir heute aber die Selbstsicherheit, manche Dinge einfach zu machen, obwohl manche sagen, dass das nicht ginge… Wie man es auch dreht und wendet, ich bin dankbar dafür, dass mich ein paar likeminded weirdos vor so langer Zeit in das Hobby eingeführt haben; denn es bleibt meine Opportunity N°1, mein „stuck in the middle“-Sein besser ertragen zu können. So, nu isses aber gut für jetzt – mehr folgt die Tage. Bis dahin – stay safe and game as much as you can!