Das große Staunen N°5 – ergibt das Sinn…?

Ich hänge gerade hart auf Sinnkrise fest! Ich kenn das ja von mir, wenn mal wieder die Depression reinkickt und mich auf Tour in den emotionalen Marianengraben schickt. Wobei diese Formulierung vielleicht das falsche Bild vermittelt. Ich bin dann nicht zu Tode betrübt und könnte den ganzen Tag heulen. Ich bin auch nicht katatonisch wie manch Andere. Nein, ich fühle dann genau NICHTS. Gar nichts. Weder die schönen noch die schlimmen Dinge. Ich kann zwar funktionieren, halt im Rahmen definierter Parameter, nehme wahr, was rings um mich rum passiert, kann mit anderen Menschen interargieren und sogar einordnen, dass das alles nicht gut ist. Alles rational einordnen! Ich bin also empathisch. Aber fühlen? Nein, fühlen kann ich nichts. Dieses Mal ist es etwas anders, was daran liegen könnte, dass sehr unterschiedliche Stressoren zusammenkommen, die allerdings eine sehr diffuse Gemengelage erzeugen, die mit meinen üblichen Methoden abzuarbeiten nicht funktionieren kann; das ist jetzt schon sicher. Und das macht micht kribbelig. Unter anderem auch, weil meine Ambivalenz- und Ambiguitätstoleranz gerade komplett aufgebraucht sind. Ich stehe also im emotionalen Sinne nackt bis auf die Unterhose aufrecht in einem Sandsturm, der mich langsam aber sicher bis auf die Knochen wegschmirgelt…

Sinn ist ja gerade so ein Buzzword. All diejenigen, die nicht gerade bei Instatokfluenzer-Oberselbstproduzierern zwischen Yoga und Chai Latte nach „Purpose“-Rezepten suchen, sich einen Ratgeber nach dem anderen kaufen, oder jedem nutzlosen Trend hinterher rennen, der gerade als Sau durchs mediale Dorf getrieben wird, landen irgendwann fast zwangsläufig bei älteren Ideen zum Thema Sinn – und damit bei den „echten“ Philosophen, die sich seit der griechischen Klassik mit der Thematik auseinandersetzen. Und wenn man dann schließlich bei Sartre gelandet ist – „Existenzialismus“ klingt ja schon irgendwie nach Lebenssinn – der sagte „Frei sein heißt zum Freisein verurteilt sein“, wird klar, dass man sich seinen Sinn nur selbst suchen kann. Und man kann ihn nicht einfach so herstellen. Er kann nur emergieren – also erkennbar hervortreten – aus dem, was wir tun oder lassen; denn allzu viele Dinge, die wir tun (können), tragen die Option auf Sinn in sich, die sich jedoch nicht zwingend realisieren muss. Daher sind wir Menschen mit dieser Freiheit zu wählen nicht selten überfordert. Das beginnt bei Konsumartikeln, zieht sich über unsere Studien- oder Berufswahl hin zur Partnersuche und schließlich der Schaffung eines „Nestes“. Immer und überall sind wir vor die Wahl gestellt und haben doch nur unzureichende Werkzeuge, diese zu treffen.

Üblicherweise, wenn ich vor solchen Widrigkeiten stehe, wie gerade jetzt, flüchte ich mich ins Geschichtenerzählen. Aber auch diese Option ist mir derzeit verbaut, weil ich etwas abliefern muss, dass zwar auch mit dem Geschichtenerzählen zu tun hat, jedoch in einem professionellen, nicht in einem Freizeitkontext. Und da ist die Verpflichtungs-Intensität halt eine ganz andere, als wenn ich mich an den Spieltisch setze und mit meinen Pen’n’Paper-Homies ein paar nette Stunden habe. Oder anders formuliert: das Scheißding muss bis Ende September abgeliefert sein, oder sonst... Und genau jetzt fühlt sich meine Arbeit daran so an, als wenn ich Alice hinterher rennen würde, immer tiefer und tiefer in diesen Kaninchenbau aus verschiedensten An- und Einsichten zum Storytelling aus Didaktik, Medientheotie, Psychologie, Pädagogik, Soziologie. Ich weiß so unglaublich viel und doch lange noch nicht genug! Ich renne und renne metaphorisch und komme doch nicht ans Ziel! „Running around in circles is a good way to get nowhere fast!“ Herr Doktor, auch ohne Couch glaube ich, dass ich verdammt dringend eine Pause brauche. Holt mich hier raus, ich bin ein Lehrer. Verdammte Axt.

Das irritierende an dem Ganzen ist, dass all die Dinge zusammengenommen tatsächlich Sinn ergeben. Meine konzeptionellen Ideen funktionieren; ich bin allerdings gerade im Begriff, mich atomar zu verzetteln, weil ich an einigen Stellen aus dem Staunen nicht mehr herauskomme. Und wenn du die ganze Zeit staunst, bzw. von Ideen so fasziniert bist, dass du aus reinem Interesse weiterlesen möchtest, dann schreibst du halt nicht. Und schon ist die reservierte Arbeitszeit kaputtgestaunt. Ob’s dieses Wort gibt, „kaputtgestaunt“? Na ja, falls das bisher nicht der Fall ist, gefalle ich mir darin, die längst fällige Hommage an Shakespear hier fallen zu lassen; dem fielen auf alle Fälle auch immer neue Worte ein (Haha – Wortspiel. Ich hoffe, Heinz Ehrhard rotiert nicht zu sehr in seinem Grabe…) Zumindest eines kann ich mit Sicherheit sagen: wie’s auch ausgeht, gelernt habe ich durch diese Arbeit gewiss etwas. Und das sogar nachhaltig. Jetzt muss sie nur noch bis zum Termin fertig werden. Wenn da nur nicht noch die ganzen anderen Anfechtungen wären, die einem den Tag versauen. Doch dazu ein anderes Mal mehr. Einstweilen versuche ich nicht vollkommen aus der Rolle zu fallen – bleibt sauber und gestattet euch auch, zu staunen. Es gibt jeden Tag einen Grund dazu. Man muss nur offen bleiben…!

Auch als Podcast…

Gut gemeint…

Alles in allem geht man so seinem Tagwerk namens „Leben“ nach und versucht, die Dinge im Fluss und den Kopf über Wasser zu halten. Manchmal gelingt das besser, manchmal weniger gut; was kein Problem darstellt, solange man dabei nicht bewusst nennenswerten Schaden anrichtet. Im Großen und Ganzen ist das der Gang der Dinge. Außer, man trägt für irgendetwas Verantwortung – dann passiert der Schaden in dem Moment, da man die Verantwortung übernimmt. Meine beste Ehefrau von allen sagte die Tage zu mir, dass sie das hat kommen sehen, seit ich für etwas Verantwortung übernommen habe: nämlich dass ich, solange ich nicht mein echter eigener Boss wäre, immer unglücklich bliebe, weil ich zwangsläufig von anderen, weiter oben in der Hierarchie ins Handwerk gepfuscht bekäme. Und wisst ihr was – sie hat verdammt recht. Man muss dazu allerdings etwas differenzieren. Ich habe kein Problem damit, mir von meinen Teammitgliedern etwas sagen zu lassen, solange es dem Gesamtergebnis dient. Unser angestrebtes Gesamtergebnis ist übrigens, qualitativ hochwertige Aus- und Fortbildung anzubieten, uns als Pädagogen und Menschen weiter zu entwickeln und dabei wirtschaftlich verantwortungsvoll zu handeln. Der zweite Passus bedeutet allerdings nicht „Gewinnerzielungsabsicht“, sondern „Kostendeckung“. Und damit kommen wir zu dem Punkt, an dem ich fuchsig werden muss. „Man muss doch auf dem Markt mit dieser Dienstleistung richtig Geld verdienen können! Mindestens soundsoviel Prozent Bruttoumsatzrendite müssen es schon sein…!“ NÖ, MUSS MAN NICHT! Man MUSS endlich verstehen, dass der Homo Oeconomicus eine Schimäre ist, und dass eine Organisationskultur, die den Namen auch verdient, auf Transparenz, Vertrauen, Wertschätzung und gegenseitigem Respekt aufbaut – IN BEIDE RICHTUNGEN.

Barrieren…

Ich meine es meistens gut mit den Menschen, auch wenn ich die meisten von ihnen zu hassen behaupte. An schlechten Tagen ist die Behauptung wahr, an guten… nicht so ganz. Einer meiner Chefs meint manchmal sogar, ich meine es zu gut mit den Menschen. Ich sei vielleicht gelegentlich zu weich. Kann sein. Doch in einer Welt, in der es offenkundig Usus geworden ist, Menschen vor allem nach ihrer geschäftlichen Nützlichkeit, ihrer Produktivität und ihrer Anpassbarkeit an betriebliche Notwendigkeiten zu beurteilen, verweigere ich mich dieser kapitalistischen Verzweckung des Menschen. Auch, wenn immer wieder gerne behauptet wird, dass Unternehmenshandeln sich am Besten der Angestellten und Kunden orientieren würde, kommt mir der Mensch mit seinen Interessen, Bedürfnissen, Begrenzungen und Sorgen zu kurz. Als Pädagoge ist ein nicht unerheblicher Teil meiner Zeit darauf verwandt, an Einstellungen zu arbeiten. Mindsets wachsen zu lassen, indem man die Menschen dazu bringt, ihre eigenen Überzeugungen zu hinterfragen – die bewussten und die unbewussten. Und die ganze Zeit über beschäftigt man sich dabei notwendigerweise mit seiner eigenen Begrenztheit. Ich habe in den letzten Tagen erfahren müssen, dass ich an meinen Grenzen angekommen, evtl. sogar darüber hinaus gegangen bin. Und stehe dennoch hier und kann nicht anders, als weiterzumachen. Weil ich es gut meine. Gut mit den anderen Menschen, ihren Interessen, Bedürfnissen, Begrenzungen und Sorgen. Nur meine eigenen, die habe ich wohl aus dem Blick verloren…

Ich bin im Job auf Probleme gestoßen, die zum Teil meinem Gutmeinen geschuldet sind. Diese Kritik nehme ich an; weil mir bewusst geworden ist, dass ich da zu lax gehandelt, zu sehr auf den Respekt und die Verlässlichkeit Anderer vertraut habe. DEN Fehler mache ich nicht noch einmal. Zu einem anderen Teil sind diese Probleme aber auch den tauben Ohren jener Anderen geschuldet, welche sich die Welt nun machen Widdewiddewie sie ihnen gefällt. Und DIE nehmen ihre Kritik NICHT an. Und das schaue ich mir höchstens noch ein paar Monate an. Wenn sich bis dahin kein Verstehen und kein Respekt für meine Posoitionen abzeichnet, bin ich weg! Denn die haben geschafft, dass mir mein Commitment und meine Arbeit der letzten Jahre nutzlos vorkommen! Dass ich kein Land mehr sehe! Dass ich an mir und meiner Qualität zweifle! Danke für nichts! Dafür wird immer schön eine Schippe Arbeit nach der anderen nachgelegt. Mehr Verantwortung gefordert. Mehr Leistung. Mehr Umsatz. Doch entschädigt das Schmerzensgeld, welches ich derzeit beziehe, wirklich für all das? Dafür, dehumanisiert und funktionalisiert zu werden? Nicht mehr als der Mensch wahrgenommen zu werden, der man eigentlich ist – nicht mal von sich selbst…? Ich mochte meinen Job – bis nur auf Zahlen fixierte Narren ihn mir wegnehmen und durch einen riesigen Haufen Kapitalistenscheiße ersetzen wollten. Aber noch bin ich nicht fertig. Mal sehen, wie’s ausgeht. Ab jetzt muss ich es mit mir selbst gut meinen. Mein einziges Ziel dabei ist, auch in Zukunft erhobenen Hauptes in den Spiegel sehen und sagen zu können: „Meine Ideale kann NIEMAND kaufen! No pasarán!“

Das große Staunen N°4 – stur lächeln und winken!

Als wenn ich’s nicht gewusst hätte! Die letzten zwei Wochen sind an mir vorbei galoppiert wie’n Eichhörnchen auf Koks. Natürlich sagt man sich immer, dass man nach dem Urlaub erst mal langsam reinmäandern möchte, aber das ist eigentlich nicht mein Ding. Ich hasse es abgrundtief, wenn Dinge zu lange unerledigt rumliegen; und das ist nach zwei Wochen Absenz halt automatisch der Fall. Und musste mich dennoch dieser Tage schelten lassen, weil etwas so lange liegen geblieben ist, dass dies gewisse Probleme verursacht hat. Aufmerksamkeit ist schon eine merkwürdige Angelegenheit. Einerseits sind wir mit etwas Übung in der Lage, unfassbare viele kleine Dinge im Nahbereich beinahe gleichzeitig zu registrieren. Aber das große Ganze, oder auch ein Prozess, der nicht direkt vor unserer Nase liegt? Pfffft… aus den Augen, aus dem Sinn! Das ist wohl einer der Gründe, warum so viele Menschen nicht verstehen, dass auch ihr – zugegeben oft sehr kleiner – Beitrag zum Klimaschutz einen Wert hätte, wenn sie denn bereit wären, diesen zu leisten. Oder das Wählen gehen nicht nur ein demokratisches Recht ist, sondern gleichsam auch eine Pflicht, die Demokratie durch Legitimation zu stärken. Auch, wenn man nicht immer der gleichen Meinung sein mag, wie der schlussendliche Gewinner.

Gorges de Galamus

Ich versuche derzeit, meine Aufmerksamkeit so nah wie möglich bei den Dingen zu lassen, die MIR persönlich wichtig sind, weil sie mein Leben berühren; gleich, ob das jetzt primär meine Familie, meine Freunde, meine Studien oder meine Arbeit betrifft. Vorhin versuchte ich, etwas zu lesen, dass mir wichtig ist und für meine Studien hilfreich sein wird. Allerdings war ich so blöd, diesen Versuch auf meinem Handtuch, im Schatten eines Baumes an den Gestaden unseres bevorzugten Badesees zu unternehmen. An einem Samstagmittag im Frühsommer ist es da ja auch menschenler und total beschaulich, nicht wahr…? Kurz gesagt, nach fünf Minuten habe ich das Buch entnervt wieder weggelegt, weil die immer wieder zwischen Englisch und Deutsch wechselnde Konversation mehrerer Hardcore-Gamer in der Nähe mich brutal abgelenkt hat; wofür die natürlich nichts konnten, sie suchten ja auch nur Erfrischung im Grünen. Ich stelle einmal mehr fest, dass ich für bestimmte Tätigkeiten meine Solitude brauche. Das fickt mich auch immer wieder während der Arbeit. Ich sitze in meinem Büro und versuche mich gerade tief in einen Kaninchenbau hineinzudenken, auf der Suche nach einer Alice der Erwachsenenbildung – und alle verdammten fünf Minuten gibt’s irgendeine Ablenkung. So sehr ich die meisten meiner Kollegen:innen auch schätze und mag – ICH kann so NICHT arbeiten! Zumindest nicht an Projekten, die nach Hirnschmalz verlangen.

Der Input, den ich in meinem Job als Schulleiter abarbeiten muss, erfordert ein schnelles Hin- und Herfokussieren incl. Scharfstellen nach Auffinden der richtigen Brennweite, analog zum Gebrauch eines guten Reisezooms (in meinem Fall: M. Zuiko Digital ED 12-100mm F4 IS Pro). Das Problem ist, dass ich dabei – im Gegensatz zu meinen Knips-Sessions – nicht immer selbst darüber bestimme, wie viel Zeit ich mir für ein bestimmtes Motiv nehmen kann, weil es viele Stakeholder gibt, deren interessen ich im Blick behalten muss. Ist ein bisschen wie Jonglieren mit Fackeln, worin ich definitiv viel weniger geübt bin, als im Fotografieren. Daraus folgt, dass mein Job eine gewisse Fehleranfälligkeit bekommt, je mehr Prozesse unterschiedlicher Natur und Geschwindigkeit gleichzeitig am Laufen sind. Manche Menschen akzeptieren das als Entschuldigung, wenn mal was verrutscht ist, andere nicht, weil in der Geschäftswelt am Ende eines Quartals / Jahres nur das Ergebnis unter dem Strich zählt. Und ich verstehe das selbstverständlich, nehme ich meine Gesamt-Verantwortung doch durchaus ernst. Ich werde jetzt nicht behaupten, dass mich das nicht belasten würde; tatsächlich ist für mich persönlich meine erste und wichtigste Mission, sach- und fachadäquate pädagogische Qualität an die SuS / TN zu bekommen! Und ich höre in letzter Zeit immer wieder, dass es so, wie wir das täten zu teuer würde. Die ursprünglich ausgelobte Mission war jedoch eine andere. Die Parameter haben sich mittlerweile aber geändert, weil ambitionierte Projekte entwickelt werden. Geld wächst aber nicht auf Bäumen und Preise kann man genauso wenig beliebig erhöhen, wie SuS / TN-Zahlen. Das will man aber an gewissen Stellen nicht hören.

Ich will wieder dahin!

Wir bleiben nach wie vor, auch wenn das auf den ersten Blick anders wirken mag, beim Thema Aufmerksamkeit: wenn ich irgendwas anschaue, dann gibt es immer bestimmte Qualitäten eines betrachteten Objektes, die verschiedenen Betrachtern unterschiedlich stark augenfällig werden: meine beste Ehefrau von allen ist Goldschmiedin. Sie macht Dinge von erlesener Kunstfertigkeit, die nicht unbedingt zum Alltagsbedarf gehören. Nähere ich mich einem solchen Objekt, kann ich entweder die handwerkliche Arbeit und Expertise bewundern, die hineingeflossen sind, mich fragen, ob dieses Stück zu mir passen würde – oder ich hänge mich am Preisschild auf und fange an rumzunölen, dass das ja viel zu teuer sei. Das Material würde doch nur soundsoviel kosten. Die Gegenfrage ist dann immer, ob man, wenn man ein Auto bräuchte auch nur bereit wäre, die Materialien zu bezahlen, nicht jedoch das ganze Handwerk, welches sich in einem so komplizierten technischen Gerät realisiert. Viele Leute verstehen die Frage nicht, weil es ihnen vielleicht nicht an finanzieller Expertise gebricht – wohl aber an dem angemessenem Respekt für die Komplexität und das Know-How, welche es für die fragliche Leistung braucht. Wer Analogien zu meiner Tätigkeit findet, darf gerne darüber nachdenken.

Ganz ehrlich – ich hatte heute mit einem alten Freund eine kurze Konversation via Chat, die sich um die Frage drehte, ob ich nicht kürzer treten könnte. Mein Antwort war, dass das genau JETZT nicht der Fall sei, weil ich eben für bestimmte Dinge eine Verpflichtung habe, die ich erfüllen will, das Licht am Ende des Tunnels jedoch vom Jahresende aus schon langsam sichtbar wird. Und ich empfinde die eben erwähnte Verpflichtung – dies sei in aller Deutlichkeit gesagt – zuvorderst für meine Kollegen:innen und die uns anvertrauten SuS; nicht jedoch zwingend für meinen Arbeitgeber. DER muss sich langsam aber sicher genau überlegen, ob der eingeschlagene Kurs wirklich so gesund ist, wie man sich das derzeit einredet! Meine Antwort darauf ist mittlerweile leider ein klares „NEIN“! Und ich bin mittlerweile müde, dies durch die Blume zu sagen, um dabei, wie die Pinguine aus Madagaskar, stur zu lächeln und zu winken. Skipper kann mir mal den Buckel runter rutschen. Ich wünsche euch dennoch ein schönes Wochenende und viel Spaß bei dem guten Wetter. Genießen wir es, so lange es noch geht.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°47 – Der DEMOTIVATOR!

Klingt das Wort da oben etwa ein bisschen wie der DEMENTOR aus Harry Potter? Na ja, die Ähnlichkeit ist vielleicht gewollt. Als Lehrer in einer Berufsfachschule stehe ich nicht selten vor dem Problem, junge Menschen zum Lernen motivieren zu müssen. Man geht ja immer naiv davon aus, dass die alle im Unterricht nicht nur physisch, sondern auch psychisch präsent sind, weil sie sich ja freiwillig für diese Berufsausbildung entschieden haben. PUSTEKUCHEN. Geht man dann nämlich durch die Reihen, stellt man durchaus fest, dass da nebenher ganz andere Dinge eine Rolle spielen. Vielleicht, weil nicht jedes Thema jeden Menschen gleich stark interessiert. Was zunächst vollkommen legitim ist. Allerdings ist das ALLERMEISTE davon am Ende prüfungsrelevant. Aber das geht ihnen erst so ca. vier Monate vor Schluss auf – und dann gehen ihnen noch ganz andere Dinge; z. B. die Düse, oder der Arsch auf Grundeis. Fakt ist, dass man nicht JEDE:N zu ALLEM gleich gut motivieren kann. Aber zumindest kann man versuchen, Interesse zu erzeugen, denn Interesse hilft bei der intrinsischen Motivation (vgl. hierzu Krapp 1999, S. 400 ff).

End of the road…

Man könnte im Umkehrschluss sagen, dass schlechtes Unterrichtsdesign, vor allem aber auch schlechtes Aufgabendesign die Motivation der Schüler:innen vernichten, oder anders gespochen absaugen kann, so wie ein Dementor seinem Opfer alle Emotionen und Affekte absaugt und es psychisch verkrüppelt zurücklässt. Nun führt ein, oder auch mehrere nicht optimal gelaufene Unterrichte mitnichten dazu, Schüler:innen psychisch zu verkrüppeln. Wohl aber kann es mit der Zeit zu einer insgesamt sinkenden lernmotivation führen, die zu schlechteren Leistungen führt (wir müssen halt taxonomieren, also Noten geben), was widerum zu einer sinkenden Lernmotivation führt, was… der Teufelskreislauf ist leicht zu erkennen, wenn man denn möchte. Eines der großen Probleme hierbei ist, dass selbst bei hinreichend guter, ausgewogener, methodenpluralistischer Vorbereitung durch Pädagogen, wie bereits oben erwähnt, nicht alle Menschen auf die gleiche Weise zu packen sind. Nun haben junge Erwachsene zwar noch keine voll ausgereifte Selbstkontrolle, sind aber schon ein Stück des Weges gegangen; weshalb man die zumeist irgendwie auf die Spur bekommt. Bei Grundschulkindern ist dies jedoch NOCH nicht der Fall.

Ich bin nicht nur Pädagoge, sondern auch Vater. Und meine kleinere Tochter ist, wenngleich ein kluges, wortgewandtes, sportliches Kind auch ein ziemlicher Sturkopf – und unter dem ganzen Bohei, den sie verzapfen kann ein eher sensibler Mensch. Nun ist es so, dass die Grundschule hier in Deutschland nachweislich darauf angelegt ist, die Kinder zu normieren, in Schubladen zu packen und zur passenden pädagogischen Weiterbearbeitung an die „richtige“ Folgeschulform zu verweisen. Ich meine das nicht böse. Es gibt gewiss jede Menge Pädagogen:innen da draußen, die ihr Bestes geben, ihren Schülern:innen Spaß am Lernen zu vermitteln; aber das primäre und sekundäre Schulwesen in Deutschland sind – Marktwirtschaft sei Dank – darauf ausgerichtet, möglichst viele, möglichst reibungslos in den Arbeitsmarkt integrierbare Humanressourcen zu dressieren! Und nicht wenige Pauker:innen haben eben dies so sehr verinnerlicht, dass sie die Notwendigkeiten dieses „Dressierens“ bis zum bitteren Ende durchdeklinieren! Mit der Folge, dass Kinder wie meine kleinere Tochter an der Schule verzweifeln. Denn sie LÄSST SICH NICHT EINPASSEN!

Ja, da müsste ich in meiner Funktion als Lehrer und Leiter einer Berufsfachschule doch Jubeln – da kommen doch lauter super beschulbare Drohnen zu mir, oder? NÖ! Da kommen nicht selten Menschen, denen man das Lernen Wollen von Grund auf verleidet hat und denen, in der Folge, meine Kollegen und ich mit Mühe wieder beibringen müssen, für sich selbst und seine Ziele Eigenverantwortung zu übernehmen (ich verweise hier auf das Thema „Metakognitive Strategien“ stärken, über welches ich im letzten Post dieser Serie gesprochen hatte). Schaue ich nun auf meine kleine Tochter, könnte ich im Strahl kotzen, wenn ich z.B. höre, dass sie ein Referat mit einem frei wählbaren Thema halten darf/soll, allerdings erst im Nachhinein sehr spezielle Formatvorgaben gemacht werden und dann bemängelt wird, dass die Kinder sich nicht an diese Vorgaben gehalten hätten. Also ich sage mal, wie man das bei uns macht: für selbstorganisierte Arbeitsaufträge gibt es auch bei jungen Erwachsenen Vorgaben hinsichtlich Quellen, Zeitansätzen, Meilensteinen und Formaten, die zuvor transparent kommuniziert werden. Innerhalb dieser Vorgaben ist jedoch eine Menge Kreativiät möglich – und wünschenswert. Andernfalls bekomme ich nämlich keine Eigenleistung, sondern irgendwas – was bei einer 10jährigen dann vermutlich auch noch eine Menge Starthilfe von den Eltern benötigt, weil ein Kind in dem Alter in aller Regel noch nicht auf der formal-operationalen Stufe der kognitiven Entwicklung angekommen ist, die es aber braucht, um komplexe Zusammenhänge erfassen und darstellen zu können. Insbesondere, wenn man auch noch erraten muss, was der/die Pädagoge:in denn nun sehen möchte, oder auch nicht! Befasst man sich heutzutage in der Pädagogen:innen-Ausbildung nicht mehr mit Piaget, Erikson, Kohlberg…?

Ich las neulich Bob Blumes Buch „10 Dinge, die ich an der Schule hasse […]“ und ich musste leider bei sehr vielen Absätzen nicken und hatte dabei den schulischen Werdegang beider Kinder, vor allem aber den meiner jüngeren Tochter vor Augen. Mit deviantem Verhalten und originellen Denk- und Argumentationsstrukturen (ich habe beide Kinder vom frühest möglichen Zeitpunkt an mit Ironie gegängelt, damit sie mir jetzt ordentlich Kontra geben können – Gott wie ich das hasse, wenn ein Plan funktioniert…) können eine Menge Lehrkräfte offenkundig schlicht NICHT umgehen. Und nutzen daher ihre „Machtposition“, um das Kind zu disziplinieren. Und die Eltern am Besten gleich mit, damit die das Kind auch schön in Form pressen helfen. Bei uns funktioniert das nicht. Und ich gebe ehrlich zu, dass ich manchmal einfach nur nicke wie der Wackeldackel, mir mein Teil denke und tue, was ICH für richtig halte! Denn am Ende müssen das Kind selbst und ICH es den Rest meines Lebens miteinander aushalten – nicht die Pädagogen:innen, die es gerade mit Ansage verbocken! Daher ist mir deren Meinung – auch weil ich selbst Pädagoge bin – herzlich gleichgültig. In ein paar Wochen ist dieses Kapitel eh rum, dann kommt meine Kleine in die Sekundarstufe. Was dann passiert, wird sich weisen. Aber noch mal ganz ehrlich: am Ende fragt keine Sau mehr nach den Noten der 7., 8., 9. Klasse! Der Mensch, der dabei am Ende rauskommt soll eigenständig denken und lernen, kritisch sein, für sich selbst einstehen und trotzdem Spaß am Leben haben können! Dann haben wir als Eltern nicht alles falsch gemacht! In diesem Sinne – Urlaub rum, morgen ruft die Arbeit. Drauf geschissen. Euch ’ne schöne Woche!

  • Krapp, A. (1999): Intrinsische Lernmotivation und Interesse. Forschungsansätze und konzeptuelle Überlegungen. Zeitschrift für Pädagogik45(3), 387-406.
  • Blume, B. (2022): 10 Dinge, die ich an der Schule hasse und wie wir sie ändern können. München: Mosaik Verlag.
Auch als Podcast…

Das große Staunen N°3 – AI anybody…?

Es ist für mich ein wenig komisch, wenn ein Blogpost nicht komplett in einem Rutsch geschrieben wird, weil ich meine Gedanken nämlich oft „hot as they come“ erst im Schreibprozess selbst sortiere; dabei Pausen zu machen, führt manchmal zu Verwirrung und Brüchen im Text. Der eine Rutsch war diesmal nicht möglich, weil Teile des Posts in Amsterdam am Flughafen entstanden sind, während ich auf meinen Flieger nach Hause warten durfte. Und dann war ein paar Tage Zwangspause, weil Hektik und Umtriebigkeit am Arbeitsplatz, gepaart mit der Notwendigkeit die Familien-Reise auf den letzten Drücker vorzubereiten, dazu geführt haben, dass das Ganze erst ein paar Tage später in Südfrankreich zu einer Konklusion kommen konnte. Aber ich will ehrlich sein – diese Gedanken haben sich schon über einen längeren Zeitraum entwickelt; und erst der Besuch einer Veranstaltung mit vielen anderen Spezialisten aus dem Feld hat dann eine Art Initialzündung in meinem Kopf bewirkt, die ich irgendwie zu fassen versuchen musste, bevor der „Spirit of thoses days“ verdampft gewesen wäre. Dieses Mal führte der beschriebene Prozess dazu, dass ich mich mit Abstand nochmal mit den Gedanken auseinandersetzen musste – und ich kam zu dem Ergebnis, dass das Geschriebene für mich immer noch passt. Also geht’s jetzt los!

„…über den Wolken…“

Es ist, wie ich denke, momentan ein Allgemeinplatz, dass AI oder Artificial Intelligence der neue heiße Scheiß ist; und zwar egal wen und egal wo man fragt. Es gibt keinen Bereich, in dem man der Thematik entgeht. Ich arbeite ja im Bereich Rettungsdienst /Rettungsdienst-Ausbildung und auch für uns ist die AI-unterstützte Evaluation der vielen Daten, welche wir im Laufe eines Jahres produzieren von erheblichem Interesse. Sie kommen aus den Geräten, die bei der Diagnostik und Behandlung der Patienten genutzt werden sowie der kumulierten Anamnese der Patienten; und sie müssen erhoben werden, weil wir zur sauberen Dokumentation unserer Befunderhebung und Behandlung gesetzlich verpflichtet sind. Und sie könnten Mehrfachnutzen haben. Einerseits, weil Evidenz-basierte Medizin Evidenz braucht. Ohne epidemiologische Daten kann man nämlich nur sehr schwer herausfinden, ob die gegenwärtig installierten Prozeduren tatsächlich tun, was sie sollen – also in unserem Fall den Patienten wirklich helfen, oder ob wir’s nur so machen, weil man’s halt schon länger (immer) so macht. Manchmal habe ich nämlich den (höchst unangenehmen) Eindruck, dass verschiedene Protagonisten gar nicht so sehr daran interessiert sind, weil eine Änderung der Prozeduren sie notwendigerweise aus ihrer Komfortzone prügeln würde. Und die Bereitschaft zum Wandel war schon immer ein Problem. Nicht nur in meiner Profession…

Andererseits, weil diese Daten verschiedenen Institutionen und Personen im Verlauf einer Behandlung zugänglich gemacht werden müssen, um einen allzeit der Patientensicherheit förderlichen Wissensstand der Behandler gewährleisten zu können. Und auch da trifft man auf eine Menge Hindernisse, weil viele unterschiedliche Institutionen und Behandler mit höchst unterschiedlicher Tech-Infrastruktur und variierender Expertise in deren Nutzung in eine Patintenversorgung involviert sein können. Sinnvoll wäre mehr und tiefgreifendere Datenanalyse aber auch, weil eine sie Aufschluss darüber geben kann, welche Klientel, denen wir begegnen tatsächlich in ein Krankenhaus gehören – und welche nicht! Und zwar unabhängig davon, ob jemand glaubt, dass seine Convenience durch den Ritt im Pflasterlaster zur Ambulanz verbessert würde, man also tatsächlich annimmt, schneller dranzukommen, weil Blaulichtauto. Das ist nämlich eine Legende! Wie wir allerdings dahin kommen – also, ob wir uns darauf verlassen können, dass die Industrie und ihre Vertreter im Rahmen ihres Profit-Interesses jene Lösungen liefern können und wollen, die uns wirklich helfen, oder ob wir doch besser selbst zu Entwicklern unserer Arbeitsumgebung werden sollten – steht derzeit noch nicht fest. Nur eines ist sicher: alles bleibt anders. Oder besser: ALLES MUSS ANDERS BLEIBEN! Andernfalls fährt unser Gesundheitswesen mit Wucht an die Wand. Und das nicht nur in Deutschland.

Da aber aus meiner Sicht der Ruf laut werden muss, dass man der Wirtschaft durchaus einen guten Teil der Entwicklung von Produkten überlassen kann, politische Prozesse jedoch von Stakeholdern aus dem Feld moderiert und mit verhandelt werden sollten, gibt es nur den Weg, sich noch mehr selbst Lobby zu werden und alle möglichen Kanäle der Einflussnahme zu sichern. Das wird kein Leichtes sein, aber eines ist sicher: die berufsständischen Vertretungen gegenwärtigen Zuschnittes sind NICHT der Weisheit letzter Schluss, weil sie sich allzu oft in binnenpolitischem Klein-Klein verlieren und Partikularinteressen einzelner Parteien und Personen viel zu viel Raum in Diskussionen bekommen, die eigentlich sozialadäquat, sachorientiert und mit systemischem Blick von Fachleuten ohne Ego-Ambitionen geführt werden sollten. Ich sehe in Deustchland vieles, doch das eben benannte passiert VIEL zu selten! Wer hat Lust, sich mit mir und meinen Ideen auseinanderzusetzen? Ich wünsche euch ein schönes Pfingsfest. Grüße aus Tautavel.

Erwachsen bilden N°46 – unnütz…?

Ich habe am Anfang der Woche in der Klasse eines Kollegen den Unterricht übernommen, und war zuvor gebeten worden, etwas zum Thema „Lernen lernen“ zu machen; ich sollte also dazu beitragen, Metakognition und Lernstrategien der SuS zu stärken. Der Kommentar des Kollegen dazu war, dass ich sowas doch „aus dem Ärmel schütteln könne“. Um hier mit einem Vorurteil aufzuräumen – JA, ich beschäftige mich sehr intensiv mit verschiedensten Aspekten der Pädagogik, verantworte zumeist die Ausbildung der Ausbilder und bin folglich auch mit Lernstrategien, Mnemotechniken und Metakognition vertraut; aber aus dem Ärmel schüttele ich hier gar nichts, weil junge Menschen für so ein Thema abzuholen unfassbar kompliziert ist. So fiel die Reaktion auf meine Antwort, was wir denn nun machen würden am Montagmorgen auch eher verhalten aus. Subjektiv war da das Gefühl spürbar, dass sich damit befassen zu müssen für einige unnütz wäre. Davon darf man sich aber nicht ins Bockshorn jagen lassen. Das liegt einerseits an bereits vorhandenen und sattsam beübten Strategien einiger SuS; andererseits erscheint Lernen lernen zu müssen anderen wohl als zusätzliche Aufgabe. Und zusätzliche Aufgaben werden von vielen SuS nicht als Chance, sondern als Zumutung empfunden.

Ich bleibe dabei: Der Weg ist das Ziel!

Ich zog meinen Plan trotzdem durch! Das klingt jetzt ein bisschen, als hätte ich den ganzen Tag im Frontalunterricht losgelegt, was aber nicht der Fall war. Ich habe am ersten Tag zunächst in einem Impulsvortrag Lernen aus kognitions- und sozialpsychologischer Sicht dargestellt, sie eine Debatte über ein kontroverses Thema vorbereiten, führen und (kurz) selbst debriefen lassen; Dann mussten sie verschiedene Aspekte des Themas in Stufen sammeln, selbst erarbeiten und für das digitale Lerntagebuch darstellen. Am zweiten Tag habe ich dann mal in einer zweiten Präsentation unter die Haube des Lehr-Motors blicken lassen und danach die SuS dazu aufgefordert, kreativ zu werden. Mit gewissem Zeitdruck (nur 3 UE) ein Video entwickeln zu müssen (incl. obligat einzureichender Mind- Concept-Map und Storyboard/Drehbuch als weiteren Handlungs-Produkten) hat die Schüler dazu gebracht, sich dem Thema „Lernen“ auf drei sehr unterschiedliche (und wie ich fand sehr kreative) Arten zu nähern. Und ich bin noch nicht mal um eine Beurteilung sondern lediglich um ein kurzes Feedback gebeten worden. Man kann solche Handlungsprodukte auch nicht im Sinne einer Notengebung beurteilen – weil dies den selbstorganisierten Lernprozess entwerten würde. Ich hatte aber den Eindruck, dass sie einerseits einer Erweiterung ihres eigenen Methodeninventars für das Lernen und anderseits einem besseren Verständnis konstruktivistischer Lerntheorie näher gekommen sind. Mehr kann man realistischerweise kaum erwarten.

Meine Vorbereitung beinhaltete dazu Arbeitsblätter zur Selbsteinschätzung des eigenen Lernstils und für die Debatte, Powerpoint-Präsentationen, Metaplanarbeit und natürlich ein Artikulationsschema – dass ich am zweiten Tag teilweise über den Haufen geworfen habe, weil ich bemerken musste, zu viele Redundanzen eingebaut zu haben. Andererseits war die Klasse auch nicht so groß, so dass der Zeitbedarf für die Präsentationen bei den Gruppenarbeiten deutlich reduziert daher kam. Ich vergleiche die Arbeit der Lehrperson im Unterrichtsraum manchmal mit dem Job eines DJs. Nicht selten muss man den Beat (Content) on the fly neu abmischen, auf die Emotionen (auch die Ermüdung) des Publikums reagieren und schließlich improvisieren können. Impro geht aber nur mit ordentlicher Vorbereitung – ansonsten verheddere ich mich in meinen eigenen Gedankenkonstrukten und labere am Ende Stuss zusammen. Das geht also nur mit profundem Wissen und einem Plan B (und manchmal auch noch einem Plan C). Tendenziell hat man besser mehr Content vorbereitet, als man braucht; dass dies aber leicht gesagt ist, weiß ich. Insbesondere, wenn man das noch nicht ganz so lange macht. Ich muss meistens nur ein opaar Momente in meinem Fundus stöbern und los geht’s…

Ich las unlängst in Bob Blumes Buch „10 Dinge, die ich an der Schule hasse […]“, dass Bildung auch mal unnütz sein darf. Was er damit meinte, sind – so glaube ich zumindest – jene Inhalte, die nicht direkt und ohne Umweg einer irgendwie gearteten Verwertung zugeführt werden können. Und es mag sein, dass ich ihn falsch verstanden habe, aber für mich schmeckt hier das Humboldt’sche Ideal „proportionierlicher Bildung“ durch; also die Menschen in der Schule als Ganzes wachsen lassen zu wollen, auf dass sie ihre Wege in der Welt finden mögen. Mir ist das immer noch eine tröstliche Vorstellung, dass auch eine Berufsfachschule ein solcher Ort der Bildung sein könnte. Ich hatte im letzten Post dieser Serie über den Erziehungsauftrag gesprochen, den auch solche Einrichtungen haben wie jene, der ich vorstehe! Und ich nehme diesen nur ernst, wen ich einerseits meine Arbeit, aber eben auch die Subjekte dieser Arbeit – also unserer SuS – ernst nehme. Deshalb sagte ich vohin auch, dass eine Benotung bestimmter Handlungsprodukte diese entwerten würde. Denn das wäre so, als wenn ich – nachdem die SuS sich ein ganzes Stück weit selbst offenbart haben – deren Ergebnissen im Anschluss meine Sicht der Dinge überstülpe, und so Denk- und Sichtweisen quasi zu normieren und zu disziplinieren versuche. Unter solchen Voraussetzungen können wir selbstorganisiertes Lernen mit persönlichkeitsbildendem Charakter auch gleich ganz bleiben lassen!

Ich denke, dass wir gut daran täten, auch im berufsfachschulischen Bereich noch mal intensiv darüber nachzudenken, was eigentlich unsere Ziele sein sollen. Die Chefs, für die ich einer solchen Schule vorstehe, haben Erwartungen an das Tun meines Teams und meiner Person, die sich vor allem in den Bereichen Wirtschaftlichkeit und erhöhte Personalbindung abspielen. Mein Ziel jedoch ist es – und da werde ich fürderhin auch keinen Hehl drauß machen – Notfallsanitäter:innen auszubilden, welche diese Bezeichnung verdienen und überall einen guten Job machen können. Ob wir diese unterschiedlichen Interessen wirklich unter einen Hut bekommen können – und falls ja, wie – weiß ich nocht nicht, bin aber für jeden Diskurs offen. Sofern dieser nicht wieder Amygdala-gesteuert mit einem Monolog über Zahlen beginnt, und was man nicht alles tun müsste, um die Klassen voller zu bekommen, obschon jede Vernunft auf Grund der gegebenen Strukturen und Ressourcen gebietet, nicht auf Teufel komm raus Auszubildenden-Zahlen steigern zu wollen! Und aus pädagogischer Sicht schon gleich drei Mal nicht! Ach wäre es nicht schön, wenn das Leben mal einfach wäre…? Ich wünsche noch ein schönes Wochenende.

Das große Staunen N°0 – Naivität

„Alle haben immer gesagt, dass das nicht geht; dann kam einer daher, der das nicht wusste und hat es einfach gemacht!“ Und wenn er damit wirklich bewiesen hätte, dass etwas zuvor für unmöglich Erachtetes doch funktioniert, bekäme er dafür was? a) einen Shitstorm, weil er sich nicht an die Regeln gehalten hat, b) mindestens 1000 Kommentare, dass er ja eh nur ein Fake sein kann, weil das ja gar nicht geht, weiß doch jedes Kind und c) einen Haufen Ärger mit irgendeiner Behörde, weil er entweder aus Versehen Steuern hinterzogen oder irgendeine obskure Verwaltungsvorschrift verletzt hat – wir leben hier schließlich in Deutschland! Das LÖSEN von Problemen ist bei uns nicht vorgesehen, weil man sonst ja den Arbeitsplatz von jemandem gefährden würde, der Probleme VERWALTET. Willkommen im Heimatland der Bedenkenträger, Zu-Tode-Verwalter, Kleingeister, Spießer, Gschaftlshuber, Nörgler und Nein-Sager. Willkommen im Gestern einer einstmals blühenden Zukunft. Der Titel sagt ja, dass es ums Staunen gehen soll – doch das Erste, worüber man Staunen muss, ist der Mangel an GUTEN Gründen zum Staunen. SCHLECHTE gibt es indes mehr als genug…

Beginnen wir mit Dilettantismus. Bei uns ist der Begriff negativ konnotiert, zumeist wird er so benutzt, als sei damit jemand gemeint, der etwas tut, was er aber nicht kann – und folglich damit eventuell sogar Schaden anrichtet. Tatsächlich ist ein Dilletant aber eine Person, die sich einer bestimmten Sache aus Liebe zu dieser zugewandt hat, und diese Kunst oder Wissenschaft nur um dieser Hingabe zur Sache Willen ausübt – also quasi als engagierter Amateur. Dabei ist nichts darüber ausgesagt, wie weit Kenntnisse und Fertigkeiten in diesem Bereich entwickelt sein mögen – es bleibt Dilettantismus, solange die Sache nicht zum Broterwerb ausgeübt wird. In der Theorie kann ein Dilettant also genauso gut oder sogar besser als ein Profi sein; was in der Realität durchaus gelegentlich vorkommt. Ich selbst bin ein Dilettant mit dem Fotoapparat, was meinem Spaß aber keinen Abbruch tut – ständiges Üben hat meine diesbezüglichen Fertigkeiten im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Motor dafür war und ist die naive Annahme, dass ich die Quellen und die Effektivität meiner Kreativität weiterentwickeln könnte.

Alter Ort – neue ideen…?

Wichtig ist hier der Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität. Wenn ich etwa einen Blogpost schreibe, oder knipsend durch die Gegend wandere, oder Geschichten entwickle, dann ist mir mein individueller Ressourceneinsatz wumpe. [WICHTIG: Ich meine damit NICHT, dass ich Unmengen Geld, Energieträger oder Konsumwaren dafür verpulvere, sondern meine Zeit und mein Engagement!] Ich möchte am Ende ein Produkt haben, welches sich aus meiner Sicht zu teilen lohnt und schaue dabei nicht auf die Stoppuhr. Wenn ich hingegen Content für meinen Arbeitgeber produziere, ist Zeit Geld => der Ressourceneinsatz muss nicht nur das Ziel erfüllen, sondern sollte auch effizient erfolgen. Was aber nun die Quellen meiner Kreativität angeht: die kann man mit mehr Übung nicht unbedingt weiter entwickeln. Man kann seinen Blick für bestimmte Dinge schärfen, indem man Kreativtechniken anwendet: Scrapbooks voller (geklauter und eigener) Ideen, Mindmaps, Sketchnotes und wasweißichnichtnochallem. Zettelgläser. Eine ausgefeilte Ablage für alles mögliche. Lange Surfsessions im Netz, bei denen man sich von einem Thema zum nächsten treiben lässt, bis etwas Klick macht. Schließlich die Gadgets und Gimmicks, um verschiedene Formen von Content produzieren zu können. Aber das alles ersetzt die EINE Fähigkeit nicht, die wahre Kreativität benötigt: naiv staunen können…

Naivität ist auch so ein Begriff, der eine negative Konnotation hat; allerdings erst, sobald er auf Erwachsene angewendet wird. Kindern nimmt man es nicht krumm, wenn man sie als naiv betrachtet, weil „die Augen des Kindes“ die Welt anders sehen. Dieser Allgemeinplatz ist wahr! Denn Kinder nehmen die Welt (noch) nicht als „…Bedenkenträger, Zu-Tode-Verwalter, Kleingeister, Spießer, Gschaftlshuber, Nörgler und Nein-Sager…“ wahr, sondern einfach als Welt! Das eben genannte macht leider das sogenannte Erwachsenwerden aus ihnen. Nun ist „Erwachsen“ kein statischer Zustand, der automatisch nach Beendigung der beruflichen Erstausbildung oder des Erststudiums erreicht wird; andernfalls gäbe es den Begriff „junge Erwachsene“ nicht, dessen Vertreter immer wieder eindrucksvoll illustrieren, wie unwahrscheinlich das dauerhafte Überleben unserer Spezies im Angesicht eines solchen Übermaßes an leichtsinnig-übermütiger Idiotie doch ist. Immerhin kommen wider Erwarten recht viele von Ihnen durch, um dann zu solch bornierten Spaßbremsen zu werden, als die ich mich eben geoutet habe 😉 Schwamm drüber. Fakt ist, dass einem die Fähigkeit zum naiven Stauenen mit wachsendem Alter (und wachsender Verantwortung für dieses oder jenes) ausgetrieben wird.

Wie ausgesprochen bedauerlich. Denn ohne die Naiven (…wusste nicht, dass es nicht geht und hat’s halt einfach mal gemacht…) säßen wir vielleicht noch immer bei Öllampenschein in Holzhäuser und würden unsere Gedanken, so wir des Schreibens mächtig wären, auf Pergament niederlegen. Ich werde mich jetzt nicht zu einem Urteil aufschwingen, ob unserer Welt etwas weniger technologische Entwicklung insgesamt besser getan hätte. Vielleicht wären wir ja auch auf ganz anderen Pfaden gewandelt. Aber ist man erstmal auf einem Pfad unterwegs, auf den sich sehr viele verständigt haben (Individualverkehr mittels Fossilverbrenner z.B.), wird Systemwechsel schwierig. Pfadabhängigkeit realisiert sich in unserer Zeit vor allem durch wirtschaftliche Interessen und deren globale Verflechtungen. Und gegen den Gott Mammon kommt der naive Geist nur schwer an. Ich habe in letzter Zeit bemerkt, dass das Kind in mir zu kurz gekommen ist, was mich unendlich traurig gemacht hat. Ich bemerke diesen Druck zur Effizienz im Berufsleben dauernd und stelle für mich fest, dass mir die Möglichkeiten, kreativ gestaltend tätig zu werden in letzter Zeit immer mehr eingeschränkt wurden. Wie ich darauf reagiere, weiß ich noch nicht. Ich weiß eines allerdings sehr genau: mein inneres Kind muss wieder mehr raus zum Spielen! Egal wie! Und diese Freiheit werde ich mir (wieder) erkämpfen. Versuchts doch auch mal mit Naivität – das könnte ein erfrischender Start in die neue Woche werden!

New Work N°14 – …und das Leben zieht vorbei.

Verdammt schwierig, sich darauf einzustellen, dass es morgen wieder losgeht. Ich las neulich irgendwo einen Artikel, der darauf abstellte, dass viele Menschen in der Nacht von Sonntag auf Montag deshalb schlecht schlafen, weil die Erwartung der bevorstehenden Arbeitswoche sich wie ein Leichentuch auf die evtl. im Laufe des Wochenendes erworbene Erholung legt und diese so zunichte macht. Nun ist heute Ostermontag, wir haben also eine Zeitverschiebung des Wahrnehmungsbias, was am entstehenden Druck leider nix ändert. Und ich kann bestätigen, dass ich diesen Effekt auch schon mehr als einmal erlebt habe. Da liegt der Osterhase also im Pfeffer. Die Arbeitswoche scheint in gewisser Weise der Endgegner unserer Zeit zu sein, was den Ruf nach der 4-Tage-Woche umso verständlicher erscheinen lässt. Da sieht man einmal mehr die Zweiteilung zwischen diesen Individuen, die Leben und Arbeit am liebesten vollkommen entgrenzt sähen und alles unterhalb der 50h-Woche als hartes Prokrastinieren betrachten – und am Gegenpol jene, die jeden Strich zuviel als Zumutung und persönlichen Angriff auf die Integrität ihres Daseins betrachten. Natürlich sind das zwei Beschreibungen, die vielleicht zur besseren Illustrierung des Sachverhaltes geringfügig überezeichnet wurden; obwohl…

Es ist legitim, Arbeit als Quelle von Sinn im Leben zu betrachten; oder eben auch nicht. Denn irgendwie läuft es ja doch wieder auf psychologisches Framing hinaus. Erlebe ich Arbeit als Zumutung, als dauernde Überforderung, als Einschränkung der persönlichen Freiheit, dann ist es nur logisch, den Re-Start von Arbeit (zumal nach einem langen Wochenende) als Bedrohung wahrzunehmen. Da wird vermutlich auch kein Yoga helfen. Liebe ich meinen Job und die Herausforderungen darinnen, und empfinde ein hohes Level an intrinsischer Motivation, kann ich’s vielleicht kaum erwarten, wieder hinzugehen. Beides kann übrigens zu schlechtem Schlaf führen. Es ist die Dosis, die macht, dass ein Ding ein Gift ist. Arbeitsverträge versuchen diese Dosis zu normieren, und zwar unbeachtet der Tatsachen, dass a) nicht jede*r gleich leistungsfähig ist, b) Leistungsfähigkeit auch im Zeitlauf variieren kann und c) die Normierung von Leistung, je nach Gewerk, mitnichten einfach ist. NIEMAND performed also jeden Tag gleich gut (oder schlecht), und was Leistung jeweils überhaupt ist, bedarf einer präzisen Definition.

Es ist daher kein Wunder, dass die Debaten um Arbeitszeitmodelle (Gleitzeit, Zeitkonten, 40h-Woche vs. 4-Tage-Woche, etcpp.) und Arbeitsorte (Präsentismus im Cubicle, Großraum oder Open-Space-Office ohne dedicated Desks, Home-Office, Remote-Work und jede Mischung davon) teilweise mit der Intensität heiliger Shit-Storms geführt werden und jede*r stets zuerst und vor allem seine/ihre eigene Sicht auf Basis seiner/ihrer eigenen Erfahrungen propagiert. Denn der eigene Tellerand ist der Horizont. Und dabei haben wir über neue Geschäftsmodelle, Geschäftsziele und Beteiligungsformen (also echte New-Work-Ansätze) noch überhaupt nicht gesprochen! Nur weil meine Firma einen „Purpose-Evangelist“ beschäftigt, heißt dies noch lange nicht, dass die Arbeit auch tatsächlich nachhaltigen Zwecken dient und Sinn stiftet. Da helfen Obstschalen, Tischkicker, Bionade-Kühlschränke, Achtsamkeitsseminare und der ganze andere hippe Möchtegern-Mitarbeiterbindungs-Schnickschnack halt auch nicht weiter…

Denn bei all den großen und kleinen Stürmen im weltweiten Informations-Ökogewebe gerät zumeist außer Sicht, dass es NICHT die eine Wahrheit und auch NICHT den einen Weg GEBEN KANN! Für manche zieht das Leben vorbei, wenn sie subjektiv zu viel arbeiten müssen, bei anderen ist es genau andersherum – aber auf dem weiten Feld zwischen den Extrempolen, da wo die REALITÄT passiert, sind vielerlei Philosophien anzutreffen, denen unsere heutige Arbeitswelt weder die passende Nische, noch die richtige Unterstützung zu geben vermag, damit das individuelle Potential sich entfalten kann. Und ich meine das Letztgesagte NICHT in dem Sinne von „er/sie/them verdient jetzt maximal Kohle für unser Unternehmen!“, sonder eher als „er/sie/them kann jetzt dem individuellen Naturell gemäß seine/ihre indiviuellen Kompetenzen entwickeln – und wir verdienen auch etwas Kohle dabei…“ Denn das Leben zieht so oder so an jedem von uns vorbei; und es wäre doch total charmant, wenn man anerkennen würde, dass sich unser Verhältnis von Arbeit als Handelsware, die nur allzu oft unter Preis verkauft werden muss, weil die Gesellschaft Investmentbanker höher wertschätzt als Pflegekräfte hin entwickeln muss zu einem Verständnis von Arbeit als Dienst für die Gemeinschaft. Mal davon abgesehen, dass sich die Arbeitswelt gerade eh rasant verwandelt. Und da ist ChatGPT noch nicht mal eingepreist…

Ich habe keine Ahnung, ob ich heute Nacht gut schlafen werde, da ich morgen früh für meine Verhältnisse verdammt früh aus den Federn muss; ich bin nämlich eigentlich einer dieser spätaufstehenden Abends-lang-Arbeiter. Wie’s auch kommt, ICH lasse mein Leben nicht einfach nur vorbeiziehen und gräme mich, dass es nicht so läuft, wie ich mir das wünschen würde, sondern versuche, was aus meinen Möglichkeiten zu machen – und damit meine ich ganz explizit NICHT Dauerarbeiten. Ich versuche aber, mir die Freiräume und die Flexibilität zu erorbern, die ich brauche, um lange gut funktionieren zu können. Und nebenbei räume ich den Weg für Andere gleich mit frei. Mal sehen, was die nächsten Wochen bringen. Ich wünsche euch einen guten Start in die Post-Oster-Woche. Schönen Abend.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°45 – Erziehungsauftrag…?

Um die Essentials auf den Punkt zu bringen: auch Berufsfachschulen haben einen Erziehungsauftrag! In einer Zeit, in der nicht wenige (vor allem junge) Menschen so ihre Probleme damit haben, in der dynamischen Realität einer sich – subjektiv dauernd – weiter partikularisierenden Welt anzukommen, ist es verdammt schwierig, Vorbild zu sein; weil man ja gar nicht weiß, A) welche Qualitäten das jüngere Gegenüber nun wirklich in einem Vorbild sucht, B) Menschen meines Alters per definitionem „cringe white middle-aged cis-gender males“ sind und C) ja eh keine Ahnung haben, wie das alles funktioniert, weil wir halt einfach Schuld sind. Woran, ist oft genug egal. An dieser Stelle wichtig: no insults taken, no fucks given. Ich jammere nicht drüber, sondern nehme das einfach hin, und bleibe, der ich war und bin. Wir sind also auf dem unebenen Terrain der Persönlichkeitsbildung angekommen, die auch ohne den ganzen Internet-Quatsch, die ganzen Unsicherheiten und verschiedene gesellschaftliche Großtrends (weniger Solidarität, mehr Egoismus, häufig Style over Substance, etc. – ich habe doch schon mehr als genug drüber gelabert…) schon immer schwierig genug gewesen ist. Ich war auch mal dort, wisst ihr.

Ich könnte mich jetzt darauf zurückziehen, es halt nur bei meinen Kindern zu versuchen; also das Erziehen meine ich. Und ich sage bewusst versuchen, denn in der Erziehung ist es wie im Krieg – noch kein Schlachtplan hat die erste Berührung mit dem Feind unverändert überstanden. ABER, ich bin eben auch Leiter einer Berufsfachschule. Und entgegen dem, was ich oft sehe – nämlich das die jungen Leute schlicht normiert und zu funktionierenden Vitalparameter-Mechanikern*innen gedrillt werden – habe ich einen eher Persönlichkeits-orientierten Ansatz. Ohne das richtige Bewusstsein für die eigene (Berufs-)Rolle, und vor allem auch das Werkzeug, diese bedarfsflexibel anpassen zu können, passieren mit den jungen Leuten nämlich zwei Dinge: Erstens werden sie verdammt schnell von der Alltagsrealität eingeholt, dass die weitaus meisten Patienten keinen lebensbedrohlichen Notfall nach Definition IHRES Handbuches haben, sondern irgendwelche sozialen, psychologischen, wirtschaftlichen Probleme, die Mangels Verfügbarkeit besser geeigneter Instanzen aus Sicht der Hilfesuchenden im Ruf eines RTWs münden. (der verlinkte Artikel ist auf Zeit Online hinter der Paywall, allerdings bisher eine der besten Reportagen, die ich je dazu gelesen habe). Das führt zweitens in der Folge zu Desillusionierung und nicht selten zu einem zügigen Berufsfwechsel (=> Fachkräftemangel anybody…?).

Okay, ich habe erklärt, WARUM ich einen Erziehungsauftrag in der Berufsfachschule sehe. Das erklärt aber natürlich noch keinen Meter, WIE man das dann anstellt, wenn es doch oft genug einen gewissen Graben zwischen Fachlehrer*in und Schüler*innen gibt? Und der resultiert nicht immer aus dem Alter der Fachlehrer*innen. Häufig genug werden heute sehr junge Kollegen*innen in den „Schuldienst“ rekrutiert, wenn sie schon früh ein gewisses Talent für die Betreuung von Auszubildenden zeigen. Es ist aber ein himmelweiter Unterschied, auf seinem Rettungswagen, oder bei Praxisanleitungen auf der Wache ein paar wenige Individuen an die Hand zu nehmen, oder vor einer vollen Klasse zu stehen, in der naturgemäß kein dauerndes Eingehen auf Partikularbedürfnisse möglich ist. Es kommt in der Folge immer wieder zu folgenden Prozessen:

  • Mangelnde analytische Distanz: Da man der im Lehrsaal vertretenen Peergroup subjektiv näher ist, verwechselt man Schüler*innen mit Freunden oder Kollegen. So funktioniert Lehren aber nicht! Denn am Ende muss ICH unzweifelhaft objektiv bewerten können, ob die Person vor mir für diesen Job geeignet ist, oder nicht. Und „Oder nicht“ ist niemals eine populäre Ansage!
  • Doppelbelastung Studium – Lehre: Das muss man wollen. Und es wird von so manchem Schulleiter auf Lehrerfang gerne freundlich kleingeredet, dass man bis zum Abschluss oft genug auf dem Zahnfleisch gehen wird… Folglich schmeißen nicht Wenige alsbald das Handtuch und suchen sich was anderes.
  • Unsicherheiten im Umgang mit dem Curriculum: Da steht eine Menge Zeug drin, das nicht auf den ersten Blick intuitiv zugänglich ist. Warum man manchmal Umwege gehen muss, um ans Ziel kommen zu können, erschließt sich einem oft erst mit wachsendem Alter und zunehmender Erfahrung.

Zusammengefasst braucht es eine gewisse charakterliche und fachliche Reife, um junge Erwachsene für das Berufsleben fit machen zu können. Kommen wir direkt zum WIE zurück: Fachlehrer*innen sind Role-Models! Vorbilder! Um dies sein zu können, müssen Sie aber über ein paar Eigenschaften verfügen, die aus meiner Erfahrung heraus unabdingbar sind, um Persönlichkeitsbildung im Gegenüber ermöglichen zu können: Situationsadäquate Kommunikation. Zuverlässigkeit. Integrität. Führungsstärke. Fachwissen und Fertigkeiten. Diese Dinge wachsen jedoch nicht auf Bäumen, sondern nur durch angeleitete Erfahrung in den Fachlehrer*innen selbst. Das bedeutet, bevor das Lehrpersonal erzieherisch tätig werden kann, muss es erst mal selbst erzogen werden! Menschen lernen relativ viel am Modell und durch Imitation, was schließlich durch Reflexion des Erlebten und Gefühlten zur Integration in das eigene Handlungsrepertoire führt / führen kann. Abkürzungen funktionieren hier NICHT! Und das ist bei sozialen Skills leider nicht anders. Was bedeutet, dass sowohl unser Unterricht, als auch unser kollegialer Umgang miteinander nicht nur fachlich, sondern auch sozial fordernd sein muss. Lernen ist eine Zumutung, die nur außerhalb der Komfortzone wirklich zum Erfolg führen kann. 24 Folien Powerpoint pro Sekunde mögen einen Film ergeben – Notfallsanitäter*innen, welche diese Bezeichnung auch wirklich verdienen, ergibt das aber nicht! Wie man die Schüler*innen tatsächlich aus ihrer Komfortzone und hinein in echtes Lernen holt, dafür gibt es übrigens genausowenig eine Musterlösung, wie für die Notfallbilder, welche erlernt werden müssen – auch wenn Schüler*innen niemals müde werden, danach zu fragen.

GOTT WÜRDE ICH MICH FREUEN, WENN JEMAND MIT MIR ZU DISKUTIEREN ANFINGE! Schönen Tag noch.

New Work N°13 – a bad number?

Es ist zuviel! Den Satz hörte ich in letzter Zeit von den verschiedensten Protagonisten (und auch Antagonisten) in variierender Deutlichkeit; und natürlich war das vor allem bezogen auf die Arbeit. Auf Workloads, Komplexität, Zeitdruck. Nur von einem ist immer zu wenig da: Ressourcen! Bevor man nun beginnt, in das Allgemeinplatz-Horn zu stoßen und „Ja, ja, bei mir ist es genauso…“ zu sagen, wäre es vielleicht angezeigt, ein wenig Diagnostik zu betreiben. In meinem ursprünglichen Gewerk, dem Rettungsdienst nimmt man ja auch nicht das erstbeste Symptom, hört auf zu suchen, und beginnt mit der Therapie; zumindest, wenn man seinen Job ernst nimmt und richtig betreiben möchte. Und insbesondere, wenn ja noch vollkommen unklar ist, was denn eine indizierte Therapie sein könnte. Bezogen auf das Eingangsproblem könnte man sich jetzt einfach hinstellen und sagen: dann arbeite halt weniger! Mach Dienst nach Vorschrift! Reduzier die Vertragsprozente! Such dir eine andere Stelle, wo’s besser läuft! Und so weiter und so fort. Klingt einfach und griffig. So wie die vollkommen inadäquaten Lösungen der AfD und FDP. Die Tage hatte ich selbst ja dennoch darauf hingewiesen, dass weniger mehr sein könnte. Fall geschlossen…? Mitnichten! Also schauen wir mal aus einem anderen Blickwinkel darauf, der jetzt weniger was mit der Frage nach kapitalistischer Arbeitnehmerausbeutung Manchester-Style zu tun hat, sondern mit der Frage nach den eigenen Motivationen und Zielen. Schließlich sind wir keine verflixten Roboter. Aus sozialpsychologischer Sicht ist das schnell abgefrühstückt:

  • Kompetenz: wir wollen uns selbst als kompetent wahrnehmen, also als befähigt, mit dem Herausforderungen, welche uns das Leben entgegenzuwerfen beliebt, adäquat und vor allem erfolgreich umzugehen. Wir wollen „es im Griff haben“. Man nennt dieses Gefühl des Im-Griff-Habens auch Selbstwirksamkeitserfahrung.
  • Soziale Eingebundenheit: wir wollen für andere Menschen Bedeutung haben und uns so wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen!
  • Autonomie: wir wollen „einfach unser Ding machen“ dürfen, also das Gefühl haben, (weitestgehend) frei von äußeren Zwängen und fremder Kontrolle zu sein.
    Der Schöpfer dieses Astrolabiums mochte seine Arbeit anscheinend sehr…

    Mit diesem Wissen im Hinterkopf wird vielleicht etwas klarer, warum manche Menschen viel mehr arbeiten wollen, als eigentlich objektiv betrachtet gesund sein kann – und andere nicht früh genug mit der Freizeit beginnen können, weil allein die Pflicht zur Anwesenheit am Arbeitsplatz bereits als Zumutung empfunden wird, die durch ein angemessenes Schmerzensgeld nur nahezu gelindert zu werden vermag; die Höhe des Schmerzensgeldes ist dann auch häufiger ein Streitpunkt. Es hat was mit dem Gefühl von Sinnhaftigkeit des eigenen Schaffens zu tun, dass sich eben aus Selbstwirksamkeitserfahrung (ICH kann etwas bewegen!), sozialer Eingebundenheit (WIR sind ein geiles Team!) und Autonomie (ICH kann meinen Arbeitsbereich in einem nicht zu eng definierten Rahmen selbst gestalten!) speist. Und jetzt ratet mal, wer dafür verantwortlich ist, einen solchen Rahmen zu schaffen? GENAU – DIE FÜHRUNGSKRAFT! Und damit sind wir auch schon auf dem schmalen Grat zwischen workaholistischer Selbstausbeutung und loyaler Teamarbeit gelandet. Denn wir alle wissen, dass die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist! So sehr ich mich auch darüber freue, wenn Mitarbeiter „Engagement“ zeigen, so sehr bin ich auf Grund meiner Fürsorgepflicht gegenüber den mir unterstellten Menschen dazu verdammt, sie bremsen zu müssen, wenn’s gerade am schönsten ist. And I need to remind myself, that 13 is a bad number, as early as workdays tend to get that long…

    Wer ohne Schnitzel ist, werfe nun das erste Schwein. Ich fühle mich bei diesen Zeilen leider ertappt, weil ich es manchmal auch nicht gut sein lassen kann. Weil ich doch noch etwas mehr vorbereiten MUSS, wenn es besser wäre, einfach am nächsten Morgen mit dem zu performen, was ich sowieso parat habe. Denn für die allermeisten Situationen sind meine 70% vollkommen ausreichend. Im Büro genauso, wie im Lehrsaal. Das bedeutet nicht, dass man bestimmte Fachthemen nicht gut vorbereiten muss. Aber es gibt diesen Bereich zwischen der Note 3 (befriedigend: erfüllt die Anforderungen im Allgemeinen, in meiner Welt eine Leistung von 65-79% des theoretisch Möglichen) und der Note 2 (gut: erfüllt die Anforderungen voll, in meiner Welt 80-89% des theoretisch Möglichen), in dem halbwegs geschickte Pädagogen sich mühelos bewegen können. Und manchmal erfordert der Schutz der eigenen psychischen Integrität, diesen Bereich NICHT nach oben verlassen zu wollen. Für mich als Führungskraft gilt das sogar doppelt, weil ich das auch in den mir unterstellten Kollegen*innen genau beobachten und ggfs. moderierend einschreiten muss. Und das fällt mir persönlich unheimlich schwer, weil ich – wenn MICH ein Thema interessiert, fasziniert, irritiert – manchmal einfach selbst nicht lockerlassen kann!

    Und dann gibt es die Phasen, wenn Rosinante müde ist, und auf die Windmühle scheißen möchte, anstatt weiter den Berg hochlaufen zu müssen, weil Don Quijote es einfach nicht sein lassen konnte. Da fällt man dann manchmal in ein Loch, und agiert auf eine Weise, die es für Außenstehende so aussehen lässt, als wenn man einer der weniger motivierten Mitarbeiter wäre, die ich oben auch erwähnt habe (Schmerzensgeld und so…). Obwohl man einfach nur ausgebrannt ist. Und ich rede da nicht von einem echten Burn-Out im Sinne der psycho-pathologischen Diagnose, sondern einfach von nachlassender Motivation, weil die Selbstwirksamkeit schwindet (es will MIR nichts gelingen), die Eingebundenheit sich nicht mehr gut anfühlt (MANCHE ANDERE wollen einfach nicht verstehen, worauf es ankommt) und die Autonomie subjektiv eingeschränkt ist (ICH habe gar keine Freiheiten mehr); ob der letzte Punkt objektiv zutrifft oder „nur“ so wahrgenommen wird, ist dabei unerheblich. Ich war dort, ich weiß, wovon ich spreche. 13 kann also sehr wohl eine Unglückszahl sein. Aber nur wenn sie für Arbeitsstunden am Tag steht. Gegen 13 tage Urlaub habe ich nichts. Obwohl 23 auch nicht schlecht wären 😉 In diesem Sinne einen schönen Samstag. Arbeitet nicht so viel!

    Auch als Podcast…