Zufriedenheit N°2 – extrinsisch oder intrinsisch?

Ich traue mich ja kaum, das öffentlich zu sagen, aber irgendwie fühle ich mich durch den neuerlichen Teil-Shutdown kaum beeinflusst. Ich nehme es zur Kenntnis. Meine besseren 75% sorgen sich bereits wegen der Implikationen betreffs des Endes der Herbstferien in wenigen Tagen. Ich kann dazu nur sagen: ich habe keine Ferien. Der fette Hamster trabt im Moment immer weiter munter in seinem Laufrad und betet jeden Abend, dass er nicht sowas wie Husten oder Schnupfen bekommt, denn dann ist der Ofen aus. Und nicht nur für ihn. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Post…

Ne, ne, die Verschärfung der Maßnahmen war zu erwarten, fällt aus meiner Sicht fast noch zu moderat aus und betrifft – aus gutem Grund, denn wir sind tatsächlich systemrelevant – meine Institution bislang in keinster Weise. Läuft also bei mir. Was allerdings immer noch nicht so recht laufen will, ist das gute Gefühl, dass all die Erfolge im Moment eigentlich in mir erzeugen sollten. Das bleibt immer noch aus. Und das liegt nicht etwas daran, dass ich nicht eine tolle Klasse, Spaß an der Arbeit, gutes Equipment und Freiraum für meine Ideen hätte; sondern vielmehr an meiner verfi****n Gehirnchemie. Aber – Schwamm drüber.

Denn wahrhaft unzufrieden, unglücklich oder gar depressiv bin ich im Moment wirklich nicht. Es ist eher so eine Form von gespannter Erwartung, was wohl als nächstes schief oder gar vollkommen in die Binsen geht. Denn irgendwie rechne ich stets damit. Ich meine – kleine Katastrophen passieren und garnieren dabei unseren Alltag auf die eine oder andere Weise. Ein vollkommen reibungsloses, quasi gestreamlinetes Leben wäre ja irgendwie auch erschreckend langweilig. Stellt euch mal Supermarktregale vor, in denen es keine Auswahl gibt. Ist schon so, dass wir heute eher ein Übermaß an Angebot haben; aber nur noch eine einzige Sorte wählen zu können wäre schon etwas einschränkend, oder?

Ich stecke also mal wieder mittendrin (in meinem Job), ohne emotional wirklich immer dabei zu sein und funktioniere dennoch richtig gut, beinahe erschreckend effektiv. Effizient bin ich allerdings nicht, denn ich wende mal wieder zu viel Energie auf, um das erwartete Ergebnis abliefern zu können. Ich bin also im Moment vollkommen extrinsisch orientiert, denn mein derzeit gesetzter Gradmesser ist die Zielerfüllung für Andere. Meine eigenen Bedürfnisse jedoch habe ich im Moment einmal mehr hintan gestellt. Das ist nicht mal bewusst geschehen, sondern weil meine – über Jahrzehnte gewachsenen – sozialen und beruflichen Reflexe mich einmal mehr in alte Bahnen gezwungen haben. Und wenn ich nur diesen Teil meiner Existenz betrachtete, wär’s OK!

Doch ich bin nicht nur Lehrer und Schulleiter. Ich bin auch einfach nur ein Mensch. Und wenn ich es recht bedenke: irgendwie trauere ich immer noch meinem Sommerurlaub nach, der einfach nicht annähernd so befriedigend war wie sonst. Ich bin anscheinend in den letzten Jahren zu einer Hure der toskanischen Sonne geworden. Und kann darob absolut kein Schuldgefühl entwickeln. Stattdessen sorge ich mich darum, dass es meiner ersten NotSan-Klasse gut geht. Ob die wohl irgendwann verstehen, wie viel Kraft dieser Start gekostet hat; und wie mau der Return of Investment für mich bisher ausfällt. Ich werde es denen bestimmt nicht auf’s Brot schmieren, denn die haben andere Sorgen. Aber eines kann ich sagen: meine persönliche Zufriedenheit – also, speziell der intrinsische Teil – war schon mal besser aufgestellt.

Was bliebe also zu tun? Ganz ehrlich: ich weiß es nicht! Ich ahne jedoch, dass ich meiner intrinsischen Zufriedenheit – also jenen Teil meines Selbst, der mir eigentlich meine Kraft verschafft und mich als Mensch am Laufen halten sollte – wieder viel mehr Zeit und Aufmerksamkeit widmen sollte! Das ist aber leichter gesagt, als getan. Und mit der Feststellung stehe ich ganz gewiss nicht alleine da. Aber, so wie mein Herz mit mir spricht, braucht es das jetzt und es wird kein Weg dran vorbei führen. Ich bin gespannt, wie, bzw. ob ich das alles unter einen Hut bekomme. ihr werdet es vielleicht mitbekommen. Einstweilen alles Gute. Wir hören uns…

Zufriedenheit – gibt’s die überhaupt (tatsächlich N°1)?

Sprache ist ein Instrument, dessen Klaviatur wahrhaft beherrschen zu lernen vor allem der Übung bedarf. Eine der – für mich selbst – befriedigendsten Erfahrungen ist, mit Sprache zu arbeiten, sie zu formen, ihr neue Klänge zu entlocken und sie zu nutzen, um meine Ideen, Ideale, Irrtümer und Irrwitze transportieren zu können. Andernfalls wären diese ja wertlos, weil niemals von jemand anders wahrgenommen. Der Mensch realisiert sich zumeist im Sozialen. Es gibt zwar auch diese Eremiten-Typen, die sich selbst genug sind; und ich werde nicht leugnen, dass ich ab und an auch solche Anwandlungen habe, von meiner Umwelt, wenn irgend möglich, mehr Distanz einzufordern. Aber in Summe brauche ich, so wie jeder andere auch, meine Bindungen.

Einen Ort bestimmen zu können, braucht immer ein Koordinatensystem. So, wie das GPS mich auf Reisen von A nach B lotst – und mir unterwegs manchmal auch den sehenswerten Ort B‘ zeigt – so braucht auch unsere Seele ein GPS, um nicht im Orkus der Wortlosigkeit, im Nirvana der Sinnleere oder dem Fegefeuer der Sehnsucht verloren zu gehen. Und dieses MPS (Mind Positioning System) besteht üblicherweise aus dem Netzwerk unserer Beziehungen. Selbst die vorgenannten Eremiten haben wohl welche. Nur wahrscheinlich viel weniger davon, als wir Stadtmenschen. Vielleicht erleben sie dafür Begegnungen, denen wir kaum Bedeutung beimessen würden, weil diese eher beiläufig passieren, wesentlich intensiver. Ob sie dabei auch solche Zufriedenheit erfahren, wie z. B. ich selbst beim Geschichtenerzählen, muss hier Anlass zur Spekulation bleiben.

Ich schrieb vor ein paar Tagen von Zufriedenheit als Prozess. Und es ist vielleicht angebracht, hier klarzustellen was ich meinte: Es gibt eine Triebfeder der Motivation, die uns dazu bringt, nur selten ruhig sitzen zu bleiben, weil da so ein unbestimmtes Gefühl in uns ist; uns fehlt immerzu irgendetwas. Manche bleiben dann einfach unzufrieden und nehmen es passiv duldend zu Kenntnis, dass es einer gewissen Anstrengung bedürfte, um diese Unzufriedenheit ausgleichen zu können – passiv duldend, weil sie nicht bereit, oder nicht fähig sind, diesen Extrakilometer zu gehen. Andere jedoch fangen auf Grund dieses subjektiven Mangels an, zu streben: nach mehr Liebe, mehr Anerkennung, mehr Geld, mehr Macht, mehr wasauchimmer… Dieses Streben setzt Energien frei, die einen früher oder später zumindest zu Etappensiegen befähigen; ein Mangel wird dabei ausgeglichen.

Aber… Moment mal… das da drüben sieht doch noch viel besser aus, als das, was ich eben errungen habe. Die sprichwörtlichen Kirschen in Nachbars Garten scheinen uns immer zum Greifen nah. Doch haben wir sie gepflückt, lockt schon der nächste Garten, mit noch vielversprechenderen Früchten als jener, in dem wir gerade stehen. Und so mutiert die eben erreichte Zufriedenheit immer wieder zu einer höheren Stufe von Unzufriedenheit. Und denen, die meine Beschreibung dieses Strebens jetzt als Sinnbild für das Anhäufen von materialistischen Quatsch abtun, was ihnen ja nicht passieren kann, weil sie ja alle so aufgeklärt sind, sei folgendes gesagt: diese Streben kann auf alles Mögliche gerichtet sein: körperliche Fitness ebenso wie akademische/berufliche Meriten oder Anerkennung für soziales Engagement. Dinge, nach denen man streben kann, gibt’s wie Sand am Meer. Und viele Kategorien kennen qualitative Steigerungen. Man denke an Sport; oder Autos…

Das bis hierhin Gesagte klingt vielleicht ein wenig resigniert, weil man es so interpretieren könnte, dass alles Streben nie zu wahrer Zufriedenheit führen kann und deshalb nutz- und wertlos ist.. Oder arrogant, weil man ja auch meinen könnte, ich würde diesen Marathon der Unzufriedenheit sardonisch lächelnd aus der Zen-Meister-Position beobachten. Aber vielleicht ist das alles auch nur eine ironische Volte, ohne Ziel und Sinn, um über euch lachen zu können, weil ihr den Gag nicht kapiert? Nun, zumindest eines kann ich versichern: als ich das letzte Mal nach irgendeinem Blödsinn, den meine Kinder getrieben hatten meinen Puls gemessen habe, war da gar nichts Zen-Meister-entspanntes dran… GAR NIX! Ich glaube halt, dass man sich damit schon arrangieren kann. Aber das dazu notwendige Reframing kostet Zeit und Kraft. Denn ich muss erst dahinter steigen, was mich selbst motiviert – und wie ich meine Erfolge festhalten kann. Das ist allerdings ein schmerzhafter Prozess.

Ich lerne gerne. Das ist so eine Eigenschaft, die ich irgendwann an mir bemerkt habe. Ich mag nicht blöd sterben. Ich will mich lieber meines Intellektes bedienen. So ganz Kant-Like Aufklärung erfahren (ne, nicht mehr DARÜBER, da weiß ich schon halbwegs Bescheid, danke der Nachfrage…). Früher dachte ich immer, dass es mir um meinen Wert auf dem Arbeitsmarkt geht. Das ist nämlich so eine beliebte Begründung, sich noch mal in die Knochenmühle des Hochschulstudiums zu werfen. Mittlerweile denke ich jedoch, dass es bei mir eher daran liegt, dass ich verdammt noch mal verstehen will, wie manche Dinge funktionieren. Und weil ich mit Maschinen nicht so super kann, wie ich als Jugendlicher mal dachte, versuche ich das halt mit Menschen und ihrem Bemühen zu lernen. Eigentlich ist das sogar eine Metareflexive Position, denn ich lerne über das Lernen um des Lehrens Willen – und erfahre dabei viel über mich selbst. Und ob ihr das nun glaubt oder nicht – das macht mich zufrieden.

Auch diese Zufriedenheit hält nicht ewig (ich verweise auf meine Dämonen) . Und manchmal muss ich erst von jemand anders daran erinnert werden, wie verdammt zufrieden ich eigentlich sein dürfte. Was mich allerdings zu dem Dilemma bringt, in der nächsten Meditation über das Thema bedenken zu müssen, ob Zufriedenheit extern erzeugt werden kann, oder doch nur in mir drin erwächst. Bis dahin wünsche ich euch einen schönen Abend.

Meinungshoheit?

Es gibt da einen Begriff in den Geistes- und Sozialwissenschaften, der immer mal wieder an das öffentliche Bewusstsein dringt: „Deutungshoheit“. Diese zu besitzen bedeutet, dass der Inhaber sich sicher ist, über ein derzeit unhintergehbares und damit vorläufig sicheres Wissen über einen Sachverhalt zu verfügen. Diese, dem Falsifikationismus verpflichtete erkenntnistheoretische Position wird im öffentlichen Diskurs allerdings ganz oft mit der dogmatischen Position verwechselt, über eine unumstößliche Wahrheit zu verfügen, die alle anderen Mitdiskutierenden verdammt noch mal anerkennen müssen…

Wenn also Menschen im öffentlichen Diskurs Deutungshoheit für sich beanspruchen, ist der tatsächliche Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen üblicherweise umgekehrt proportional zur Lautstärke und Überzeugtheit, mit welcher diese vorgetragen werden. Kommt dann, wie z. B. bei Donald Trump noch eine ordentliche Portion Dunning-Kruger-Effekt hinzu, ist der „Dogmatidiot“ (die gesellschaftspolitische Oberkategorie des Covidioten) perfekt. Denn Meinungshoheit für sich zu reklamieren bedeutet eben nicht – nicht mal im Ansatz – Deutungshoheit zu besitzen. Meist ist eher das Gegenteil der Fall.

Eigentlich sind diese Zusammenhänge so einfach zu erkennen, dass ich mir nicht die Mühe machen müssen dürfte, sie noch mal zu erklären. Und doch… doch gibt es immer noch genug Menschoide, die Wissen und Glauben verwechseln. Da gibt’s zum Beispiel diesen evangelischen (eigentlich evangelikalen) Pastor in Bremen, der gegen Homosexuelle und die Ehe für alle hetzt, weil er sich durch seinen Glauben im Recht dazu sieht. Mit Verlaub: was für ein ekelhafter Kognitionsamateur teilt da nominell meinen Glauben? Ich bin auch protestantisch getauft und selbst, wenn ich mein Bekenntnis nicht durch regelmäßigen Kirchgang praktiziere und zur Institution Kirche ein eher ambivalentes Verhältnis pflege, kann und will ich den Ansatz der Bremer Landeskirche, einen Dialog mit solchen Renegaten pflegen zu wollen nicht verstehen. Und auch nicht tolerieren.

Ich will, dass man dieses unwürdige Geschöpf seiner Weihen beraubt und ihn in Schimpf und Schande fortjagt; und zwar dahin, wo er hingehört: in jene Ecke der Geächteten, wo sich Nazis, Chauvinisten und anderes Gelichter tummeln, dass in unserer Gesellschaft keine Stimme mehr haben darf – weil alles, was diese Stimme verbreitet, Hass, Zwietracht und Stigma ist! Wann verstehen wir endlich, dass man diesen Leuten die Stirn überall bieten muss – auch und gerade im Glauben. Denn die Evangelikalen sind ein Hort der Neurechten im Schoss von Mutter Kirche. Doch seit Jahr und Tag hält man dort die andere Wange hin, während diese Möchtegern-Christen immer wieder mit Wucht guten, liebenden Christenmenschen in die Fresse schlagen. Was für ein Mist!

Es mag in der Natur des christlichen Glaubens liegen, Nächstenliebe auch zu den Feinden bringen zu wollen. Doch in diesem Fall ist das eine Verschwendung humaner Ressourcen, die mich irritiert zurücklässt. Wie lange möchte man solche Umtriebe noch hinnehmen? Insbesondere in politisch bewegten Zeiten wie diesen? In dem Wissen um die Nähe der Evangelikalen zum Rechtsextremismus? Müssen erst irgendwelche Prediger offen zur Wahl von Demokratiefeinden aufrufen, bevor man sich hierzulande zu erkennen wagt, welche Gefahr sich da in manchem Gottesdienst zusammenbraut?

Ganz ehrlich – was ich glaube und warum, geht nur mich etwas an. Ein wenig Spiritualität braucht vermutlich jeder Mensch in seinem Leben. Aber dieses braune Sauce infiziert Menschen auf der Suche nach ebendieser Spiritualität mit vermeintlich gottgerechtem Hass auf alles, was die nicht verstehen (wollen)! Und solchem Treiben muss man einen Riegel vorschieben. Und wenn man dafür auch mal einen angeblich evangelischen Pastor von der Kanzel runter verhaften muss, dann ist das halt so! Fangt endlich damit an. Schöne Woche noch.

Zufriedenheit… wie geht das (wahrscheinlich N°0)?

Ich bin ( man darf einen Post im eigenen Blog, glaub ich, ich ruhig mal so egoistisch beginnen) objektiv betrachtet ein Lucky Guy: Tolle Frau, großartige Kinder, liebe Freunde, einen Job den ich gerne mache, keine existenziellen Sorgen – es gibt da draußen unheimlich viele Menschen, denen es bedeutend schlechter geht. Schaue ich gerade auf dieses Wochenende, war es bislang großartig. Ich konnte meinem Hobby N°1 frönen, wurde heute lecker bekocht und durfte im Garten Vitamin D tanken. Kein Stress, keine….

Tja. Und da waren sie wieder, meine entsetzlichen alten Freunde. Die Dämonen, die mich manchmal nachts um zwei aufwachen lassen, mein Inneres die hell erleuchtete Manege eines Gedanken-Zirkus, erfüllt von dieser Musik, welche die nächste Frage-Nummer ankündigt: Was, wenn ich nicht rechtzeitig liefere? Was, wenn ich nicht gut genug liefere? Was, wenn dies, das oder jenes nicht glatt läuft, ich nicht glänze, ich nicht gewinne, ich nicht….ach scheißegal was? Irgendwas wird schon schief gehen und ich werde wieder sagen – hab ich’s doch gewusst: bin doch zu nix nutze.

Das Innen und das Außen sind bei mir zwei unversöhnliche Kontrahenten. Ich weiß – rational betrachtet – was ich kann, was ich will und sogar ungefähr, wie ich dahin komme. Doch unser Leben besteht mitnichten nur aus Ratio. Und so ist das hier keine literarische Selbst-Sabotage oder gar Mitleidheischendes Männchen-Machen, sondern die schlichte Erkenntnis, das Zufriedenheit für jeden Menschen, egal ob Hedonist oder Asket immer nur ein Prozess ist und das Depressive es einfach nur noch ein kleines bisschen schwerer haben, als alle anderen, weil ihnen manchmal auch noch der Antrieb fehlt, das Gute, welches sie sich erarbeitet haben einfach auf der Bank des Lebens abzuheben; während das Schicksal schon wieder kalt lächelnd einen Wechsel zulasten meines Kontos einlöst.

Bitte, bitte… es ist eine alte Leier. Es macht keinen Spaß, das zugeben zu müssen, aber vermutlich werden mich solche Episoden für den Rest meines Daseins begleiten. Und wenn ich das hier so freimütig äußere, dann geht es mir weniger darum, was mit mir ist – ich kam klar, komme klar und werde auch fürderhin klarkommen, denn ich habe Kraftquellen. Aber, was ist mit denen, die nicht solche Kraftquellen haben, wie ich (siehe Absatz 1)? Wer fängt sie auf, trägt sie ein Stück des Weges, bis die eigenen Füße wieder wollen, sagt ihnen, dass sie genauso wertvoll und wichtig sind, wie jedes andere Individuum. Selbst Donald Trump erfüllt ja einen Zweck: als abschreckendes Beispiel und Figur, die zu hassen man einfach ohne Reue lieben kann. Aber ich wiederhole es noch mal: wer hilft denen, die sich jetzt nicht selbst helfen können?

Meine Einsatzerfahrung aus 26 Jahren Rettungsdienst und Rettungsleitstelle sagt mir nämlich, dass es da draußen eine Menge Menschen gibt, die genau jetzt genau die gleichen Probleme haben, im Gegensatz zu mir aber a) vielleicht kein Blog pflegen, b) sich nicht trauen, ihr Inneres nach Außen zu kehren, c) den Sinn nicht erkennen, sich zu öffnen, oder d) ihren eigenen Wert vergessen haben. Schaut bitte nach solchen Leuten und helft ihnen. Denn es entspricht wiederum meiner Erfahrung, dass solche Menschen gerade auf Grund ihrer über-agilen Empfindsamkeit wertvoll für die Gesellschaft sind. Und damit für uns alle. Sie sehen die Welt nur öfter wesentlich klarer als das was sie ist: streckenweise Scheiße…

Ich weiß nicht, wie oft ich schon mit Kollegen über die Frage diskutiert habe, was eine psychische Erkrankung bedeutet. Nicht wenige von Ihnen haben erst verstanden, was da wirklich passiert, als sie selbst damit konfrontiert waren. Psychisch krank bedeutet für viel zu viele Menschen da draußen nämlich immer noch: „behämmert“, „dumm“, „ne Pussy“, „lebensunfähig“, „Hypochonder“, „schwach“, etc. Keinen Dank dafür, denn nix davon trifft tatsächlich zu. Wen’s interessiert: unter dem ICD10-Schlüssel F32.1 findet man eine recht nüchterne Beschreibung. Ich will einfach nur, dass ihr eure Lauscher und Glotzen aufsperrt um auch mal andere Menschen WIRKLICH wahrzunehmen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und selbst, wenn ihr keinem depressiven Menschen helfen könnt – mit offenen Sinnen durch die Welt zu gehen, ist eine echt abgefahrene Sache. Probierts doch einfach mal. Schönen Sonntagnachmittag noch…

Will ich, was ich wollen soll?

Wenn man sich die gesellschaftlichen Prozesse der letzten Wochen und Monate anschaut, müsste man sich eigentlich fragen, wie es sein kann, dass verschiedenen Gruppen einander diametral gegenüberstehende Interessen mit solcher Vehemenz und solchem Dogmatismus durchzusetzen versuchen, dass Gewalt plötzlich so manchem eine geeignete Lösung zur Begrenzung von Pluralität scheint. Ob diese Begrenzung dann nur vorübergehend gelten soll, oder nicht – darüber schweigt man sich dann gerne aus. Falls jemand nicht versteht was ich meine – lest doch einfach mal Kommentarspalten unter x-beliebigen Artikeln zu x-beliebigen aktuellen Themen. Wie die Leute (vorgeblich zivilisierte und gebildete Menschen) da aufeinander losgehen, besorgt mich. In jedem Fall ist Hatespeech nun in aller Munde.

Ich rede ja nicht nur von den Protesten gegen die Maßnahmen, welche von den Behörden zur Begrenzung der Covid19-Pandemie ergriffen wurden. Tempolimit, BER, Teslas Gigafactory N°3 in Brandenburg, Fridays for Future… nirgendwo scheint man sich mal in der Mitte zur Verabredung eines einstweilen gangbaren Kompromisses treffen zu wollen. Selbst jene, die sich als Gutmenschen bezeichnen würden, schlagen mit verbalen Keulen um sich, die mich mit einem Kopfschütteln zurücklassen; was ist das überhaupt, ein Gutmensch? Haben die ein (Hof)Gut, schmecken die gegrillt lecker, können die alles gut, machen die alles gut, oder versuchen die einfach nur, ein bisschen gut zu sein? Ich kann mit der Zuschreibung wenig anfangen, obwohl ich schon so tituliert wurde.

Nun schwappt die heiße Wut der Diskutanten schon seit einer Weile durch alle Kanäle und scheint nicht an Intensität abnehmen zu wollen. Selbst über den Sommer, da man die Leute leichtfertigerweise hat reisen lassen, auf Teufel komm raus (und er kommt gerade wieder raus!), konnte nichts vor allem die Covid-Wütenden besänftigen. Im Gegenteil fantasierte man von einer neuen Verfassung – geschrieben von Wutbürgern. Noch so ein Terminus, der im Unklaren existiert. Kommt die Wut vom Bürger-Sein oder eher davon, dass man sich nicht als Bürger fühlt? Ist man dauernd wütend, oder hat man auch mal gute Laune? Oder hat sich jemand am Ende beim Anfangsbuchstaben vertan: Wut – Tut – Gut…?

Ich glaube ja, dass das was mit dem Unterschied zwischen schnellem und langsamem Denken zu tun hat (Danke noch mal an Daniel Kahneman). Die Weise, in der wir heute die Welt wahrnehmen, unterscheidet sich doch deutlich von der, welche die Generationen vor uns zur Verfügung hatten. Quasi ungefiltert (und unkuratiert) knallen 24/7 Informationen auf unsere Augen und Ohren. Eine unvorstellbare Überforderung, selbst für jemanden, der sich bewusst mit dem Bewerten und Kuratieren von Informationen befasst. Dieses mediale Dauerfeuer aktiviert zwangsläufig unser schnelles Denken – und damit das analytische Verkürzen, das Stereotypisieren, die emotionale Beurteilung von Sachverhalten. Denn eine rationale, reflektierte Beurteilung ist erst mit dem langsamen Denken möglich. Weil wir aber die digital fear of missing out haben, können wir uns diese Zeit jetzt nicht nehmen; wir könnten ja den nächsten heißen Scheiß verpassen…

Dieser Umstand lässt sich natürlich herrlich für die Manipulation von Menschen nutzen. Ein bisschen Re-Framing hier und etwas Propaganda dort und schon kommen Menschen wie du und ich zu solchen Aussagen: „Da sind keine Nazis da bei den Covid-Demonstranten, keine Reichsbürger, Esoteriker und Verschwörungs-Wahnhaften – das sind einfach nur besorgte Bürger, so wie ich…! SO WIE ICH! Wie könnt ihr Systemlügner es wagen, uns mit Nazis in einen Topf zu werfen…?“ Nun ja, vielleicht, weil ihr euch mit Ihnen gemein gemacht und euch somit selbst in diesen Topf geworfen habt…? Das ist ein Beispiel für ein gesellschaftliches Feld, auf dem diese Mechanismen gegenwärtig wirksam sind. Zugegeben das größte und gefährlichste, aber bei genauer Betrachtung finden wir ähnliche Verhaltensweisen überall.

Um den Mechanismus zu wissen, macht es kein Jota leichter, diese Menschen zu ertragen, die sich in irgendwelche Konstrukte verrennen, um all dem einen Sinn zu geben – denn da ist kein Sinn. Covid19 ist weder Gottes Strafe für unseren Hedonismus, noch ein Stein, den das Schicksal aus Boshaftigkeit in MEINEN Weg gelegt hat. Es passiert einfach, weil Natur passiert. Und wir Menschen – Karma sei Dank – noch sehr weit davon entfernt sind, uns die Erde wahrhaft untertan zu machen. Da gab’s mal diesen Witz: Treffen sich zwei Planeten. Sagt der Eine: „Du, ich hab Homo Sapiens!“. Darauf der Andere: „Mach dir nix draus. Das geht vorbei…“ Vielleicht wäre es ein Ansatz für etwas mehr Frieden auf unserer Welt, allen Menschen klar zu machen zu versuchen, dass das Leben einfach passiert und manche Dinge keinen Sinn ergeben, auch wenn wir partout danach suchen wollen. Denn Ungewissheit ist natürlich schmerzhaft für ein Wesen, das glaubt, Kontrolle über sich und sein Umfeld zu haben…

Ehrlich, ich habe schon eine Ahnung was ich eigentlich will – kurzfristig ist das auch einfach. Gesundheit für meine Lieben und mich. Ein Projekt zu einem guten Abschluss bringen. Ein schönes Wochenende mit Freunden, wenn es denn möglich ist. Weniger unüberlegtes, verbal-aggressives Zuspammen von Kommentarspalten So Sachen. Langfristig muss ich darüber allerdings noch mal nachdenken. Und dafür sollte ich mir Zeit nehmen. Denn sonst will ich vielleicht doch wieder nur, was Andere wollen, das ich wollen soll…

…just my five cents…

Ich habe eine neue Abkürzung gelernt: BIPoC. Und bin immer noch nicht am Ende mit meinen Gedanken dazu. Konkret: wenn wir Rassismus tatsächlich bekämpfen wollen, warum benutzen wir dann immer noch Label, um Personengruppen zu kennzeichnen? Wäre es nicht viel sinnvoller, die Label endlich ganz wegzulassen? Ich weiß, dass die Frage aus mehreren Gründen naiv ist, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass die ganzen Diskussionen zum Thema an den Menschen vorbei gehen, die es eigentlich betrifft. Oder noch etwas anders formuliert, beschäftigen wir Weißen, von denen, der gängigen Definition nach, der Rassismus ausgeht uns momentan fast ausschließlich mit uns selbst, anstatt auf jene zuzugehen, die darunter zu leiden haben. Seltsam.

Ich las heute morgen auf ZON ein Interview mit Susan Arndt, in welchem Sie beklagt, dass wir uns der Stigmatisierung von BIPoC durch unsere Sprache nicht bewusst wären (true!), bzw. uns weigern würden, das Problem anzuerkennen (bedenkenswert!). Dann spricht sie davon, dass Kant und Hegel auch rassistisch gewesen seien… und da bin ich ein Stück weit ausgestiegen. Unsere heutige – aus einer langen Erkenntnis-Geschichte erwachsene -Sicht der Dinge eins zu eins auf das Verständnis von Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts projizieren zu wollen ist – meinem innigen Wunsch nach der Gleichheit aller Menschen zum Trotze – Humbug! Natürlich waren Kant und Hegel Rassisten, weil so gut wie alle Weißen damals Rassisten waren – sie wollten es nicht besser wissen. Wenn allerdings irgend jemand dadurch deren philosophische Errungenschaften entwertet sieht, kann ich nur sagen: wie engstirnig! Denn die universale Anwendbarkeit der postulierten Prinzipien der Aufklärung ist längst erkannt. Wenn auch lange noch nicht umgesetzt…

Zweifelsfrei stigmatisiert der heutige Sprachgebrauch nach wie vor in unzulässigem Maße BIPoC. Allerdings stellt sich die Frage, ob hier nicht Wirkung und Ursache verwechselt werden? Denn die anhaltende Stigmatisierung der BIPoC entsteht nicht etwa durch den Missbrauch von Sprache, sondern der Missbrauch von Sprache ist eine mehr oder weniger direkte Folge des (auch deutschen) Kolonialismus, der BIPoC überall auf der Welt über Jahrhunderte zu Menschen zweiter Klasse erklärt und dementsprechend ausgebeutet hat und dies heute noch tut; denn wer glaubt, der Kolonialismus wäre zu Ende, sollte sich mal das Geschäftsgebaren global agierender Konzerne in Afrika ansehen. Auch der Kolonialismus wird im Artikel angesprochen, ebenso wie die absolut mangelhafte Aufarbeitung deutscher Verbrechen in Namibia (damals Deutsch-Südwest): nämlich den Genozid an den Herero und Nama. Hier besteht erheblicher Bedarf. Auch an einer vernünftigen Integration solcher Themen in den Geschichtsunterricht. Das wurde in meiner Schulzeit nicht mal im Nebensatz erwähnt, wohingegen die Kolonialverbrechen anderer Nationen durchaus unrühmliche Erwähnung fanden. Sowas nennt man selektive Wahrnehmungsgestaltung.

Es wäre hoch verkürzend, jetzt zu sagen, Frau Arndt hat Unrecht, weil sie Kant und Hegel herabwürdigt; ebenso, wie es Unsinn wäre, ihr uneingeschränkt zuzustimmen, weil wir Weißen tatsächlich bis zum heutigen Tage dazu neigen, Menschen die anders aussehen zu stigmatisieren, zu benachteiligen, ja sogar zu unterdrücken – und wir gehen dabei ziemlich Empathiefrei vor, weil es uns selbst an solchen negativen Erfahrungen mangelt. Insoweit gehe ich bei dieser Argumentation voll mit. Doch was ist die Konsequenz daraus? Geben wir einfach jedem Menschen die Chance, mal ordentlich unterdrückt und stigmatisiert zu werden? Es gibt solche Trainings, welche die Vorzeichen knallhart verändern, solche, die durch Diskussion zur Selbstreflexion anregen wollen, etc. Die Zahl der Modelle ist groß, der Erfolg jedoch schwer zu evaluieren. Einstellungsänderung ist nämlich eine komplexe Angelegenheit, die normalerweise nicht mit einem Wochenendseminar erledigt ist.

Oder wollen wir es vielleicht anders versuchen? Was mich immer wieder stört, ist die (Re-)Konstruktion dieser Dichotomie: WIR vs. DIE. SCHWARZ vs. WEISS. Natürlich kommen soziale Theoriegebäude nicht immer ohne Gegensatzpaare aus, und zwar um die Problemzonen definieren zu können. Doch die Schlüsse, welche aus den Erkenntnissen gezogen werden, führen zu oft dazu, dass man naiv versucht, an der ersten gefundenen Stellschraube zu drehen, bis etwas passiert. Oder Erkenntnisse aus einem anderen Land (USA) gefühlt sehr unreflektiert auf Deutschland übertragen zu wollen. Die Mechanismen der Benachteiligung sind nämlich mitnichten überall die gleichen. Überall gleich sind allerdings die daraus entstehenden Probleme für BIPoC: Machtlosigkeit gegenüber Behörden, schlechtere Chancen auf Bildung und Jobs, soziale Stereotypisierung, etc.

Ich glaube (das ist eine Meinung, die von Wissen unterfüttert ist, aber noch empirisch belegt werden müsste), dass wir besser daran täten, einfach alle Menschen zu sein . Und vor allem: ZUEINANDER MENSCHEN ZU SEIN! Klingt leicht, ist aber schwer. Gewiss beginnt es damit, die eigene Sprache zu überdenken, denn nicht umsonst gilt die Feder als mächtiger denn das Schwert. Sieht man an der vergiftenden Verrohung des öffentlichen Diskurses durch die AfD und ihre Nazi-Kumpane. Vor allem aber sollte man die BIPoC mal fragen, was sie denn gerne geändert sehen möchten. Sie aus der Opferrolle heraus holen, die wir Weiße ihnen mit all diesem Stigmatisierungs-Geschwafel so gönnerhaft-paternalistisch zuweisen; und damit ebenso rassistisch handeln. Ich fände es erfrischend, wenn mehr BIPoC tatsächlich empowered wären. Da würde ich auch mitarbeiten. Und ihr so…?

New Work N°2 – Was is’n da jetzt new dran?

Tja, also, wie soll ich das denn jetzt sagen, aber… New Work ist nicht neu. Ganz im Gegenteil. Der geistige Vater der Angelegenheit Frithjof Bergmann hat die Grundlagen schon in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts beschrieben. Und auch, wenn bei weitem nicht alle seiner Ideen schon umgesetzt wurden (oder dies bald erleben werden), wächst die Zahl derer, die zu der Überzeugung gelangen, dass wir Arbeit im 21. Jahrhundert anders denken müssen. langsam aber stetig.

Aber, was bedeutet das nun? Ich hatte in einem früheren Post angedeutet, dass es vordergründig darum geht, dass abhängige Produktionsarbeit mehr und mehr von Maschinen erledigt wird und daraus natürlich die Frage entsteht, wie diese Menschen zukünftig ihren Broterwerb bestreiten sollen. Solche Entwicklungen zeichnen sich nun seit Jahrzehnten ab. Bergmanns Antwort darauf ist eine Mischung aus bedingungslosem Grundeinkommen durch Umschichtung der Einkünfte aus Güterproduktion und einer zunehmenden Selbstversorgung mit den essentiellen Dingen des Lebens. Diese Darstellung ist allerdings verkürzend und gewiss gibt es in seiner Denke einige wenige Überschneidungen mit der Philosophie des Kommunitarismus; es lässt sich jedoch sagen, dass er versucht hat, ein mögliches Ende der klassischen, abhängigen Lohnarbeit zu denken. Es geht ihm dabei explizit nicht nur um die Arbeit als solches, sondern um Fragen der Teilhabe und Freiheit.

Heute wird unter New Work von den Meisten aber einfach nur alles verstanden, was beim Schuften nicht nach dem klassischen Muster abläuft: Home-Office, Mobile Work-Spaces, ungewöhnliche Arbeitszeitmodelle wie der 5h-Tag, digitaliserte Workflows, etc.; also zunächst mal Dinge, die nur mit Arbeitsorganisation zu tun haben. Tatsächlich greift, wenn man Bergmann aufmerksam liest, dieses Verständnis jedoch viel zu kurz. Arbeit, wie wir sie heute kennen, wird in vielen Bereichen in den nächsten Jahren fast ganz verschwinden, um in anderen neu zu entstehen. Die daraus entstehenden gesellschaftlichen Umwälzungen zeichnen sich schon lange ab. Andernfalls hätte die EU nicht schon früh den Begriff lebenslanges Lernen auf die Agenda gesetzt; wohl wissend, dass der Wandel von der Arbeits- zur Wissensgesellschaft unausweichlich ist; faktisch stecken wir mitten drin.

Wenn wir jedoch diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen, unser Verständnis von guter Arbeit und zu welchen Bedingungen diese stattfinden sollte gründlich zu überdenken, dann bleibt der heutige Gebrauch des Terminus „New Work“ auch zukünftig das, was er jetzt gerade ist: überstrapazierte und überflüssige Labersülze für selbsternannte digital nomadisierende Möchtegern-Eliten. New Work soll und will im Kern ein Gegenentwurf zur aktuellen Version des Kapitalismus sein, ohne dabei die Fehler des Sozialismus zu wiederholen; wird aber allzu oft von Apologeten dieser verfluchten „Leistungsträger“-Mentalität zu einer bloßen Re-Organisation von White-Collar-Arbeitsprozessen verzwergt. Denn die Angst, Arbeit tatsächlich neu zu denken, stellt gesellschaftliche Machtverhältnisse und damit letztlich viele der tradierten Sozialstrukturen in Frage. Wahrscheinlich wäre das der große Wurf, den wir eigentlich brauchen, zu dem wir aber noch nicht bereit sind.

Ob wir unter den gegebenen Zeichen tatsächlich in Richtung eines breiten Umdenkens in der Arbeitswelt kommen können? Im Moment bezweifle ich das. Allerdings ist der Leidensdruck der Lohnabhängigen anscheinend auch noch nicht so groß, dass sie in Massen auf die Straßen strömen, wie früher an jedem Ersten Mai. Solche Prozesse müssen immer erst eine kritische Masse erreichen, bevor sich etwas bewegt. Einstweilen begnüge ich mich also damit, zu beobachten und zu sehen, ob es nicht doch Innovationen gibt, die sich in meinem Arbeitsumfeld verlustfrei implementieren lassen. Immerhin bin ich bereits in einem der Wissensarbeits-Bereiche tätig. In jedem Fall werde ich hier auch in Zukunft weiter über das Thema nachdenken . Wir lesen uns also…

End-of-Summer-Blues?

„EoSB könnte das neue Problem des Jahres werden, wenn wir bald – nämlich ab Herbst – alle wieder in unsere Hütten gepfercht darauf warten müssen, dass Corona uns auch krank macht!“ So, oder ähnlich könnte man jetzt in irgendwelchen mehr oder weniger wichtigen Postillen titeln, die von den Wahlberliner Covidioten natürlich NICHT gelesen werden. Oder man nimmt es einfach zur Kenntnis, dass alles ein Ende hat, nur die… ach ihr wisst schon.

Jetzt mal ehrlich: zweite Welle hin oder her: Don Henleys „The boys of summer“ klingt jedes Mal in meinem Hinterkopf, wenn die Tage immer schneller immer kürzer werden, es kaum noch Spaß macht, Abends mit dem Drink auf dem Balkon zu sitzen und man sich, ganz von allein wieder viel lieber drinnen aufhält. Ich gebe es offen zu: auch wenn ich mehr schwitze, als manch anderer, liebe ich den Sommer und könnte noch mehr davon gebrauchen. Nicht wegen Corona, sondern weil der Sommer mir meistens das Leben um einiges leichter macht. Ich lebe dann auf, denn ich bin im Herzen eben eher der mediterrane Typ, der mal Fünfe gerade sein lassen und gediegen in den Tag mäandern möchte. Nicht, dass ich in der Realität allzu oft die Chance dazu hätte. Aber das ist eine andere Baustelle…

Ich will nicht behaupten, dass der Ausweichurlaub in der Lüneburger Heide bisher nicht auch toll gewesen wäre. Schöne alte Städte und andere Ausflugsziele, tolle Landschaft, einen Grill und eine wirklich angenehme Unterkunft haben wir auch hier. Aber, ich will ehrlich sein: mir fehlt der Pool, der mich zu mehr Bewegung einlädt, der warme Geruch der Macchia, der endlos blaue Himmel, die ewigen Abende, die Leichtigkeit, die das alles für mich bedeutet. Das die „Leichtigkeit des Seins“ dieses Jahr aus guten Gründen schon seit März ausverkauft ist, tröstet zwar etwas über den rein subjektiven Mangel an Ars Vivendi hinweg – gleichwohl fremdele ich mit all dem Guten, das ich hier habe.

Ich denke, dass dies daran liegt, dass wir modernen Menschen aus den entwickelten Industrienationen den Urlaub auf individuell spezifische Weise ritualisieren. Ich hatte die Tage über die sorglos-schmerzfreie Entgrenzung von Frei- und Arbeitszeit im Rahmen des Lesens und Studierens geschrieben und dabei sinngemäß gesagt, dass zumindest ich als Wissens-Arbeiter den Lebens- und den Arbeitsraum dabei nicht mehr so einfach trennen könnte. Das stimmt wohl. Dennoch führt mich eine weitergehende Selbstanalyse an den Punkt, dass nur das Bewusstsein dieser Freiheit, es nicht tun zu müssen, weil meine freie Zeit zu meiner persönlichen Disposition steht mich zu diesem Schluss kommen lies. Ich denke nach wie vor so, allerdings muss ich nun ergänzen, dass das beschriebene Mindset auch beinhalten muss, seine Freiräume selbst definieren zu dürfen/können.

Womit wir beim Mindset „Urlaub“ und dessen individueller Ritualisierung angelangt wären. Denn um sich auf die besonderen freien Zeiten des Jahres einzugrooven, hat ja jeder Mensch so seine speziellen Traditionen. Das beginnt mit dem Packen der Reisetaschen aller Mitreisenden und dem Einräumen Fahrzeuges (sofern man, wie wir, eigentlich immer mit dem PKW verreist), der Struktur der Anreise, den Erwartungen an das Ferien-Domizil, den Plänen für Aktivitäten während des Aufenthaltes und noch tausend anderen kleinen Dingen. Aus all diesen Dingen entsteht bei nicht wenige Menschen – und ich muss mich selbst wohl auch dazu rechnen – ein Urlaubs-Ritual, dass, wenn es gestört wird, ganz erheblich zu Unbehagen führen kann.

Ich hatte mich nie als in so furchtbares Gewohnheitstier gesehen. Aber Unterhaltungen mit der besten Ehefrau von allen, die darauf besteht, wieder mehr Variationen hinsichtlich der Reiseziele erleben zu dürfen, führen mich zu der Erkenntnis, dass ich – verdammtnocheins – langsam zum Urlaubsspießer mutiere. Nicht auf diese uncharmante „Mein-Badetuch-mein-Liegestuhl“-Art, sondern eher bezüglich einer gewissen Erwartbarkeits-Erwartung; ich brauche wohl heutzutage eher das Bekannte, weil es meinen unruhigen, stressgeplagten Geist sicher und schnell erdet, beruhigt, entspannt; also ganz sicher und schnell auf Ruhe-Niveau runter fährt. Und ich bin mir einfach noch nicht sicher, ob die Lüneburger Heide das annähernd so gut kann, wie die Toskana (wir werden sehen).

Subsumierend lässt sich sagen, dass mein Sommer subjektiv bislang einfach Scheiße war und ich deshalb ein bisschen rum heulen muss, weil mir der Süden so sehr fehlt und die Chance auf richtigen Sommer nun mal sehr bald dahin ist. Ich werde darüber hinweg kommen, aber es macht mich einfach nicht glücklich. Ich wünsche euch dennoch schon mal einen verdammt schönen Herbst und uns allen einen goldenen September. Vielleicht tröstet mich ja bald der Ferderweiße ein wenig. Schöne Woche.

Erholungs-Wert?

Ich bin mir ja nicht ganz sicher, ob die folgenden Gedanken es überhaupt wert sind, niedergeschrieben zu werden, aber… warum schreibe ich ausgerechnet in meinem Urlaub so viel über das verdammte Arbeiten, anstatt über den Familien-Urlaub? Oder, von jemand anders etwas anders formuliert: „Bist du denn vollkommen bekloppt, dich JETZT mit solchen Themen zu befassen?“ Tja, was soll man denn darauf antworten? Mal davon abgesehen, dass diese Ansprache fiktiv ist, denn sie findet ja nur in meinem Kopf statt. Meine Kinder und meine Gattin finden es gar nicht befremdlich, dass ich mal wieder über irgendwelchen Gedanken brüte…

Um das gleich mal klar zu stellen: ICH HABE SPASS! Wir (so als Familie, manchmal auch jeder für sich) haben in den vergangenen Tagen mehrere schöne Ausflüge gemacht, waren Spazieren/Wandern, haben Abends am Kamin oder auch mal draußen gesessen, lecker gegessen (ja – auch gegrillt!), gelesen, gespielt und gechillt. Viel urlaubiger wird’s, wie ich glaube, bei so gut wie niemandem; außer natürlich, man frönt irgendwelchen Extrem-Sportarten, ist bei uns aber nicht der Fall! Es stehen noch ein paar Ausflüge auf dem Programm und wenn meine Frau und die Kids noch zum Reiten kommen, ist die To-Do-Liste für den Familienurlaub abgehakt. [Das Einzige, was mir ein bisschen fehlt, sind die täglichen Runden im Pool. Aber das Umherspazieren in der Heide ist auch nicht zu verachten; insbesondere, weil’s nicht so brutal heiß ist!]

Aber natürlich lasse ich mein Hirn nicht zu Hause im Schrank, wenn ich mal für ein paar Tage wegfahre. Die Zunge ist die einzige Waffe, welche durch ständigen Gebrauch schärfer wird; und das Hirn der einzige Computer, der mit den Jahren seine Leistung zu steigern vermag. Aber nur, wenn man beides auch fordert und fördert. Warum zum Teufel sollte ich also im Urlaub so tun, als wenn mich Fragen der Bildung, der Arbeit, der Politik, des Sozialen und des Lebens ganz allgemein nicht interessieren würden. Derlei wenig frommen Selbstbetrug dürfen gerne diese ganzen Idioten betreiben, die am Wochenende Berlin stürmen möchten. Ich wünsche ihnen allen gutes Gelingen, auf das die normative Kraft des Faktischen – vulgo Polizeiknüppel – ihnen die empirischen Fakten der Realität und damit ihre eigene Dummheit ins Gedächtnis rufen mögen.

Auch über die Qualität meines Schlafes hier lässt sich im Übrigen nichts Negatives sagen. Ich bin mittlerweile erholt, wie seit Wochen – ach was sag ich, seit Monaten nicht mehr! Was im Umkehrschluss bedeutet, dass jene Dämonen, welche mich vor dem Urlaub noch oft genug um einen erholsamen Schlaf gebracht haben, besänftigt worden sein müssen. Vielleicht liegt das genau daran, dass ich mein Hirn auch im Urlaub zu benutzen pflege. Denn warum schreibe ich wohl gerade in den Zeiten so viel, in denen ich entweder Urlaub, oder nicht ganz so viel zu tun habe? Na, weil ich nicht meine ganze mentale Energie darauf verwenden muss, irgendwelche Fristen, Termine, Vorgaben, Dienstpläne, Meetings, Forschungsfragen, Bestückungslisten und was weiß ich nicht noch alles hin und her zu jonglieren, um als Diener vieler Herren Ergebnisse erzielen zu können.

Diese Last ist von mir genommen, selbst wenn ich auch in Urlaub für manche Kollegen ansprechbar bin; es ist zugleich Privileg und Fluch der Führungsposition, als schwer ersetzbar zu gelten. Ich gewöhne mich langsam daran und paradoxerweise ist es sogar irgendwie spaßig. Insbesondere, weil der Aufwand in der vergangenen Woche mit insgesamt ca. 20 Minuten doch recht überschaubar war. Mehr würde die beste Ehefrau von allen auch nicht tolerieren. Tatsächlich hasse ich es sogar, meine psychische Energie zu verschwenden. Ich mag Herausforderungen, ich wachse gerne mit meinen Aufgaben und lasse mich dabei auch mal mitreißen, wenn etwas mehr Zurückhaltung eventuell sinnvoll gewesen wäre; ein klassisches Nein-Schwäche-Problem. Das Schöne daran ist, dass man durch Übung tatsächlich besser wird. Vor allem effizienter. Was bedeutet, dass ich für viele (vor allem organisatorische) Dinge keine Verrenkungen mehr machen muss, sondern sie locker-flockig aus dem Handgelenk schleudern kann.

Zieht man nun diese 20 Minuten ab, bliebe aber im Urlaub sehr viel Zeit, in denen sich mein Geist langweilen würde, wenn ich mir nicht andere Aufgaben suchte. Daher lese ich gerne und viel und empfinde es nicht als Verschwendung von Freizeit, mich dabei auch (aber nicht nur) mit Dingen zu befassen, die irgendwie mit meiner Profession zu tun haben. Ich verlor darüber neulich hier schon mal ein paar Worte und nun habe ich das noch mal bewusst durchexerziert; und kann nach diesem Selbstversuch sagen: tut nicht weh! Daher kann ich diesen Beitrag getrost mit dem Fazit abschließen, dass mein Urlaub gerade nicht allen Gedanken um Themen zum Trotze, die mich beruflich – aber eben auch ganz allgemein als Mensch – umtreiben, sondern vor allem wegen dieser Gedanken einen verdammt hohen Erholungswert hat! Wenn das unbedingt anders sein soll, müsste ich mich wohl teil-lobotomieren lassen. Und darauf habe ich keinen Bock. Peace…

New Work N°1 – No Work-Life Balance?

Immer mal wieder, wenn ich durch Fratzenbuch skimme und mich zur Abwechslung mal nicht über Covidioten und/oder Rassisten ärgern muss – was in letzter Zeit nur SEHR selten vorkommt – stolpere ich über dämliche Ratgeber-Verkäufer mit noch dämlicheren Titeln wie „Gelddasbuch – mehr Zeit & mehr Leben“. Kennt ihr auch, oder? Soll Menschen geben, die solchen Heilsversprechen, von zu Hause ganz schnell ohne Aufwand viel Geld verdienen zu können, tatsächlich glauben. Die glauben aber auch, dass der Storch die Ostereier bringt…

Mein Verhältnis zu Ratgeberbüchern im Allgemeinen habe ich, so glaube ich, ausreichend dargelegt: alles Bullshit! Nun setzt Ärger über solcherlei unnötige Belästigung im Netz bei mir aber unweigerlich Denkspiralen in Bewegung. Die oben genannte Anzeige kommt nämlich mit einem rührselig-dämlichen Text daher, der Lohnarbeit als verschwendete Lebenszeit darstellt. Und unsere kulturelle Prägung scheint in der Tat so gepolt, dass wir Freizeit als das einzig glückselig machende Momentum unseres Lebens begreifen. Roboten von Montag – Freitag, um am Wochenende (wahlweise auch unter der Woche Abends) die Sau rauslassen zu dürfen. „Hoch die Hände – Wochenende!“ Ich möchte ja jetzt nicht unbedingt als Spielverderber daher kommen, aber: wer in diesen 22% seines Erwachsenen-Lebens (ca. 240 Tage per anno à je 8h = 1920h/anno) gerade mal so viel Sinn sieht, dass es das Flüssig-Analgetikum für’s Wochenende bezahlt, ist ein armes Würstchen!

Die eigene Arbeit als Sinn stiftend für das Leben begreifen lernen, sich selbst dabei stets neue Herausforderungen suchen, die einem individuelles Wachstum ermöglichen, den Arbeitsplatz als lohnenden Teil seiner sozialen Umwelt wahrnehmen können, hat weder mit der Profession, noch dem formalen Bildungsabschluss oder dem Arbeitgeber zu tun; ohne Frage gibt es Arbeitsumfelder, welche die erstgenannten Qualitäten fördern können. Doch in allererster Linie hängt eine positive Wahrnehmung und Ausgestaltung der eigenen Arbeit vom individuellen Mindset ab. Und dabei ist es vollkommen egal, ob ich Chef bin, oder einfach nur Plattfuß an der Front. Ich arbeite mich da natürlich immer noch ein bisschen an dem Buch ab, auf welches ich im letzten Beitrag Bezug genommen habe. Doch ich stelle immer mehr fest, dass die dort getroffenen Aussagen sich mit meinen ganz persönlichen Erfahrungen decken.

Insgesamt sollten wir mal über realistische Erwartungen reden; also den Umstand, dass man nicht frisch von der Schule (oder Uni) sofort vom Arbeitgeber den Arsch gepudert bekommt, auch wenn man glaubt, das verdient zu haben. Oder das unterschiedliche Generationen im Betrieb unterschiedliche Formen der Arbeits-Ethik kennengelernt haben. Und das viele Arbeitgeber leider noch immer nicht begriffen haben, wie man Motivation und Engagement der Mitarbeiter so nutzbar macht, so dass es sich auch für beide Seiten auszahlt. Win-Win macht nämlich viel mehr Spaß, als jede andere, denkbare Konstellation. Das zuvor Gesagte funktioniert natürlich immer in beide Richtungen.

Gerade weil vermutlich viele Vertreter beider Seiten noch stark an ihrem Mindset arbeiten müssen, lässt sich der Kreis zur Eingangsbemerkung schlagen: es gäbe solche dämlichen Ratgeber-Bücher nicht, wenn es keinen Markt dafür gäbe, weil immer noch genug Menschen in ihrer Arbeit keinen Sinn erfahren können. Letztlich geht es dabei um die Suche nach Sinn im allgemeinen, denn es ist ziemlich enttäuschend, sich, zumindest subjektiv, nur äußeren Zwängen ausgesetzt zu sehen: Arbeitsplatz, Arbeitszeit, Arbeitssoll, alles erscheint vielen Menschen als Zumutung, weil Sie den tatsächlichen Sinn ihres Tuns nicht begreifen oder erkennen können.

Reden wir mal von mir: Als Notfallsanitäter und früher Rettungsassistent war die Aufgabe eigentlich klar, auch wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich im Laufe der Zeit nicht gerade optimal entwickelt haben: Menschen in Notlagen helfen. Heute, als Erwachsenen-Pädagoge bereite ich nun andere, zumeist jüngere Menschen auf diese Aufgabe vor. Immer noch arbeite ich an Menschen mit Menschen für Menschen – und bin damit glücklich. Vielleicht, so könnte ein Beobachter sagen, liegt das auch daran, dass ich immer ein Stückchen weiter die Leiter hinauf gefallen bin. Aber ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass ich mir das verdient habe. Ich habe mir nämlich immer wieder neue Herausforderungen gesucht, die mein Wachstum erst ermöglich haben.

Und doch unterscheide ich mich – zumindest subjektiv – kein Jota von irgendeinem meiner Kollegen. Jeder von denen könnte sich in alle möglichen Richtungen entwickeln. Es läge mir am Herzen, wenn wenigstens die/der eine oder andere diese Chance erkennen und sein berufliches Dasein damit etwas angenehmer, produktiver, weniger auslaugend und erfolgreicher gestalten könnte. Nur um an dieser Stelle nicht falsch verstanden zu werden: es geht mir nicht darum, dass irgendjemand mehr arbeiten soll. Sie sollen sich nur ihrer Arbeit und der Möglichkeiten, welche diese bietet bewusst werden lernen. Dann hieße es nämlich nicht mehr Arbeit gegen Leben, sondern Leben mit Arbeit! Und die Balance wäre nicht zwischen beidem, sondern in beidem zu finden. Sollte man mal drüber nachdenken, oder…?