Tatkräftiges Träumen!

Immer nur Argumente! Immerzu gut abgewogene Worte! Und auch brav immer ALLE inkludieren, vollkommen gleich, ob jene Wesen in genau dem Moment inklusionswürdig, inklusionswillig oder inklusionsbedürftig sind – oder eben auch mal nichts von alledem! Das Für und Wider wird zum Auf und Nieder. Für den Geist, die Seele, einfach alles. Es dreht sich nur noch und immer wieder um den Gott des Disputs, den Geist der stets verneint, den kategorischen Imperativ und Gottes Tod! ICH. BIN. SO. MÜDE! Alles Streben nach einer Sprache, die Menschen einander näher bringt zerschellt an jenen, die man eigentlich dem Kern der Humantät und des sozialen Miteinanders wieder näherbringen müsste, weil sie imprägniert sind mit dem Gift des Dogmas und der süßen Droge der allzu einfachen Antworten! Was soll also mein Streben, wenn mir doch alle Freude aus dem Schreiben gesogen wird, wie die Vakuumpumpe im Physikunterricht einstmals jene Glocke leersog, ín welcher der Schaumkuss plötzlich auf ein Vielfaches seiner Größe anwuchs. Nur das sich in meinem Kopf ob des Absaugens keine Süße ausbreitet. Was soll all das Mühen, was soll all das Recherchieren, Denken, Formulieren, wenn doch am Ende kein KREATIVES Produkt mehr entsteht, sondern einfach nur Wortsalat, abgepackt nach diskursivem Gewicht und dazu gedacht, Gedanken greifbar zu machen, die so sauer, so alt, so anstrengend geworden sind, dass die Leichtigkeit des Denkens unter dem bleiernen Mantel des Bedenkenwälzens leise aber endgültig erstickt?

Natürlich… ganz klar, er ist wieder depressiv geworden… Nein ist er nicht! Aber irgendwie kreist vieles Gedachte der letzten Zeit um die immer gleichen Themen; und das schmerzt mich! Denn offenkundig bereitet mir meine Arbeit mehr Ungemach, als ich mir das selbst einzugestehen bereit bin. Und zeitgleich macht mich der Zustand der Welt in einem Maße fertig, dass meine Resilienzkapazitäten beizeiten zu übersteigen droht. Hoffnung und Energie gibt mir allein der Austausch mit Menschen, die mich anregen, die mich zum fühlen, lachen, kreativ sein anregen – und denen begegne ich derzeit nicht so oft, wie es mir lieb und notwendig wäre. Mein Ausgleich, dass sind zum einen die Wege draußen, die ich allein beschreite, um mich a) mit etwas Tageslicht zu versorgen, b) meine Seele sich an Kleinigkeiten erfreuen zu lassen (Stichwort Komorebi) und c) etwas Bewegung in den Leib zu bekommen, an der es mir ansonsten durchaus mangelt. Und zum anderen ist es das Storytelling. Geschichten, die dazu geeignet sind, mit dem Kopf mal WOANDERS zu sein. Manche Menschen verteufeln das Tagträumen, doch die Wissenschaft hat dazu einen etwas anderen Blickwinkel:

"Träume faszinieren durch ihre immanente Paradoxie: Einerseits lassen sie sich als etwas ganz und gar Privates, Individuelles, ja sogar Intimes definieren, da sie im innersten Kern der Persönlichkeit gedeihen; andererseits offenbaren sie trotz dieser vermeintlichen "Vertrautheit" nachgerade eine unheimliche Fremdheit" (Freiburg 2014, S. 5) Ein Stück weiter schreibt der Autor:
"Im Traum wird die vermeintliche Selbstverständlichkeit des eigenen Seins in Frage gestellt, die Begegnung mit dem ganz "Anderen" löst eine Erfahrung aus, die zutiefst verunsichernd, ja sogar erschütternd sein mag. Der Traum relativiert die Normalität der Alltagserfahrung, bereichert den anscheinend unauflösbaren und phantasielosen Nexus von Zeit, Raum und Kausalität um eine aufregend alogische Alternative und lässt Denk- und Lebensmöglichkeiten aufscheinen, die der "gesunde Menschenverstand" allein niemals zu ersinnen vermöchte." (ebd. S. 6)
(Freiburg, R. (2014): Einleitung - Zwischen Intimität und Fremdheit:
Die Paradoxie der Träume. In: Freiburg, R. (Hrsg.): Träume. Erlanger Universitätstage 2014. Erlangen: FAU University Press, S. 5 - 17.)

Eigentlich müsste man mehr dazu nicht sagen. Doch ich will versuchen, einen persönlichen Bezug herzustellen, indem ich Folgendes anfüge: meine (weitestgehend auch für mich selbst verborgene) Binnenwelt begreifbar machen zu können, bedarf unterschiedlicher Reflexionsflächen. Selbstreflexion braucht eine oder einen Anderen, wenn wir so wollen also einen „Sparringspartner“ an dem ich meine Ratio austesten kann. Doch wir vorgeblich erwachsenen Menschen sind mindestens ebenso sehr Emotion, wie wir Kognition sind! Ich erinnere mich selten an meine Nachtträume, doch ich tagträume gelegentlich sehr intensiv. Wenn all meine Träume allerdings etwas sehr Intimes sind, wie Rudolf Freiburg da oben ja sagt, wie kann ich dann mit ihnen umgehen, sie für mich begreifbar, ja vielleicht sogar als Kraftquelle nutzbar machen, wenn ich doch nicht alles aus meinen Träumen unmittelbar gegenüber den Anderen ausbreiten kann oder will? Meine Antwort darauf lautet – durch das Geschichtenerzählen! Indem meine Träume der Stoff sind, aus dem etwa meine Pen’n’Paper-Stories entstehen, welche ich in der häufig eingenommenen Position des Spielleiters nur zu gerne zum Schauplatz kollaborativen Geschichtenerzählens mache, lasse ich aus meinen Träumen durch die Möglichkeit des Eingriffs Anderer in die erzählte Traumwelt etwas Neues, Unvorhergesehenes emergieren, dass meine Wahrnehmung, meine Emotionen und gleichsam meine Ideen herausfordert! Und das ist unfassbar stimulierend, womit daraus für mich ein Quell neuer Energie wird. Das Problem ist, dass man sich auf dieses Unvorhergesehene einlassen muss. Eine Zeit lang war ich zu verbissen, daran interessiert, MEINE Geschichten zu erzählen. Neuerdings kann ich das wieder einfach geschehen lassen.

Doch leider ist es so – tatkräftiges Träumen ist etwas Mächtiges, dass allerdings nur unter den richtigen Kontextbedingungen gedeihen kann; gerade genau dann, wenn man es am dringendsten braucht, ist man aber oft durch den Mangel an kognitiver Kapazität und kreativer Freiheit blockiert. Man kann es sich aber durch Training angewöhnen, auch dann Träume heraufbeschwören zu können, wenn man gerade vollkommen im tiefen Brunnen des Stresses, der Terminnot, der Anforderungen und des Mangels zu ertrinken droht. Man braucht lediglich ein paar Anker; Anker im hier und jetzt, etwa in Form von lieben Menschen, hilfreichen Ritualen, kleinen Auszeiten. Aber eben auch Anker da drüben im Reich des noch nicht fertig erzählten; etwa durch erzählerische Figuren und spezielle Charaktere, mit denen man sich immer wieder auseinandersetzt. Ich habe beides. EInerseits etwa meine beste Ehefrau von allen – und andererseits eine ganze andere Welt, reich an Geschichten, die ich noch mit meinen Freunden erzählt wissen möchte. Und dieses Blog… Und wo träumt ihr so? Ich wünsche einen guten Start in die neue Woche, was auch immer darin enthalten sein mag, dass eure Träume herausfordern möchte…

Auch als Podcast…

Der Irre-lefant…

Manche Menschen neigen dazu, sich selbst sehr wichtig zu nehmen. Oftmals viel wichtiger, als sie es eigentlich sind. Das liegt einerseits daran, dass Posten und damit vermeintlich einhergehende Macht einer bzw. einem allzu leicht den Wunsch einflüstern, diese „Macht“ auch benutzen zu wollen. Der Fehler hierbei liegt darin, dass ein Machtgebrauch in den allermeisten Fällen zunächst durch diejenigen, über die Macht ausgeübt werden soll legitimiert werden muss, damit ein solches Machtdifferential überhaupt funktionieren kann; immerhin leben wir hier nicht in Nordkorea. Dort macht der Gebrauch einer Kalaschnikow als spürbares Symbol eines real existierenden Machtanspruchs die, der Demokratie üblicherweise zugerechnete Suche nach Mehrheiten und Konsens natürlich vollkommen nutzlos. Andererseits ist es eine der grundlegenden Funktionen unseres sozialen Miteinanders, nach Anerkennung durch die Anderen zu trachten; sich zu wünschen auf diese spezielle Art „gesehen“ und gewertschätzt zu werden, die besorgt, dass wir uns so wunderbar selbstwirksam fühlen und glauben, wirklich Kontrolle über Wohl und Wehe unserer Existenz ausüben zu können. Muhahahahahahaha – ja, die uns allen innewohnende Kontrollillusion ist schon ein Arschloch sondergleichen. Das trifft mich als Führungskraft ebenso, wie als unerschütterlichen Left-Wing-Sozialdemokraten. Und trotzdem hält sich meine Verzweiflung irgendwie immer noch in Grenzen!

Ich finde unsere menschliche Resilienz gegen die Tatsache, dass wir das „Dahinter“ jener unüberwindbaren Grenze der nächsten Sekunde weder heuristisch, noch spirituell, noch technisch oder sonstwie antizipieren können immer noch und immer wieder unglaublich faszinierend; und gleichsam unglaublich dumm. Wir einfachen Menschlein GLAUBEN doch wirklich immerzu, in die Zukunft schauen, ja diese sogar mitgestalten zu können – jedoch liegt das Schicksal unserer Welt (und damit auch unsere Zukunft) immer häufiger in den Tremorgeschüttelten Händen alter, kranker, seniler, im Besten Falle jedoch sehr sturer Männer, deren „beste Absichten“ darin bestehen, ihre Macht um jeden Gottverdammten Preis erhalten zu wollen; nicht durch das „Prinzip Konsenz“, sondern durch das „Prinzip Kalaschnikow“, dafür steht die Abkürzung PK und nicht etwas für Parteikongress… An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich die Faschisten-Muttis Meloni, Weidel und Le Pen so sehr in den Dienst einer Agenda gestellt haben, dass ich sie ob ihrer Haltung, ihres Gestus, ihrer Äußerungen und Handlungen noch als weiblich lesen könnte; das zeigt sich höchstens dann, wenn sie die „Waffen einer Frau“ instrumentalisieren, um zu bekommen, was sie unbedingt ebenso sehr wollen, wie ihre männlichen Faschisten-Kollegen: Macht!

Man könnte nun an diesen Wahrnehmungen verzweifeln, ja sich vielleicht sogar resigniert aus dem öffentlichen Markt der Meinungen zurückziehen und warten, was als nächstes passiert. Oder man legt sich Dachlatten (mind. 40x40mm), Kabelbinder, Plastikplane, Schaufeln, Handbeile, Brandbeschleuniger und anderes hilfreiches Material ans Lager, für den leider nicht absolut unwahrscheinlichen Fall, dass diese Feinde der Menschlichkeit wirklich jemals bei uns an die Macht kommen sollten. Bis es jedoch soweit wäre, sind sie argumentativ überall zu bekämpfen, wo die Medusa des Faschismus eines ihrer hässlichen Häupter erhebt – immer schön dran denken: den Kopf nicht abtrennen, sondern einfach nur zu Brei schlagen; natürlich jedoch nur verbal… Und was meine andere Rolle als Pädagoge, wie auch als Führungskraft angeht, so ist es meine Aufgabe, Menschen dazu zu ermächtigen, selbst denken und auf Basis der dabei gefundenen Erkenntnisse handeln zu können. Selber denken zu können war schon immer ein Motor für demkokratische, vor allem aber auch für humanistische Prozesse; denn eigentlich ist ein humanistisches Menschenbild die weitesgehend unausweichliche Konsequenz ernsthaft tiefgründigen Philosophierens über unser Dasein und dessen Zweck. Denn wenn man das – aus meiner Sicht vollkommen nutzlose – Streben nach Reichtum (und damit vor allem nach Macht über andere) einmal beiseite legt, bleibt nur noch eines: ein sinnstiftendes Miteinander zu pflegen! Worin sich dieses am Ende für jede*n von uns konstituiert, ist mir einerlei. Gründet Vereine und repariert, was auch immer ihr in die Finger kriegt: Technik, Beziehungen, Menschen, euren Kiez, whatever. Ihr werdet nur zum Irre-Lefant, wenn ihr euch von den ganzen bösen Menschoiden da draußen irre machen lasst und daraus den (unzulässigen) Schluß zieht, dass euer Denken, Tun und Lassen nicht relevant wären. Menschen dazu zu bringen, sich mit solcher – POSITIVER – Denke zu beschäftigen ist MIR Lebenszweck geworden!

Und den Faschisten sage ich: ¡Los fascistas no pasarán! ¡No pasarán!

Ich wünsche euch ein verf***t schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

New Work N°19 – Wen sollte man zum Chef machen…?

Immerzu geht es um’s liebe Geld. Nicht das Geld jemals lieb zu irgend jemandem gewesen wäre, das können halt doch nur andere Lebewesen bewerkstelligen. Aber zur Kohle drängt, an der Kohle hängt doch alles. Muss auch meine 15jährige schon verstanden haben, wenn sie auf die Frage, was sie mal werden möchte mit dem Brustton der Überzeugung „Reich!“ antwortet. Das stellt hier keine Wertung dar, denn mit 15 materialistisch zu sein, weil man neuerdings bewußt wahrnimmt, dass ein gutes Leben gutes Geld kostet, war, ist und bleibt ein vollkommen normaler Bestandteil des Erwachsenwerdens. Ich war in dem Alter ja nicht anders. Was im Privatleben stimmt, ist im Geschäftsleben oft genauso wahr. Allerdings sollte man die Dinge hier ein wenig differenziert betrachten. Die Allermeisten von uns managen nämlich keinen Überfluss für einen Jahresbonus und irgendwelche Shareholder (auch bekannt als „Rendite“), sondern den Mangel an Überfluss vor einem jeweiligen Monatsende (auch bekannt als „überzogener Dispo“).

Dennoch denkt man naiverweise gerne, dass ein CEO, gleich in welcher Art von Unternehmen vor allem wirtschaftliche Kompetenz bräuchte. Allen die blödsinnigerweise immer noch glauben, dass studierte Wirtschaftswissenschaftler echt besser haushalten könnten, als eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern empfehle ich daher wärmstens das Buch „Der schwarze Schwan“ von Nicolas Nassim Taleb; das hilft enorm beim Realitätscheck…! Daron Acemoğlu, einer der drei diesjährigen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften hat vor knapp zweieinhalb jahren ein Paper veröffentlicht, in welchem er und sein Team feststellten, dass der Einsatz von von Leuten mit MBA oder artverwandtem Abschluss als CEO in Nachfolge nicht studierter CEOs dazu führt, dass a) die Gehälter um mehrere Prozentpunkte sinken und b) der Anteil der Gehälter an der Bilanzsumme zurückgeht. Oder anders formuliert: die auf cost-efficiency dressierten WiWi-Absolventen der letzten Jahrzehnte fangen umgehend an, die wichtigste Ressource kaputtzusparen, welche jedes Unternehmen hat: nämlich jene Menschen, die tatsächlich Wertschöpfung betreiben, wenn denn überhaupt effektiv irgendwelche Werte geschaffen werden. Denn waschechte Bullshitjobs, die nichts zum Fortkommen der Menschheit beitragen, gibt es ja nun genug.

Ob ich denke, dass man gar keine Menschen mit hoher wirtschaftlicher Kompetenz bräuchte, um Unternehmen erfolgreich führen zu können? Natürlich nicht; denn ein wirtschaftlich sinnvoll geführtes Unternehmen wird alsbald zu einem sicheren Hafen für hunderte bis tausende Existenzen, welche ihr Ein- und Fortkommen an das Funktionieren der Geschäftstätigkeit ihrer Arbeitgeber geknüpft haben. Der daraus erwachsenden Verantwortung sind sich viele Chefs aber offenkundig nicht bewusst! Ob ich denke dass man manche Unternehmen lieber durch wissenschaftlich ausgebildete Menschen anderer Fachrichtungen führen lassen sollte? Oh ja; allerdings unter der Prämisse, dass man ihnen die dennoch zwingend notwendige wirtschaftliche Kompetenz an die Seite stellt. Die Krux am Leiten von Unternehmen ist jedoch, dass dieses nur vermittelt durch die Leitung und Führung der vorhin erwähnten Menschen funktioniert. Diesbezügliche Inhalte machen allerdings – gemäß einer kurzen Analyse durch ChatGPT 4o – in verschiedenen Ausbildungsprogrammen nur einen Anteil von 15 – 25% am Gesamtcurriculum aus, obwohl sich daraus später 60 – 70% der täglichen Arbeit ergeben. Ich persönlich denke, dass Psychologen und Pädagogen zumindest in Tendenzunternehmen wesentlich besser dazu geeignet sind, die Geschäftstätigkeit zu lenken, als Wirtschaftwissenschaftler. Menschen beurteilen, systemisch-analytisch denken, klare Entscheidungen treffen, ggfs. Sanktionen aussprechen und durchsetzen können wir auch – wahrscheinlich oft sogar besser. zumindest wir Pädagogen üben nämlich meistens mit viel mehr Sparringspartnern gleichzeitig…!

Ich weiß, dass es sehr, sehr viele Menschen ernsthaft denken, dass Geld sowie dessen Erwerb und Ansparung das ALLER- ALLERWICHTIGSTE im Leben seien. ICH persönlich denke jedoch, dass unsere Beziehungen das wichtigste in jedem Leben sind. Und dieses Mal sage ich ganz klar, dass diese Aussage aus meiner Sicht im Geschäftsleben genauso uneingeschränkt wahr ist, wie im Privaten. Ich habe gerade mehr oder weniger 2 Wochen ununterbrochen im Lehrsaal an Themen rings um Kommunikation, Beziehungen, Führung, Wahrnehmung und pädagogisch-didaktisches Handeln gearbeitet. Und ich kann mich deshalb genau jetzt nicht mehr des Eindruckes erwehren, dass manche Menschen in meinem beruflichen Umfeld nach falschen Prämissen handeln. Ob und wie man daran etwas ändern kann, weiß ich nicht. Aber es macht mich jedes Mal traurig, wenn ich die Zeit finde, intensiv darüber nachzudenken. Wie kann man den Elefanten im Raum nicht sehen, obwohl er einem doch den Rüssel auf die Schulter legt und laut trompetet? Nun ja… das Spätjahr wird sehr geschäftig, so dass ich – pflichtbewusst und erfüllt von jener protestantischen Arbeitsethik, die mein Vater mir vererbt hat – meine weiteren Erwägungen hierzu vermutlich auf die Zeit rings um Tannenbäume, liebliches Prassen und die stets nervige Suche nach den passenden Präsenten verlegen muss. Aus den Augen verlieren werde ich es jedoch ganz sicher nicht. Denn mein Körper ist mittlerweile einfach zu alt, um meine Zeit mit vielen nutzlosen Gesprächen, schlechtem Schnaps, unnützer, stupider, unkreativer Arbeit, miesem Essen und uninspirierenden Menschen zu verschwenden. Dafür ist meine Seele einfach noch zu jung! Wish you a nice weekend.

Im Funkloch

Ich bin, um dies einmal mehr unumwunden zuzugeben, einer von dieser Online-Junkies, über die so oft geschrieben wird. Ich – white, middle-aged cis-gender guy – stromere sehr oft durch verschiedene der, von mir so gerne so derb gescholtenen Antisocial-Media-Plattformen, um ein bisschen auf dem Laufenden zu bleiben, was die Kinder (also jene Menschen, denen meine Lebens- und Einsatzerfahrung abgeht) jetzt wieder umtreibt; ja verdammt, da bin ich ein bisschen bigott! So what, ihr Schlumpftulpen? Und da bin neulich von einem Anfang 20jährigen darauf hingewiesen worden, dass es ihn irritiere, dass ich über Phänomene informiert wäre, welche doch eher der Jugend vorbehalten seien. Ich nehme das als Kompliment, weil es mir sagt, dass ich immer noch in der Lage bin, als Pädagoge und Mensch auf lebensweltlich relevante Themen meiner SuS zu reagieren. Das bedeutet jedoch mitnichten, dass ich nun jeden noch so osbkuren Dreck kenne, der aus dem Huzz and Buzz der selbsternannten Trendmaschinen emergiert. Selbst meine 15-Jährige meint manchmal einfach nur „So ein Scheiß!“, wenn wir uns über „Trends“ unterhalten. Aber ja, ich gebe es zu – diese Dinge interessieren mich immer noch. Keine Sorge, ich trage immer noch keine weißen Sneaker und diesen ganzen anderen Rotz, der bei Gen-Z-lern heutzutage (wieder) so hart trended. Ich war schon da, als vieles davon das erste Mal er heiße Scheiß war – und ich fand’s schon damals zum Kotzen…

Nun bin ich derzeit im schönen Schwarzwald unterwegs – okay, ziemlich oft ist es derzeit der neblige Schwarzwald, aber das tut hier jetzt nicht so viel zur Sache – um eine neue Klasse in der Einführungswoche zu begleiten und zu unterrichten. Eine Aufgabe, die ich mittlerweile schon öfter übernommen habe und die mir immer noch Freude bereitet. Und auch dieses Mal ist es Teil des Designs, dass das Netz hier nicht überragend ist. Was stets zu mildem Gejammer führt, denn irgendwie bin ich offensichtlich NICHT der einzige Online-Junkie hier; wohl der Älteste, aber bei weitem nicht der Einzige. Ist ja aber nicht so, dass man GAR NICHTS online tun könnte… Ich durfte allerdings dieses Mal wohltuender weise beobachten, dass tatsächlich mal Dinge passieren, die ich mir bei so einem Setup jedes Mal wünsche: nämlich dass die zumeist jungen Leute die Gelegenheit beim Schopfe packen und Dinge tun, die sie sonst eher nicht tun würden. Etwa sich aufeinander einzulassen, ehrlich ins Gespräch zu kommen, interessante Spiele zu spielen und – echt wahr – gemeinsam wandern zu gehen. Ganz so schlimm ist das Funkloch dann wohl doch nicht. Natürlich werden sie , sobald sie morgen Nachmittag über die Passhöhe der ausgeschilderten Umleitung dem Tal entflohen sind wieder in die typischen Muster zurückfallen. Aber wenn wenigstens ein bisschen was hängenbleibt, bin ICH schon hoch zufrieden mit diesem Event.

Was mich selbst betrifft, so stelle ich fest, dass die (teilweise) Entkoppelung vom normalen Arbeitsalltag (viele Aufgaben lassen sich ja auch aus der Ferne erledigen) ein bisschen hilft, den Kopf frei zu kriegen. Nach dem Unterrichtsende einfach ein paar Kilometer durch den Berg hinter dem Kloster zu wandern tut das seine dazu. Man hat in einer Leitungsposition immer dieses Gefühl alles selbst, unmittelbar und vor allem sofort regeln zu müssen. Was bei meinem Job, wie ich in den letzten drei Tagen wieder bemerken durfte, ganz einfach eine Illusion ist! [Exkurs: Ich denke, ich muss die Home-Office-Diskussion noch einmal neu aufrollen, weil ich mit dem aktuellen Modell nicht zufrieden bin. Das Unterricht in Präsenz stattfinden muss, darüber herrscht kein Dissens; wohl aber über viele andere Aufgaben, die sich sehr wohl remote erledigen lassen und dann sogar besser funktionieren. Z. B. das korrigieren… Exkurs Ende] Ich nehme jedenfalls aus diesem idyllischen Schwarzwaldtal ein paar neue Impulse, Ideen und Bekanntschaften mit, die ich als bereichernd empfinde. Ich durfte Bewegung in der Natur zu meinen Bedingungen haben und bin trotz der vielen Wochenstunden immer noch hoch motiviert. Vielleicht tun auch mir solche gelegentlichen Funklöcher ganz gut? Denn in letzter Zeit habe ich mich des öfteren beim Doomscroll of Death ertappt… Wie man es auch dreht und wendet, jede Münze hat zwei Seiten. Über die Trends der Jüngeren informiert zu bleiben, bedeutet dann manchmal auch, zu viel kostbare Lebenszeit im Netz zu verbringen; so, wie manche der Jüngeren. Mal sehen, ob ich außerhalb des Funklochs wieder zur richtigen Balance finde? Ihr werdet es erfahren. Bis dahin – Schwarzwald Ahoi!

Out of the Box…

Ich finde es bemerkenswert, dass die vielen unterschiedlichen Menschen, die da so als Teilnehmer*innen in meine Unterrichte oder Seminare kommen immer wieder diese typischen Fragen stellen, die man eigentlich gar nicht hören möchte: „Wie lange machen wir heute?“. „Welche Inhalte kommen heute dran?“. „Ist das Prüfungsrelevant?“. „Kommt das noch mal dran?“. „Wo kann man das nachlesen?“. Und so weiter und so fort. Ich möchte dem nun in aller Form ein paar Dinge entgegnen, die mir in den letzten 9 Tagen während meiner Arbeit einmal wieder auf- und eingefallen sind:

  • Zeit- und Themenläufe sind variabel: Ich habe mir vorhin einen Moment genommen und bin auf eine direkte Frage eines Schülers hierzu eingegangen; und ich habe ihm gesagt, dass der Dozent oder Fachlehrer innerhalb eines gesteckten thematischen Rahmens nicht selten wie ein DJ vorgeht. Wir lesen den Raum, wir schauen, welche Fragen und Gespräche sich aus den gestellten Aufgaben und beschriebenen Problemen ergeben – und dann passen wir ggfs. unser Unterrichtsplanung an. Es mag sein, dass bei Lehrproben im Rahmen des Referendariats an allgemeinbildenden Schulen eine fest abzuarbeitende Unterrichtsvorplanung abgegeben werden muss, an die man sich nahezu sklavisch zu halten hat, weil der Fachleiter einem sonst die Rübe runter macht – aber das ist Bullenscheiße im Quadrat! Wenn sich der Flow im Rahmen des Themas in eine andere Richtung bewegt, aber die Fragen relevant sind, dann gehe ich den Weg mit. Und Schluss! (Ja, ja, ich weiß, die Stoffpläne – die sind in der allgemeinbildenden Schule oft genug einfach für den Arsch – und noch mal Schluss!)
  • Die Prüfungrelevanz betrifft IMMER die inhaltliche Essenz des Stoffes, nicht jedoch irgendwelche technischen Einzelheiten. Es ergibt (nicht nur aus konstruktivistischer Perspektive) absolut keinen Sinn, irgendwelche Schemata losgelöst von ihrem realen Einsatzzweck betrachten zu wollen. Die Leute suchen aber immerzu nach irgendwelchen Musterlösungen, die sie einfach nur anwenden müssen, um scoren zu können – aber weder für notfallmedizinisches Handeln noch das Leben an sich gibt es eine immergültige Musterlösung. Aber das kann man ihnen 1000 Mal erzählen und nächste Woche kommen sie wieder mit der gleichen Frage um die Ecke. Manche, weil sie sich’s einfach machen wollen und andere, weil sie an der Komplexität verzweifeln. Für beides gibt es Medizin, die allerdings nicht immer schmeckt: die Ersteren bekommen einen harten Realitätscheck, indem ihre Musterösung einfach mal im Training zerstört wird und die anderen Hilfe, indem man ihnen weitere Blickwinkel eröffnet. Kleines Einmaleins der berufsschulischen Pädagogik…
  • Der Unterricht ist zu Ende, wenn es Sinn ergibt! Manchmal ist das vor, manchmal nach der üblichen Schlusszeit. Wer hierbei nicht ein gewisses Maß an Flexibilität an den Tag legt, ist übrigens im Rettungsdienst schlicht falsch und sollte sich wohl besser was mit wirklich planbaren Arbeitszeiten suchen… weil nämlich die Struktur des Unterrichts hier aus der Metaperspektive die Struktur der eigentlichen Arbeit vorweg nimmt. Und die ist NICHT nine-to-five!
  • Die Festigung von Unterrichtsinhalten kann nie mit einem Durchlauf abgeschlossen sein. Insbesondere, weil theoretisch besprochene Inhalte sich immer einem Check an realen Einsatzsituationen unterziehen müssen, um ihre Relevanz für die Schüler*innen begreifbar zu machen. Die Antwort etwa auf die Frage „Warum müssen wir dieses Gesetz lernen?“ ergibt sich schmerzlich verständlich oft erst dann, wenn man die Gründe selbst erlebt, aus denen dieses Gesetz entstanden ist.

Fertiglösungen, die „out of the box“ funktionieren sollen kann man bestenfalls für sehr wenig komplexe Probleme formulieren, die sich in einen Wenn-Dann-Algorithmus pressen lassen. In der Notfallmedizin suggeriert man den Auszubildenden durch Algorithmen, die so aussehen, als wenn das möglich wäre, dass es fertige Musterlösungen geben könnte – nur damit wir Berufsfachschullehrer ihnen sehr mühsam den Reflex abtrainieren dürfen, auf komplexe Probleme stets einfache Antworten suchen zu wollen. Selbst Denken müssen die Azubis lernen. Aber zuerst müssen sie verstehen lernen, warum selbst denken zwar der anstrengendere, allerdings auch der wesentlich sicherere und zielorientiertere Weg ist. Und ich kann den Azubis da noch nicht einmal einen Vorwurf machen, weil es da draußen (auch und vor allem in unserem eigenen Berufsfeld) immer noch mehr als genug Menschen gibt, die ihnen vorleben, wie man es sich – vermeintlich – einfach macht. Die so tun als wenn Schema X jemals funktioniert hätte! Die alles, was nicht aussieht wie einer der Algorithmen zum „Bullshit-Einsatz“ deklarieren! Die Kolleg*innen mit einem humanistischen Menschenbild als „Schwächlinge“ verächtlich machen! Und die immerzu versuchen, den kürzesten, einfachsten, mit der wenigsten Arbeit versehenen Weg zu gehen, um sich dann auch noch ihrer Effizienz zu rühmen! SPEI! WÜRG! KOTZ! Wir haben noch einen verflucht weiten Weg zu gehen, wenn wir wirklich das Level an Profssionalität erreichen wollen, dass so viele von uns für sich reklamieren. Mal schauen, ob ich die nächsten Tage mal wieder etwas dazu beitragen kann. Hasta la Pasta, wie eine liebe Kollegin immer sagt…

Nur nicht untergehen!

Seit ein paar Wochen versuche ich mich wieder an mehr Bewegung. Meine Struggles mit der Masse meines Selbst gehen mittlerweile ins zweiunddrölfzigste Jahr und irgendwie ist Progress mit Blick auf die richtige Richtung des Zeigers an der Wage nur sehr spärlich zu verzeichnen. Joggen ist mit ’nem kaputten Sprunggelenk und dem Ausgangsgewicht aus orthopädischer Sicht ein No-Go, Crosstrainer würde bedeuten, dass ich extra noch ein Fitnessstudio-Abo abschließen müsste, worauf ich auf Grund eines Teils des Klientels dort nicht wirklich Lust habe; aber Schwimmen – ja Schwimmen ging schon immer. Und wenn man dann noch die Gelegenheit hat, um kurz nach 06:00 mit eher wenigen anderen zusammen in ein überdachtes, beheiztes Becken zu steigen… Ja okay, die Uhrzeit bereitet mir JEDES EINZELNE MAL wieder Brechreiz. Ein Frühaufsteher werde ich in diesem Leben nicht mehr. Aber wenn du dann endlich im Wasser bist und losschwimmst – musst du aufpassen, dass du nicht von irgendwelchen Hobbyolympioniken untergepflügt wirst. Mein Motto ist „Bitte nicht untergehen und irgendwie 1.500 Meter überstehen!“ Deren Motto ist anscheinend „Stirb du Wal, du bist im Weg!“ (ich habe hier, um der Dramatik Willen, natürlich ein klitzekleines bisschen übertrieben…) Hey, ich habe damit meinen Frieden gemacht und tatsächlich ist der Körper danach vielleicht müde, aber der Kopf ist tatsächlich frei. Also bleibe ich dabei. Geht aber auch nur ein Mal die Woche, öfter haben sie leider nicht so früh auf.

Es fällt mir derzeit auch aus anderen Gründen schwer mehr Bewegungseinheiten in meinen Alltag einzubauen, einfach weil unter der Woche Nachmittags schon so verdammt viel passiert ist und ich oft nicht mal körperlich sondern eher emotional so erschöpft bin, dass ich mir irgendwas Unterhaltendes suche und Fünfe gerade sein lasse. Da bin ich ganz Mensch… An den Wochenenden schaffe ich es wenigstens öfter mal, ein paar Kilometer spazieren zu wandern. Mir ist dabei aufgefallen, dass viele Leute, denen ich währenddessen begegne immerzu mit irgendwelchen Kopfhörern unterwegs sind. Ob Ganzschale oder In-Ear ist dabei vollkommen unerheblich, denn es handelt sich dabei sehr oft augenscheinlich, dem technologischen Trend folgend, um Noise-Cancelling-fähige Geräte. Diese Menschen blenden also bewusst einen ihrer Primärsinne aus. Warum die das tun, weiß ich nicht, aber ich habe dazu zunächst eine Meinung: einerseits ist das, insbesondere wenn man gerade im Straßenverkehr unterwegs ist sträflich dumm, weil es ein erhebliches Gefahrenpotential darstellt, nichts anderes hören zu können, als die Musik, das Podcast oder wasweißich auch immer da gerade läuft. Andererseits ist es für mich eine traurige Vorstellung, die Welt ausgerechnet dann ausblenden und ganz bei sich sein zu wollen, während man in dieser unterwegs ist; es wirft für mich die Frage auf, ob diese Menschen nicht mehr in der Lage sind, ohne irgendeine Form der Dauerberieselung zu existieren? Wahrscheinlich urteile ich da gerade zu hart, denn ich war gerade vorhin auch draußen unterwegs und dabei kam mir folgender Gedanke…

Wenn es stimmt, was Freud, Mead und andere formuliert haben, nämlich dass es drei Instanzen unserer Psyche, unserer Persönlichkeit, unseres Rollenverhaltens gibt, die aus zwei Extrempolen und einem vermittelnden Fließgleichgewicht in der Mitte bestehen, dann sind jene Menschen, die man heutzutage so gerne als neurodivers bezeichnet vermutlich eher von der ungebändigten, kreativen, zügellosen Seite des ES oder des I geprägt – das bedeutet nicht, dass das ES (wie Freud es nannte) oder das I (wie Mead es bezeichnete) uns den lieben langen Tag irgendwelche abseitigen, übergriffigen, absolut hedonistischen Dinge tun lässt. Wohl aber macht uns das rast- und ruhelos, lässt uns dauernd nach neuen Projekten und Idee, nach neuen Kicks und neuen Erfahrungen streben. Manchmal bis zu dem Punkt, dass wir unsere Sinne bewusst überladen, um überhaupt einen Fokus finden zu können. Ich erlebe das nicht so, weshalb ich wohl getrost sagen kann, dass meine Depressionen mir genügen und ich nicht auch noch über irgendeine – wie auch immer geartete – Form von Neurodivergenz an mir nachdenken muss. Ich konnte das aber schon in anderen Menschen beobachten. Und diese Beobachtung relativiert dann die Gedanken von vorhin insofern, als es wohl tatsächlich möglich ist, dass manche dieser Menschen, denen ich bei meinem sonntäglichen Spaziergang begenet bin einfach nur versuchen, ihre inneren Stimmen zum Schweigen zu bringen. Die Teilnahme am Straßenverkehr macht es dann allerdings immer noch riskanter als unbedingt notwendig.

Ich habe auch innere Stimmen; nein, keine von denen summt dauernd die Melodie von Tetris, aber nicht selten klingt mein innerer Monolog, den ich SO GERNE als „normale“ Selbstreflexion betreiben würde eher wie eine politische Talkshow, die (wie in der Realität auch) allzu oft in Satire abgleitet, weil die Protagonisten sehr „interessante“ Ansichten haben. Aber ich kann das meistens bewusst moderieren und bis zu einem gewissen Grad durch körperliche Aktivität sogar abschalten. Deshalb dauert es mich auch so sehr, dass ich es nicht öfter hinbekomme, mehr Bewegung besser in meinen Tagesablauf zu integrieren. Bevor jetzt irgendsoein Schlaubi-Schlumpf daher kommt und seinen „Ja, da musst du halt einfach mehr Sport machen“-Senf absondert (in dem Fall ist die Assoziation mit Kinderkacke, die ich bei Senf oft habe echt passend!): Fick dich! Mach meinen Job! Hab mein Leben, mein krankes Hirn und dann reden wir noch mal, Digga! Ende der Durchsage. Ich bemühe mich echt, aber manchmal (eigentlich zu oft) scheitert die Mühe an der normativen Kraft des Faktischen. Also muss man das Faktische ändern – also dier ealen Lebensbedingungen. Und DAS ist nicht so einfach, Wie dem auch sei, versuchen wir auch in der kommenden Woche einfach nicht unterzugehen und den Kopf so gut freizukriegen, wie es geht – jedes Menschlein auf seine Weise. Bis bald.

Allein, allein…? Ist’s manchmal schön zu sein…

Ich meine natürlich nicht den Song von Polarkreis 18. Und ich will ganz sicher auch nicht wie Diogenes in einem Faß leben. Henry David Thoreaus Idee, sich ’ne Hütte im Wald zu bauen, die nur ein paar Kilometer von der (damaligen) Zivilisation entfernt lag, um dann Sonntags mit der Familie zu essen erscheint da schon attraktiver. Allerdings bräuchte es dazu a) ein regelmäßiges Einkommen aus irgendwas mit ohne Menschen, b) einen Wald, in dem nicht zu viele Menschen (am besten gar keine) unterwegs sind und c) ’ne Baugenehmigung, denn wir sind in Deutschland. Und damit ist das Projekt auch schon gescheitert, bevor es überhaupt begonnen hat. Denn wenn ich echt meine sozial induizierte Depression in so einer Hütte auskurieren wollen würde, hinge ich an einem der Bäume ringsum, bevor die Baugenehmigung da wäre. Die einzige Frage bliebe, was zuerst zu spät käme – die Baugenehmigung oder die Zusage für einen Therapieplatz. Keine Sorge, mir geht es im Moment soweit ganz gut, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie und vor allem wann ich die ganzen Probleme am Arbeitsplatz lösen soll, die sich einmal mehr ganz von allein aufgehäuft haben. Ist mal wieder wie mit den Pilzen im Wald nach einem feuchten Sommer: drehst dich einmal um und SCHWUPPS steht alles voll! Augen auf bei der Jobwahl kann ich da nur sagen…

Allein sein zu dürfen ist heutzutage oft ein Luxus. Ich bemerke das vor allem, wenn ich in Urlaub fahre. Ich suche heutzutage bewusst Orte aus, an denen man eher wenigen Menschen begegenet, wenn man nicht gerade auf DIE Ausflüge geht, die alle Anderen auch machen, weil’s da, wo man hinfahren kann halt im wahrsten Wortsinn pittoresk ist. Schuldig im Sinne der Anklage, da ich ja auch gerne und viel knipse. Ich las neulich in einem Interview mit einer Restauratorin, dass sie keine Bilder von ihren Auflügen in Museen machen würde, weil die Linse zwischen Auge und Objekt den Blick auf die Essenz des gerade betrachteten Kunstwerk versperre. Ich weiß was sie meint. Und bei bestimmten Exponaten ist das auch wahr. Die Abbildung sagt nicht so viel, wie tatsächlich davor zu stehen, allein schon, weil selbst gut komponierte Bilder dazu neigen, die wahren Größenverhältnisse zu verschleiern. Doch ich habe gelernt, die Welt – vermittelt durch die Begrenzung des eben genutzten Objektives – auf eine bestimmte Art wahrzunehmen, Spannung, Widersprüchlichkeit, Verspieltheit, Ästhetik zu suchen, wo man diese nicht unbedingt vermutet (aber natürlich auch da, wo diese explizit angeboten wird). Einerseits, weil ich ab und an gerne ein solches Bild teile, andererseits, weil es das Auge auch für die Details in anderen Kontexten schult. Es macht einen empfindlicher für das Rauschen, welches von Störungen ausgeht – ich bin heute recht gut darin, systemisch zu sehen. Ich bezahle dafür auf der anderen Seite immer wieder Lehrgeld, weil ich noch glaube, dass Menschen nur ausreichende und passende Denkanlässe benötigen, um ihr Handeln anzupassen, wenn selbiges nicht sozial-, sach- oder fachadäquat war. Das könnte daran liegen, dass das viele soziale Handeln, welches meine Arbeit mir abverlangt mich bisweilen erschöpft. Und im sozial erschöpften oder übersättigten Zustand sagen wir manchmal zu schnell JA zu Dingen, zu denen wir laut und deutlich NEIN hätten sagen sollen. Und wieder: schuldig im Sinne der Anklage.

Zurück zum allein sein – gerade an einem Tag wie heute, wo jeder Hans und Franz meint, seine Meinung zur deutschen (Un)Einheit kundtun zu müssen, ist es mir verdammt lieb, keinen einzigen Schritt vor die Tür machen zu müssen. Alle Erledigungen müssen warten – denn es ist Feiertag; außerdem wurde gestern alles eingekauft, was man so braucht um auch Freitag zu überleben (wenngleich ich dabei nicht so kriegerisch vorging, wie manch anderer gestern Nachmittag…). Alle Mühsal und Anforderungen der Arbeit müssen warten – denn es ist Feiertag; und ich bin nicht mehr im Einsatzdienst tätig, was bedeutet, das NICHTS von meiner Arbeit tatsächlich zeitkritisch im echten Wortsinn ist! Alle Hetze muss warten – denn es Feiertag! Was nicht warten kann, ist das Kochen für die Familie und ein bisschen leichte Hausarbeit – ich lüfte ja ganz gerne. Nein, Spaß beiseite, an einem freien Tag unter der Woche wird erledigt, was sonst auf Grund der Zeitnot liegen bleibt. Das ist aber nie so viel, dass man nicht doch noch etwas Zeit für sich selbst findet. Die Familie trifft sich zu den Mahlzeiten, ansonsten kommuniziert man, wenn was Interessantes ansteht, oder man die Anderen an etwas teilhaben lassen möchte (kleine Tochter und Ehefrau tun dies gerne, die Teenagerin eher eingeschränkt und ich, wenn mir etwas einfällt…). Aber genau jetzt, da diese Zeilen entstehen, bin ich allein. Nicht einsam, denn ich könnte jederzeit Gesellschaft haben, sondern allein, weil ich die Sozialpause brauche, bevor morgen der Terror arbeitsinduzierter Dauererreichbarkeit wieder losgeht. Gott, ich freu mir grad ’n zweites Loch in den Hintern…

Gerade wenn man ganz gut im systemischen Denken ist, fällt einem leicht auf, wie viel Zeit manchmal mit Laberei und Bedenkenwälzerei und Abwarterei und (unnötig langwieriger) Fehlersucherei verschwendet wird, anstatt man einfach Dinge tut. Wenn manche Dinge sehr erfolgreich getan werden, ist es meist EINE Person, die alleine die Situation analysiert, einen Plan fasst, diesen umsetzt, die Zielerreichung überprüft, den Plan nachjustiert und wieder umsetzt. Solange, bis es passt. Denn der Spruch „Viele Köche verderben den Brei“ kommt nicht von ungefähr, beschreibt er doch wunderbar dieses, stets in Lenkungs- und Planungs- und Entscheidungs-GREMIEN zu beobachtende Phänomen der Verantwortungsdiffusion. Kombiniert mit Angst um die eigene Position, einer „Wasch mich aber mach mich bitte nicht zu nass“-Attitüde und einer Gruppengröße, die das Bystander-Phänomen wahrscheinlich werden lässt haben wir den Salat: Stillstand allerorten! Beschreibe ich gerade persönliche Erfahrungen aus der Arbeitswelt oder den Zustand unserer Nation an diesem heutigen Feiertag eben jener Nation…? Ist auch egal, denn am Ende kriege ich weder meine Hütte im Wald, noch die Entscheidungsgewalt, die es manchmal bräuchte, um die Dinge einfach tun zu können. Ohne unnütze Gremien, ohne Übervorsichtigkeit, ohne die typischen „Reichsbedenkenträger“ – und vor allem ohne diese panische Angst, sein Gesicht zu verlieren. „If you can’t stand the heat, get out of the kitchen!“ Ich weiß, wo ich hin will (da gibt es manchmal sogar nur wenige Menschen, so wie ich es eigentlich mag) – und mir ist es in der Küche nicht zu heiß! Ich wünsche euch allen einen verfickt schönen TAG DER DEUTSCHEN EINHEIT! Feiert es oder verdammt es, ganz wie euch beliebt. Wir hören uns…

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