Wenn man durch den Strom der Social-Media-Angebote dümpelt, kann man dieser Tage verschiedene Phänomene beobachten, die durchaus ein bisschen irritierend sind. Da sind einerseits Menschen, die sich öffentlich darüber echauffieren, dass es so viele asoziale Ar*******er gibt, die ihnen was wegkaufen – also Hamsterer-Hasser. Das die Hamsterer auf Grund drohender Shit-Storms nicht ihre Einkäufe teilen, kann als Indiz dafür gewertet werden, dass es sich dabei doch um halbwegs vernünftige Mitglieder unserer Spezies handelt – zumindest haben sie einen Überlebensinstinkt. Dann gibt es die Mahner, die jedes sich bietende Meme und Sharepic teilen, welches auf die Gefahren von Sars-CoV2 aufmerksam macht, ganz so, als wenn man das nicht eh schon auf jedem News-Channel bis zum Erbrechen vorgekaut bekäme. Überdies gibt es noch die Relativierer, die gerne auf einer „Das ist doch alles gar nicht so schlimm!“-Welle reiten wollen, obwohl es doch verdammt schlimm ist! Und dann gibt es noch, wie bei fast jedem relevanten Thema, die Aluhut-Träger. Ach ja, was wäre Storytelling nur ohne die Aluhut-Träger…
Wenn es nicht so verdammt traurig wäre, dass vorgeblich erwachsene Menschen sich auf derlei despektierliche, dreiste, dilettantische und ganz und gar dümmliche Art gerieren müssen, könnte man sich bei einigen Äußerungen echt wegschmeißen. Aber nach Millisekunden des Nachdenkens gehe ich dann doch lieber zu Thorsten Sträter. Der kommt wenigstens halbwegs ehrlich rüber; und seine durchaus humanistischen Betrachtungen über das Menschsein sind zumeist brüllend komisch. Das Problem ist indes, dass man sich dem Ausfluss dieser Menschoiden kaum verschließen kann, es sei denn man will vollkommen auf Social Media verzichten. Doch für mich als Pädagogen und Geschichtenerzähler ist dieser Teil des Internet ein Soziotop, auf das ich nicht verzichten kann und will. Also mime ich den Human-Tierfilmer, nehme das Gute und akzeptiere, dass ich mich dafür halt durch einen atomar großen Haufen Cerebral-Poo wühlen muss…
Genug aufgeregt. Asozial – was ist das überhaupt? Nach Buchdefinition reden wir wohl von Leuten, die ein Verhalten zeigen, welches von den gesellschaftlichen Normen abweicht. Na sauber, wir sind im Arsch, Leute. Denn Unfug teilen, aus der subjektiven Distanz der Anonymität im Internet Hasstiraden absondern und im Zweifel lieber dem Rattenfänger oder Verschwörungstheoretiker, anstatt dem ausgewiesenen Fachmann zu glauben, haben schon seit ein paar Jahren Konjunktur. All diese Verhaltensweisen hätte man noch vor zwei Jahrzehnten als schädlich für die Öffentlichkeit betrachtet und sozialer Druck hätte das Unterlassen derselben höchst wahrscheinlich gemacht. Doch heute… Man kann nun trefflich darüber streiten, ob sozial-konformes Verhalten tatsächlich gut für die Menschen und die Gesellschaft ist; und ob deviantes Verhalten nicht doch eher zu vorteilhaften Kulturveränderungen führen kann. Und mit Sicherheit sind nicht all diese Social-Media-Phänomene nur schlecht; was jedoch nicht den Umkehrschluss zulässt, dass sie automatisch gut sein müssen.
Nun kann man die Zeit nicht zurückdrehen, oder Pandoras Wunder zurück in die Büchse drängen – mal davon ab, dass wir dann ja auch die Hoffnung entsorgen müssten. Z .B die Hoffnung darauf, dass eine gewisse Zeit der Reife diese eher uncharmanten Auswüchse des Internet zurückgehen lässt. Vielleicht lachen wir in ein paar Jahren, wenn sich dann doch mal verbindliche Spielregeln durchsetzen, die nicht nach Gutdünken geändert oder re-interpretiert werden können, über diesen Zirkus und blicken mit einem nostalgischen Tränchen im Augenwinkel auf den „Wilden Westen der Informationstechnologie“ zurück. Oder aber, es wird alles noch viel schlimmer und wir müssen irgendwann gar das Netz abschalten. Wie auch immer das gehen sollte….
Neulich war ich im Netz unterwegs und nach einer Weile der Diskussion mit einem selbst ernannten Historiker wurde es meinem Gegenüber zu bunt, weil seine Argumente nicht stichhaltig genug waren, mich zu überzeugen; und dann ging er zum „DU“ über, was ich nicht gut fand. Ich sagte ihm das und er wurde persönlich. So läuft das heutzutage. Rezo ist fälschlicherweise der Meinung, das „DU“ sei das „SIE“ des Netzes, weil er davon ausgeht, das Netz stelle heute schon soziale Äquidistanz her. Das ist Bullshit! Vielleicht in 20 Jahren, aber heute noch nicht. Doch genau dieses Missverständnis befeuert die oben beschriebenen Auswüchse: Manche meinen, sich online gegenüber jedem das Gleiche herausnehmen zu können, weil das Netz gleich mache. Das Netz macht (vielleicht) anonym. Gleich macht es jedoch mitnichten. Und so lange diese soziale Gleichheit eine Illusion bleibt, wird vieles, was dort geschieht von vielen als asozial empfunden werden. Ganz gleich ob es das in der realen Welt auch ist, oder nicht.
Wir täten gut daran, mal ein bisschen Druck aus dem Propaganda-Kessel zu lassen. Vielleicht würde es helfen, eine Zeitschranke für die Beantwortung von Kommentaren einzubauen. Wenn man nämlich jedesmal 20 Minuten warten müsste, würde das so manche Amygdala-gesteuerte Dummheit unterbinden. Aber was weiß ich schon – ich bin ja auch nur ein Typ mit einer Meinung. Genug über Menschen nachgedacht – der Grill wartet. Was soll man auch sonst bei dem Wetter tun, wenn man keinen Ausflug machen kann. C U.