Alt und trotzdem jung?

Ich habe irgendwann in letzter Zeit festgestellt, dass ich immer häufiger über dieses “Das Ziel ist, möglichst jung alt zu werden!”-Meme stolpere. Vermutlich weiß dieser verdammte “Algorithmus”, dass ich in ein paar Wochen 51 werde und versucht jetzt, auf KI-typisch unbeholfene Art zu socialisen. Oder, eine groß angelegte Verschwörung der Wellnes- und Gesundheits-Industrie möchte mich dazu verführen, deren Produkte zu kaufen. Leute! Ich interessiere mich weder für Ratgeber, noch für Nahrungsergänzungsmittel. Training zur Selbstoptimierung ist eine Kategorie von selbstverletzendem Verhalten (und damit auch irgendwie eine Psychopathologie), die anderen passiert. Aber wenn ihr mir einen Berater vorbeischicken würdet, mit dem man ein wirklich intelligentes Gespräch über Gott, die Welt, Politik und neue philosophische Ideen führen kann – dann her damit. Dafür nehme ich mir gerne Zeit. Zumal ich mich noch nicht wirklich alt fühle. Meine Arbeit gibt mir sehr oft die Gelegenheit, mich mit Menschen verschiedenster Altersgruppen auszutauschen. Die meisten sind deutlich jünger als ich (unsere Berufsfachschüler). Und wenn man dann eine Haltung zu den Dingen (und den Menschen) hat, die es einem erlaubt, neugierig auf die jungen Leute zuzugehen, wird man nicht so schnell alt im Kopf. Ich beachte dabei lediglich meine ganz persönliche, total subjektive “Three-Strikes-Rule”: jeder Mensch ist es wert, als Mensch angenommen, respektiert und behandelt zu werden. So lange, bis diese Person drei Mal meinen Respekt und mein Vertrauen missbraucht hat – dann ist Sense und sie wandert automatisch in den nicht eben kleinen Pool all jener Menschoiden, die mich häufiger zu folgendem Satz veranlassen: “ICH HASSE MENSCHEN!”

Ich weiß nicht, ob man es wirklich Hass nennen kann, denn das ist ja ein sehr starkes Gefühl, welches üblicherweise für jene Menschen reserviert ist, mit denen ich noch irgendeine Art von Beziehung führen muss. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass anderer Leute Blödheit, Respektlosigkeit, Faulheit und Unverschämtheit der Motor für meine immerwährende Wut sind. Und dass mir die allermeisten Menschoiden nach den eben genannten Three Strikes einfach am Arsch vorbeigehen. Nur für ganz wenige habe ich diesen besonderen Hass übrig, der mich noch nicht einmal in ihren Rachen pissen ließe, wenn ihre Zähne brennen würden (danke für diesen Spruch Lemmy! Rock Hell for me, ’til I’m ready to come down…). Vielleicht liegt es tatsächlich am Alterungsprozess, dass mir so vieles heute meilenweit am Arsch vorbeigeht. Wobei ich mir da nicht ganz sicher bin. Neulich bemerkte einer meiner Kollegen, dass er ja jetzt langsam altersmilde würde – nur um in der nächsten Szene mit einer Hingabe über einen Sachverhalt abzuledern, die so manchen Berliner Taxifahrer alt aussehen ließe. Und ich konnte ihn volles Programm fühlen. Man wird nicht unbedingt milder. Man steigert lediglich die Effizienz des Energieeinsatzes und bohrt nur noch jene kognitionsallergischen Subsistenzen ungespitzt in den Boden, die das auch WIRKLICH verdient haben. Alle anderen, die unbedingt negativer Emotionen bedürfen, bekommen eine reduzierte Version, die aus wesentlich mehr kühler Distanz als heißer Wut besteht. Man muss Idioten allerlei Geschlechts auch einfach mal schweigend links liegen lassen können. Denn die Meisten verdienen meine Wut nicht mal im Ansatz.

Und meine positive Energie? Zuvorderst sei gesagt, dass ich davon tatsächlich jede Menge habe. Sie wandert heutzutage allerdings beinahe ausschließlich in jene Dinge, die mir etwas bedeuten, die mich inspirieren, die mir Freude machen und tendenziell mindestens die gleiche Menge Energie zurückgeben, die sie auch verbrauchen: man muss dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik nämlich auch in psychischen Belangen uneingeschränkt Beachtung schenken! Und ja – nur bescheidene Teile davon haben mit meiner abhängigen Lohnarbeit zu tun. Nämlich jene Teile, die es mir erlauben, mit, an und für Menschen etwas positiv zu bewegen – so lange, bis sie ihre Three Strikes aufgebraucht haben. Danach gilt, womit dem ich den ersten Absatz beendet hatte… Und was hat das alles nun mit dem Altern zu tun? Sagen wir mal so: ich habe für mich beschlossen, dass Alter nur eine Zahl ist und dass es darauf ankommt, mit welchem Handeln, mit welchen Worten und Gedanken, mit welchem Unterlassen ich meine Tage anfülle und welche Haltung daraus resultiert; nur das gibt einen Hinweis darauf, wie alt ich wirklich bin. Ich handele nach dem Prinzip des kategorischen Imperativ, bin stets auf Ausgleich und Gerechtigkeit bedacht! Vollkommen unabhängig von Nachteilen für mich selbst oder dem Alter der betreffenden Personen. Ich zocke unfassbar gerne! Ich suche nach Schöneit und Wahrheit und Inspiration für meine Geschichten, mit denen ich Menschen davon überzeugen möchte, für sich selbst zu denken und dabei dennoch die Sichtweisen anderer zuzulassen; und ich erzähle diese Geschichten natürlich nicht nur zum Lehren, sondern auch zur Unterhaltung! Ich versuche, Egoismus, Arroganz, Boshaftigkeit, Hinterhältigkeit und Doppelzüngigkeit zu unterlassen, auch wenn ich als Mensch genauso anfällig dafür bin, wie jeder andere – insbesondere für Arroganz, denn es ist ein schmaler Grat zwischen dem simplen Wissen um das eigene Leistungsniveau – und der Aktion, dieses Merkmal demonstrativ jedem unter die Nase zu reiben! Daraus ergibt sich als Haltung ein humanistisches Menschenbild, welches das Gegenüber zu dessen Bedingungen zu erkennen sucht; nicht zu meinen. Und wer glaubt denn bitte schon, dass man seinem eigenen Ideal immer gerecht wird? Das macht mich alt und jung zugleich. Ich weiß nicht, wie ich zum Altern stehe – außer, dass ich mich immer wieder frage, wie viele Tage, Wochen, Monate, Jahre ich noch haben werde, um all die Dinge zu tun, die ich noch vorhätte. Nun ja, wir werden sehen. Einstweilen füllt sich mein Sonntag mit Schreiben. Ich wünsche euch einen gediegenen Start in die neue Woche.

Auch als Podcast…

New Work N°23 – Nochmal drüber nachdenken…?

Ich recycle mal eben Gedanken und Worte aus einem Post, der mittlerweile fast fünf Jahre auf dem Buckel hat (August 2020) und somit während der ersten Hochphase der Corona-Pandemie entstanden ist. Immerhin konnte man damals unter Auflagen im Inland Urlaub machen. Einiges ist nach wie vor – oder vielleicht eher WIEDER – hochaktuell, manches hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Diskussion ist heute allerdings eine andere, weil sich die Apologeten eines radikalen Wandels und die Die-Hard-Vertreter altmodischen Wirtschafts- und Führungs-Handelns mittlerweile unversöhnlicher gegenüber stehen, denn je. Und jetzt haben wir auch noch diese selbstverliebte, populistische Flitzpiepe Black-Rock-Fritze als Bundeskanzler. Kotzen könnt ich… Egal, los geht’s:

erstellt mit ChatGPT
Tja, also, wie soll ich das denn jetzt sagen, aber… New Work ist nicht neu. Ganz im Gegenteil. Der geistige Vater der Angelegenheit Frithjof Bergmann hat die Grundlagen schon in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts beschrieben. Und auch, wenn bei weitem nicht alle seiner Ideen schon umgesetzt wurden (oder wir dies bald erleben werden), wächst die Zahl derer, die zu der Überzeugung gelangen, dass wir Arbeit im 21. Jahrhundert anders denken müssen. Langsam aber stetig... [Diese Überlegung muss ich - Stand Heute - differenzierter betrachten, da es zwar tatsächlich Leute mit großer Publicity gibt, die sich des Themas unter verschiedenen Vorzeichen annehmen. Doch die eigentlichen Ideen Bergmans spielen dabei kaum eine Rolle...] 

Aber, was bedeutet das nun? Vordergründig geht es darum geht, dass abhängige Produktionsarbeit mehr und mehr von Maschinen erledigt wird und daraus natürlich die Frage entsteht, wie diese Menschen zukünftig ihren Broterwerb bestreiten sollen. Solche Entwicklungen zeichnen sich nun schon seit Jahrzehnten ab. Bergmanns Antwort darauf ist eine Mischung aus bedingungslosem Grundeinkommen durch Umschichtung der Einkünfte aus Güterproduktion und einer zunehmenden Selbstversorgung mit den essentiellen Dingen des Lebens. Diese Darstellung ist allerdings verkürzend und gewiss gibt es in seiner Denke einige wenige Überschneidungen mit der Philosophie des Kommunitarismus; es lässt sich jedoch sagen, dass er versucht hat, ein mögliches Ende der klassischen, abhängigen Lohnarbeit zu denken. Es geht ihm dabei explizit nicht nur um die Arbeit als solches, sondern um Fragen der Teilhabe und Freiheit. [Diese Betrachtungen sind zwar immer noch weitgehend wahr - nur dass deren Umsetzung heute zwar gelegentlich andiskutiert, aber niemals durchdekliniert wird, weil die Lobbyisten der Konzerne ALLES tun, um eine positive, ergebnisoffene Diskussion im Sinne der eigenen Gier von vornherein zu verhindern! Es darf in deren Weltsicht NICHTS existieren, dass die systemische Lohn-Abhängigkeit untergräbt, welche es erlaubt, weiter munter von unten nach oben zu verteilen!]

Heute wird unter New Work von den Meisten aber einfach nur alles verstanden, was beim Schuften nicht nach dem klassischen Muster abläuft: Home-Office, Mobile Work-Spaces, ungewöhnliche Arbeitszeitmodelle wie der 5h-Tag, digitaliserte Workflows, etc.; also zunächst mal Dinge, die nur mit Arbeitsorganisation zu tun haben. Tatsächlich greift, wenn man Bergmann aufmerksam liest, dieses Verständnis jedoch viel zu kurz. Arbeit, wie wir sie heute kennen, wird in vielen Bereichen in den nächsten Jahren fast ganz verschwinden, um in anderen neu zu entstehen. Die daraus entstehenden gesellschaftlichen Umwälzungen zeichnen sich schon lange ab. [Und obwohl diese Entwicklungen sich mit den Ereignissen der letzten Jahre noch verschärft haben, sieht man an vielen Orten mehr oder weniger ungelenke Versuche, das Rad der Zeit zurückzudrehen; die Ewiggestrigen sterben leider nur sehr langsam!]

Eine echte Entwicklung weg von abhängiger Lohnarbeit hin zu solidarisierter Arbeit ist leider bislang noch nicht zu konstatieren. Immer noch dreht sich, wenn irgendjemand den Begriff vollmundig ins Feld führt, so gut wie alles um Fragen der Arbeitsorganisation. Und ja, wir haben diesbezüglich auch immer noch ein erhebliches Kulturproblem, da nicht wenige Chefoide nach wie vor der irrigen Meinung sind, dass sie bei physisch anwesenden Hutständern besser beurteilen könnten, ob diese etwas arbeiten, oder nicht; also, ob diese Menschen effektiv etwas erwirtschaften. Nichts könnte – zumindest in meinem Geschäftsbereich – allerdings der Realität ferner sein. In der Tat wird Bildung als solche uno acto realisiert. Damit dieser komplexe soziale Prozess im Lehrsaal allerdings auch regelmäßig zu zufriedenstellendem Ergebnissen führen kann, sind umfangreiche Vorbereitungen und Nacharbeiten notwendig. Und ein erheblicher Teil dieser Arbeit bedarf eines Quantums Kreativität, die man allerdings oft nicht in einem Großraumbüro sitzend erreichen kann. Also ist Arbeitsorganisation – oder besser gesagt eine flexible Arbeitsorganisation – eine Voraussetzung für ein hohes Qualitätsniveau. Weshalb ich meinen Mitarbeiter*innen Freiheiten lasse, die es anderswo eher nicht gibt. Da kommt jetzt bestimmt gleich wieder so ein schlauer Dippelschisser um die Ecke und sagt: “Ja, wie willst DU denn beurteilen, ob die tatsächlich was für ihr Geld tun?” Und dem antworte ich dann Folgendes: indem ich, wie jeder halbwegs vernünftige Führungseumel mit Kennzahlen arbeite. Nun sind die bei Berufsfachschulen nicht so einfach zu definieren. Aber zwei harte Währungen gibt es: die Zahl der Menschen, welche die Ausbildung ohne Abschluss abbrechen (die ist bei uns unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt) und die Zahl der Examenskandidaten, die am Ende bestehen (die ist bei uns bislang sehr gut). Woraus folgt dass wir im Lehrsaal und bei der Schülerbetreuung sehr gute bis exzellente Arbeit leisten. Was sich auch darin widerspiegelt, dass unsere Schüler*innen sich, allen gelegentlichen Spannungen zum Trotz mit ihren Problemen oft genug vertrauensvoll an uns wenden. Da gestatte ich mir getrost mal zu sagen: meine Mitarbeiter*innen sind ihr Geld verdammt noch mal wert!

Immer mal wieder muss ich diese Diskussionen führen, weil man an bestimmten Stellen Angst hat, dass sich andere Menschen im Unternehmen – wohlgemerkt in vollkommen anderen Geschäftszweigen – durch die Freiheiten, welche in meinem Geschäftsbereich gelebt werden benachteiligt fühlen würden. Aber wir sind nicht alle gleich und wir machen nicht alle die gleiche Arbeit. Als ich noch “einfacher” Mitarbeiter im Rettungsdienst war, wäre ich nie auf die Idee gekommen, jemandem im Büro die Möglichkeit zur Remote-Work zu neiden. Mein Job bot andere Herausforderungen, aber auch andere Freiheiten. Wenn wir solche Neid-Debatten wirklich aufmachen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn Menschen sehr schnell anfangen, Neid zu entwickeln. Aber worauf? Darauf, dass ich halt gelegentlich um 08:00 nicht im Büro in der Dienststelle sitze, sondern in meinem Heimarbeitszimmer, welches zugegebenermaßen in manchen Punkten deutlich besser ausgestattet ist als das, was mir mein Arbeitgeber zur Verfügung stellt? Und mich genauso den lieben langen Tag mit teilweise sehr nervtötenden Aufgaben herumschlagen muss? Dass meine Kolleg*innen mich trotzdem stets erreichen, wenn was ist? Einzig das Pendeln fällt dann weg, weshalb ich an solchen Tagen etwas später aufstehe und dafür vom Start weg wesentlich wacher und produktiver bin; ich bin, zirkadian betrachtet halt eine Eule… Wenn mir jemand das wirklich neidet, lade ich herzlich dazu ein, mich mal zu begleiten. Glaubt mir: meinen Job wollt ihr auch im Home-Office nicht machen müssen! Ich fände es schön, wenn man davon weg käme, immerzu Gleichmacherei betreiben zu wollen, wo diese keinen Sinn ergibt. Z. B., wenn es um Remote-Work und flexiblere Arbeitszeiten geht. Denn die Lehrsäle sind trotzdem morgens pünktlich besetzt und laufen! Dieser Text entstand übrigens an dem gleichen Schreibtisch, an dem ich an solchen Tagen auch sitze/stehe – ihr seht, für die Arbeitsergonomie ist auch gesorgt. Und jetzt diskutieren wir aus, für wen sich Remote-Work eignet und für wen nicht. Und bei Gelegenheit sage ich auch noch was zu diesen frechen Cretins da draußen, die jeden Menschen, der seine Arbeitszeit zumindest teilweise im Büro verbringt als “Sesselpfurzer” bezeichnen, ohne irgendwas über Funktion und Leistung der Person zu wissen. In diesem Sinne – frohes Schaffen.

Auch als Podcast…

Lass uns drüber reden…

Es ist nicht selten unglaublich schwer, seine eigenen Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse in Worte zu fassen. Vielleicht nicht so sehr hier, an diesem völlig virtuellen und dennoch irgendwie seltsam wahren Ort, wo ich einfach meine Gedanken in die Tastatur kloppe und mich im Grunde gar nicht so viel darum scheren muss, was andere irgendwann darüber denken mögen. Doch selbst beim Bloggen bemerke ich mittlerweile häufiger eine, eher unbewusste Zurückhaltung, die wohl auf diesem andressierten kulturellen Reflex basiert, “die Anderen” nicht zu sehr mit der Wahrheit überfordern zu wollen. Was auch immer meine Wahrheit nun sein mag… Doch im realen Gespräch, da fehlen mir oft die Worte. Oder, anders formuliert, hätte ich schon viele Worte, die ich aber nicht sagen kann oder nicht sagen will, weil ich genau weiß, dass meine Aussagen eine Reaktion provozieren werden, die mich nicht weiter bringen wird. Und es ist dabei vollkommen gleichgültig, ob ich es gerade mit lieben Menschen zu tun habe, oder mit Leuten, mit denen ich halt arbeiten muss. Man kann nicht immerzu jedem ungefiltert Dinge um die Ohren schlagen, die Anlass zu Kontroversen bieten; so viel Kraft und Energie habe ich nicht. Und die Anderen vermutlich auch nicht. Also unterbleibt die klare Artikulation meiner Meinungen und Erwartungen Face-to-Face nicht selten. Einfach, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass etwas zu sagen an der Gesamtsituation nichts ändert, außer dass ich mich dann auch noch schlecht fühle. Braucht man halt auch nicht…

Ich stelle zwar an mir eine Tendenz fest, manchen Personen meine unkuratierte Meinung häufiger zuzumuten als anderen. Allerdings werden diese oft auch dafür bezahlt; so wie ich dafür bezahlt werde, das reziprok ebenso aushalten zu müssen. Doch komischerweise tue ich das immer nur, wenn es um Sachverhalte geht, die mir zwar wichtig sind, die allerdings zumeist wenig zu meinem persönlichen Benefit beitragen – oft sogar eher das Gegenteil. Ich scheine mich tatsächlich eher zu exponieren, wenn es um anderer Leute Belange geht. Doch für mich selbst… da tue ich auffallend häufig auffallend wenig. Ich habe ehrlich keine Ahnung, warum mir das ausgerechnet heute auffällt, denn es ist ja nicht so, dass ich mir selbst nicht auch regelmäßig etwas Gutes tun würde; so auch dieses Wochenende. Aber ich belasse es zumeist bei Kleinigkeiten, die mich wenig bis nichts kosten (außer vielleicht ein wenig Anstrengung) und den Anderen ebenso wenig bis nichts abverlangen. Vielleicht, weil ich so erzogen wurde: erstmal leisten, dann mal kucken, dann noch ein bisschen mehr leisten und dann mal verschämt fragen; immer mit der Annahme, dass ein “Nein” eine legitime Antwort ist. Aber… ist das tatsächlich so, dass ich mich immerzu mit “Nein” abspeisen lassen muss, weil mein Gegenüber halt gerade nicht kann, nicht will, anderer Meinung ist, andere Ziele hat, oder was weiß ich sonst noch gerade nicht funktioniert?

Während ich diese Zeilen schreibe, laboriere ich gerade an einem Schnupfen. Wie dieser sich entwickeln wird, ist derzeit noch unklar, aber… anstatt jetzt eine klare Ansage zu treffen und mich einfach bis zur Genesung abzumelden, werde ich morgen früh, sofern ich mich nicht schon wieder physisch vollkommen niedergestreckt vorfinde, einfach arbeiten gehen, weil es halt einige Menschen gibt, die sich auf mich, bzw. auf meine Leistung verlassen. Und wer sich auf mich verlässt, ist im Nornalfall NICHT verlassen. Ob das eine clevere Idee ist, werde ich morgen früh wissen. Wahrscheinlich wäre es klüger, daheim zu bleiben, aber so bin ich halt nicht. Das soll jetzt bitte nicht als Aufforderung verstanden werden, mir den Orden “Held der Arbeit” zu verleihen. Ich will und brauche keine Auszeichnungen. Es ist auch kein Fishing for Compliments oder die implizite Aufforderung, mir einen “Bleib doch zu Hause!”-Kommentar zu schicken. Aber es illustriert für mich, wie wenig ich mich häufig um mich selbst kümmere – und wie dumm das eigentlich im Grunde ist. Und ich bin mir verdammt sicher, dass ich mit dieser ungesunden Einstellung – zumindest in meiner Altersklasse – nicht alleine bin.

Ich habe neulich, während einer Fortbildung, die Teilnehmenden dazu aufgefordert, junge Auszubildende im Nebenraum kurz bezüglich deren Blick auf sogenannte Generationen (insbesondere das Thema “Gen-Z”) zu interviewen. Ohne auf präzise Ergebnisse eingehen zu wollen, lässt sich sagen, dass die jungen Leutchen dieser konstruierten Dichotomien (und vor allem der Unterstellung, die jungen Leute seien alle faul, oder gleichgültig, oder sonstwas) überdrüssig sind und sich selbst keiner Generation zurechnen. Insgesamt nehme ich allerdings wahr, dass die jungen Leute zumindest in manchen Situationen besser darin sind, ihre Belange zu vertreten, als mir selbst das wohl gelingt. Und ich finde das gut, auch wenn es einen als Vorgesetzten manchmal ein wenig Contenance kostet, mit Forderungen umgehen zu müssen, die man für sich selbst so nie artikulieren würde. Vielleicht MUSS das einfach ein Lernprozess für beide Seiten sein, ein stetiges Aushandeln des jeweils Möglichen und eines immer wieder neu zu schaffenden Verständnisses für die Bedürfnisse, Sorgen und Herausforderungen des Gegenübers. Würde mir gefallen. Und wenn ich dabei lerne, meine eigene Klappe auch mal aufzumachen und etwas einzufordern, muss das ja nicht vollkommen schlecht sein.

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Erwachsen bilden N°54 – On Tour…

Überraschenderweise finde ich mich von Zeit zu Zeit in Settings wieder, in denen ich mich wohl fühle, obwohl diese gleichsam für mich von Ambivalenz erfüllt sind. Oder anders formuliert: eigentlich dürfte ich mich gar nicht so wohl fühlen, wie dies tatsächlich der Fall ist. Einmal mehr bin ich mit einer neuen Klasse on Tour und es ist anstrengend! Ein Zahl neuer Bekanntschaften will geküpft und gleichsam gefestigt werden, weil meine jetzige Aufgabe natürlich darin besteht, den Leutchen einen Weg in die Ausbildung hinein zu weisen und ihnen gleichzeitig zu helfen, sich selbst eine Idee davon bilden zu können, wie das alles denn funktionieren könnte. Spannend. Das fordert mich von früh bis spät, denn einerseits möchte ich einfach als Mensch natürlich nahbar genug sein, dass die neuen Schüler:innen Vertrauen zu mir fassen können – muss aber andererseits dafür sorgen, dass auch genug Respekt vor meiner Person, meinem Amt und, vor allem den ab nun anstehenden Aufgaben entsteht. Denn ohne das geht es nicht. Denn Nahbarkeit darf nicht bedeuten, die analytische Distanz zu verlieren, derer es Bedarf, um ihnen irgendwann später faire Noten geben zu können. Doch all diesen Herausforderungen zum Trotz (und obwohl ich nebenher auch noch andere Amtsgeschäfte aus der Ferne erledigen muss) fühle ich mich wohl, weil ich zu bestimmten Zeiten einfach die Tür zu machen, für mich sein, nachdenken und die Dinge analysieren kann. Ich bemerke, dass ich es oft noch schöner fände, NUR allein für mich und kreativ sein zu können. Aber gerade jetzt formen sich spannende Beziehungen, was der Geschichte ein hoch spannendes Element gibt.

Ich habe den neuen Schüler:innen gegenüber gestern von meiner ganz persönlichen, total subjektiven “Three-Strikes-Regel” erzählt: jeder Mensch bekommt von mir einen Grund-Vorschuss an Vertrauen und Respekt – aber wenn jemand dreimal verkackt, ist es rum mit Vertrauen und Respekt. Ab dann gilt wieder die Grundannahme, dass Menschen, so ganz grundsätzlich betrachtet schon ganz schön Scheiße sind. Man muss sich – insbesondere als Pädagoge, aber auch in anderen Funktionen – gestatten, die weitaus meisten Menschen zu hassen, wenn man die wenigen, die einem wirklich anvertraut werden mögen können soll. Denn wir haben zu jeder Zeit nur eine bestimmte Menge an Liebe (oder Vertrauen, Respekt, Zuneigung, etc.), die wir geben können; um diese Vorräte, und damit auch sich selbst, nicht zu erschöpfen, muss man mit derart kostbaren Gütern sparsam umgehen. Was für meine aktuelle Situation bedeutet, dass ich einmal mehr versuchen muss, herauszufinden, mit was für Menschen ich es gerade zu tun habe. Und ob diese – auf längere Sicht – meine Mühen und mein gegebenes Vertrauen wert sein werden. Man kann, nein MUSS, sicher trefflich darüber streiten, WIE NAHE man solche “Schutzbefohlenen” an sich heran lässt; Stichwort analytische Distanz. Doch am Ende des Tages sind wir alle nur Menschen. Und so versuche ich, die private Person von der Funktionsperson auch durch äußerliche Zeichen, wie etwa das Tragen (oder auch NICHT-TRAGEN) von Dienstkleidung zu trennen, damit es einfacher wird, zu verstehen, dass ich als Privatperson u. U. eine Meinung haben darf, die ich vielleicht im Lehrsaaal so nicht vertreten würde, weil es der falsche Platz dafür wäre (etwa in politischen Fragen). Und dass ich – überraschend, aber dennoch wahr – auch (nur) ein Mensch bin.

Wohin führt uns das alles nun? Erstens zu der eher wenig überraschenden Erkenntnis, dass ich immer häufiger feststellen muss, dass ich mit meinen ernergetischen Reserven besser haushalten sollte; wie auch immer das gehen kann. Denn all die sozialen Kontakte kosten mich Kraft, die sich oft nur langsam regeneriert. Zweitens mache ich jedoch die – wirklich – ungewöhnliche Feststellung, dass der Umgang mit der neuen Klasse mich nicht nur Kraft kostet, sondern mir auch welche zurück gibt! Die Impulse, welche ich in den letzten Tagen auf vielfältige Art mitgenommen habe – auch, wenn es natürlich immer Zielkonflikte gibt, zwischen Lehrkraft und Schüler:innen – machen mich zuversichtlich. Mit neuen (jungen) Menschen darf man ab und an auch interessante Einblicke, Ideen und Energien mitnehmen. Das ist es, was den Beruf für mich immer noch zu etwas Besonderem und damit zu meiner Berufung macht. Klingt euch das jetzt doch zu pathetisch? Fuck it – und wenn schon! Es ist meine Wahrnehmung und die darf ich behalten. In diesem Sinne auf zum Endspurt und euch da draußen so langsam schon mal (f)rohe Ostern.

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Erwachsen bilden N°53 – …im Spiegel

Schüler*in: "Och nö, DAS habe ich doch schon in der Schule zwei Jahre lang gehabt!" 
Ich: "Was meinst du denn?"
Schüler*in: "Na Philosophie. Und jetzt kommst du auch wieder mit 'kategorischem Imperativ' und 'Utilitarismus' um die Ecke!"
Ich. "Ja gut... wenn du das zwei Jahre in der Schule gehabt hast, dann erzähl mir doch mal, was du noch darüber weißt..."
Schüler*in: "...ähm..."
Ich: "Hat es dich denn damals interessiert...?"
Schüler*in: "...*mpfstammelmurmel*..."
Ich: "Okay... darf ich dann mit meinem Vortrag fortfahren? Und dich darum ersuchen, mir wenigstens die CHANCE zu geben, dich für das Thema zu interessieren...?

Das da oben ist mir vor ein paar Wochen so (oder zumindest so ähnlich) passiert, als ich mal wieder selbst vor einer Klasse stand. Ethik im Rettungsdienst ist nicht sexy. Zumindest nicht mal im Ansatz so sexy, wie etwa das stumpfe Ende der Nadel, der Cuffdruckmesser, oder das EKG-Papier. Schon klar. Ihr wollt richtige MEDIZIN machen! Euer Handwerk auch ausüben dürfen! Action! Um das an dieser Stelle für alle, die es interessiert – vor allem aber auch für jene, die es NICHT interessiert – noch mal in aller Deutlichkeit klarzustellen, habe ich fünf schwer verdauliche Thesen über die Arbeit (und das Lernen) im Rettungsdienst zusammengestellt. Keine Sorge, das wird keiner von diesen beknackten Listicles und die Reihenfolge ist vollkommen willkürlich gewählt, stellt also in keiner Weise ein Ranking dar. Alle ab hier getroffenen Aussagen sind mir gleich wichtig! And here comes…

  • 1. Es gibt KEINE Bullshit-Einsätze! Es gibt Low-Code-Einsätze, die vor allem unsere sozialen Fähigkeiten und unser organisatorisch-strukturelles Know-How abfragen, uns aber wenig Raum für Action-orientiertes Handeln lassen. Schlicht, weil die Notwendigkeit dazu nicht besteht. Dennoch erfordern auch diese Situationen unsere Aufmerksankeint, denn…
  • 2. Bei unserem Job geht es um die uns anvertrauten Menschen! Nicht um UNSER EGO, UNSERE Bedürfnisse (außer, abends wieder heil und gesund nach Hause kommen zu dürfen), oder UNSER Ansehen – es geht ausschließlich um die Menschen, die uns der Zufall für eine kurze Zeit anvertraut! Sie haben unsere professionelle Aufmerksamkeit verdient – bis zu dem Punkt, da sie dieses Verdienst durch eigenes Zutun verspielen. Denn wer uns absichtlich schlecht behandelt, hat unsere 100% auch nicht verdient. Dennoch sollte jeder Mensch von uns diesen Vertrauensvorschuss bekommen, der aus einem humanistischen Menschenbild erwächst.
  • 3. Wer stehen bleibt, den überholt die Welt! Wir sind stets dazu aufgerufen, uns weiter zu entwickeln. Nicht als Selbstzweck, sondern weil die medizinische Wissenschaft, in welche unser Job eingebettet ist sich – Gott sei Dank – weiter entwickelt. Und damit alles, was wir zu wissen und zu können glauben, stets nur vorläufig gelten kann. So lange, bis wir es wieder etwas besser wissen. Lernen hört damit niemals auf.
  • 4. Nachhaltiges Lernen findet NIEMALS in der Komfortzone statt! Bequem auf einer Chaiselonge hingeflezt, mit einem Tütchen Mononatriumglutamat-ertränktem, dünn frittiertem Kartoffelmatsch in der einen und einem mehr oder weniger Zucker- und/oder Hopfenhaltigen Erfrischungsgetränk in der anderen Hand, erfahren wir bestenfalls Mattigkeit, aber keine Entwicklung. Denn Entwicklung erfordert ernsthafte Aktivität, gepaart mit Reflexion derselben!
  • 5. Wir sind IMMER nur im Team stark! Keiner von uns kann die Welt (oder auch nur einen einzigen Patienten) alleine retten! Keiner von uns ist stark genug, ALLES, was der Zufall uns zusammen mit unseren Patienten serviert (a.k.a. Elend, Einsamkeit, Gewalt, Misshandlung, Tod und noch vieles Andere) immer und überall nur mit sich selbst abzumachen. Wer das wirklich glaubt, tut sich selbst Gewalt an…

Und was hat das nun mit Ethik zu tun? Warum behandelt man das Thema Ethik überhaupt im Unterricht aller Gesundheitsfachberufe? Die Antwort ist einfach – weil unser ganzes berufliches Handeln überhaupt nur im MITEINANDER denkbar ist. Und weil Ethik das MITEINANDER aus verschiedenen Perspektiven denkt und uns so Hilfestellungen gibt, unsere eigene Haltung zu den Menschen, zum MITEINANDER und zu allem anderen Anderen zu entwickeln und zu festigen. Denn ohne eine differenzierte HALTUNG gibt es keine Professionalität! Diese entsteht aber nur, indem man sich mit dem eigenen Handeln, dem, was man so alles zu wissen glaubt und dem, wovon man bislang überzeugt ist AKTIV auseinandersetzt – gerne auch im Diskurs mit Anderen, die vor den gleichen Aufgaben stehen. Andernfalls bleibt man stehen, wird zum Einzelkämper (oder Einzelliegenbleiber), versteht niemals, warum man in bestimmten Situationen gegen die eigenen Interessen (und evetuell auch die der Patient*innen handelt) – und verzweifelt irgendwann in der Folge an seinem Job. Was dann zu Folge hat, dass man sich etwas Anderes sucht, oder aber durch sein zynisches, misanthropes Handeln irgendwann im den Untiefen des Ausgebranntseins auf Grund läuft. Oder was glaubt ihr alle, warum die durchschnittliche Verweildauer von Notfallsanitäter*innen in Deutschland bei lausigen 8 – 11 Jahren ab Start der Ausbildung liegt? Das liegt NICHT daran, dass Hunderte von NotSans im Knast sitzen würden, weil der Job so große Rechtsunsicherheit mit sich bringt – DAS ist Bullshit. Es liegt auch nicht daran, dass die Arbeitsbedingungen so furchtbar wären – ich kenne kaum einen anderen Job, in dem ich SO selbstbestimmt meine Arbeit erledigen kann, wie im Rettungsdienst. Geht mal eine Woche mit Gerüstbauern mit.

Es liegt daran, dass nicht genug Sorgfalt auf die Auswahl der Auszubildenden gelegt wird! Daran, dass immer noch zu viele Berufsfachschulen ein vollkommen falsches Bild der späteren Tätigkeit vermitteln und ihren erzieherischen Auftrag nicht wahrnehmen! Und schließlich daran, das eine erhebliche Zahl von Kollegoiden da draußen, die sich in ihrem Ausgebranntsein regelrecht suhlen den jungen Leuten – vollkommen unreflektiert – als schlechtes Vorbild dienen! Übrigens auch solche, die eigentlich als Rolemodel eine herausgehobene Stellung innehaben – nämlich Praxisanleiter*innen. Da könnt ich schreiend davon laufen! Kommt doch mal allesamt aus der Komfortzone und entwickelt euch weiter. Ihr werdet euch wundern, was dann plötzlich alles möglich wird; aber eben nur, wenn man nicht unreflektierte Faulheit mit Effizienz verwechselt. Schönes Wochenende…

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°52 meets New Work N°22 – Dienst nach Vorschrift?

Ich hatte neulich ein interessantes Meeting, bei dem einige Menschen anderen Menschen mal offenbart haben, wie viel Vorbereitung wirklich dahinter steckt, ordentlichen Fach- Unterricht machen zu können. ICH merke ja auch immer wieder, dass Leute tatsächlich glauben, ICH könnte alles Mögliche on a moments notice aus dem Ärmel schütteln – was vollkommener Quatsch ist. Ich muss mich genauso hinsetzen, eine Unterrichtsverlaufs-Planung schreiben, die passenden Einzelmethoden auswählen und – sofern es sich um theoretischen Unterricht handelt – den Content erstellen, wie jede:r andere auch. Okay, bei Unterrichten, die ich schon öfter gehalten habe, fällt vielleicht nicht mehr die GANZE Vorbereitungsarbeit an. Dennoch muss ich mich jedesmal neu reindenken, evtl. beim letzten Durchlauf aufgelaufenes Feedback integrieren und meine Materialien prüfen. Überdies entwickle ich für das Verständnis der Schüler:innen gerne Übersichten an der Metaplanwand, was bedeutet, dass ich auch jedes Mal meine Kärtchen neu schreiben muss. In aller Regel morgens, direkt bevor der Unterricht losgeht. Lehrkräfte mit noch nicht so fest eingeübten Abläufen brauchen aber länger für so was. Und nicht selten muss man sich selbst noch mal seines eigenen Wissens versichern, bevor man überhaupt daran denken kann, sich zu überlegen, wie man dieses eigene Wissen und die Skills für andere begreifbar machen könnte. Ich muss hier noch mal an die konstruktivistische Sichtweise auf Pädagogik erinnern: wir bringen niemandem etwas bei; wir bereiten lediglich den Boden, auf dem die Schüler:innen ihre jeweils eigene Wissensernte einfahren können! Wozu es im übrigen der Mitarbeit bedarf. Aber darüber habe ich an anderer Stelle schon sattsam gesprochen…

Arbeitgeber gehen oft naiv davon aus, dass ein Fachlehrer sich 35h die Woche in den Lehrssal stellt und in der verbleibenden Zeit nebenbei alles erledigt, was halt so anfällt: Unterrichtsvor- und nachbereitung, Korrespondenz mit den betrieblichen Ausbilder:innen und den amtlichen Regulierungsbehörden, Führen der Zeitnachweise und Klassenbücher, anlassbezogene Gespräche, bewertende Arbeitsbesuche, Korrektur von Klassenarbeiten, Staatsexamina und so weiter und so fort. Und da ist einspringen wegen Krankheit o. Ä. noch nicht inkludiert. Jede:r, die/der schon mal eine Klasse gemanaged haben, liegt jetzt vor Lachen gekrümmt unterm Schreibtisch, weil allen, die schon mal in diesen Stiefeln marschiert sind sofort und intuitiv klar ist, dass DIESE ANNAHME RIESENGROSSE, DAMPFENDE BULLENSCHEISSE IST! Die Fachlehrkräfte, mit denen ich bekannt bin, reden nicht über ihre Stundensaldi, sondern machen ihren Job. Aber der Krug kann nur so lange zum Brunnen gehen, bis er bricht. Was bedeutet, dass in dem oben erwähnten Gespräch ein Wort mit besonderer Häufigkeit vorkam: Überlastung! Und wir reden hier nicht über Heulsusen, sondern über ein Team, dass in der jüngeren Vergangenheit außergewöhnliche Belastungen einfach weggeatmet hat! Womit wir bei dieser Dienst-nach-Vorschrift-Diskussion wären, die derzeit Dank der häufig replizierten Gallup-Umfrage durch die Medien schwappt. Die Mitarbeiter deutscher Unternehmen hätten demnach im Mittel keine emotionale Bindung zum Unternehmen mehr und machen daher halt – ja genau: Dienst nach Vorschrift. Und natürlich schwingt in verschiedensten Einlassungen zum Thema stets dieser implizite Vorwurf der FAULHEIT mit. Nicht umsonst hat die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen dieser Tage nach dem Verzicht auf einen Feiertag gerufen, weil wir die Kosten des von der dräuenden SchleNeKo (Schlechte Neue Koalition) ausgehandelten “An-der-Schuldenbremse-vorbei-Sondervermögens” durch mehr Leistung ausgleichen müssten. Das einzige, was Frau Schnitzer dabei versteht ist Trickle-Down. Was allerdings bis heute nachweislich nicht funktioniert hat; sie redet also mit anderen Worten einer noch schnelleren Umverteilung von Unten nach Oben das Wort. Die Fresse halten soll dieses dämliche, überbewertete Fossil! Wir arbeiten angeblich zu wenig, sind nicht produktiv genug und überhaupt fordern wir Arbeitnehmer immerzu viel zu viel. Und dann kommt man auch noch mit der angeblich mangelhaften Arbeitsmoral um die Ecke!

Ich habe da einen etwas anderen Blick drauf, der sich übrigens in einigen Punkten mit dem der Fachjournalistin Diana Dittmer deckt: Mein Arbeitsplatz ist nicht meine Familie und am Ende des Tages ist meine Anstellung ein Handel auf Gegenseitigkeit: Lebenszeit gegen Kohle! In KEINEM Arbeitsvertrag steht was davon, dass ich meinem Arbeitgeber mehr schulde, als die vertraglich vereinbarten Stunden und die üblichen Loyalitätspflichten: nicht klauen, keine wirtschaftlich relevanten Interna ausplaudern, den Arbeitgeber nicht öffentlich diskreditieren, die Arbeitszeit auch wirklich mit Arbeit und nicht irgendwelchen Kinkerlitzchen füllen, mit den Kollegen professionell umgehen – egal, ob ich diese nun leiden kann, oder eher nicht. So weit – so normal. Doch es scheint heute üblich zu sein, implizit mehr als das zu erwarten und Menschen nur dann als performant wahrzunehmen, wenn sie “die Extrameile gehen”. SCHEISS AUF DIE EXTRAMEILE – WELCHE EXTRAMEILEN GEHT MEIN ARBEITGEBER FÜR MICH? Ich meine abseits dessen, was er um’s Verrecken nicht verhindern kann, weil wir evtl. heute in meiner Branche von einem Arbeitnehmer-Markt sprechen müssen? Mein Arbeitsplatz nimmt mich nicht in den Arm, wenn es mir schlecht geht! Mein Arbeitgeber stellt es mir nicht frei, zur Burnoutprophylaxe am Fluss spazieren zu gehen, auch wenn ich letzthin häufig das dringende das Bedürfnis dazu habe! Meine Arbeit gibt mit nur einen begrenzten Teil des Sinnes, den ich in meinem Leben sehen möchte! Manche Vertreter meines Arbeitgebers benutzen das Wort “Danke” gerne und ausgiebig (auch, weil es nichts kostet) – andere widerum würden sich eher die Zunge abbeißen, bevor sie zu MIR wirklich freundlich sind; oder die erbrachten Leistungen wirklich anerkennen.

Ich schulde meinem Arbeitgeber folglich genau das, was im Vertrag steht: 40h die Woche präsent, performant, perzeptiv und professionell zu sein. Nicht weniger – aber auch keinesfalls mehr. Und was für mich gilt, gilt für ALLE ANDEREN ebenso. Denn tatsächlich leisten nämlich sehr viele Menschen schon sehr viel mehr, als sie müssten; und manchmal auch, als sie eigentlich könnten. Und diese Menschen fühlen sich von dem realitätsfernen, arroganten, unverschämten Geschwafel möchtegernwichtiger, nutzloser “Elitenvertreter” regelmäßig beleidigt. Wo stehen wir also? Ganz einfach an dem Punkt, an dem die ganzen abgehobenen Wirtschaftslobbyisten, ultraneoliberalen Gierschlünde und ihre willfährigen Helferlein aus dem “Polit-Establishment” verstehen müssen, DASS ES KEIN ZUERÜCK BEI DEN ARBEITNEHMERRECHTEN GIBT! ENDE! DER! DISKUSSION! Wenn ihr meint, wir fleißigen kleinen Ameisen hier unten kriegen es nicht hin, dann kommt doch mal von euren hohen Thronen herunter, krempelt die Ärmel hoch und zeigt uns, wie viel ihr selbst zu geben bereit seid! Denn wirklich geführt wird einzig allein von vorne; und zwar durch Leader, die nicht ein Jota mehr verlangen, als sie selbst zu geben bereit sind! Derweil mache ich Dienst nach Vorschrift – ich leiste, wofür ich bezahlt werde, erledige derweilen, was zu tun ist, um den Laden am Laufen zu halten – und wenn ich nach Hause komme, dann lebe ich mein Leben. Und das weitestgehend unberührt von der Arbeitswelt. Denn das bin ICH mir wert! In diesem Sinne, auf zu einer neuen Woche im Hamsterrad… wir sehen uns!

Auch als Podcast…

New Work N°21 – wofür eigentlich…?

Um es auf den Punkt zu bringen – ich habe von einigen Dingen atomar die Schnauze voll! Zum Beispiel von Menschen, die unter hohem Zeitdruck erbrachte Arbeit nicht zu schätzen wissen. Nichts im Leben ist perfekt, insbesondere dann nicht, wenn man dabei mit knappen Ressourcen hantieren muss. Sich hinterher hinzustellen und alles zu zerpflücken, ist jedoch pille-palle-einfach – und wird in den seltensten Fällen der Mühe gerecht, die sich jemand gegeben hat. Das Corpus Delicti ist hier eine Online-Fortbildung, die nach Aussagen Dritter zu einfach, zu kurz, zu wasweißichnichtnochalles ist. Okay, ist kein Glanzstück, dass war schon vorher zu erkennen. Zudem beklagt sich eine gewisse Personengruppe, nicht genug eingebunden gewesen zu sein – obwohl diese Personengruppe von didaktischer Arbeit schlicht keine Ahnung hat. Und auch nicht von den technischen Grenzen bestimmter Methoden, Tools oder eines Lernmanagement-Systems. Egal. Was mich jedoch am meisten fuchst, ist, dass man es MIR vorwirft, dass ANDERE es sich zu leicht machen und dabei ARBEITSZEITBETRUG begehen. Würde man sich mit den Inhalten wirklich auseinandersetzen, so wie es vorgesehen ist, könnte man gewiss auf die angegebene Zeit kommen. Tut man aber nicht, aus Faulheit, Indolenz und Trägkeit, womit wir wieder bei der wahren Bedeutung von FIT wären. Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen möchte! Aber ich ziehe meine Lehren daraus. In Zukunft werde ich einfach NEIN sagen und die Herrschaften sollen doch bitte jemand anders suchen, wenn sie der Meinung sind, ich wäre zu blöd, zu faul oder zu wenig devot gegenüber gewissen Protagonisten. Ich bin weder blöd, noch faul, noch zu wenig kommunikativ – ICH BIN ÜBERARBEITET GODDAMMIT! Ich bekomme keine Ressourcen (zu teuer), keine vernünftige Unterstützung (da müsste man ja jemanden aus seinem Personalportfolio abgeben, geht ja gar nicht) und bin seit Jahren andauernd damit beschäftigt, mit heißer Luft zu zaubern. In regelmäßigen Abständen nähe ich die komplette Orga immer wieder frisch auf Kante, darf mir aber im Gegenzug das Gejammer Dritter anhören, die mit diesem oder jenem nicht zufrieden sind. Da fällt mir ein Zitat ein…

“We, the unwilling, led by the unknowing, are doing the impossible for the ungrateful. We have done so much, for so long, with so little, we are now qualified to do (almost) anything with nothing.”

Konstantin Josef Jireček

Mittlerweile bin ich nämlich vollkommen unwilling! Unwillig, für Undankbare unmögliche Aufgaben in unfassbar kurzer Zeit mit unglaublich wenig Mateial erledigen zu müssen. Unwillig, mich dafür beschuldigen zu lassen, wenn Dritte ihren normalen Aufgaben nicht nachkommen und es sich einfach machen, wenn man ein wenig Mühe aus verschiedenen Gründen erwarten dürfte. Unwillig, es weiter zu erdulden, dass man mich wahlweise zum Rezipienten für jedwede, noch so lächerliche Beschwerde macht, mir aber im Gegenzug untersagt, dem Beschwerdeführer eine deutliche Antwort zu geben; dafür jedoch in anderen Situationen einfach mal behauptet, wir seien auf einem guten Weg, wenn ich an dem gegenwärtigen Weg nur noch sehr wenig Gutes zu erkennen vermag. Unwillig, mich im politischen Kleinklein zuerreiben zu lassen, wenn mir dadurch viel zu wenig Zeit für die eigentlichen Aufgaben meines Amtes bleibt. Unwillig, zu akzeptieren, dass man stets versucht, meine Gestaltungsspielräume einzuengen. Unwillig, weiterzumachen… Es ist, paradoxerweise, momentan der Lehrsaal, der mich am wenigsten Energie kostet. Ja, die Auszubildenden sind teilweise anstrengende Sparringspartner, weil sie den Anspruch artikulieren, von mir ein Komplettpaket geliefert zu bkommen, dabei noch verkennend, dass sie eine Menge Eigenleistung dazugeben müssen, um am Ende das Ziel erreichen zu können. Aber es ist eine lohnende Arbeit, weil ich manchmal diesen Heureka-Ausdruck in den Gesichtern sehen kann. Und weil ich die Chance habe, den jungen Leuten zu einer Haltung zu verhelfen, die ich in so manch Anderen, mit dem ich beruflich zu tun habe deutlich vermissen muss. Respekt! Konfliktfähigkeit! Teamspirit! Leistungsbereitschaft! Dieses zwanghafte zu Tode verwalten, und vor allem zu Tode verwaltet werden jedoch, DAS kann ich nicht viel länger ertragen!

Ich habe mir schon ein paar Mal Ultimaten gestellt und – naiv, wie ich manchmal auch mit 50 Lenzen noch bin – verstreichen lassen, weil ich gelegentlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen glaubte. JEDES EINZELNE MAL WAR ES EIN ENTGEGENKOMMENDER ZUG! Bislang bin ich nicht überrollt worden, aber es kommt mir gelegentlich so vor, als wenn gewisse Dritte es genau darauf anlegen würden. Ganz so, als wenn sie sich nicht bewusst wären, wie sehr ein Gesamtkonstrukt manchmal an einer Person aufgehängt ist. Nimmst du den zentralen Nexus in der Mitte weg, bricht das ganze Netzwerk zusammen. Und ehrlich gesagt sehe ich gegenwärtig wenig Benefit für mich selbst darin, so weiter zu machen wie bisher. Ja, ich habe in der Tat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und schaue dabei auf die mir anvertrauten Kolleg:innen und Auszubildenden. Aber Selbstausbeutung MUSS eine Grenze haben. Meine ist, so weit ich das übersehen kann, mittlerweile wirklich und engültig erreicht. Ich mag Teile meines Jobs immer noch auf gewisse Art. Das, worauf ich nächste Woche am meisten gespannt bin ist, ob mein Unterrichtsansatz, jungen Menschen Ethik im Gesundheitswesen näher zu bringen fruchten wird, oder ob ich mal wieder zu verkopft an ein kopflastiges Thema rangegangen bin…? Wir werden sehen. Aber dieser ganze politische Quatsch, der mich von meiner eigentlichen Arbeit abhält, dieses Egogeficke verschiedener Protagonisten, diese Unfähigkeit zum systemischen Denken, dieser Egoismus, das ständige übereinander- anstatt miteinander Reden und die ständige Angst mancher Leute davor, was Dritte denken oder tun könnten, oder auch nicht, die brauch und will ich nicht mehr. Würde die beste Ehefrau von allen nicht gerade auch in einer großen beruflichen Transformation stecken, wäre ich wahrscheinlich zum 30.06 weg – und nach mir die Sintflut. Tja Scheiße gelaufen, Vielleicht spiele ich mal wieder Lotto. In diesem Sinne – versaut Kolleg:innen, die sich für ihren Job wirklich Mühe geben, nicht so den Tag, wie ich es oben beschrieben habe, sondern hegt und pflegt sie. Denn sind sie weg, werdet ihr feststellen, was ihr an ihnen hattet! Schönen Samstag…

Auch als Podcast…

Spalt-Textperiment…

Manchmal fließt ein Text ganz von selbst aus der Feder (bzw. durch die Tasten auf den Bildschirm). Und manchmal nehme ich sechs, sieben unterschiedliche Anläufe und schmeiße sie allesamt in den – mehr oder weniger virtuellen – Mülleimer, bis schließlich entweder IRGENDETWAS Sinn zu ergeben beginnt – oder ich mit einer Mischung aus Wut (die ich ja bekanntlich immer in mir trage) und Resignation (die sich nur gelegentlich meiner bemächtigt) den Deckel zumache und was anderes zu tun versuche. Da bezüglich meiner kreativen Texterei Schreib- und Reflexionsprozess Hand in Hand gehen, ist mein Schreibfluss selten gleichmäßig. Ab und an kommen richtige Bursts of Writing und dann ist es wieder wochenlang eine Schur, auch nur den ersten Satz gerade hinzubekommen. Aber selbst, wenn ich mich – wo auch immer – ruhig niedergelassen habe und eigentlich schon im Schreibprozess angekommen bin, kann es gut sein, dass ich eine Weile etwas Anderes tue; oder besser, tun muss! Etwa einfach nur irgendwohin starren (ja meine Damen, dieses Klischee ist wahr, Männer können einfach nur irgendwohin starren, und währenddessen wirklich NICHTS denken; und das betrifft nicht nur Politiker). Oder ich gehe kochen. Oder essen. Oder spazieren. Man nennt das gemeinhin Schreibblockade. Und bei Non-Fiction-Texten wie meistens hier in diesem Blog, bei denen man nicht einfach einen der Charaktere eine Waffe auf den Tisch legen lassen kann, um die Spannung zu steigern, weil man eventuell ein ausgefeiltes Argument durchdekliniert wissen möchte, hilft es, zwischendurch was anderes zu tun. Allerdings sollte man das nicht über Tage ausufern lassen, sonst weiß man ja gar nicht mehr, wo die eigenen Gedanken gerade hinspazieren wollten, aber nicht konnten…

Schloß Aulendorf

Eigentlich hätte dieser Text hier eine Elegie werden sollen; und zwar auf meine derzeitige Unfähigkeit, Yutori zu erreichen. Jenen Zustand, bei dem man die Welt ringsum bewusst wahrnimmt, den Drive aus den Dingen entweichen lässt und so zu Frieden mit sich und diesen Dingen kommt. Ich wollte in dem Kontext eigentlich über Wahrnehmung und deren indidviduelle Wirkung sprechen. Und das ganze mit Ideen aus einem Artikel verknüpfen, den ich dieser Tage las und der sich mit der Frage befasste, inwieweit die Nutzung von generativer KI in kreativen Prozessen das Endprodukt noch als Kunst erscheinen lässt; oder – mit Blick auf die Trainingsdaten solcher Algorithmen – doch eher als billige (Raub)Kopie der vorangegangenen Kreativität anderer? Doch in diesem Moment erwarte ich voller Vorfreude ein ungewöhnliches Abendmahl mit Freunden und bin ganz und gar nicht zu Hause. Die Qualia, welche dabei in meinem Geist emergieren, sind in der Tat nicht in Worte zu fassen. “Bittersüße Vorfreude” beschreibt die aktuelle Ambivalenz zwischen der (zumindest zeitweisen) Losgelöstheit von meinen ganzen – verfickt nervtötenden – Aufgaben und jenem typisch protestantischen Sense of Duty, der mich ungesunderweise immer munter weitermachen lässt nur sehr, sehr unzureichend. Was auch immer heute Abend passieren wird, hat das Zeug, mich mit Energie und Ideen zu versorgen. Und dennoch weiß ich um den Bruch, der in Kürze entstehen wird. Denn dieses Mal lüfte ich den Schleier – trete gleichsam durch die Vierte Wand meiner Erzählung – und verrate, dass dieser Text nicht an einem Tag fertig geschrieben werden wird. Denn im Grunde meines Herzens möchte ich genau jetzt schreibend über mein derzeitiges Scheitern jammern – und hoffe gleichzeitig auf genug Punch in den nächsten Stunden, um morgen Nachmittag, wieder an meinem Desk zu Hause angelangt, dem Phönix aus der Asche gleich auf die Erschöpfung scheißen zu können. Wir werden sehen…

…und feststellen, dass der Abend, sowie der darauf folgende Morgen nebst Besuch einer Playmobil-Ausstellung und die leider unvermeidliche Heimfahrt mich wirklich – wenigstens ein bisschen – aufgeladen haben. Einziger Wehrmutsstropfen war ein selten dämlicher Zwischenruf dummer, arroganter Kinder, die ich nicht mal kannte; und dann auch nicht mehr kennenlernen wollte, was auf Grund meines Sozen-Gemuffels wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Schwamm drüber; es ist nicht meine Art vor meinen Kindern jemandem für einen Nazi-Spruch eine auf’s Maul zu geben. Wäre nicht sonderlich pädagogisch wertvoll… Es ist immer noch so, dass ich mich mühsam von Wochenende zu Wochenende, von Pen’n’Paper-Runde zu Runde schleppe, stets auf der Suche nach einem bisschen frischer Energie. Ich bin eigentlich kein sehr fatalistischer Mensch; pragmatisch ja, aber nicht fatalistisch. Ich versuche die Dinge zu ändern, wenn etwas nicht funktioniert. Und ich gebe nur sehr ungern auf. Aber letzthin gewann ich so ein komisches Gefühl, dass jedes Mal, wenn ich mich BERUFLICH auf gutem Weg in ruhigeres Gewässer wähnte, irgendein Desaster von rechts ins Bild geritten kam (Desaster kommen IMMER von rechts…) und mir den Tag, die Woche, den Monat versaute. Ich bin mit dem jeweiligen Fallout ja nie alleine, aber trotzdem zehrt sowas an der Substanz. Die Beziehung zwischen meinem Job und mir ist wohl ziemlich verkorkst – allerdings haben auch verkorkste Beziehungen eine unheilige Tendenz, lange zu halten. Da fällt mir ein Liedtext von Jethro Tull ein…

When we can last for days on a loving night;
Or for hours at least on a warm whisper given.
You always pick the best time to rise to the fight.
To break the hard bargain that we've driven.
Once again we're flying colors.


(c) 1982 Jethro Tull, Lied "Flying Colours" aus dem Album "Broadsword and the Beast"

Der Phönix fliegt wohl, allerdings nicht allzu hoch und der Motor stottert. Yutori erreiche ich immer noch nicht. Und eigentlich ist mir gerade auch gar nicht mehr so richtig elegisch zumute, denn im Grunde habe ich nur noch auf die ersten Hochrechnungen des Abends gewartet. Und dabei gibt es nur drei Dinge die wichtig sind. Erstens, Die Linke ist offenkundig sicher drin – und das ist gut! Denn wir brauchen eine solche Kraft in unserem Parlament. BSW und FDP müssen zittern – und ich bete, dass beide NICHT drin sind! Denn solche Kräfte brauchen wir nicht in unserem Parlament. Und ich bete, dass sich Friedrich von Papen … ähm pardon, falsches Jahrhundert. Merz heißt der Sauerländer, der in Kälte kam ja… also jedenfalls bete ich, dass diese arrogante, alte Hetzbacke sich nicht zum Steigbügelhalter der blauen Nazis macht! Aber von mir hat der Sack ja auch keinen Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Das waren wie immer jene, die nicht verstehen können oder wollen, das als Otto-Normal-Verbraucher die CDSU zu wählen in etwa das Gleiche ist, wie an einer nächtlichen Stadtführung mit Serienkillern teilzunehmen. Irgendwas wirst du auf jeden Fall verlieren: günstigstenfalls deine Selbstachtung, schlechtestenfalls deine Existenz. Aber das mit der Lernfähigkeit war ja schon immer ein Problem bei den sogenannten “Konservativen”. “Egoistische Angstbündel” wäre der bessere Terminus. Aber genug davon. Irgendwann die Tage gibt’s auch wieder was Kopflastigeres von mir. Bis dahin ihr Schwarz-und Blau-Wähler: schaut euch genau an, was für eine Scheiße ihr mit eurem Kreuzchen angerichtet habt. Und ihr anderen – startet in die Woche, so gut es euch möglich ist! Gejammert wird später…

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N° 51 – Voll Frontal!

Ich bin immer wieder erstaunt. Man hört ja allenthalben, dass viele Menschen geradezu geschädigt aus der allgemeinbildenden Schule kämen, dass sie dort allzu oft mit bösem, bösem Frontalunterricht geschädigt würden… Man verortet diese Art des Unterrichtens wahlweise in der Hölle der schwarzen Pädagogik oder auf den eisigen, grauen Ebenen der Schüler-Demotivation. Ich mache – allerdings als Erwachsenenbildner – ehrlich gesagt häufig völlig andere Erfahrungen. Einerseits vernehme ich regelmäßig (unabhängig vom Ausbildungsstand) den Wunsch nach mehr Frontalunterricht. Insbesondere ausgerechnet in den Lernsituationen, bei denen es um die Vermittlung von theoretischem Wissen geht. Der Konstruktivist in mir weiß jedoch, dass genau dort eigentlich eine erhebliche kognitive Eigenleistung der Schüler:innen verlangt wird. Denn jedes Theoriewissen von der trägen Ruheposition in eine aktive Nutzbarmachung zur Entwicklung von Handlungskompetenzen zu überführen, bedarf im wahrsten Wortsinne oft des “Begreifens”. Andererseits nehme ich eine nicht unerhebliche Abneigung gegen Gruppenarbeiten wahr. Ich vermute, das könnte daran liegen, dass selbstorganisierte Lernphasen oft vom Pädagogen nicht mit dem notwendigen Kontext oder verbindlichen strukturellen Rahmenbedingungen versehen werden. Wenn dann eine gewisse Beliebigkeit im Lehrsaal Einzug hält, führt das dazu, dass manche Schüler:innen das alles sehr ernst nehmen und sich von den sozialen Trittbrettfahrern (und die gibt es immer) verarscht vorkommen…

Nun sollten wir vielleicht zunächst feststellen, was Frontalunterricht NICHT ist; oder besser nicht sein SOLLTE: Wir wollen nicht davon reden, dass die Schüler:innen Stunde um Stunde passiv dem Wissenskonsum frönen sollen; sondern wir wünschen uns etwas, dass man “aktive Beteiligung” nennt. Nun ist diese allerdings nicht immer so leicht festzustellen, Denn wer glaubt, dass jene Person immer mehr aus dem Unterricht mitnimmt, die sich dauernd zu Wort meldet, als die stille Person, die man nur ausnahmsweise wahrnimmt, der liegt ziemlich oft ziemlich falsch; und ist dabei auch noch ziemlich ungerecht. Lerntypen und Lernstile sind halt so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten, die da vor mir sitzen. Frontalunterricht ist kein Plenum für die Selbstdarstellung der Lehrperson! Ja, Humor ist erlaubt (gerne auch hintergründig), ja, Nachfragen ist auch erlaubt. Was jedoch nicht erlaubt sein kann, ist das Bloßstellen von Schwächen der Schüler:innen, oder Scherze auf Kosten Dritter und sowieso Unfreundlichkeiten aller Art. WIE man nun Augenhöhe herstellt, ist am Ende eine Stilfrage, DASS man sie herstellt, ist jedoch essentiell. Denn Frontalunterricht ist ebenfalls kein Raum für sozialen Freestyle! Regeln des Umgangs miteinander sind überall dort notwendig, wo Menschen für einen längeren Zeitraum zusammkommen, so auch in der (Berufsfach)Schule. Was bedeutet, dass die Lehrperson einerseits dazu verpflichtet ist, diese aufzustellen (oder vielleicht besser auszuhandeln) und dann bitte auch für deren Einhaltung zu sorgen. Und die wiederholte Missachtung mit geeigneten Mitteln zu sanktionieren! Denn NICHTS ist nervtötender als Laissez-Faire mit Clowns! Damit jedoch kann Frontalunterricht also bitte auch NIEMALS ein Monolog sein ! Denn nur in der GEMEINSAMEN Reflexion der Themen entsteht Wachstum! Und Frontalunterricht ist übrigens auch keine Methode, sondern vielmehr die Rahmung für verschiedene Methodenausprägungen, die gleichberechtigt nebeneinander existieren. Denn mittels welcher Technik ich vorne präsentiere, spielt nicht nur hinsichtlich der Replizierbarkeit, sondern auch bei der bewussten Steuerung von Aufmerksamkeit und Partizipation eine wichtige Rolle. Insbesondere das Herausfordern oder Spielen mit medialen Gewohnheiten kann interessante Effekte erzeugen.

Frontalunterricht ist deshalb so schlecht beleumundet, weil er so furchtbar oft so furchtbar schlecht gemacht wird. Weil sich Lehrkräfte nicht für ihre Schüler.innen interessieren, und sich einen lauen Lenz machen, anstatt einfach ihren verdammten Job zu erledigen. Wenn ich hingegen Frontal-Unterricht in ein frontal (also von vorne) moderiertes Unterrichtsgespräch verwandeln will, dann muss ich mir als Lehrkraft zuvor die Mühe gemacht haben, den Unterrichtsgegenstand a) selbst durchdrungen und b) zur Präsentation in handhabbare Häppchen zerlegt zu haben, was c) idealerweise den Einsatz verschiedener Unterrichtstechniken beinhaltet und mögliche Interaktionspunkte für die Schüler:innen aktiviert. Ob dann irgendjemand das Symbol mit der Queste auch ernst nimmt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber eigentlich findet sich immer jemand, der den Köder schluckt… Und so werde ich meinen Frontal-Unterricht für nächste Woche wieder auf eine Art aufzubereiten versuchen, die Komplexes verständlich machen soll. Die Schüler:innen haben es nämlich verdient. Wir hören uns.

Stuck in the middle N°7 – about teaching…

In der Erwachsenenbildung machen wir dann und wann Feedbackrunden. Zumeist am Ende eines Kurses oder einer Kurswoche. Oft ist das eine Angelegenheit, auf welche die Leute wenig Lust haben, weil es Freitag ist, oder schon spät am Tag, oder einfach, weil eh immer alle das Gleiche sagen: wenn sich dann doch mal eine:r gefunden hat, um ein paar Dinge anzusprechen, hört man vom Rest der Gruppe oft nur noch ein “Ich schließe mich dem Vorredner an!”, weil es einfacher, zeitsparender und weniger schmerzhaft ist, als eigene Gedanken öffentlich zu äußern. Ich finde das schade, denn man vergibt damit allzu oft die Chance, das Erlebte noch gemeinsam zu reflektieren. Es ist mitnichten so, dass es dabei immer tiefgründige Denkgebäude zu ergründen gilt. Aber an einer Feedbackrunde aktiv teilzunehmen, zeigt mir als Lehrer zumindest, dass die Menschen im Raum die letzte Zeit über nicht vollkommen braindead umher gesessen haben. Und das ist ja auch schon mal ein Wert an sich. Allerdings muss man dann auch akzeptieren, kritisiert zu werden. Was allerdings nur recht selten passiert, weil man ja a) keine Diskussion provozieren möchte, welche die Veranstaltung in die Länge ziehen (siehe oben) und b) einander unter zivilisierten Menschen angeblich üblicherweise nicht allzusehr weh tun soll. Nett… aber auch nutzlos.

Nun hatte ich da jemanden sitzen, der mir sagte, er hätte den Eindruck gewonnen, dass sich einige Teile ohne großen Nutzen für die Teilnehmer:innen gezogen hätten; so ein bisschen, als wenn ich Zeitlücken hätte füllen wollen. Interessante Wahrnehmung, die evtl. damit korrelieren könnte, dass ich nicht so viel Zeit zur Unterrichtsvorbereitung hatte, wie ich mir das wünschen würde. Und dass auch mein Zeitmanagement im Lehrsaal NICHT immer über jeden Zweifel erhaben ist. Ich fand’s gut, dass die Person das angesprochen hat, denn natürlich stößt das für mich Denkprozesse an, wie es zukünftig besser werden und sich flüssiger und nützlicher anfühlen könnte. Ich verwies darauf, dass so ein Curriculum auch oft ein “work in progress” ist, weil man als Fachlehrer auf bestimmte Entwicklungen im Fach, in der Technik und in der Gesellschaft angemessen reagieren können möchte. Leider werden mir solche Dinge zu selten mitgeteilt; und wenn dir niemand sagt, dass es ein bisschen Scheiße war, gehst du im Sinne des Erhalts deiner Selbstwirksamkeit natürlich davon aus, dass alles crèmig gelaufen ist, wie Sahne auf die Torte… doch wir machen alle Fehler. Vielleicht sind es aber auch noch nicht einmal Fehler im klassischen Sinne, sondern einfach nur konfligierende Zielvorstellungen der verschiedenen Beteiligten. Lehrpersonen haben eine andere Vorstellung von der Beschaffenheit eines Unterrichtsgegegnstandes, als die Teilnehmenden. Das ist ein Naturgesetz, insbesondere dann, wenn die Lehrperson, dem Goethe’schen Diktum folgend – hoffentlich viel – mehr Ahnung vom Lerngegenstand hat, als die Teilnehmenden. Welche Teile dieses Wissensvorsprunges zum spezifischen Thema einer Stunde werden, hängt von vielen Kontextfaktoren ab. Und oft müssen wir uns als Lehrende dabei an den Notwendigkeiten des Curriculums orientieren und nicht so sehr an den Wünschen, Ideen, Vorstellungen der Teilnehmenden. Auch das ist ein Naturgesetz…

Ich nehme meine pädagogische Arbeit im Lehrsaal sehr ernst. Sie macht zwar nur einen Teil meines gesamten Arbeitsportfolios aus, weil ich den Laden leiten muss. Trotzdem habe ich einen Qualitätsanspruch, der jedoch – öfter als es mir lieb ist – unter den Anforderungen mancher anderer Aufgaben leiden muss. Es ist ein ständiges Ausbalancieren, wenn man mehreren Herren dienen muss. Es gibt allerdings ein paar Dinge, für die ich immer die Zeit finde: ich versuche einerseits stets, MEINE Gedanken zum Thema griffig zu visualisieren (ist eine Frage der Übung und der Ressourcen), andererseits aber auch den Gedanken der Teilnehmenden ausreichenden Raum zu verschaffen. Letztlich bin ich in der Erwachsenen-Bildung der Spiegel, an welchem die anderen Menschen im Lehrsaal ihre Selbstreflexion initiieren können, der Sparringspartner für deren Ideen, die Leitplanke am Abgrund der Verwirrung und der Animateur, der sie von der Couch in der Komfortzone zu locken versucht – alles in Personalunion. Und ich tue es gerne. Aber all das kostet Kraft. Wenn ich nach einem Tag im Lehrsaal, selbst mit einem überschaubar großen Kurs nach Hause komme, brauche ich zunächst etwas Zeit für mich allein, weil das alles – die Konzentration auf mein Gegenüber, die Schlagfertigkeit im Diskurs, die notwendige Aktivierung tiefen Fachwissens, das Aushalten von Ambivalenz und die ständige parallele Beschäftigung mit meinen sonstigen Aufgaben – meine Batterien dermaßen lehren, dass ich Abends erstmal eine Weile brauche, bis ich wieder normal funktioniere.

Dennoch mag ich jene Aspekte meines Berufes, in denen ich gestalterisch tätig werden, Menschen im positiven Sinne formen und von meinen Fähigkeiten wie auch Erfahrungen profitieren lassen kann. Die Erbsenzählerei und die ständige Sorge um Ressourcen gehen mir kontinental auf den Sack, aber der Lehrsaal – bei allem, was mir heilig ist, ich bin für diesen Scheiß anscheinend einfach gemacht! Über die Kritik des Teilnehmers muss ich noch ein bisschen nachdenken, denn mit methodischem Aktionismus um der Buntheit Willen ist es natürlich nicht getan, wenn es sich das nächste Mal noch runder anfühlen soll. Allerdings – und dass hat etwas mit Erfahrung zu tun – habe ich im Lauf der Zeit schon einige Unterrichtsentwürfe in die Tonne getreten, weil sie einfach nicht richtig funktioniert haben. Im Lehrsaal ist es manchmal wie in der Küche: man muss für das gleiche Gericht mal ein anderes Rezept versuchen. Und manchmal ist es wie in der Disco – du musst den Sound neu abmischen, damit alle in den Flow kommen können. Allerdings fröne ich jetzt erst Mal der wochenendlichen Batterieaufladung, bevor ich mich mit derlei Fragen befasse. Bis zum nächsten Mal…

Auch als Podcast…