„Fake it, until you make it!“ Ein Teilnehmer in einem meiner Lehrgänge meinte dieser Tage, das mit der Fremdsprache sei nicht so sein Ding. Kann ich nachvollziehen, viele Leute struggeln mit etwas anderem als ihrer Muttersprache; Herrgott, genug Menschen struggeln mit ihrer Muttersprache! Wie dem auch sei, ich übersetzte es für ihn mit dem „Prinzip SATAN: Sicheres Auftreten Trotz Absoluten Nichtwissens!“ Manchmal müssen wir uns durchwursteln und es auf unterschiedliche Arten probieren, bis es endlich klappt. Verschiedene Teile unserer heutige Kultur – insbesondere Verfechter und Anhänger toxischer Maskulinität, wie die ganzen Idiot*innen, die Trump gewählt haben – tun allerdings gerne und oft so, als wenn wir alle immer und überall Siegertypen sein müssten; unbezwingbar, unerschütterlich – und unbelehrbar. Man könnte fast meinen, dass die alle niemals von ihrer Mama oder ihrem Papa getröstet wurden, wenn sie als Kind mal auf die Fresse gefallen sind… Hm… Aber wenn man tatsächlich immer ein*e Sieger*in sein soll, wie kann man überhaupt gelernt haben, zwischen Sieg und Niederlage, oder besser zwischen Erfolg und Scheitern zu unterscheiden…? Sind die alle als Meister ihrer Welt vom Himmel gefallen?
Man kann das auch in einer der Fachpostillen meines Gewerkes beobachten; die haben in jeder Ausgabe Kasuistiken, also Beschreibungen rettungsdienstlicher Fälle. Fast all diesen Kasuistiken ist zu eigen, dass die Kolleg*innen kamen, sahen und siegten. Man war zu jeder Zeit Herr der Lage und hat (so gut wie) keine Fehler gemacht. Nach meiner persönlichen Erfahrunge sind solche Kasuistiken die absoluten Ausnahmen und das Bild, welches damit für die Leser*innen erzeugt wird, ist ein riesengroßer, dampfender Haufen cremiger Bullenscheiße! Mich interessieren die Fälle, bei den das typische Veni, Vidi, Violini passierte – ich kam, sah und vergeigte. Um an seinen Aufgaben wachsen zu können, ist es nämlich notwendig, die sogenannte Komfortzone zu verlassen. Jenes bequeme Sofa der gemütlichen, sich selbst niemals hinterfragenden Denk- und Handlungsschleifen in unserem Hinterkopf, dass ab und an durch die Absonderung von so unsagbar dämlichen Aussagen wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ auf sein Vorhandensein hinweist, ist allerdings ein sehr verlockender Ort. Denn wer sich nicht kritisch mit dem eigenen Handeln auseinandersetzt, läuft halt auch nicht Gefahr, irgendwas zu finden, was ihm/ihr nicht gefällt. Das Verlassen der Komfortzone ist also stets mit der Gefahr verbunden, sich mal für ein paar Augenblicke nicht mehr so toll finden zu können, weil man feststellt, dass doch nicht alles so shiny war, wie man sich das immer gerne selbst einredet. Aber wer sich nicht mehr hinterfragt, wird zwangsläufig von der Welt überrollt, weil die Welt sich einfach weiterdreht. Mit oder ohne dich!
Bewusst aus der Komfortzone heraus zu kommen bedeutet, eigenes Scheitern als eine Möglichkeit anzuerkennen. Davor haben viele Menschen Angst, weil sie schon ein einzelnes Handlungs-Scheitern mit einem Persönlichkeits-Scheitern gleichsetzen; was allerdings vollkommener Quatsch ist. Niemand ist ein schlechterer Mensch, weil er oder sie mal einen Fehler macht. Denn die meisten unserer Handlungs-Fehler haben eher geringe Konsequenzen, geben uns als Individuen aber in unserer Gedankenwelt der Lächerlichkeit preis. Wir fürchten nicht die Konsequenzen des Fehlers an sich, sondern die Reaktion anderer Menschen darauf – insbesondere deren Spott oder deren Kritik. Wir wissen, dass die anderen diesbezüglich ja nicht besser sind als wir selbst und nehmen daher anderer Leute Fehler gerne als Anlass, mit dem Finger darauf zu zeigen, weil es vermeintlich vom unserem eigenen Fehler-Potential ablenkt. Aber jeder von uns macht jeden Tag Fehler; manchmal ist der erste, überhaupt aufzustehen. Unsere Fehler sind jedoch kein Anlässe, irgendjemanden der Lächerlichkeit preiszugeben, verweisen sie uns doch auf neue, andere Möglichkeiten eine bestehende Herausfoderung anzugehen oder ein Problem zu lösen. Fehler sind Lernanlässe – keine Punishment-Anlässe!
„Life is a lesson, you learn it, when you do it!“ [Limp Bizkit 2000: Take a look around] Ich würde Fehler also gerne als partikulares Vorwärts-Scheitern bezeichnen, als Momente, in denen die normative Kraft des Faktischen meine Wahrnehmung um einen Hinweis auf eine zukünftige Vermeidung durch Verhaltensmodifikation bereichert! Geht aber nur, wenn ich die Komfort-Zone verlassen habe. Womit ich nicht so verstanden werden möchte, dass ich den Menschen rate, häufiger mal „Hold my beer!“ zu sagen. Selbst risiko-averses Verhalten birgt immer ein Restrisiko in sich. Insbesondere dann, wenn man in einem riskanten Job arbeitet. Da muss man nicht auch noch nachhelfen. Aber ich plädiere dafür, endlich von diesem typisch deutschen Persönlichkeitsfehler weg zu kommen, für alles was schief läuft nach einem Schuldigen suchen zu müssen, damit ich DEN öffentlich auspeitschen kann! Das bringt niemanden weiter, weil es den oben beschriebenen Mechnismus befördert, sich mehr um das eigene Ansehen zu kümmern, als um die eigentlichen Sachprobleme und das Entstehen der Fähigkeiten, diese lösen zu können. Lasst uns doch alle gemeinsam gelegentlich vorwärts scheitern. Das würde uns wesentlich schneller voranbringen, als diese miefige Bedenkenträgerei, die narzisstische Sorge um das eigene Ansehen oder das Gejammer, wenn man mal sachlich kritisiert wird. Denn ohne eine sachliche Kritik, welche die wesentlichen Gründe eines jeweiligen Scheiterns aufdeckt, würde natürlich keine Entwicklung entstehen können! Aber soweit sind wir als Gesellschaft, selbst als einzelne Berufsgruppe wohl noch nicht. Na ja, da bleibe ich wohl doch weiter bei Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ Schönen Samstag, ihr Flitzpiepen…
Selber Flizpiepe 😅
Aber ich bin so bei dir…