Krieg ist Scheiße, Wegschauen noch schlimmer!

Stellt euch mal vor, es ist Krieg und keiner geht hin! Der Satz ist ziemlich alt, dementsprechend auch schon recht abgedroschen, aber er passt auf die aktuelle Situation, wie die Faust auf’s Auge passen würde, wenn man sich denn dazu entschlösse, seiner Völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen. Wie jetzt, der Autor dieser Zeilen ist ein Kriegstreiber? Ja, ja, danke geschenkt, macht mich an, wenn ihr so viel besser wisst, dass niemals mehr ein Deutscher außerhalb der Grenzen unseres Landes kämpfen darf, Nazi-Vergangenheit sei Dank. Dass wir eine Truppe haben, die nur zur Landesverteidigung eingesetzt werden darf und dann auch nur schießen darf, nachdem sie den feindlichen Panzer, oder was auch immer höflich zum Anhalten aufgefordert hat; drei Mal und mit dem notwendigen Vierfarbformularvordruck. Habt ihr den Knall nicht gehört?

Nur für den Fall, dass all die Kaffeehauspazifisten, die durch meine Worte eh nicht davon zu überzeugen sind, dass unsere Welt sich als Dauerkriegsschauplatz darstellt und wir Deutschen nur zufällig das Glück hatten, die längste Friedensperiode in der europäischen Geschichte erleben zu dürfen, die es je gab vielleicht doch mal zum Überdenken ihres Hardcore-Im-Stich-Lassens der Weltgemeinschaft zu bewegen wären: Schon seit 15 Jahren kämpft die Bundeswehr nicht mehr ausschließlich zur Landesverteidigung, unsere Truppen lassen sich bestimmt nicht wehrlos beschießen, bis der Gegner keine Lust oder keine Munition mehr hat und regelmäßig kommen Särge zurück in die Heimat. Ich habe keine Ahnung, mit wie viel Enthusiasmus oder Ablehnung diese Männer und Frauen ihrem Auftrag gegenüber stehen, aber sie erfüllen ihn, erfüllen ihre Pflicht, ohne viel Gesäusel.

Ich will nicht sagen, dass ich es gut finde, wenn irgendwo Kriege stattfinden; und noch viel weniger bin ich ein Fan davon, sofort in jeden Konflikt hinein zu rennen. Ich bewundere eher Frank-Walter Steinmeiers Ausdauer als Vermittler, obwohl er doch selbst weiß, wie aussichtslos sein stiller Kampf gegen Betonköpfe vermutlich ist. Aber es gibt Situationen, in denen ein Kampf unausweichlich ist, weil man sich einem Gegner stellen muss, der einfach nur die Welt brennen sehen will. Und solche Leute gibt es. Würde er eine Chance sehen, mit den IS-Terroristen auf irgendeiner Basis sprechen zu können, um sie von noch mehr Gräueln abzuhalten, würde unser Außenminister wahrscheinlich auch das versuchen. Selbst John Kerry wäre das zuzutrauen. Aber die wissen, dass dies in diesem Fall keinen Zweck hat.

Aber unsere Kaffeehauspazifisten, die selbsternannte moralische Instanz im Staate, all Jene, die scheinbar immer noch glauben, dass Beten und Häkeln gegen Mordlust hilft, sitzen auf ihren Händen und predigen Gewaltverzicht. Ich finde das mit der linken und der rechten Wange auch dem Grundsatz nach sehr erbaulich, nur leider unpraktikabel, weil genau die, auf die wir in Gewaltsituationen treffen, entweder die betreffende Stelle der heiligen Schrift nicht kennen, vergessen haben, oder drauf pfeifen, weil sie eine eigene, eher unheilige Agenda haben. Passiert das bei uns in Deutschland, kann man sich in der Regel hinterher bei der Polizei ausheulen und wenigstens Anzeige gegen Unbekannt stellen. Diese Chance haben zum Beispiel die Yeziden nicht. Zum einen gibt es dort keinen, der ihnen helfen oder auch nur zuhören könnte und zum anderen würden sie schlicht nicht dazu kommen, die Hilfe einer Polizei, so es sie gäbe in Anspruch zu nehmen – dazu muss man nämlich noch am Leben sein.

Nein, wir können den Kurden keine Waffen liefern, man weiß ja nicht, wo die dann landen. Tja das weiß man bei den Terroropfern auch nicht so genau, aber irgendjemand wird die Massengräber schon finden, dann können wir ja wenigstens BKA-Spezialisten für die Identifizierung vorbei schicken, nicht wahr. Also ein Militäreinsatz ist vollkommen ausgeschlossen, das ist nicht unsere Aufgabe. Tja, also, wenn das nicht unsere Aufgabe ist, brauchen wir auch keinen Platz im Weltsicherheitsrat der UN, oder sonst irgendeinem Gremium, weil Leute, die sich stets mit einem Achselzucken und dem Satz „Können wir nicht, weil wollen wir nicht“ hervor tun bestenfalls als Unentschlossen, schlimmstenfalls als überflüssige Idioten wahrgenommen werden. Aber genauso gebärden sich unsere selbstbestellten Wächter der rechten Ideologie im Moment gerade – eben wie Kaffeehauspazifisten. Typen und Tussen, die ganz, ganz doll gegen Krieg sind, weil das mit den Nazis ja ganz super furchtbar war und nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen darf. Das in bestimmten Fällen Krieg und humanitäre Einsätze ein und dasselbe sind, entgeht ihnen in ihrem Fanazismus (für alle, die es mal wieder nicht kapiert haben: fanatischer Pazifismus). Und das sie in den allermeisten Fällen nicht den blassesten Schimmer haben, wie es ist, Menschen beim Sterben zuschauen zu müssen, versteht sich ja wohl von selbst. Ich frage mich, wie viele unserer Soldatinnen und Soldaten wohl frohen Mutes in so einen Einsatz ziehen würden, um Leben zu retten und tatsächlich mal die Demokratie zu verteidigen? Ich denke, nicht wenige würden es einfach als ihre Pflicht ansehen; sowohl als Soldat, aber genauso auch als Bürger! Viel Spaß im Kaffeehaus noch, ihr grausamen Moralapostel…

Gaza ist jetzt überall…

Es ängstigt mich, zu sehen, wie Menschen sowohl in Realitas als auch televerbal gewalttätig aufeinander losgehen, wie plötzlich uralte, vergessen geglaubte Reflexe der Xenophobie, der vom Unwort Leitkultur verseuchten ideologischen Aufladung und des unbedingten Willens zum Vertreten der eigenen Position jedweden Versuch eines sachlichen Diskurses vom Beginn an zu Nichte machen. Wie, als halbwegs aufgeklärt verstanden werden wollende, Wutbürger sich ereifern und doch dabei geifern, wie einst das kleine Männlein mit der hässlichen Frisur und dem markanten Bärtchen. Wobei sich die Produkte ihrer Äußerungen keinesfalls auf sein politisches Spektrum einengen lassen. Vom absoluten Bejahen des israelischen Rechtes auf die terminale Bombardierung Gazas, bis zum unterschwelligen Skandieren von „Treibt-die-Juden-ins-Meer“ ist alles dabei.

Gaza ist ein Stellvertreterkrieg; dabei wird gefochten zwischen den Angehörigen der jüdisch-christlichen Tradition und jenen des Islam. Obwohl doch alle drei abrahamitische Religionen sind. Doch diese historisch-theoretische Einteilung taugt kaum für das weitere Verständnis des Konfliktes zwischen den beiden Parteien. Und selbst das Verhältnis zwischen Juden und Christen ist – abseits eines gemeinsamen Schrifttums – wohl kaum als unbelastet zu bezeichnen. Dennoch scheinen sich die Menschen aus eher christlich geprägten Kulturkreisen fast Stammhirngesteuert mit dem jüdischen Staat Israel zu solidarisieren, wohingegen… nun ja, Muslimen mit Muslimen fühlen. Irgendwie ist es wohl auch ein Kampf darum, wie man seine Nächstenliebe unter Beweis stellen kann.

Doch eben sind wir schon über den ersten Denkfehler gestolpert, indem wir den Staat Israel als politisches Konstrukt mit dem Judentum gleichsetzen, was aus rein Verfassungsrechtlicher Sicht Quatsch ist, denn Israel ist ein Säkularer Staat und überdies ist mitnichten die gesamte Bevölkerung Israels dem mosaischen Glauben zugehörig. Das sind nur ca. 75%, von denen knapp die Hälfte sich als säkular bezeichnen – vulgo, sie sind dem Namen nach Juden, wie ich dem Namen nach Christ bin. Ich gehe übrigens weit öfter in Sakralbauten, um dort zu fotografieren, anstatt dort Andacht zu halten. Obwohl ich durchaus andächtig fotografieren kann. Aber ich denke, was ich sagen wollte ist klar. Israel ist nicht gleich Judentum, and vice versa! Die heutigen Staatsgrenzen sind eher Verwaltungstechnischer Natur, da das ehemalige britische Protektorat Palästina ein künstliches Konstrukt war.

Das Juden, Christen und Muslime dort über Jahrhunderte häufig erbittert miteinander um die Vorherrschaft gekämpft haben, scheinen die Meisten heute irgendwie vergessen zu haben. Andererseits stand Diplomatie damals nirgendwo allzu hoch im Kurs. Es bleibt aber festzuhalten, dass es einen souveränen Staat Israel erst seit 1948 gibt und das er sich ebenso wenig auf eine Jahrhunderte-, oder gar Jahrtausendealte Traditionslinie berufen kann, wie das zum Beispiel beim Nationalstaat Deutschland der Fall ist. Und doch kehren immer wieder Argumentationslinien zu einem angestammten Recht auf diesen Streifen Land in der Levante zurück, der einerseits gar nicht so hospitabel ist und andererseits verglichen mit anderen Staaten eher lächerlich klein; etwa so groß, wie das Bundesland Hessen. Womit man schon zu der Frage kommen könnte, warum sie denn um gute 20.000 Quadratkilometer Trockensteppe so einen Bohei veranstalten?

Da man aber natürlich weiß, dass letzten Endes aller Disput sich nur um eine Frage dreht, nämlich das von vielen Muslimen dort in der Region bestrittene Existenzrecht des Staates Israel als mehr oder minder offizielle Zuflucht für Juden, wird es schwer, auch nur irgendeine Art von rationalem Verhandeln anfangen zu wollen. Denn in diesem Streit dreht sich fast alles um Glauben. Und dem ist mit der Waffe der Logik nur sehr schwer beizukommen.

Die Einen glauben, sie wären schon immer da gewesen und die Anderen glauben, die hätten da noch nie was verloren gehabt. Wer hat aus dieser Sicht der Dinge den nun Recht; Alle und Keiner vermutlich. Doch weil sich niemand von seiner, aus der Tradition erklärten Sichtweise der Dinge ablenken lassen will, geschehen im Hier und Jetzt immer wieder Untaten; wird Unrecht im Namen der eigenen Sache am jeweils anderen begangen, ohne dabei zu bedenken, dass die einzig Leidtragenden in dieser Angelegenheit Menschen sind, die vermutlich zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz vergleichsweise unpolitisch und undogmatisch waren. Waren! Doch das hat sich jetzt erledigt, womit der Kampf um die Wahrheit zu einem Circulus Vitiosus wird, den nur der Glaube an Frieden durch Friedlichkeit durchbrechen könnte. Doch wie wahrscheinlich ist das, nach Jahrzehnten der Gräuel aneinander? Wenn die nachfolgenden Generationen in dem Wissen aufwachsen, dass die auf der jeweils anderen Seite der Mauern die Feinde sind?

Und so wenig, wie es dort im Moment, oder auch nur in mittlerer Zukunft Frieden geben kann, so wenig kann und wird es Frieden und einträchtiges Koexistieren an den anderen Orten geben, wo sich die Anhänger jüdisch-christlicher Tradition und die der muslimisch geprägten Kulturen gegenüberstehen, ohne einander je zu verstehen – und vermutlich auch nicht verstehen zu wollen! Wo man einander mit Hass begegnet, anstatt mit Interesse. Bei uns wird dann immer die Kritik an „verfehlter Integrationspolitik“ laut, ohne dass allerdings jemand wüsste, wie erfolgreiche Integrationspolitik denn aussehen müsste. Denn Integration beginnt im Kopf eines jeden Einzelnen und vollzieht sich durch sein Tun; oder vollzieht sich eben nicht durch sein Unterlassen. Doch so lange wir immer nur damit beschäftigt sind, nach dem Vendettaprinzip „den Anderen“ die Schuld zuweisen zu wollen für unser eigenes Desinteresse, für unsere Feindseligkeit und unseren Egoismus, kommen wir keinen Schritt weiter. Weder in Mannheim, noch in Gaza. Schönes Wochenende noch…

Das Böse kommt von Links – eine neue Polemik.

Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen komme ich nicht umhin, mich zu fragen, warum Menschen, die sich selbst als linke Intellektuelle betrachten, immer wieder vollkommen unnötige, teils widersinnige, teils lächerliche Diskussionen provozieren müssen. Ich behaupte jetzt einfach mal – quasi im Sinne einer Nominaldefinition – dass nur sehr Wenige unter uns politisch zu einer Autokratie zurückkehren möchten; schlicht, weil uns unsere persönliche Freiheit, die im demokratischen Rahmen üblicherweise als halbwegs geschützt betrachtet werden darf, ziemlich wichtig ist.

Nun gibt es ein paar Menschen – vielleicht sind es auch ein paar mehr, aber das tut nichts zur Sache – die offenkundig der Meinung sind, dass es nur möglich ist, die Demokratie zu verteidigen, indem man ALLES, was auch nur irgendwie der rechtskonservativen Gesinnung verdächtig sein könnte einfach verbietet, bzw. ummodelt. Das sie dabei kulturelle Produkte des Chauvinismus bzw. Rassismus oder sonst eines –ismus bezichtigen, die aus einem völlig anderen geschichtlichen und somit auch gesellschaftlich-kulturellen Kontext stammen, ist ihnen dabei Wumpe, Hauptsache, es sagt keiner mehr „Negerlein“… Uups! Sie folgen dabei der Logik, dass alle Gewalt ihren Anfang in der Sprache nimmt. Prinzipiell ist das auch nicht falsch, was jeder, der schon mal gemobbt wurde sicher bestätigen kann. Doch man kann dabei auch über das Ziel hinaus schießen. Denn jeder, der nicht willig und mit vom Stolze geschwellter Brust in die Phalanx der Gender-gemainstreamten, ökologisch korrekten, Nachhaltigkeit predigenden, Solidarität proklamierenden Sozial-Bourgeoisie einschwenkt, ist automatisch ein reaktionärer, dumpfer Geist, prinzipiell immer des Faschismus verdächtig. Erinnert mich irgendwie an das ideologisch motivierte Programm der Gleichschaltung!

Es gibt einige Bereiche meines Lebens, in denen ich nicht umhin kam, Standpunkte zu bedenken und teilweise auch anzunehmen, die man durchaus als wertkonservativ bezeichnen kann, was dem Umstand geschuldet sein mag, dass man mit zunehmendem Alter in die Lage versetzt wird, seine Prinzipien zu überdenken, wenn man mit ihnen mal an die Wand gefahren ist. Andererseits bin und bleibe ich überzeugter Sozialdemokrat. Ich sehe jedoch keinen Widerspruch darin, für leistungsgerechte Entlohnung bei entlohnungsgerechter Leistung einzutreten, jedoch trotzdem nach Härtefallregelungen für jene zu verlangen, die das wirtschaftliche System überholt hat. Aber ich erwarte im Gegenzug von diesen Menschen, die heute Transferleistungen beziehen, dass sie auch die Bereitschaft und Engagement zeigen, etwas Anderes zu tun, um ihren Lebensunterhalt wieder selbst bestreiten zu können. Dass die Wege dahin, die derzeit durch den bürokratischen Wildwuchs unserer Verwaltungsorgane auf allen Ebenen viel zu kompliziert sind, begradigt und vereinfacht werden müssen, steht dabei außer Frage. Ich verlange, dass man meine Privatsphäre verteidigt, anstatt für ein paar warme Worte und ein Bruderküsschen von jenseits des großen Teiches brav Männchen zu machen. Ich will mehr Bürgerbeteiligung – aber auch eine klare Linie der Politikführung, die faule Kompromisse scheitern lässt. Das Alles und noch viel mehr…

Ich habe kein Problem damit, wenn man Unterschiede zwischen den hier lebenden Migranten und den Ureinwohnern beim Namen nennt und gelegentlich darauf hinweist, das durch divergierende Denkweisen, Traditionen und andere Glaubensbekenntnisse Probleme entstehen, die nicht einfach verschwinden, wenn man die Dinge anders, vielleicht freundlicher, oder neutraler benennt. Das Ändern des Wortes ändert nicht den Begriff, den sich Menschen von einer Sache oder einem Tatbestand machen. Jene, die tatsächlich rechtskonservativer Gesinnung sind, lernen so höchstens, wie sie ihre demokratiefeindliche Propaganda besser getarnt unters Volk bringen. Jemanden zum Umdenken zu bringen, bedarf keines anderen Etiketts – und letztlich labeln unsere tollen linken Meinungsnazis genauso, wie jeder andere auch – sondern einer vernünftigen Argumentation und des Aufzeigens gangbarer Alternativen zum Status Quo.

Und was machen unsere wackeren Oberdemokraten, während sie häkelnd beim veganen Buffet im Debattierclub sitzen, um die Welt zu verbessern? Im Schnitt so gut wie Nix! Denn tatsächlich sind die lautesten Krakeeler, diese Verfechter einer vollkommen unrealistischen Idee von der Beschaffenheit des Menschen und der Gesellschaft so weit weg von den Orten, wo die Probleme sich jeden Tag ihre Ventile in Frust, Aggression, Sucht, Gewalt und Depression suchen, dass sie jene in unserer Gesellschaft, die Segregation tatsächlich betrifft nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Die sind in ihrer bürgerlichen Existenz dem Kiez etwa so nahe, wie meine kleine Tochter dem obersten Regalbrett. Nur dass sie oben stehen.

Würde jeder, der so von oben betrachtet total gut weiß, wie man das alles besser machen kann mal von seinem hohen Ross herunter kommen und sich mit seiner Energie effektiv nützlich machen, kämen wir vielleicht mal voran mit brennend wichtigen Themen, wie sozialer Gerechtigkeit, demographischem Wandel, Integration und Teilhabe. Im Moment betreiben diese so genannten linken Intellektuellen aber nur eine Meinungsdiktatur, mit dem Primat der Nazi-Keule. Und ich dachte noch, wir wollten in Deutschland keine Diktatur mehr haben…

Möchtegern-Intellektuelle nerven!

Eines voraus: Ich dachte, ich käme schneller zum Schreiben, aber „Depression is still in town!“. Doch zur Sache. Es ist mir mittlerweile manchmal beinahe mit körperlichen Schmerzen verbunden, die Nachrichten zu konsumieren. Nicht etwa, weil dort von so vielen Orten rings um den Globus und gelegentlich auch vor unserer Haustür berichtet wird, an denen auf die eine oder andere Art Schlimmes geschieht, sondern weil man noch nicht einmal selbst die sozialen Medien bereisen muss, um dennoch recht genau zu wissen, was kurz darauf dort passiert – Meinungsaustausch! Wenn man das denn so nennen mag…

Es wäre glatt gelogen zu behaupten, dass ich nicht irgendwann gelernt hätte, mich an meinem eigenen diesbezüglichen Entsetzen zu weiden; wir haben alle irgendwo tief im Innern eine masochistische Ader, wofür der Umstand ein guter Indikator sein mag, dass wir das Negative immer deutlicher, prägnanter, trennschärfer wahrnehmen, als das Positive. Dieser Bauplanfehler unserer Psyche war vor Urzeiten vermutlich nützlich, um uns vor Gefahren zu warnen, doch heute ist er ein lästiges, limbisches Überbleibsel, welches uns nur zu oft daran hindert, einfach mal etwas zu genießen. Dieser eingebaute Spielverderbermodus fährt immer dann den Kontrast hoch, wenn etwas Schlimmes, Bedrohliches, Widerwärtiges geschieht, damit die Erinnerung daran uns mahnt, solche Situationen zukünftig zu meiden. Die Nachrichten zu meiden ist allerdings die schlechtere Option, wenn man seine Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe wenigstens so rudimentär gewahrt sehen möchte, wie sie eben heute gerade noch sind.

Ist man dort, landet man aber ebenso unvermeidlich, wie einen die Bilder von Krieg, Tod, Not, Elend anziehen bei den Kommentarseiten. Und was findet man dort? Nun ja, Krieg, Tod, Not, Elend… nur eben als Auswüchse dessen, was nicht Wenige als ihre eigene Meinung missverstehen. Nur dass diese durch die Wahrnehmung schon lange von Anderen präformiert wurde. Unsere Linsen und Mikrofone werden von Jugend an geeicht; und zwar auf bestimmte Kanäle. Das ist Teil dessen, was man als Sozialisation bezeichnet. Um an dieser Stelle wirklich ehrlich zu sein: ein ziemlich uncharmanter Teil davon, denn die televerbalen Absonderungen so Manchen zum Kommentar Berufenen sind ein offenes Eingeständnis des eigenen Mangels an Bildung, Sachkenntnis und Sozialkompetenz. Wer darauf auch noch stolz ist, sollte eigentlich den ganzen Tag mit seiner eigenen Scheisse beworfen werden. Ob man das metaphorisch oder wörtlich nehmen möchte, bleibt jedem selbst überlassen.

Abseits derer, die sich schnell und offensichtlich des Trolltums entlarven, bleiben allerdings noch jene Mitmenschoiden, die tatsächlich über eine halbwegs polierte Sprache, wenigstens etwas Sachkenntnis und Argumentationsfähigkeit verfügen – und das auch gleich jeden wissen lassen. Intellektuelle Poser, oder besser gesagt Möchtegern-Intellektuelle haben einen besonderen Platz in meinem Herzen. Das ganze andere Foren- und Kommentatorengeschmeiss, das ca. 75% aller Posts produziert, amüsiert mich gelegentlich, meistens ist mir deren Geseiere aber einerlei. Aber der Comment-Narziss, der selbsternannte Thread-Meister, der Oberbesserwisser und Andereverbessernmüsser als identifizierbarer Archetyp – der hat sich meinen ehrlichen Hass erarbeitet! Menschen, die nichts Besseres zu tun haben, als sich zum Aufpolieren des Egos durch ihre – selbstgefühlt brillanten – Ergüsse mit aller Macht im mageren Licht der virtuellen Sonne erstrahlen lassen zu müssen, sind einfach nur armselig. Sie nerven, rauben Webspace und polarisieren jede Diskussion zu Tode; selbst, oder gerade dann, wenn sie vielleicht gut geworden wäre. Hierzu sage ich – wenn ihr schon unbedingt im Internet Ego-Gewichse anzetteln müsst, dann informiert euch wenigstens vorher richtig und liefert eine fundierte Show ab. So kann ich euch nicht ernst nehmen. Am schlimmsten sind diesbezüglich übrigens Meinungs-Dogmatiker. Und von denen sind die meisten linke Möchtegernintellektuelle, die glauben, sie hätten die politisch-moralische Deutungshoheit gepachtet. Diesen Pennern widme ich meinen nächsten Post, bis dahin … macht was ihr wollt, aber bitte wenigstens richtig!

Ich könnte platzen!

Ach was, lasst euch mal nicht von dieser Tagline erschrecken, tatsächlich bin ich im Moment derart am Boden, dass mir Platzen als viel zu anstrengend erscheint. Man könnte sagen, ich bin so weit davon entfernt, dass Zerfließen wahrscheinlicher ist; nicht nur wegen der schwülen Hitze. Meine Depression, mein psychovegetativer Erschöpfungszustand, oder wie auch immer man es nennen möchte, hat mich wieder eingeholt und lässt mir fast alles unendlich schwer erscheinen. Umso verwunderlicher ist es mir, dass mir Schreiben gerade in diesem Augenblick leicht fällt. Muss daran liegen, dass ich just jetzt nur schwafele…

Wer schon öfter hier reingelesen oder reingehört hat, wird wissen, dass es eine Menge Themen gibt, die mir am Herzen liegen. Eigentlich wollte ich dieser Tage was zum Thema Gaza-Krieg sagen; doch letztlich ist es ein Thema, zu dem schon so viele so viel Falsches von sich gegeben haben, dass ich mich nicht auch noch dazu gesellen möchte. Ich kenne zwar die Theorien und die Historie, aber ich bin kein Spezialist und selbst die wissen ja nicht, wohin der Zug fährt. Fest steht nur eines: so lange beide Seiten auf das kompromisslose Anerkennen ihrer jeweiligen Positionen pochen, wird es keinen Frieden geben. Und ein diesbezüglicher Wandel ist einfach nicht in Sicht. Viellicht nächste Woche, vielleicht nächstes Jahr…

Dann kam mir in den Sinn, dass ich was zum Patriotismus sagen könnte. Immerhin sind wir ja Weltmeister! Ja wer jetzt eigentlich? Nur die Spieler der Nationalelf? Auch ihre Trainer, Physiotherapeuten, Ernährungsspezialisten, Ärzte und was weiß ich nicht, was da noch so alles kreucht und fleucht? Frau Merkel und Herr Gauck – die waren ja immerhin in der Kabine. Alle Deutschen? Also ich nicht! Ich habe kein einziges Spiel gesehen, nicht gezittert, nicht gebangt, nicht gejubelt und auch keine Flaggen aufgehängt – und ganz sicher habe ich nicht mitgespielt. Bin ich jetzt deswegen kein Deutscher, oder zumindest kein Patriot? Was bedeutet Patriot sein überhaupt? Was mich betrifft, so bin ich stolz ein Deutscher zu sein; weil wir eine halbwegs gut funktionierende Demokratie haben, weil wir faire Gerichte haben, weil unsere Sozialsysteme fast jeden ohne Ansehen seiner Person auffangen können, weil in unserem Land eine Vielzahl von Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammen an Perspektiven für die Zukunft arbeiten und weil die allermeisten meiner Mitbürger das ganz bescheiden und unauffällig tun. Weil wir Werte wie Präzision, Zuverlässigkeit und Gründlichkeit exportieren, was die Welt mittelfristig sicherer werden lässt. Sicher gibt es viele Dinge, die in unserem Land nicht gut laufen, aber wir haben die Freiheit, sie zu benennen und etwas gegen die Missstände zu tun. Versucht das doch mal in Saudi-Arabien, auf Kuba, in China, oder ganz vielen anderen Orten der Welt, dann verschwindet ihr auf Nimmerwiedersehen in einem ganz, ganz dunklen Loch! Also bin ich Patriot – und das ganz ohne Fußball!

Ich weiß nicht ob ich das schon mal erwähnt habe, aber ich lese unter Anderem den Stern und ganz besonders mag ich die Kolumne von Meike Winnemuth. Ihr erfrischend unkomplizierter Blick auf unsere verschwitzt-komplizierte Welt ist für mich immer wieder ein Genuss. Zum einen trifft sie, zumindest meistens, den Nagel auf den Kopf und zum anderen ist sie dabei herrlich selbstironisch, Allürenfrei und überdies eine präzise Beobachterin. Diese Woche hatte sie es von der medial aufgepeitschten Dauererregung über wochenweise wechselnde Themen; Hauptsache Aufregergarantie! Und ich musste mich schon fragen, ob ich gelegentlich mit meinen eigenen Artikeln nicht auch solchen medialen Säuen hinterherrenne und viel zu viel Augenmerk auf Nichtigkeiten verschwende. Gelegentlich war dies der Fall und dafür an dieser Stelle ein mea maxima culpa! Denn eigentlich fühle ich mich zumeist der Sachlichkeit und der Sachrichtigkeit verpflichtet. Wer den Unterschied nicht kennt, möge ihn bitte googeln, ihr seid schließlich gerade online.

Was nun mein Platzen anbetrifft … das verschiebe ich noch ein wenig. Im Moment habe ich eher das Gefühl, dass es etwas nützt, wenn ich mich ganz auf mich selbst besinne und nur das tue, was mir Befriedigung verschafft. Wie zum Beispiel das Bloggen. Ein paar Themen habe ich ja jetzt abgehandelt, aber da ist noch so viel, was ich dieser Tage gehört und gesehen habe und was einer mehr oder weniger wortgewaltigen Würdigung harrt. Ich denke, man wird nicht allzu lange warten müssen, bis dahin ein schönes Restwochenende.

Ausbalanciert oder abgestürzt…?

Man spricht immer gerne von der Work-Life-Balance und diskutiert dabei oftmals vor allem Aspekte der zeitlichen und räumlichen Abtrennung von Freizeit und Arbeit. Es gibt wohlfeile Argumente dafür, Arbeits- und Lebensräume aber auch Arbeits- und Freizeit ineinander fließen zu lassen, mit dem Hinweis, dass diese Flexibilität dem Arbeitnehmer ja mehr Freiheiten als der klassische 9-5-Job am festen Schreibtisch ließe. Konträr dazu wird behauptet, dass die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit zu einer Mehrbelastung der Arbeitnehmer führe, weil sie freiwillig durch den empfundenen Konkurrenzdruck der Leistungsgesellschaft einfach immer noch ein bisschen mehr Zeit für die Arbeit investieren würden. Wenn man sich nur genug bemüht, kann man für beide Standpunkte genug Argumente finden.

Ich persönlich finde das Versprechen von mehr Flexibilität am Arbeitsplatz, von free collaborative Workspaces, von veränderten Arbeitsraumwelten etc. ganz interessant, bin allerdings in der – in diesem Fall zunächst dankenswerten – Position, keine Arbeit mit nach Hause nehmen zu können. Den Patienten vom Rettungswagen in unsere Wohnung zu schleifen, um noch ein bisschen weiter zu reanimieren, erscheint mir einfach nicht sonderlich zweckmäßig. Was jedoch die Möglichkeit angeht, die Aufteilung seiner Arbeitszeit und auch den Arbeitsort besser an seine persönlichen Lebensbedürfnisse anpassen zu können, schaue ich natürlich dumm aus der Wäsche, diese Chance ist mir nicht gegeben. Ganz ohne Ironie fasziniert mich der Gedanke ehrlich, meinen Arbeitsalltag so segmentieren zu können, dass ich Zeit für die Arbeit, die Familie und mich hätte, ohne dass ich meine Arbeitsvertraglichen Pflichten darob untererfüllte. Aber in meiner gegenwärtigen Position ist das eben kaum denkbar. Das gilt im Übrigen für einen großen Prozentsatz der Werktätigen. Produktionsstätten kann man nur mit einer gewissen Personaldisposition effektiv betreiben und nur Wenige möchten vermutlich mehrmals täglich ein- und wieder ausstechen, inklusive Umkleide- und Körperpflegezeiten brächte man nämlich im Mittel deutlich mehr Zeit bei der Arbeit zu.

Es drängt sich überdies die Frage auf, ob dies nicht doch der Versuch einer Arbeitszeiterhöhung oder Arbeitsverdichtung durch die Hintertür ist, wenn man bedenkt, dass die Sorge um einen drastischen sozialen Absturz im Fall des Verlustes der Arbeitsstelle seit 2005 deutlich gestiegen ist. Zu der Zeit sind die letzten Gesetze über neue Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, besser bekannt als Hartz-4 in Kraft getreten. Und komischer Weise ist die Zahl der Fehltage durch psychische Erkrankungen seitdem überproportional stark angestiegen. Natürlich kann man unterstellen, dass auch das Problembewusstsein bezüglich seelischer Leiden in der Breite der Gesellschaft in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist; gewiss sind unsere Arbeitgeber durch die sich beschleunigende Globalisierung so gut wie aller Märkte unter bisher nicht gekannten wirtschaftlichen Druck geraten, den sie naturgemäß an das schwächste Glied der Kette, nämlich den einfachen Angestellten durchreichen. Niemand wird sich gerne seine Rendite versauen lassen, schließlich arbeitet man in seinem eigenen Unternehmen ja wohl schon hart genug dafür. Dass die einzige echte Wertschöpfung dabei nur durch die Angestellten geschieht, wenngleich auch manche strategische Entscheidungen sicher schwer wiegen, wird dabei nur zu gerne unterschlagen.

Der erhöhte Druck durch die erheblich größere Zahl an Marktteilnehmern, sowie das gleichzeitige Wegfallen bislang zugegebenermaßen im internationalen Vergleich höchst komfortabler sozialer Kompensationsmechanismen bei Arbeitslosigkeit hat vor allem eines zur Folge: dass die Leute eine Scheissangst vor Arbeitslosigkeit haben. Und diese Angst wird von vielen Arbeitgebern schamlos instrumentalisiert, um den individuellen Workload bis zum Zusammenbrechen zu steigern. Da ist nix mehr balanciert, dass sprichwörtliche Kind ist schon lange abgestürzt; und zwar in den sprichwörtlichen Brunnen und strampelt dort mittlerweile nur noch schwach. Wie viel mehr Scheisse wollen wir uns eigentlich noch gefallen lassen, bevor wir endlich die Chipstüte und das Bier wegstellen, den Fernseher ausmachen und aufstehen; aufstehen und etwas für unsere Rechte tun. Egal, ob gerade irgendein sportliches Großereignis übertragen wird, oder eben nicht mehr. So viel Zeit und Energie, wie hierzulande darauf verschwendet wurde, jedes Tun oder Lassen von Jogis Jungs peinlichst zu sezieren, bevor sie’s dann doch endlich mal geschafft haben, den Pott heimzuholen, kann der Leidensdruck wohl aber noch nicht groß genug sein.

Ihr Gehirncouchpotatoes werdet’s vielleicht schon irgendwann merken, wie schlimm ihr wirklich verarscht worden seid. Dann wagt es aber ja nicht, euch auch noch zu beschweren, denn hinter anzukommen, wie die alte Fasnacht ist feige, dumm und dreist. Bis dahin auch weiterhin viel Spaß bei der selbstverschuldeten geistigen Umnachtung…

Wichtig, wichtiger… nö, NICHT die WM!

Ich habe keine Ahnung von Fußball. Echt jetzt! Und dieses Spiel interessiert mich noch nicht mal besonders. Ich kann das ganz gut kaschieren, weil ich mir ziemlich gut nutzlose Fakten merken kann und überdies über einen halbwegs funktionalen analytischen Verstand verfüge, der es mir erlaubt, auch Dinge zu beurteilen, die nicht unbedingt zu meinen Kernkompetenzen zählen; wie eben dieses komische Spiel, bei dem 22 Leute 90 Minuten einem Ball hinterher rennen und am Schluss… ach was soll ich hier jetzt Garry Linneker zitieren, das ändert ja auch nix daran, dass mir dieser ganze Wahn mittlerweile ziemlich auf den Sack geht.

Es ist für mich eigentlich kaum ein Problem, wenn die Menschen in meiner Nachbarschaft sich abends hinsetzen und zusammen Fußball kucken, dabei Bier (oder auch Anderes) saufen und über Dinge fachsimpeln, von denen ich zwar irgendwie schon mal gehört habe, die ich aber nicht beschreiben könnte; wenn sie sich zusammenrotten und Fahnen schwenkend und mittels ihrer Hupe Ohren malträtierend durch die Stadt korsieren, um ihrer Freude Ausdruck zu verschaffen, dass das jeweils favorisierte Team gewonnen hat. Oder wenn sie ungläubig den Kopf darüber schütteln, dass ich mir selbst WM-Spiele nicht anschaue und es mir tatsächlich bumms ist, ob Deutschland nun Weltmeister geworden ist. Selbst wenn ich dafür angepflaumt werde, dass man doch ein bisschen Nationalstolz haben muss – den ich, nur mal so am Rande für eines der absolut unnötigsten Gefühle auf dem Erdenrund halte, weil ich diese Nationalstaaterei so absurd finde – bleibe ich ruhig, lächle, dulde und lache innerlich dreckig, weil mir die Armseligkeit, mein Selbstwertgefühl aus der sportlichen Leistung anderer ziehen zu müssen so fremd ist. Oh, Pardon, habe ich jetzt vielleicht doch ein paar Gefühle verletzt? Tja, DAS ist mir leider auch bumms…

Egal, wie die Spiele auch ausgegangen sein mögen, ich werde das Gefühl nicht los, das selbst gute Journalisten manchmal ihre Objektivität und Unparteilichkeit verlieren, wenn sie sich zum Beispiel entblöden, wie im „Stern“ gerade geschehen, ein Loblied auf die Völkerverständigung zu singen, welche die WM doch geschaffen hat. Nur dass diese ganzen anderen Völker in wenigen Tagen wieder weg sind, bestenfalls die allerwenigsten von ihnen jemals wiederkehren werden und die paar Milliärdchen, welche die Sportstätten nebst zugehöriger Infrastruktur verschlungen haben in naher Zukunft vor sich hin gammeln werden, wenn nicht gerade die erste Liga Brasiliens drin spielt. Man kann in einem Fußballstadion nur leider nicht wohnen, es erzeugt keine Energie, sondern verbraucht welche und es zum Gemeindezentrum, oder zu einer Produktionsstätte umzuwidmen, wird wohl etwas komplizierter. Oh sicher hat sich jemand über die sogenannte Folgenutzung Gedanken gemacht, nur ob dabei Nachhaltigkeit, oder die Verantwortung gegenüber den Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung irgendeine Rolle gespielt haben, lässt sich nur noch sehr schwer sagen. Mit Sicherheit war allerdings von Gewicht, was dieser eingetragene Verein, der sich gerne aufführt wie ein Staatsorgan zu sagen hatte. Denn die Jungs von der FIFA sind ja nicht nur bezüglich des Balls immer an Bewegung interessiert; auch beim Geld sagt man da nicht unbedingt nein.

Unsere Elf hat den Weltmeistertitel geholt, schöne Sache das; und jetzt? Tja, jetzt geht es auf beiden Seiten des Atlantiks weiter wie gewohnt: es wird robotet für oft zu schmales Geld, die Interessen und verbrieft geglaubten Rechte der Bürger sind bumms, so lange die Industriekapitäne ihren Reibach machen können, die NSA hört ab, bis die Server glühen und viel zu viele kucken immer noch matt auf die Scheibe, während das Freihandelsabkommen TTIP immer düsterer unsere Existenzgrundlagen bedroht. Chlorhühnchen sind da das geringste Problem. Aber feiert ruhig noch ein paar Monate weiter Weltmeister, unsere Staaten- und Wirtschaftslenker werden das Kind schon verschaukeln…

Muss man wirklich erwachsen werden?

Es gibt so einen Spruch, den ich auch selbst manchmal zum Besten gebe, dass nämlich Jungs nur Sieben werden und danach lediglich in der Länge wachsen; und auch etwas in der Breite, aber das ist ein ganz anderes Thema. Was damit gesagt werden soll, erscheint klar: nämlich das auch erwachsene Männer so eine Tendenz haben, sich kindisch zu benehmen. Ob das jetzt irgendwelche Begrüßungsrituale sind („Ey Jigsaw, alles senkrecht?“), dass ALLE Männer grundsätzlich neue Spielzeuge in Betrieb nehmen, ohne die Bedienungsanleitung zu lesen („Brauch isch ned!“) – was im Übrigen nicht ganz wahr ist – oder die mangelnde Fähigkeit zur Selbsteinschätzung, egal ob beim Autofahren, beim Flirten, beim Saufen, oder bei allem zusammen, wir Männer haben irgendwie schon die Tendenz, uns bei den verschiedensten Dingen ein wenig blöder anzustellen, als unser kalendarisches Alter es vermuten lassen würde. Und ich bin da beileibe keine Ausnahme.

Was die eine Frage aufwirft, die in diesem Zusammenhang wirklich wichtig ist: muss man unbedingt vollkommen erwachsen werden? Oder ist es nicht viel schöner, das Spielerische fortbestehen zu lassen und dem Kind im Manne hier und da Auslauf zu gewähren? Ich weiß, da gibt es immer wieder ein Zuviel, aber letzten Endes will keine Frau, die ich kenne ( und übrigens auch kein homosexueller Mann) einen Dauererwachsenen zum Partner; die neigen nämlich zu Kleinkariertheit, Spießigkeit, einem übergebühr stark ausgeprägten Vermeiden jeglichen Risikos – was zwangsläufig zu Langeweile führt – und sind alles in allem wenig spaßige Zeitgenossen. Merkt man eigentlich gerade, dass ich Menschen mit zu wenig Kind im Geiste nicht besonders leiden kann…?

Natürlich sollte jeder Mensch die grundlegenden Kulturtechniken erlernen dürfen, das Miteinander und die Teilhabe in einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft beigebracht bekommen und durch eine Ausbildung dazu befähigt werden, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. All die Dinge eben, die das Leben als Erwachsener aus Sicht der Allgemeinheit – falls es so was überhaupt gibt – halt ausmachen. Im gleichen Zuge sollte man allerdings auch darüber aufgeklärt werden, dass man sich selbst nicht so wichtig, dafür aber durchaus auch mal mit Lust auf die Schippe nehmen sollte. „Erwachsen“ ist für mich ein so ambivalenter Begriff. Einerseits kenne und nutze ich die Möglichkeiten, die mir als halbwegs autonomem Individuum offen stehen, da ich vor dem Gesetz seit Erleben der Volljährigkeit gewisse Rechte genieße. Andererseits wünschte ich mir manchmal die Freiheit, meinen Spieltrieb so ursprünglich und ungebremst ausleben zu dürfen, wie ich das als Kind konnte.

Irgendwie ist es wohl eine Einstellungssache, sich das Kind im Manne zu bewahren, denn ich selbst empfinde es als Bereicherung meiner Persönlichkeit, nicht als Mangel, meinem Spieltrieb, einer gewissen naiven Neugierde und dem Drang, alles nicht so ernst zu nehmen einfach nachzugeben und fröhlich auf die Konventionen des voran schreitenden Alters zu scheißen. Auch wenn das vielleicht nicht immer bei allen gut ankommt, die das mitbekommen. Immerhin bin ich erwachsen genug geworden, zu wissen, wann und wo man sich auch mal gehen lassen kann, ohne dass es gleich harsche Konsequenzen hätte. Ich würde mir da aber noch mehr Freiräume wünschen. Ernsthaftigkeit um der Ernsthaftigkeit Willen ist nämlich keine Tugend, sondern Diktatur gegenüber dem freien Geist.

Ich werde übrigens morgen 40 – fühlt sich irgendwie noch gar nicht so erwachsen an!

Veränderung ist gut für uns, oh yeah, schubidubi…

Sorry für die Gesangseinlage, aber ich konnte einmal mehr nicht an mich halten. Aber nun zur Sache: Veränderung? Was ist denn das wieder für ein Thema, ist ja ein viel zu groß gefasster Bereich, es bedeutet für jeden etwas Anderes, jeder geht damit individuell um und überhaupt muss man doch gar nicht darüber reden, weil sie halt einfach passiert, die Veränderung. So, oder so ähnlich höre ich gerade verschiedene Gedanken dazu in meinem Hinterkopf anbranden und wenn ich ehrlich bin, habe ich mir zumindest in letzter Zeit bis zu einem Vortrag, den ich zu einem speziellen Aspekt des Themas hören durfte eher wenige Gedanken dazu gemacht. Was daran liegen könnte, dass ich mich persönlich in kurz und mittelfristigen Veränderungsprozessen befinde und mich diesbezüglich eher als Gestalter, denn als Erdulder derselben sehe. Ich tue nämlich viel dazu, dass sich manche Dinge ändern.

Aber die dort umrissene Denkart war für mich eine erhellende Reise in mein eigenes Denken, dass ich wohl doch nicht so gut kenne, wie ich meist meine. Es ging bzw. geht speziell um Veränderungsprozesse in der Arbeitsumwelt und wie Menschen diese erleben, bzw. was sie tun können, um die notwendigen Anpassungsleistungen zu stemmen. Heutzutage kann man für so was externe Beraterfirmen anheuern, die größere Umstrukturierungen in Unternehmen begleiten und sowohl für Gruppen als auch für Einzelpersonen aller Hierarchieebenen im betroffenen Betrieb Beratung anbieten. Nun ist Coaching eines der Modeunwörter des frühen 21. Jahrhunderts, weil anscheinend plötzlich jeder für alles einen Coach braucht. Tatsächlich ist es aber so, dass wir erst jetzt begreifen, was im Menschen drinnen bei bestimmten äußerlich stattfindenden Prozessen alles geschieht und welche Auswirkungen dies auf die Betroffenen haben kann.

Nicht umsonst haben die Krankenkassen mit mildem Entsetzen festgestellt, dass die Zahl der psychisch bedingten Ausfalltage sich in den vergangenen Jahren verfünffacht hat und die direkten Folgekosten psychischer Erkrankungen mittlerweile ca. 16 Mrd. Euro per anno betragen; die Nettokosten verringerter Produktivität sind hierbei noch nicht berücksichtigt und die Tendenz ist nach wie vor steigend. Das hängt zum einen mit der Arbeitsverdichtung zusammen – obwohl die Arbeitgeber dies natürlich vehement bestreiten – aber genau so auch mit der spürbaren Beschleunigung unterschiedlichster gesellschaftlicher Prozesse, bis hin zu dem Grad, da man den Überblick verliert und sich ein Gefühl allumfassender Ohnmacht einstellt. Was noch vor kurzem als Gewissheit galt, ist plötzlich in Frage gestellt, oder ad absurdum geführt. Zum Beispiel der Frieden in Europa, bzw. an seiner Ostgrenze.

Die Angst vor dem Unbekannten ist ein Gespenst, dass uns Menschen im Großen wie auch im Kleinen umtreibt und so ist es auch wenig verwunderlich, wenn speziell Veränderungen am Arbeitsplatz zunächst als Bedrohung der Nische aufgefasst werden, in welcher man sich so gemütlich eingerichtet hat. So versuchte auch der Vortrag anhand eines Modells zu verdeutlichen, was in uns in solchen Fällen abläuft, wobei das Bild zyklisch angelegt ist, man also irgendwann nach Widerstand und Verwirrung wieder an einem Punkt angelangt, wo alles – mehr oder weniger – gut ist. Zumindest die Meisten. Wie bei allen sozialwissenschaftlichen Modellen gilt die Einschränkung, dass es nicht auf jeden Fall gleich gut oder überhaupt anwendbar ist, aber wir Menschen sind halt nicht alle gleich, gell. Im Grundsatz ist das Gesagte nicht verkehrt, aber es begreift Mitarbeiter in einem Unternehmen in der Breite als passive Erdulder, als gegen ihren Willen dem Veränderungsprozess Unterworfene und vergisst dabei den Umstand, dass die Mitarbeiter durchaus eigene Gestaltungsmacht für sich reklamieren könnten.

Zweifelsfrei ist es die Kommunikationskultur eines Unternehmens (zuallererst das Vorhandensein einer solchen – die Untergebenen ankacken können zählt nicht), die bestimmt, ob der Input der wertvollsten Ressource, über die ein Unternehmen, speziell im Gesundheitswesen verfügt, nämlich seiner Mitarbeiter angenommen und nutzbar gemacht wird; oder ob er, wie ich schon zu oft erleben musste als insignifikant abgetan wird, bis die Frustration des Personals so groß wird, dass jene, die noch halbwegs veränderungsfähig und -willig sind anfangen, davon zu laufen.

Nun ist man anscheinend zu dem Schluss gelangt, dass kommende Veränderungen während der Umsetzung vielleicht der einen oder anderen Unterstützung für das Personal bedürfen. Was für mich die Frage aufwirft, warum man sich nicht endlich entschließt, an sich selbst und seiner Kommunikationskultur zu arbeiten? Mit Sicherheit bin ich nicht der Einzige bei meinem Arbeitgeber und mit Sicherheit ist es auch nicht der einzige Arbeitgeber, bei dem sich die Frage stellen sollte, warum man immer nur Probleme managed, anstatt Lösungen zu erarbeiten.

Andererseits sehe ich aber durchaus auch das Beharren nicht weniger Kollegoiden auf den althergebrachten Verfahrensweisen und Strukturen, weshalb ich dem Bemühen meines Arbeitgebers trotzdem gewisse Sympathie entgegenbringe. Vielleicht ist es zur Abwechslung mal möglich, auch ein paar klassische Innovations-Totalverweigerer auf den Weg mitzunehmen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Vielleicht erwarte ich aber von meinen Mitmenschen manchmal auch einfach zu viel. Nachdenken, bevor man redet oder etwas tut zum Beispiel. Wie auch immer es ausgehen mag, Veränderungsprozesse sind für mich immer etwas Spannendes, an dem ich gerne mitarbeiten möchte, egal ob im Großen oder im Kleinen. Ich würde mich freuen, wenn das auch ein paar Andere mal so zu sehen beginnen würden; denn nur wer mitgearbeitet hat, darf sich hinterher auch über die Ergebnisse auslassen. In diesem Sinne noch einen schönen Tag voller Veränderung.

Idole gesucht?

Die lateinischen Begriffe imago [für Bild] und imitatio [für Nachahmung] sind einander nicht von ungefähr ähnlich. Wir machen uns ein Bild davon, wie etwas aussieht und versuchen dann, diesem Bild nahe zu kommen, etwa bei Modetrends. Ich habe neulich in irgendeiner Zeitschrift einen Kurzartikel über eine Frau gesehen, die die feinen Abendroben bekannter Hollywoodstars als Papiermodelle für ihre kleine Tochter nachschneidert. Für sich betrachtet ein eher harmloses Hobby, wenngleich die dahinter stehende Psychologie – nämlich aus dem eigenen Kind einen Star machen zu wollen – zumindest aus meiner Sicht ein wenig bedenklich ist. Nicht selten nimmt derlei Verhalten irgendwann pathologische Züge an.

Was bei der Mode dem Drang entspringt, etwas vom Glamour und der (vermuteten) Weltläufigkeit großer Stars an sich sehen zu wollen, also ein Imitationsverhalten, welches die zunächst rein äußerlichen Attribute Anderer kopiert, um sich selbst mehr Ansehen zu geben, mutiert nicht selten zu einem wesentlich weiter gehenden Vorgang, in dem auch andere (wiederum nur vermutete) Qualitäten kopiert werden. Eventuell bis zu dem Grade, da man selbst nur noch ein Abziehbild des jeweiligen Vorbildes ist. Wie schon anfangs erwähnt reden wir hier jedoch von einer Imitation äußerer Attribute; egal, ob es sich dabei um den Kleidungsstil, den Habitus, den Gestus, die Mimik oder den sprachlichen Duktus handelt. Einem Fachmann mögen solche Dinge Aufschluss über die Verfasstheit der Persönlichkeit hinter dem Bild geben, doch auch die Psychologie vermag das tatsächliche Selbst eines Individuums nicht abzubilden. Also bleibt jedwede Imitation oberflächlich.

Auch dieses dem Trend Hinterhergerenne ist per se nichts Schlimmes. Es wird erst dann problematisch, wenn nicht mehr, oder überhaupt nie zwischen den vermuteten, oder zugeschriebenen Qualitäten des Symbols – und nichts anderes ist ein Star heutzutage, denn er oder sie steht für etwas Bestimmtes, wobei dieses Bestimmte für jeden etwas Anderes sein kann – und den tatsächlichen Qualitäten des Individuums unterschieden wird. Ein Beispiel: Robert Downey Jr. kommt als Tony Stark wirklich gut rüber, wenngleich er allerdings in so gut wie jedem Film in der Hauptsache sich selbst spielt, was mir persönlich allerdings noch nicht langweilig geworden ist. Aber der Robert Downey Jr., den wir auf der Leinwand und in den Promi-News sehen, ist weitestgehend der, von dem er will, dass wir ihn sehen. Er ist ein Schauspieler, also spielt er uns was vor. Viele Leute sehen aber nur den coolen Stil und halten das für die Substanz von Robert Downey Jr., der in echt ein trockener Alkoholiker, cleaner Junky und was weiß der Teufel sonst noch alles ist. Ich finde dieses Bild nicht unsympathisch, aber ich habe keine Ahnung, wie viel Authentizität in diesem Image steckt – man sieht wieder, Image kommt von imago, wir reden also von Bildern mit Symbolcharakter.

Das eigentliche Problem ist, dass wir Images zu Idolen machen. Idolum aus dem lateinischen meint Abgott, also ein Götzenbild. Ich bin wahrlich nicht das, was man üblicherweise als guten Christen bezeichnen würde, aber wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, stand irgendwo im Buch der Bücher, dass man sich kein Bild von Gott machen soll. Die goldenen Kälber unseres Zeitalters sind nun ausgerechnet Jene, die es häufig genug in die Klatschspalten schaffen und das meistens mit Verhalten, das wir mal mit etwas Wohlwollen als nur mäßig gottgefällig bezeichnen wollen. Es liegt schon eine gewisse Ironie darin, dass wir Menschen vergöttern, denen eher das Menschliche denn das Göttliche nicht fremd ist.

Doch wenn die Idole von heute als Vorbilder eigentlich nicht taugen, weil sie einerseits nur Spiegel für das sind, was wir in ihnen und gleichsam an uns sehen wollen und andererseits ihr Tun in keinster Weise zum Ideal genügt, was wollen wir stattdessen verehren? Ich würde sagen, der Fehler liegt allein schon in dem Trugschluss, dass man etwas, bzw. jemand verehren muss, um jemand bzw. etwas sein zu können. Wenn es etwas gibt, worüber bei halbwegs vernünftigen Leuten Konsens herrscht, dann wohl, dass unsere Art, die Dinge zu tun sich überlebt hat und das wir dringend etwas ändern müssen, und zwar an so ziemlich allem. Hierbei positives Beispiel zu sein, dazu taugt so gut wie keines unserer heutigen Idole, womit wir – einmal mehr – bei einer alten Weisheit von Mahatma Ghandi wären: Sei du selbst der Wandel, den du in der Welt sehen willst. Und dafür braucht man Wissen, Ideen und Mut – aber definitiv keine Yellow Press Berühmtheiten. Aber das Denken fällt umso schwerer, je mehr man die, von bunten Bildchen überladenen Klatschmagazine inhaliert. Und Tschüss für heute.