Randnotizen eines Erschöpften #11 – was vom Tage übrig blieb…

Der Lindner von der FDP hat keine Ahnung von Steuergesetzgebung und rechnet den Quandts die Steuerbelastung schön. Warum? Das weiß nur er. Männliche Hühnerküken dürfen weiter geschreddert werden! Wo bleibt der Aufschrei nach Gleichberechtigung? Ein Sozialdemokrat meint, 12,00€ Mindestlohn würden Jobs kosten. Und manche Menschen glauben, dass Computer mit Hilfe von Algorithmen bessere Entscheidungen treffen würden, als Menschen. Hallelujah!

Wann immer ich mir die Mühe mache, irgendwelche Tagespostillen zu lesen, fällt mir, vor allem in letzter Zeit, vermehrt auf, dass die Technik-Gläubigkeit neue Höchststände erreicht und der Humanismus dafür immer weiter an den Rand gedrängt wird. Das erklärt natürlich relativ eingängig, warum nicht wenige Menschen heutzutage mit dem allzu Menschlichen, wie etwa den “Fridays for Future” oder anderen Bewegungen, die uns ins Gesicht sagen, wie Scheiße wir mittlerweile wirklich geworden sind, so ihre Probleme haben. Doch diese De-Humanisierung ist nur ein Symptom.

Jeder von uns hat mit Kritik Probleme. Vor allem, wenn diese offensiv geäußert wird und überdies auch noch zutrifft. Ich kann mir da an die eigene Nase fassen, dass auch ich mitnichten stets den korrekten Ton treffe, wenn mich irgendwas trifft. Man darf ja auch gerne Mensch sein. Aber wenn die erste Wut verraucht ist und man die Gelegenheit bekommt, sich zurückzuziehen, sollte eigentlich ein Denkprozess einsetzen, der einen – zumindest im Idealfall – zu einem besseren Menschen werden lassen kann, wenn man sich auf die Veränderungen, welche einem die eigene Denke nahelegt denn einlassen will. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Bei den allermeisten Menschen geht es nicht darum, dass sie nicht verstehen, dass wir etwas ändern müssen; sei es nun sozial, ökologisch oder wirtschaftlich. Und dass es an jedem von uns selbst ist, der Politik so lange Feuer unter dem Arsch zu machen, bis sich überhaupt etwas ändert. Nein… es sind unsere Bequemlichkeit und unser steter Widerstand gegen die Veränderung als solches, die uns im Internet zu Anti-Greta-Trollen werden lassen, zu AfD-Wählern und Grünen-Hassern. Wir WOLLEN keine Veränderung, denn sie würde bedeuten, dass wir uns von lieb gewonnenen, kostbaren, wunderbar vertrauten Gewohnheiten trennen müssten.

Diese Gewohnheiten jedoch, so schlecht sie von Fall zu Fall auch sein mögen, sind unsere subjektive Garantie für eine sichere Zukunft. Wenn ich keinen Diesel mehr fahren darf, komme ich nicht zur Arbeit, verdiene kein Geld mehr, kann mir kein Schnitzel mehr leisten, mit dem ich unsere Wirtschaft ankurbele, was mein Gehalt steigert, damit ich mir einen schnelleren Diesel kaufen, mehr arbeiten und größere Schnitzel kaufen kann. “IHR SCHEISS-GRÜNEN WOLLT MIR MEINE EXISTENZ WEGNEHMEN!” Dass die Sicherheit dieser Existenz eine Illusion ist, deren Dauer von so vielen Faktoren abhängt, die wir nicht beeinflussen können, haben wir offenkundig schon lange vergessen. Insbesondere, dass dieses Aufrechterhalten der Illusion um jeden Preis die Existenz, an die wir uns so sehr klammern noch viel schneller vernichtet. DUMME, DUMME MENSCHEN…

Und was bleibt nun am Ende vom Tage übrig? Nun, zum einen die Erkenntnis, dass ich es für mich und meine Lieben noch besser machen kann und werde. Und dass ich, allen negativen Auswirkungen auf meine persönlichen Befindlichkeiten zum Trotze nicht wegsehen kann, wenn online Scheiße gelabert und Unwahrheit verbreitet wird. In dem Zusammenhang ist mir auch etwas aufgefallen: wenn man offensiv gegen Trolle, Antidemokraten und Lügner vorgeht, werden sie zumeist recht schnell leise – denn sie haben keine Argumente; nur ihren Hass auf Veränderung. Lasst uns diesen Idioten gemeinsam entgegen treten. Denn im Gegensatz zu denen haben wir eine Zukunft, die wir selbst gestalten können und wollen. Schönes Wochenende.

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Me, Self and I #09 – noch ökologischer…?

Kohlendioxid-Emissions-Steuer. Was für ein langes Wort. Was für ein Haufen Probleme. Allseits großes Hauen und Stechen. Der angedachte Mechanismus ist eigentlich einfach: ich besteuere die Emission von CO2 bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, wodurch diese verteuert werden. Um daraus entstehende soziale Härten abzudämpfen, sollen die Einnahmen über ein Kopfpauschalensystem jenen zu Gute kommen, die wenig C02 erzeugen. Und da CO2 nun mal zu einem erheblichen Teil am – durchaus komplexen – Mechanismus der Erderwärmung teil hat, soll es eine Klimaschutz-Maßnahme sein.

Nun gibt es immer noch genug Menschen, die eine Erderwärmung durch unser Zutun für Käse halten (was wissenschaftlich eine nicht haltbare Aussage ist), jene, die immer mit dem Finger auf die Anderen zeigen und postulieren, dass die BRD allein das Klima nicht retten wird und wir es daher einfach ganz sein lassen sollten, um wenigstens wohlhabend in den Untergang zu schlittern (fatalistischer Egoismus vom Feinsten) und vor allem jene, die Besitzstände gewahrt sehen wollen und daher Einschnitte in ihre individuelle Haushaltskasse rundweg ablehnen; auch wenn die Kölner Bucht dann 2078 den Namen endlich verdient. Nach mir die Sintflut. Stop, ich habe die ganzen Greta-Hasser (man muss schon sehr mutig sein, um anonym ein 16-Jähriges Mädchen online zu verunglimpfen, dass sich wesentlich mehr Gedanken um seine Umwelt zu machen schein, als die allermeisten Erwachsenen), die (Auf)Rechten Nationalisten und die Manchester-Kapitalisten vergessen…

Und nun blasen viele der vorgenannten Protagonisten zum Sturm auf das Konstrukt, weil sie um ihre Pfründe fürchten. Ebenso natürlich gibt es auch jene, die tatsächlich darauf hinweisen, dass die aktuelle diskutierte Variante der CO2-Steuer wohl soziale Härten erzeugen wird, da sie Ältere mit kleiner Rente und Alleinstehende ganz generell benachteiligt – also diesen Gruppen höhere Kosten aufbürdet. Das ist natürlich problematisch, denn genau die leiden ja eh schon unter substanziellem Ressourcen-Mangel. Solche Härten auszugleichen, ist eine der Aufgaben jener Ministerialbeamten, welche die handwerkliche Ausgestaltung vorzunehmen haben.

Das jedoch eine Maßnahme, die explizit dem Klimaschutz dienen soll, indem CO2 eingespart wird für Menschen mit großem CO2-Footprint (und das sind nun mal häufig Menschen mit einem gewissen Einkommen) Einschnitte bedeuten kann, lässt mich kalt. Und es ist mitnichten so, dass ich selbst nicht vielleicht auch damit zu rechnen hätte. Aber wenn wir uns nicht endlich – und vor allem endgültig – von der Ressourcen-Verschwendung aus Luxus-Gründen verabschieden, werden unsere Kinder nichts mehr haben, dass sich verschwenden ließe; schon gar keinen Luxus.

Ich bin mitnichten ein Luddit, aber wir haben uns, speziell im letzten Jahrzehnt, an einen Lebensstil gewöhnt, der nichts mehr mit Vernunft zu tun hat. Immer noch viel zu viele Verbrenner auf den Straßen, jedes Jahr neue Gadgets, obwohl die alten noch gut sind, viel zu viel Fleisch und Wurst und Reisen um die Erde. Insbesondere wir in der ersten Welt verbrennen tagtäglich wortwörtlich die Zukunft Aller auf der Erde und es gibt tatsächlich Menschen, die sich über’s Schuleschwänzen aufregen? Obwohl uns diese Kinder einen Spiegel vorhalten. Da muss die Fratze, welche uns entgegen lächelt wohl doch recht hässlich sein; denn der getretene Hund bellt.

Wir alle tun gut daran, darüber nachzudenken, was wir selbst in ökologischer Sicht alles falsch machen. Bei mir ist es immer noch zu viel. Aber ich arbeite daran. Macht doch einfach mal dabei mit, unsere Welt zu retten, anstatt rumzunölen. Die meisten Helden tragen nämlich tatsächlich keine Capes…

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Me, Self and I #08 – allzu beheimatet?

Manchmal schaut man in den Spiegel und fragt sich insgeheim, wer das wohl sein mag, der einen da anschaut. Keine Sorge, ich werde nicht langsam schizophren. Jedoch lässt sich schwer verleugnen, dass man sich angesichts der vielen Fragen zu allen möglichen Belangen des Daseins manchmal erst neu erden muss, bevor man weiter machen kann. Doch was erdet einen wirklich? Was bedeutet erden überhaupt? Rein technisch ist die Frage einfach zu beantworten, doch ich will mich natürlich mit dem psychologischen Aspekt befassen.

Übersetzt man es als Ableiten überschüssiger Energie, die wir in diesem Kontext mal als Stress denken wollen, bedeutet Erden aus menschlicher Sicht, festen Boden zu finden, auf dem sich Entscheidungen treffen lassen, weil man weiß, wer man ist und wo man hin will. Ein Zustand, um den vermutlich die allermeisten Menschen in unserer modernen ersten Welt immer wieder zu ringen haben. In einer partikularisierten Welt voller Optionen ist es nämlich oft gar nicht so einfach, zu wissen, was man will. Oder wer man eigentlich ist (bzw. sein möchte)?

Diesen sicheren Grund, den ich immer wieder mit mir selbst und denen, die mir wichtig sind aushandeln muss – den nenne ich Heimat. Mir ist bewusst, dass zu Heimat auch ein Gefühl der Vertrautheit, ein Wissen um das Funktionieren der Infrastruktur und ein Bewusstsein für die eigene Geschichte gehören. Doch all das bildet nur den Rahmen für mein eigenes Bild von der Realität. Das Bild, dass ich mir von meiner Heimat mache, kann von den Rahmenbedingungen ein Stück weit geprägt werden; ich muss es jedoch nicht davon bestimmen lassen. Denn so, wie mein Leben im Fluss ist, ist dies auch meine Heimat. Mich heimisch zu fühlen, dazu bedarf es neben der Vertrautheit (also zu spüren, dass hier andere wie ich sind) der Möglichkeit zur Verständigung (Die ist Teil von funktionierender Infrastruktur). Und hier beginnt – weil das vielen Menschen so geht – schon die Ebene der Probleme.

Was könnte man dann anfangen zu denken?

Zum Beispiel das hier: Er ist neu hier. Er sieht anders aus als ich. Er beherrscht meine Sprache nicht; oder zumindest nicht gut. Er ist fremd hier. Also ein Fremdkörper. Das bereitet mir Unwohlsein, weil es meinen sicheren Grund in Frage stellt. Denn, wenn viele von denen herkommen, ist es nicht mehr MEIN sicherer Grund, sondern es wird zu DEREN sicherem Grund und ich muss mir einen neuen suchen. Was ich nicht will. Außerdem haben die auch ganz andere Gebräuche (wiederum Teile von psychischer Infrastruktur). Die bedrohen mich, also müssen die weg!

Was könnte man stattdessen anfangen zu denken?

Nun, der ist neu hier und das funktioniert so nicht richtig. Er muss erst mal die Sprache und die hier üblichen Gebräuche lernen. Kann sein, dass er dann immer noch fremd wirkt, aber trotzdem reinpasst. Kann auch sein, dass das nix wird und er wieder dahin zurückgehen muss, wo er herkam. Sofern es da halbwegs sicher ist. Man kann, nein muss darüber diskutieren, wie sehr er sich den Gebräuchen anzupassen hat (bei Recht und Gesetz gibt es da allerdings keinen Spielraum); aber wenn er das schafft, soll er hier willkommen sein und sich in seiner neuen Heimat einrichten.

Einziger Unterschied zwischen den beiden Beispielen ist das Mindset des Betrachters. Über viele Dinge, wie etwa die Notwendigkeit, unsere Gesetze zu respektieren müssen wir gar nicht zu streiten. Doch was Heimat IST, definiert jeder für sich selbst. Und wie er mit seiner Heimat interagiert auch. Deshalb von vornherein ausschließen zu wollen, dass jemand von ganz woanders hier heimisch werden könnte, ist schlicht naiv. Wir Menschen sind verdammt anpassungsfähig, wenn es um das Überleben geht. Und bei so manchem ist das der Fall. Ob unser Staat die zusätzlichen Bürger integrieren kann, hängt von vielen Faktoren ab; strikte Ablehnung macht daraus allerdings eine selbst erfüllende Prophezeiung, so wie bei den sogenannten “Gastarbeitern”.

Letzten Endes wird es immer Streit darum geben, ob jemand von ganz woanders in MEINE Heimat passt, passen kann, oder nicht. Diesen Streit jedoch nur entlang ideologischer Dogmen zu führen, die reinen Befindlichkeiten entspringen, greift meines Erachtens zu kurz. Für mich ist Heimat ein multidimensionaler Begriff, dessen Rahmenbedingungen oft nur wenig mit meiner subjektiven Realität zu tun haben. Wenn ein Heimatminister also eine reale Aufgabe haben kann, dann die, diese Rahmenbedingungen für alle Menschen so zu gestalten, dass daraus ein individuelles Heimatgefühl erwachsen kann. Also Integrations-Hindernisse abzubauen. Sowohl für In- als auch für Ausländer. In diesem Sinne, noch einen schönen Tag, Her Seehofer…

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Randnotizen eines Erschöpften #10 – opium populi?

Ich gebe es hiermit offen zu – ich kann es nicht lassen. Immer wieder wandere ich hinab in die Niederungen des Rechtspopulismus um an jene zu appellieren, von denen ich denke, dass sie sich aus verständlichen Gründen auf einen falschen Weg begeben haben. Und vermutlich denken die genau das gleiche über mich, denn ich bin ja nur eine elende, dreckige, links-grün-versiffte Schmarotzer-Zecke, die sich auf Kosten der “Leistungsträger” vollkommen leistungsfrei durchfressen möchte. Ach stop, dass ich ein recht normaler Mittelstandstyp bin, der sich auch nur Sorgen um sein Land macht, zählt ja nicht, denn das würde ja bedeuten, dass man nicht mit dem Finger auf mich zeigen kann, weil ich ihnen zu ähnlich bin, nicht wahr…

Doch wann immer ich mich dort aufhalte, wo meine Komfort-Zone schon lange zu Ende ist, muss ich die wahrhaft erschreckende Argumentenarmut der Populierenden feststellen. Wenn man nichts Sachliches beitragen kann, nutzt man das niederträchtige Verächtlich machen des vermeintlichen Gegners. Ein stets auf’s neue abschreckendes Beispiel ist Stephan Paetows Kolumne “Blackbox” auf “Tichys Einblick“. Was der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der Bildzeitung für Pseudo-Intellektuelle “Focus” dort regelmäßig von Stapel lässt, verursacht mir Brechreiz. Noch schlimmer ist allerdings die Wirkung, welche er damit erzielt; denn seine Fans feiern seine Menschen verachtenden, chauvinistischen, rassistischen und ganz und gar undemokratischen Sichtweisen, als wenn er sowas wie ein ernst zu nehmender Journalist sei. Und loben seinen Witz, wo es NICHTS zu lachen gibt.

Offenkundig nicht dazu gedacht, zu informieren, damit man sich selbst eine eigene Meinung machen kann, sondern gezielt so gestaltet, Meinung direkt zu transportieren ist dies nur eine von vielen Seiten, die – wenngleich seriös daherkommen – alles andere als seriös ist. Wenn man fragt, was denn Lügenpresse wirklich bedeutet, kommt man leider nicht umhin, als Antwort die Frontpage von “Tichys Einblick” zu präsentieren. Würde man dort die Fakten präsentieren, so wie sie sind, gäbe es sicher immer noch Menschen, die sich auf Grund ihrer Schlüsse als so reaktionär einordnen würden, dass man den Begriff “Nazi” getrost verwenden könnte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jene, die gerade nach einer neuen Orientierung in einer Welt ohne gut erkennbare soziale und politische Landmarken suchen, dann so weit rechts landen, wäre allerdings deutlich geringer. Dass sich die Konsumenten dann auch noch bei anderen “liberalen” Leitmedien wie der “Neuen Zürcher” oder der “Jungen Freiheit” komplementär informieren, komplettiert das Parallelfaktenuniversum in geradezu beängstigender Weise. Wobei rechts natürlich der falsche Begriff ist. Der, in diesem Post von mir ausgeführte Mechanismus der Partikularisierung macht einen solchen politischen Kompass obsolet. Ebenso, wie er übrigens die Klassenkampf-Rhetorik der SPD und der Linken obsolet macht. Die Mechanismen der Macht zur Kenntnis zu nehmen, wäre diesen Menschen dienlicher, als irgendwelchen gestrigen Rattenfängern hinterher zu rennen, die eine gute alte Zeit propagieren, die es so nie gegeben hat.

Aber das wäre ja zu einfach. Dann müsste man ja selbst denken, anstatt sich freiwillig zum Claqueur der Populisten zu degradieren, und gleichsam zur Nutte des Konsums zu werden. “Opium des Volkes”, so nannte Marx die Religion. Die wird in unseren Breiten immer unwichtiger; da wundert es also wenig, wenn die Populisten mit ihren einfachen Antworten auf komplizierte Fragen und vor allem einem klaren Feindbild es sehr leicht haben, jene hinter sich zu scharen, die nach Antworten und einem Feindbild suchen, in der Hoffnung, ihrer Existenz wenigstens ein bisschen Sinn geben zu können.

Ich frage mich, wie lange ich hier noch schreiben kann, bevor irgendwelche im Stechschritt marschierenden Idioten meine Karre anzünden, meine Frau und meine Kinder und mich bedrohen, weil selbst denkende Menschen mit einer eigenen, auf Durchblick basierenden Meinung den Reaktionären Kräften schon immer ein Dorn im Auge waren? Wir werden sehen. Bis dahin hören wir uns weiterhin regelmäßig…

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Randnotizen eines Erschöpften #09 – Popanz und Populismus

Menschen – und ich zähle, wenn auch wiederwillig, immer noch dazu – neigen zur Simplifizierung. Große Komplexität macht uns Angst, weil die allermeisten von uns NICHT in der Lage sind, große Zusammenhänge sinnbringend zu durchschauen. Also versuchen wir es erst mal mit einem kleineren Bild… und in der Folge auch mit dem kleineren Lösungsansatz. Insbesondere, wenn sich das wahre Problem in einem großen Wirrwarr von gegenseitigen Abhängigkeiten verbirgt.

Nun ist reziproke Dependenz leider eines der Hauptmerkmale unserer modernen Gesellschaften. Wir sind so viele, mit so vielen Interessen und Problemen. Und selbst, wenn diese Sorgen und Probleme und Interessen gebündelt werden, indem wir dafür Interessenvertretungen bemühen – z. B. Parteien, Gewerkschaften, etc. – bleibt immer noch der Prozess, innerhalb einer solchen Interessenvertretung Konsens über das gemeinsame Ziel herstellen zu müssen.

Die Partikularisierung der Gesellschaft, vorangetrieben durch deren fortwährende soziale und kulturelle Entwicklung, hat jedoch dieses Erzielen von Konsens immer schwieriger gemacht und tut dies noch. Und trotzdem erwarten die Menschen noch einfachere Antworten auf immer komplexere Fragen. Es braucht wenig Phantasie, um zu erahnen, wo das hinführt; nämlich bis zu einer weitreichenden Lähmung unserer demokratischen Institutionen, da deren Mitarbeiter in genau dem gleichen Fehlschluss gefangen sind, wie die Bürger, deren Interessen zu vertreten sie eigentlich aufgerufen sein sollten. Doch auch unsere Volksvertreter sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Das allein könnte man vielleicht noch irgendwie kompensieren. Doch in eben dem Maße, in dem diese Komplexität uns behindert, ist sie jenen hilfreich, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben. Und auch, wenn es Ausnahmen geben mag, sind diese doch nur dazu gut, die Regel zu bestätigen: jene die sowieso schon haben nutzen jede Deckung, welche unser Gesellschaftssystem bietet, um noch mehr in Besitz nehmen zu können, vernichten dabei nicht nur Existenzen sondern auch unsere Umwelt und zeigen stets mit dem Finger auf die anderen, um sie an ihre Eigenverantwortung zu erinnern.

Dabei ist Eigenverantwortung mittlerweile eine Illusion. Selbst wenn ich hart arbeiten gehe, stets pünktlich meine Rechnungen zahle, versuche, meinen CO2-Abdruck zu verkleinern, meine Kinder zu vernünftigen Menschen zu erziehen, Nazis, Rassisten und Chauvinisten entschieden entgegentrete, mich in meiner Gemeinde engagiere; also durch und durch ein verantwortungsbewusstes Individuum bin – habe ich keinerlei Einfluss auf unsere Politik. Den nehmen nämlich nur jene, die sich durch geschickten Einsatz ihrer vielfältigen Ressourcen stets an der richtigen Stelle Gehör verschaffen können.

Sie verstecken sich dabei hinter dem wohlfeilen, jedoch überkommenen Bild einer wünschenswerten Mittelstands-Gesellschaft. Die kann es aber – in deren Narrativ – nur geben, wenn jeder schön für sich tut, was ihm gesagt wird. Und dann kommt ein Kevin Kühnert daher und faselt von demokratischem Sozialismus. Und weil die Beißreflexe der selbsternannten Leistungsträger durch 70 Jahre ordoliberaler Indoktrination so schön konditioniert sind, fangen gleich alle an, die DDR-Keule zu schwingen. Armselige Narren, allesamt… Kevin K. wurde zum Popanz aufgebläht, obwohl er lediglich etwas angemerkt hat, was in der Bevölkerung schon lange als real erlebt wird: steigende soziale Ungleichheit. Und das diese nicht etwa entsteht, weil die Menschen sich nicht genug anstrengen würden.

Was mir dabei aufgefallen ist: alle schreien immer gleich “Populismus!”, wenn irgendein AfD-Fuzzi was Dummes oder Rassistisches absondert (was ja zumeist nur eine Frage der Zeit ist); wenn jedoch ein Politiker (OK, ein JUSO…) ein Thema aufrollt, das durchaus von relevantem gesellschaftlichen Interesse ist, jedoch nicht von Interesse der Habenden und andere ihn dann verbal platt zubügeln versuchen, redet so gut niemand von Populismus, weil die Lobbyisten der Habenden die Politik offensichtlich gut im Griff haben. Wen soll man denn da wählen, am 26.05.? Ich werde hier kein Votum abgeben, aber die schwarzen, die Gelben und die Blauen bekommen meine Stimme gewiss nicht. Schönen Sonntag noch.

Die Causa Kevin K.

Tja. Eines muss man ihm lassen, polarisieren kann er, der Herr K. von den Jusos. Das hatte er zuvor schon bewiesen, doch nun hat er es neuerlich getan. Und das auch noch mit Wucht, hat er sich doch zum Sozialismus bekannt und in einem Interview dargelegt, welche Ideen und Gedanken er damit verbindet. Das er dafür einen neoliberalen Shit-Storm von titanischen Ausmaßen ernten würde, dürfte ihm vorher klar gewesen sein, denn der Herr K. ist vieles, aber gewiss nicht dämlich.

Dazu fallen mir erst mal zwei Dinge ein. Zunächst die Kommentierung von Andreas Scheuer; dieses Lobbyisten-gesteuerte Juwel bajuwarischen Filzes sollte einfach mal in seinem eigenen rhetorischen Leichenkeller schauen gehen. Da würde er schon genug selbst produzierte Scheiße finden – also (frei nach Nuhr) einfach mal Schnauze halten! Und dann der Umstand, dass jemand mit halbwegs funktionierendem Neo-Cortex mit einem solchen Konvolut an Äußerungen sicherlich bewusst provozieren wollte. Was dazu führt, dass sich jeder dazu bemüssigt fühlt etwas zum Sujet zu sagen. Ich ja auch.

Nun haben auch andere schon eingeworfen, dass es doch eigentlich gut ist, wenn mal jemand die Diskursräume erweitert, das Prädikat der Alternativlosigkeit unserer Art zu wirtschaften in Frage stellt; und damit gleich auch unsere gesamte soziale Ordnung. Das die Kollektivierung irgendeines Konzerns weder mit unserer Gesetzgebung vereinbar, noch tatsächlich vernünftig wäre, steht dabei außer Frage. Doch braucht eine Susanne Klatten tatsächlich 21,1 Milliarden Euro Privatvermögen? Ich gebe die Antwort aus meiner Sicht an dieser Stelle natürlich dazu (ist ja meine Kolumne, da kann ich auch meine Meinung propagieren): NO WAY! Kein Mensch braucht so viel Geld.

Insbesondere nicht, wenn dieses Geld nur auf eine Art zusammen kommen kann. Nämlich, indem andere ausgebeutet werden und dadurch nicht mal genug für ein halbwegs würdiges Leben haben. Und wenn jetzt wieder die ganzen supertollen Leistungsträger aus ihren Löchern gekrochen kommen und rum krakeelen, das man halt nur mit Leistung Wohlstand schaffen kann: lest bitte mal das Buch “Eine Billion Dollar” von Andreas Eschbach. Sehr erhellend bezüglich der Zusammenhänge von Wohlstandswachstum.

Man mag vieles als Träumerei eines Utopisten abtun, was da in diesem Interview abgedruckt wurde. Mit seinen Einwürfen hinsichtlich der vollkommen ausufernden Ökonomisierung des Angebots von Grundbedürfnissen (er spricht hier von Wohnraum, aber auch im Gesundheitswesen finden ich genug Negativ-Beispiele) macht Herr K. jedoch einen beachtlichen Punkt. Und allein der Umstand, dass bei allen möglichen Kommentatoren der Beißreflex einsetzt, ohne sich auch nur eine Sekunde sachlich mit seinen Thesen auseinander zu setzen, beweist ohne Umschweife, dass diesbezüglich erheblicher Handlungsbedarf besteht.

“Die Linken sind doch die übrig gebliebene SED aus der DDR. Da soll er hingehen!”, “Der Sozialismus ist immer gescheitert!”, “Das sind doch nur theoretische Hirngespinste, die an der Natur des Menschen scheitern müssen!”. Herrjeh, wenn ich mich natürlich selbst zur Konsumnutte degradiere, das eigenständige Denken als zu mühselig empfinde und daher schön blöd nachplappere, was z. B. die Vertreter der zweit-unnötigsten Partei (FDP) immer wieder Gebetsmühlenartig regurgitieren, nämlich das Märkte und der gesunde Menschenverstand schon alles regeln, dann kann ich auch den Herrn K. für einen Dämon aus Rotsockien halten.

Faktisch jedoch braucht es sozialistische Elemente in der demokratischen Politik um die Auswüchse menschlicher Gier im Zaum zu halten. Ohne die Sozialisten gäbe es nämlich immer noch ungezügelten Manchester-Kapitalismus. Aber der Markt macht ja, dass da nicht so viele Kinder an der Armutsgrenze leben müssen und das viel zu viele Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, die mit ihrere Arbeit nicht in der Lage sind, ihre Existenz zu finanzieren und… ach halt, Moment. Das haben wir ja gerade. Weil die neoliberalen Kräfte in unserem Land die Errungenschaften der wahren Sozialdemokratie in den letzten 30 Jahren Stück für Stück demontiert haben. Danke für nichts, ihr fetten Bonzen!

Sorry, aber ich kann dieses närrische Geschwätz selbsternannter “Leistungsträger”, die immer noch meinen, dass sich die tatsächlichen Strippenzieher ihnen nahe fühlen würden nicht mehr hören. Was ist denn ein Leistungsträger? Fängt das bei 100K/anno an? 150? 200? Ihr seid für Menschen wie Frau Klatten insignifikante Hungerleider. Fliegenschisse des Sozialen. Eine Bedrohung für ihr Kapital, weil ihr euch ein Stück von ihrem Kuchen holen wollt. Kapiert es endlich: wohl verstandener Sozialismus bedeutet nicht Gleichmacherei sondern ausgleichende Gerechtigkeit. Und wer dafür nicht sein kann – Entschuldigung, aber so hart muss es mal gesagt werden – ist ein asozialer Spinner, dem das Wahlrecht entzogen gehört. Schönes Wochenende!

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Randnotizen eines Erschöpften #08 – Welcome back, darkness…

Joa… was soll ich sagen? Scheiße gelaufen, da in Bremen mit der sogenannten Asylmafia, die zum Beispiel hier, hier, hier und hier beschrien wurde (hart rechte Webseiten ohne Impressum lasse ich bewusst aus, die finden sich bei einer Googelei aber immer ganz weit oben, weil dumme Menschen auf Schlagzeilen reinfallen). Also doch keine bundesweite, links-grün-versiffte Verschwörung gegen DAS VOLK, sondern einfach nur eine verliebte Behördenleiterin, die Goodies verteilt hat, um sich den Mann ihres Begehrens gewogen zu machen. Wer von Beiden dabei mehr kriminelle Energie hat zu Tage treten lassen, werden die Gerichte klären, aber eines steht fest: der Rechtsstaat funktioniert und die Mauscheleien halten sich in sehr engen Grenzen. Das dürfte unseren ganzen Nazis aber gar nicht schmecken, dass mal wieder eines ihrer Argumentations-Kartenhäuser mit extrem leisem Krachen in sich zusammenfällt…

Was gibt’s noch Neues? Ach ja – Neuseeland! An dieser Stelle möchte ich den Familien der Hinterbliebenen, aber auch den Kollegen, die bei diesem hinterhältigen Akt rechten Terrors zur Hilfe eilen mussten mein herzliches Mitgefühl aussprechen. Zur Sache selbst will ich mich nicht äußern, daran arbeiten sich schon viel zu viele andere ab. Was jedoch das nun verkündete Verbot für halbautomatische Waffen angeht – BRAVO! Wie immer kommen natürlich die Waffen-Fetischisten aus allen Ecken gekrochen und jammern rum. Auch dazu sage ich nichts, die Kommentar-Spalten in den Online-Zeitungen sagen alles, was man dazu wissen muss. Wieder nur Idioten unterwegs, wie ein lieber Kollege von mir sagen würde.

Brexit-Schmexit, untergehendes Venezuela, der rechte Hauptmann Jair Bolsonaro in Brasilien Präsident, wenigstens Orbáns Fidesz aus der EVP im Europa-Parlament ausgeschlossen; und dann auch noch Scheiß-Fußball. Diese Nachrichten des Tages sagen das gleiche, wie die letzten 100 Tage seit Krampf-Karrenbauer und die 100 Tage davor – wir lernen nichts aus dem Erlebten und machen immer so weiter, als wenn das Morgen ganz automatisch besser wird, auch wenn wir alles immer nur noch schlimmer machen. Und dann auch noch die ganzen Menschen, welche die Fridays for Future in den Schmutz ziehen müssen, weil ihnen ein 16-jähriges Mädchen Angst macht, dass viel mehr Leute mobilisieren kann, als sie selbst. Es geht immer nur um Macht und Geld. Nicht mehr um unsere Zukunft und die Fragen, die sie stellt; alle drehen sich nur noch um sich selbst.

Eigentlich ist es kein Wunder, dass meine Depression zurück ist. Mal schauen, wie’s läuft… schönen Tag noch.

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Me, Self and I #04 – allzu optimiert?

Der Homo Oeconomicus. Das Schreckgespenst meines Lebens. Eine künstliche Figur aus der Wirtschaftswissenschaft, die ihr gesamtes Leben der Nutzenmaximierung unterwirft. Das betrifft in der Theorie alle Bereiche des Lebens und ist, zu Ende gedacht, natürlich ein Albtraum für jedes halbwegs empathische Wesen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass man idealisierte Denk-Figuren für analytische Zwecke braucht; insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Dennoch feiert die daraus abgeleitete Denke immer wieder Urständ in den Medien.

Ich habe immer mal wieder Einlassungen zu den Themen Selbst-Optimierung und Work-Life-Balance veröffentlicht. Letztlich bin ich heute an dem Punkt angelangt, dass ich dieses ganze Geschwafel für Augenwischerei halte, die nur das Ziel hat, uns noch etwas mehr Arbeitsleistung abzupressen, damit andere noch mehr Geld für eine Pulle Schampus bezahlen können. Sorry, wenn ich jetzt klinge wie ein Sozialist mit Fackel in der Hand, aber gehen wir’s doch mal kurz durch, wer alles von Selbst-Optimierung spricht:

  • Krankenkassen mit Bonus- und Erziehungsprogrammen für einen gesünderen Lebensstil. Warum machen die das? Weil sie an ihren Kunden Geld sparen wollen, denn Krankenkassen sind nicht mehr einfach Sachwalter der fiskalischen Abwicklung von Gesundheitsdienstleistungen sondern profitorientierte Konzerne. Wie gut das der individuellen Gesundheit tut, darf sich jeder gerne selbst ausrechnen. So lange Krankenkassen-Vertreter Boni bekommen, wenn sie die Budgets z.B. für den Rettungsdienst besonders schmal verhandeln, habe ich kein Vertrauen in diese Läden.
  • Ratgeber-Autoren, die mit dem Trend Kasse machen wollen. Es ist schon irritierend, wie oft z.B. der “Stern” in den letzten Jahren anstatt investigativem Journalismus riesige Leitartikel zur Verbesserung des Lebensstils gebracht hat und dabei auch ein ums andere Mal Autoren gepuscht wurden. Ein Schelm, wer was Böses dabei denkt.
  • Arbeitgeber, die mit cooperative Workspaces und flexiblen Arbeitszeitmodellen locken, die – sozialpsychologisch erwiesen – nicht selten in Selbstausbeutung bis hin zum Burnout münden.

Das ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Es gibt mittlerweile auch genug Medien, in denen derlei ein differenzierteres, ja sogar kritisches Echo hervorruft; mündiges Googeln soll ja tatsächlich manchmal helfen. Denn bei all den Anforderungen, die an uns herangetragen werden, liegt es letzten Endes an jedem selbst, was er oder sie daraus macht. Und so ganz individuell optimiere ich am liebsten meine Denke…

Will heißen ich versuche informiert zu sein / zu bleiben, um mündige Entscheidungen für mich selbst treffen zu können. Ich bin dabei keinesfalls immer vernünftig (insbesondere beim Umgang mit meiner Physis) weil ich mir die Freiheit herausnehme, selbst entscheiden zu wollen, was schlecht für mich ist. Frei nach James Bond esse ich zu viel rotes Fleisch und zu viel Weißbrot; die trockenen Martinis habe ich allerdings durch Single Malt ersetzt. Klingt das clever? Nö! Aber bei allem, was ich tagein, tagaus auf unterschiedlichsten Ebenen für andere tue, gestatte ich mir sehenden Auges Torheiten, weil es meiner Psyche gut tut. Mindestens genauso gut, als mir hier dann und wann meine Rage vom Leib zu schreiben.

Aber mit Selbstoptimierung bleibt mir bitte vom Hals. dazu fällt mir nur dieses Lied von “Großstadtgeflüster” ein! Schönen Tag noch…

Ach ja: die nächste Folge ist “…allzu Kreativ?”

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Me, Self and I #03 – allzu privates.

Arbeit ohne Ende. Ohne in’s Detail gehen zu wollen, aber die letzten 10 Tage hatten es in sich. Drum hat es auch länger gedauert. Gedanken zum Thema habe ich mir schon lange gemacht. Oder besser – ich tue das andauernd. Denn es gibt wenige Themen, die so kontrovers diskutiert, aber auch gelebt werden, wie “Privatspäre”. Womit wir auch schon am ersten Problem angelangt wären: was ist denn das, diese sogenannte “Privatsphäre”?

Näher wir uns der Sache juristisch, finden wir den Artikel 2 des Grundgesetzes, sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Hier ist festgelegt, dass es bestimmte Bereiche unseres Lebens gibt, auf die weder andere Menschen (auch Konzerne) noch Ermittlungsbehörden einfach so zugreifen dürfen. Dass es mit dem tatsächlichen Schutz nicht immer soweit her ist, wie einen das bloße Lesen der Gesetzestexte vielleicht suggeriert zeigen die Debatten um z.B das Polizeiaufgabengesetz in Baden-Württemberg und Bayern. Man mag die Bedenken der Beschwerdeführer teilen, oder auch einfach glauben, dass die Polizei ihre Befugnisse schon verantwortungsbewusst einsetzen wird – einfach ist der Themenkomplex nicht. Denn von den vielen wird ein Eingriff in die Privatsphäre als Angriff auf ihre Bürgerrechte verstanden.

Dies berührt die Frage, wie viel Einschränkungen die Bürgerrechte verkraften, bevor die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staates bedroht ist. Doch dieser Frage werde ich mich demnächst in einem anderen Post widmen. Heute soll es eher um die feine Trennlinie zwischen privat und öffentlich gehen. Denn beides agiert auf vielfältigere Art miteinander, als ich dies in einem einzelnen Blogpost darstellen könnte.

Das Gefühl dafür, wie viel Privatspäre ich brauche, scheint bei Menschen höchst unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Ein einfacher Blick in die sozialen Netzwerke offenbart dabei eine beinahe erschütternde Bandbreite an Sorglosigkeiten. Fast scheint es, als wenn die Annehmlichkeiten, welche die Preisgabe von Daten zum Beispiel bei Konsumtätigkeiten mit sich bringt (schnelle, unkomplizierte, beinahe Berührungsfreie Abwicklung, Lieferung frei Haus, am besten gleich, etc.) die virtuelle Nacktheit rechtfertigt, die dabei zwangsweise entsteht. Die Einfallstore für den Missbrauch dieser Daten (bis hin zum Identitätsdiebstahl mit den Folgekosten) werden dabei vollkommen ignoriert. Selbst der Umstand, dass Personaler (übrigens auch ich) potentielle Job-, oder Ausbildungsplatz-Kanditaten googeln oder facebooken, scheint vielen vollkommen egal. Oder ihnen ist schlicht nicht bewusst, wie leicht man online gefunden werden kann; selbst mit verdrehtem Facebook-Namen…

Ein weiterer Punkt ist die politische oder ethische Gesinnung. In der vermeintlichen Anonymität des Netzes (oder in der Ignoranz der eigenen Außenwirkung) werden Aus- und Ansagen getroffen, die man wahrscheinlich sonst nicht unbedingt tätigen würde. Die Mitgliederzahl der “das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen!”-Fraktion scheint in meinem Bekanntenkreis auf gleichbleibend niedrigem Niveau zu stagnieren. Was aber nur daran liegt, dass ich offenkundige Nazis gleich aussortiere. Und mit Nazi meine ich Menschen, die unsere Gesetze verbal missachten, sich Ausländer- oder Minderheiten-feindlich äußern, oder eindeutige Zeichen auf ihren sozialen Seiten haben. Da gibt’s auch kein “Na ja, war vielleicht ein Ausrutscher…” Wer Sticker und Memes in den Farben der Reichskriegsflagge und mit eindeutig fremdenfeindlichen Texten auf seiner Seite hat, ist kein Patriot, sondern entweder extrem naiv und dumm, oder ein Nazi. Ende der Diskussion!

Was ich in meinem Kämmerlein über Manches denken mag und was ich öffentlich äußere… die Gedanken seien frei, hieß es einmal. Und sicher darf man denken. was man will, sofern daraus kein Unrecht an anderen erwächst. Auch mir entfleucht manchmal in den heimatlichen vier Wänden mal eine Äußerung, die eventuell sogar justiziabel sein könnte (allerdings eher linker Natur). Ich käme jedoch nie auf die Idee, meine politische Meinung und meine Arbeit miteinander zu verquicken. Von daher empfinde ich eine rote Linie zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen als notwendig. Doch sie wird von immer mehr Menschen ignoriert, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Denn je mehr ich den Begriff Privatsphäre durch mein eigenes Tun oder Lassen (Stichwort: Selbstverdatung) entwerte, desto mehr wecke ich die Begehrlichkeit des Staates nach der endgültigen Schöpfung eines gläsernen Bürgers.

Doch dieser Gedanke gruselt mich. So sehr ich meine mediale Präsenz schätze und pflege – es gibt Aspekte meines Selbst, die andere, insbesondere Fremde und den Staat nichts angehen. Denn sollten wir jemals wieder einer Autokratie entgegen gehen, muss ich in den Untergrund, da ich den Nazis zur Not auch mit der Waffe in der Hand entgegen trete, bevor ich ein viertes Reich zulasse! Bereits mit dieser Äußerung habe ich zuviel gesagt. Aber ich möchte jeden dazu anregen, sich selbst darüber klar zu werden, wie viel von sich er, oder sie, oder es da draußen bekannt geben möchte. Privatsphäre bedeutet ein Stück Macht gegenüber jenen, die Macht über uns alle erlangen wollen. In diesem Zusammenhang sei jedem noch mal dieses Stück von Reinhard Mey empfohlen. Ich wünsche eine schöne Woche.

Ach ja, als nächstes kommt in dieser Reihe “allzu optimiert…?”

Auch zum Hören…

Me, Self and I #02 – allzu ökologisches…?

Dieselskandal, Gammelfleisch, Bienensterben, Klimeerwärmung, Veganismus. Punkte, über die man sich Gedanken machen kann, gibt es im Themenkreis “Ökologie” wirklich mehr als genug. Doch während der Planet immer noch ungebremst mit Wucht auf das Dicke Ende zusteuert, jammern fast alle, dass die Politik entweder nichts (Tierschutz, Bio-Siegel, etc.) oder zuviel (Dieselfahrverbote) tut. Während irgendwelche unnötigen Politikoiden wie Andreas Scheuer munter den populistischen Fähnchendreher geben, um ja ihr persönliches Schäfchen (Anschlußvertrag als Industrielobbyist) ins Trockene zu bekommen. Böcke und Gärtner und so…

Ökologisches Handeln beginnt bei mir selbst. Bei Müllvermeidung. Dabei, NICHT im Winter eingetütete Beerenfrüchte aus Südamerika zu kaufen (im Übrigen auch kein Quinoa, denn die Haupterzeugerländer sind heutzutage Peru, Bolivien und Ecuador => vielen Dank für die durch den Transport versaute C02-Bilanz. Graupen tun es auch.) Bei der Reduktion des Fleisch- und Wurstkonsums und einer bewussteren Auswahl dessen, was auf den Tisch kommt. Zum Beispiel durch regionalen, saisonalen Einkauf. Bei der Frage, wofür ich ein Auto tatsächlich brauche und wo ich zu Fuß (mit dem Fahrrad, mit ÖPNV) nicht genauso gut hinkomme. Wie und wohin ich reise. Also bei vielen Dingen, auf die jeder einzelne von uns sehr leicht Einfluss nehmen kann.

Es ist bequem – und natürlich dieser typisch deutschen Besitzstandswahrer-Mentalität geschuldet – darauf bestehen zu wollen, dass alles einfach immer genauso weiter gehen muss, wie es schon immer war. Was ist denn immer? So ca. die letzten 40-50 Jahre, da sich der Wohlstand hierorts ausgebreitet hatte. Nur so als kleiner Tipp: der Wohlstand der ersten Welt beruht zu großen Teilen auf der Ausbeutung der dritten Welt. Da spielt das koloniale Erbe Europas genauso eine Rolle, wie die paternalistische Hilfspolitik seit dem Ende der Kolonialherrschaft.

Und natürlich werden jetzt wieder irgendwelche “Abers” aus der Ecke jener kommen, die sagen, dass sich doch gar nicht alle ein ökologisch sinnvolles Leben leisten können, weil das alles so teuer sei. Zum einen ist das eine überholte Vorstellung, weil nachhaltig eben NICHT bedeutet, jedem hippen Scheiß hinterher rennen zu müssen (Hipster nerven eh nur), sondern bei seinen Konsumentscheidungen bewusst vorzugehen. Das erfordert Anstrengungen und Nachdenken, aber es lohnt sich, denn die Alternative ist, dass wir alsbald alles kaputtkonsumiert haben und auf unsere Müllkippen leben und dort Recycling ganz neu erlernen müssen…

Der nächste Einwand ist, dass nachhaltiges Wirtschaften und Investitionen in neue, nachhaltigere Technologien den Standort Deutschland schwächen, unüberschaubare gesellschaftliche Kosten verursachen, die individuelle Mobilität einschränken…! Was ist denn die Alternative? Immer weiter mit Verbrennern die Städte zudrecken und zuparken, Menschen krank machen, das Klima killen und kostbare Ressourcen einfach in Rauch aufgehen lassen? Wenn es nach der Industrie und ihren Lobbyisten [=> Andreas (be)Scheuer(t)] geht, lassen wir alles beim Alten, denn noch fließt das Mana (=> Geld) ja noch in Strömen; in die falschen Taschen!

Allzu politisches und allzu ökologisches haben ja doch etwas miteinander zu tun! Wir hätten in den letzten 30 Jahren schon wesentlich mehr tun können und tun müssen, um den Entwicklungen entgegen zu stehen. Doch Anstatt mit Mut voran zu gehen, hat man stets nur Besitzstände gewahrt und verwaltet und sich auf die Globalisierung als größte Gefahr zurückgezogen. Die einzige Gefahr, die von der Globalisierung ausgeht ist die höhere Mobilität des Kapitals. Diese gilt es einzudämmen! Finanztransaktions-Steuern! Mindestlohn-Erhöhung! Noch schärfere Umweltschutzgesetze! Zwingt man die Besitzenden nicht zur Investition in unser aller Zukunft, werden sie diese weiter kaputt machen, um noch reicher zu werden.Das ist der Hebel, an dem Politik schon lange ansetzen könnte – wenn sie denn nicht teilweise gekauft, teilweise irregeleitet und teilweise desillusioniert wäre.

Bleibt die Frage, wohin mich meine Gedanken zum allzu privaten bringen werden…

Auch zum Hören…,