Retrospektiven stehen zum Jahresende immer hoch im Kurs; dieses Mal natürlich unter dem besonderen Aspekt, dass auch ein neues Jahrzehnt anbricht. Im vergangenen Jahrhundert wahren die Zwanziger ein Zeitalter des Umbruches. Wenn die Zwanziger dieses Jahrhunderts in dem Zusammenhang allerdings noch eine Steigerung der eben abgelaufenen Zehner darstellen sollten, na dann Prost Mahlzeit! So einen Standard-Rückblick auf Politisches und Gesellschaftliches werde ich mir übrigens schenken, denn den kann man ja allenthalben schon in den üblichen Postillen und im Fernsehen in zig-facher Ausführung „genießen“: Das’n privates Blog hier, also is auch mein Rückblick privat, verdammich…
Was mich in den Zehnern bewegt hat? Nun zunächst einmal, meine ältere Tochter größer werden und bis in die weiterführende Schule kommen zu sehen. Die Geburt der jüngeren Tochter 2013 und ihr Weg bis in die Grundschule. Das Gefühl, darüber älter zu werden und sich dennoch immer noch jung genug für manchen Quatsch zu fühlen. Die dabei gewonnene Erkenntnis, dass ich mein Leben tatsächlich selbst manage, obwohl ich eigentlich gar nicht weiß, wie das gehen soll. Ich denke, eines der wichtigsten Themen und Motive war damit das Wachstum als Familie; und vor allem die damit verbundene Verwunderung darüber, wie sehr ich zu einem Papa geworden bin, ohne mir das je so vorgestellt zu haben. Irgendwie ganz schnuffig.
Ich beklage mich manchmal darüber, dass man beim Leben mit Kindern ganz allmählich vom Individuum zu dieser speziellen Rolle – in meinem Fall „Vater“ – kondensiert wird und darob selbst in manchen Dingen mächtig zurückstecken muss. Ohne Frage ist ja nix so beständig, wie der Wandel, also ist dieses Klagen eigentlich sinnfrei. Ich hab doch keine Ahnung, wie’s mir ohne Kinder ergangen wäre. Schwamm drüber. Denn von der Besten Ehefrau von Allen höre ich manchmal ganz ähnliche Töne. Same, but different. Unserer Beziehung scheint es indes nicht nennenswert geschadet zu haben; auch, wenn wir manchmal recht hart geprüft wurden.
Doch meine Zehner bestanden nicht nur aus Kindern und Kochen – was ich wirklich leidenschaftlich gern tue. Auch beruflich hat sich einiges getan. Ich habe nebenher ein Studium absolviert. Und man muss wirklich nebenher sagen, denn mein vorheriger Arbeitgeber hat mich in dieser Hinsicht Null unterstützt. Dennoch konnte ich einen Abschluss in Bildungswissenschaft erwerben und drauf aufbauend in den Bereich der Ausbildung wechseln. Ich mag’s, für das, was ich tue ein solides Fundament zu haben, also bin ich den langen Weg gegangen; und es hat sich gelohnt. Nebenbei hat dieses Studium mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich selbst immer noch gerne lerne. Also bin ich wieder am Lernen, denn ein Masterabschluss muss auch noch her.
Was nicht gut war an meinen Zehnern war? Die Erkenntnis, dass ich die Veranlagung eines Elternteils zu Depressionen offensichtlich vererbt bekommen habe. 2014 war ein wirklich beschissenes Jahr: Erschöpfungs-Depression bis in die Krankengeldzahlung, mit anschließender Wiedereingliederung und der Erkenntnis, dass ich da, wo ich stand, weg musste. Dann, Anfang Dezember ein Telefonat, dass vieles verändert hat und wenige Tage vor Heiligabend der Abschluss mit der einen und der Beginn einer neuen beruflichen Ära. Alles im Geschwindschritt und mit einem gewissen Leibgrimmen.
Sich aus dem eigenen, fast zwei Jahrzehnte lang gesponnenen Kokon zu befreien, kann sehr heilsam sein. Es ist aber auch furchteinflössend. Wäre es eine radikalere Veränderung gewesen; ich weiß nicht, ob ich den Mut aufgebracht hätte. So ehrlich muss man schon mit sich sein. Doch retrospektiv darf ich sagen: alles richtig gemacht. Heute bereitet mir mein Original-Job wieder Freude und der neue Job entwickelt sich prächtig. Was kann man von diesem Teil seines Lebens schon mehr verlangen? Geld war nie so wirklich mein Motor. Ich verdiene es, damit meine Familie und ich ein schönes Leben haben können. Und meine Ansprüche an „schön“ sind heutzutage – abseits essentieller Bedürfnisse – eher weniger materieller Natur.
Ich hatte das Privileg, die Zehner hindurch auch die wenigen, wirklich wichtigen Freundschaften pflegen zu können, die meinem Leben schon lange und bis heute Halt und Balance geben. Sehr zu meiner Freude konnte ich auch manch neuen Kontakt knüpfen. Und selbst wenn ich den Menschen, mit denen ich nun schon ein Stück des Weges gegangen bin nicht immer die Aufmerksamkeit schenken konnte und kann, die sie eigentlich verdienen, so bleibt doch das Gefühl, nicht allein sein zu müssen. Und die Hoffnung, auch anderen Menschen dieses Gefühl geschenkt zu haben und immer wieder neu schenken zu dürfen. Natürlich nicht nur meiner Frau, meinen Kindern, meinen Freunden, sondern auch denen, die – auf die eine oder andere Weise – meiner Hilfe bedurft haben.
Ich könnte also wirklich, wirklich lauter klagen, wie ich immer sage. Doch warum? Es geht mir – objektiv betrachtet – besser, als vielen Anderen. Und nach den Tief-Phasen des vergangenen Jahrzehnts bin ich auch subjektiv gut dabei. Also richtet sich der Blick nun nach vorn. Und da kann ich nur Folgendes sagen: Ich wünsche uns allen einen erfolgreichen, gesunden und gesegneten Start in 2020! Mögen es die besseren Roaring Twenties werden…
Eine Antwort auf „Ein geschäftiges Jahrzehnt“