Sich treiben lassen zu können – und sei es auch nur in den eigenen Gedanken – ist oft leider ein Luxus, den man sich nicht allzu oft leisten kann. Habe ich dieser Tage über „******** als Wert an sich“ gespochen, dann würde ich an dieser Stelle ergänzen wollen, dass eben das sich-treiben-lassen-können für mich auch ein Wert an sich ist. Und dafür habe ich sogar eine Begründung parat! Es gibt Menschen, deren Gefühlswelt unter vielen Lagen Professionalität, Selbstbeherrschung, Starksein-Müssen für Andere, Selbstreflexion und auch einem Schuss Schüchternheit verborgen liegen. ICH bin so ein Mensch! Anderen komme ich oft vor wie eine Rampensau, weil ich diese Rolle (zwangsweise) im Laufe der Zeit beinahe meisterhaft zu spielen gelernt habe. Zwangsweise wegen der Berufswahl. Aber im Kern bin ich ein ein eher introvertierter Mensch. Ich halte es da mit Bukowski: ich hasse Menschen nicht (wirklich). Ich fühle mich nur (oft) besser, wenn sie nicht da sind. Eine Arbeitswoche wird für mich umso intensiver und erschöpfender, je mehr Sozialkontakte ich abwickeln muss, die ich mir nicht gezielt aussuchen kann. Und intelligente Gespräche sind, wie einer meiner Kollegen gerne zu sagen pflegt, manchmal wirklich rar gesät… Habe ich eine solche Woche (wie jene, die ich gerade abzuschließen im Begriffe bin) hinter mir, dauert es lange, meine Batterien für Contenance, Empathiefähigkeit und Resilienz wieder aufzuladen. Eigentlich deutlich länger, als das Wochenende Zeit bietet. Insbesondere, wenn dann auch noch andere (familiäre) Dinge anstehen.
Dann BRAUCHE ich solche Perioden, in denen mein Geist treiben kann, wohin der Fluss auch gerade fließen mag! Die beste Ehefrau von allen versteht manchmal nicht, wieso ich keine Lust auf einfachen Eskapismus wie ein bisschen Fernsehen habe, weil man dabei doch abschalten könne (und wir sind hier im nationalen Vergleich jetzt beileibe keine Vielkucker). Aber ich funktioniere da GANZ ANDERS! Ich brauche gelegentlich ein Ventil für all die aufgestauten Emotionen, die ich da draußen in der realen Welt nicht ablassen kann und will. Ich setze dann in meinem Arbeitszimmer meine Noise-Reduction-Headphones auf – Vollschalen, denn ich kann diese in-ear-Dinger auf den Tod nicht ausstehen! – und lasse mich durch meinen erratisch-eigenwilligen Musikgeschmack so lange von Song zu Song traiben, bis ich Katharsis erfahre, weil das Werk mich berührt. Für all jene, die jetzt nicht wissen, was eigenwillig-erratisch meint: in meinem Fall springt das munter zwischen Metal, Blues, Punk, Crossover, Klassik, Boogaloo, Funk, Gothic, Post-Punk, Psy-Trance, Techno und was weiß ich nocht allem anderen hin und her, bis es in meinem Kopf KLICK macht und ich merke, wie die Schleusen sich öffnen – und ich WILL dafür allein sein! Sonst klappt das nicht! Denn das sind MEINE Gedanken, MEINE Emotionen, MEINE Katharsis, MEINE Entspannung, und die gehören alleine MIR! Wie könnte ich das vor einem Fernseher mit einer anderen Person teilen? Der Fernseher liefert MIR Unterhaltung für eine andere Ebene meines Geistes, und im Gegensatz zur besten Ehefrau von allen schaue ich nicht fern, um abschalten zu können, sondern kann mich nur darauf einlassen, wenn ich vorher schon abschalten durfte – quasi genau anders herum!
Während ich da so Musik höre, laufen in meinem Kopf Tagträume, deren Inhalt ebenfalls mir gehört; allerdings tauchen dabei manchmal auch Ideen auf, die sich dann z. B. in meinen Blogposts oder anderen Schrifterzeugnissen, den von mir gespielleiteten Pen’n’Paper-Runden und manchmal sogar in meiner Arbeit wiederfinden. Wobei Letzteres ein eher seltenes Ereignis darstellt. Und viele dieser Tagträume sind einfach nur flüchtige Fetzen von Geschichten, die mich in dem Moment, da sie passieren unterhalten, mich ablenken, mir helfen, wieder besser drauf zu kommen. Und damit erfüllen sie auch schon ihren wichtigsten Zweck. Denn genau dabei füllen sich meine Batterien für Contenance, Empathiefähigkeit und Resilienz wieder auf; einfach dadurch, dass ich meine Gedanken, katalysiert durch die Musik auf meinen Ohren wild, irrational, frei assoziierend. kreativ und vollkommen ohne Notwendigkeit irgendwelcher Effizienz, Produktivität oder eines anderen Nutzens von Alpha nach Omega und wieder zurück treiben lassen kann. Für mich sind das manchmal die besten Minuten meines Tages, weil dabei all die anderen Dinge, die mir hinterher hecheln wie Höllenhunde, die meine Seele verbrennen wollen einfach abfallen und im Orkus verschwinden. Klar, am nächsten Tag, oder irgendwann später sind sie wieder da. Aber dann bin ich auch wieder dafür gewappnet. Und dann kann ich auch Fernsehen schauen, mit den Charakteren mitfiebern, mir Ideen für meine eigenes kreatives Handeln suchen und in die Geschichten eintauchen.
Letztlich sind das zwei der Säulen, auf denen meine Nerd-Seele ruht. Die dritte, das sind die wenigen, aber wirklich wichtigen sozialen Verbindungen, die ICH mir aussuche, um sie zu pflegen, in ihnen Validation, Unterstützung und konstruktive Kritik zu finden und diese gleichsam auch zurückgeben zu können. Denn so sehr ich mich manchmal auch – sogar beinahe lustvoll – an meine Introversion klammern mag, bleiben wir Menschen dennoch soziale Wesen und können nicht vollkommen allein existieren. Ich suche mir nur gerne aus, welche anderen Menschen das sind, mit denen ich meine Zeit und meine Energie teile. Denn, wie weiter oben schon erwähnt – manchmal sind intelligente Gespräche sehr rar gesät. Und ich mag intelligente Gespräche wirklich gern! in diesem Sinn, gehabt euch wohl und genießt das Rest-Wochenende.
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