Zufriedenheit N°3 – macht mehr Arbeit zufriedener?

Ich bin gestern über einen Artikel der Frankfurter Allgemeinen gestolpert, in dem über das Thema Rollenverteilung und Zufriedenheit berichtet wird; ich habe den Artikel der besten Ehefrau von allen vorgelesen und wir waren uns zumindest hinsichtlich einer Sache einig: die als Aufhänger für den Artikel dienende Untersuchung bildet vielleicht eine tradierte Noch-Realität ab, aber sicher nicht die in Stein gemeisselte Zukunft. Allerdings kam ich nicht umhin, mir so meine weiterführenden Gedanken zu machen.

Warum sollten Männer gerne mehr als 40h/Woche arbeiten? Wollen die alle Karriere machen (in verschiedenen Wirtschaftszweigen eher unwahrscheinlich)? Ist es für Männer bequemer, die Care-Work auf die Frauen abzuwälzen (höchst denkbar)? Liegt es an den ungerechten Gehaltsunterschieden oder dem Umstand, dass Frauen im Mittel, trotz besserer schulischer Leistungen immer noch häufiger in schlechter bezahlten, minderqualifizierten Berufen landen (traurige Realität)?

Wahrscheinlich ist eine Mischung aus all dem an den Ergebnissen der Untersuchung beteiligt. Deren Autor Prof. Dr. Martin Schröder von der Uni Marburg zeigt sich im Interview denn auch durchaus von seinen eigenen Ergebnissen überrascht und macht nicht den Eindruck, hier normative Furore für das Heimchen am Herd machen zu wollen. Allerdings – und das muss man wissenschaftlichen Publikationen immer mit einkalkulieren – ist es ziemlich wahrscheinlich, dass solche Daten Wasser auf den Mühlen der Ewiggestrigen sind. „Da schaut mal, die Frauen wollen doch daheim bleiben und einen richtigen Kerl als Versorger!“ Was für ein Käse.

Wir kamen gestern Abend überein, dass hier tradierte Strukturen am Werk sind, die zu überwinden denn wahrscheinlich auch noch Jahrzehnte dauern wird. Der Grundtenor des Artikels hingegen sagt mir, wes Geistes Kind der Autor ist: dem gefällt die Idee, Frauen empirisch belegt in den Haushalt zu verbannen anscheinend gar nicht so schlecht. Vielleicht unterstelle ich ihm auch nur zu viel Böses; der erste Absatz jedoch, der moderner Familienpolitik, die auf gleichartige Startbedingungen für die Berufstätigkeit von Mann und Frau ausgelegt ist ein klares Nein auf der Basis der Untersuchung entgegen stellt, genügt mir zur Einschätzung der Motive vollkommen…

Mich irritiert derlei Denken. Nicht, weil ich frei von den, im zweiten Absatz sattsam beschriebenen Dünkeln wäre; auch ich verschanzte mich manchmal lieber hinter meiner Arbeit, anstatt etwas mit meiner Familie zu unternehmen. Und ich werde für mich jetzt nicht die Entschuldigung geltend machen, dass meine Depressionen eben manchmal auch soziophobe Züge in mir wecken. Das wäre zu billig. Ich entstamme, wenn man mal von Generationen reden möchte, der häufig gescholtenen Generation X. Und ich kann ruhigen Gewissens sagen, dass die Rollenbilder, welche mir zuhause vorgelebt wurden, traditionell patriarchalisch waren. Ich glaube zwar, mich davon emanzipiert zu haben. Aber mit Sicherheit sind manche Stereotypen, die damals in mir fundiert wurden, bis heute wirkmächtig.

Das bedeutet, dass ich mit Erbe eines anderen Zeitalters in meinem Hinterkopf durch die heutige Welt schreite, die schon vor über 30 Jahren höchst treffend von Ulrich Beck als Risikogesellschaft charakterisiert wurde. An der, von ihm weitschweifig beschriebenen Orientierungslosigkeit ändert sich erst langsam etwas. Doch jede Pendelbewegung ist von Extremen gekennzeichnet. Wo früher das Patriarchat herrschte, kam der Feminismus ins Rollen und schuf – sich teilweise radikalisierend – seine eigenen Dämonen. Bevor ich hier zu sehr abschweife: ich bleibe als klassischer, weißer, mittelalter Cisgender-Mann nicht selten vollkommen verwirrt zurück. Denn ich sehe mich einerseits in der Pflicht, meine diesbezüglichen Ideen und Überzeugungen immer wieder auf den Prüfstand zu bringen.

Andererseits bin ich jedoch auch Pragmatiker und frage mich manchmal, ob es nicht doch ein Zuviel an Selbstreflexion geben kann? Nämlich dann, wenn ich mich selbst in meinen Gedankenspielen lähme und nur noch (nach)denke, anstatt zu agieren. Denn letzten Endes ist ein Lebensentwurf etwas höchst individuelles. Und wenn zwei solche individuellen Pläne zusammenpassen, ohne dabei von Traditionen abzuweichen, ist das dann zwangsweise etwas Schlechtes, weil es nicht moderneren Vorstellungen entspricht? Und sind manche dieser „modernen“ Vorstellungen nicht doch einfach nur Dogma? Ich weiß es nicht. Muss vermutlich jeder für sich selbst entscheiden. Auf wiedersehen.

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