Eine Schreibübung…

Blitze zerrissen die Dunkelheit und dichter Regen fiel wie eine Wand. Merrick stand da, ganz still, nur atmend. Von den Zinnen des Turmes aus war es unmöglich den Hof der Zitadelle komplett zu sehen. Irgendwo da unten waren sie, lauerten, gierten nach seinem Blut. Das Gewitter schwieg für einen Moment und er sprang. Der Fall war lang und mit einem lässigen Federn rollte er von Punkt seines Aufpralls weg, die Schwerter aus den Scheiden zischend. Der erste Angriff hätte ihn beinahe getroffen, doch das Biest aus Schatten zerfaserte mit einem Aufheulen, als er ihm mit einem sauberen Schnitt ein Bein abtrennte.
Die nächsten Angriffe folgten in schneller Folge, doch seine Klingen zeichneten einen hypnotischen Wirbel in die Dunkelheit, Gegner um Gegner zurückschlagend; dann schrillte ein Klingeln durch den Burghof, dass alle für einen Moment zu irritieren schien. Eines der Biester erwachte wenige Hundertstelsekunden vor ihm aus seiner Verwirrung und lange, elend scharfe Klauen fuhren von oben durch seine Schulter, zerrissen seinen Brustpanzer und mit einem Schrei hauchte der Samurai sein Leben aus, zerfetzt von einem Schatten-Oni.
Mit einem lästerlichen Fluch auf den Lippen betrachtete er das „GAME OVER“ in seiner Brille, einen Moment überlegend, ob er jetzt überhaupt auf den Idioten reagieren sollte, der gerade seine Kom-Blockade umschifft und ihn damit sein letztes Leben gekostet hatte. Mit einem Seufzen stöpselte er aus, setzte die Brille ab und ließ seinen Blick durch die Arcade schweifen, wo in Dutzenden angeranzter Virtu-Kabinen andere Gamer ihr Glück versuchten. Das Klingeln war persistent, also bestätigte er und der Holo-Projektor seines Omnis zeichnete das Bild eines nichtssagenden Standard-Avatars in die Luft. Gemäß des, vom Anrufer aktiviertem Privacy-Protokolls wurde der Audio-Stream des Anrufes direkt in den Drahtlos-Anschluss seiner Buchse gestreamt.
Datenbuchsen der neueren Generationen hatten dieses Feature serienmäßig und er mochte es. In aller Öffentlichkeit telefonieren zu können, ohne dass die Informationen kompromittiert wurden; wenn nicht gerade zum rechten Zeitpunkt irgendein ultrakrasser Hacker im Nahbereich saß und den Feed anzapfte. Aber das konnten nur sehr, sehr wenige. Also fühlte er sich ziemlich sicher. War auch besser so, denn der Anrufer vertrat eines wichtigen Kunden.
„Merrick-San, schön dass sie es doch einrichten konnten. Ich hoffe, ich habe sie nicht bei etwas Wichtigem gestört…?“
Diese freundliche Stimme von Mr. Shao nervte ihn, wussten doch beide, dass es dem Anrufer scheißegal war, ob er gerade eine Ehe gesprengt, oder einen wichtigen Deal vereitelt hätte. Er machte sein Ding für seinen Boss und alle anderen hatten zu kuschen. Dieses elitäre Geschmeiß aus den oberen Ebenen. Die waren doch alle gleich. Er atmete einmal tief durch und versuchte mit möglichst nichtssagender Stimme zu antworten, denn ein Job aus diesem Büro war immer hilfreich, weil top bezahlt.
„Nö, Shao, is alles Sahne. Was gibt’s?“
„Mr. M benötigt ihre Dienste für einen Personentransfer vom Raumhafen ins Blue Chip.“
„Reicht dafür kein Taxi-Unternehmen?“
Sein Tonfall hatte ins Genervte gewechselt. Was sollte das?
„Mr. M hat explizit sie angefordert, da der Gast noch nie in Tairan City war und man nie wissen kann…“
Die unausgesprochenen Teile des letzten Satzes ließen vermuten, dass es vielleicht doch nicht so langweilig werden könnte. „Wann soll’s losgehen?“
„Jetzt! Wenn sie akzeptieren, schicke ich ihnen alle relevanten Informationen auf ihr Omni. Mr. M bittet um Diskretion!“
Das tat er eigentlich immer, also war es unnötig darauf hinzuweisen, weshalb er ihre letzte Äußerung mit einem gebrummelten „Schick schon!“ quittierte. Mit einem höchst indignierten Gesichtsausdruck übertrug der Avatar ein Datenpaket in sein Omni und das Gespräch wurde beendet.
Die gebotene Bezahlung war allerdings attraktiv. Er sah sich noch einmal um, unauffällig auf das Highscore-Board schielend. Immerhin hatte dieser Poser von Chukyo es immer noch nicht geschafft ihn vom Thron zu stoßen. Mochte an der Übung in der realen Welt liegen, die auch im Cyberspace durchaus einen Unterschied machte, den Ungeübte nur durch den Zukauf unverschämt teurer Aktoren-Software auszugleichen hoffen konnten. Derlei Geldverschwendung hatte er nicht nötig. Er verließ die Virtu-Kabine, löste seinen Rucksack am Schalter aus und machte sich auf den Weg zum Raumhafen. Immer schön gemächlich, es blieb ja noch fast eine Stunde, bis das Schiff ankommen würde.

Der Text, aus dem der Auszug stammt, sintert schon eine Weile auf dem Clouddrive vor sich hin. Hoffentlich werde ich irgendwann auch mal wieder mit einem Buch fertig…

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