Workplace culture?

Es ist schon irgendwie komisch; sehr oft wenn Menschoide über die Arbeit anderer Menschoiden sprechen, dann neigen sie entweder dazu, diese schlecht zu machen. Oder aber, sie versuchen, sich deren Erfolge an die eigene Brust heften. Okay das ist jetzt möglicherweise ein kleines bisschen übertrieben, aber es ist ein wiederkehrendes Motiv, welches ich immer und immer wieder wahrnehme. In Kommentarspalten, in persönlichen Gesprächen, ja sogar in Zeitungsartikeln und Videos muss ich immer wieder sehen und hören, wie niederträchtig über die vermeintliche Nicht- oder Schlechtleistung der jeweils anderen Beschäftigtengruppen, bzw. deren Beitrag zur Gesamtleistung in der eigenen Organisation gesprochen wird. Nicht selten fällt dabei der Begriff “Sesselfurzer”; ein höchst despektierliches Wort für jene Menschen, die anstatt körperlicher Wissensarbeit leisten. Und nur um das an dieser Stelle in aller Form und endgültig klarzustellen: Wissensarbeit ist genauso Arbeit, wie Hausbau, Güterproduktion oder Transport! Wir mögen dann und wann über den realen Gehalt dieser oder jener Tätigkeit streiten können (Stichwort hier: Bullshitjobs) – aber am Ende des Tages bleibt Wissensarbeit eine Arbeit wie jede andere auch. Wertschöpfung bemisst sich nicht nur an der Menge der verarbeiteten Materialien, sondern auch an der Qualität der Ergebnisse; und DIE hängt in wesentlichem Maße von der Zuarbeit der “Sesselfurzer” ab: Workflows organisieren, Arbeitsmittel und Ressourcen heran schaffen, Aus- Fort- und Weiterbildung für alle Beteiligten bereitstellen, Werbung machen, die laufende Mittelverwendung optimieren, das Geld eintreiben und verteilen, und, und, und… Wenn das keine Arbeit ist, könnt ihr’s ja mal Blaumann-only versuchen. Da wird euch nach kurzer Zeit die Puste ausgehen, wenn niemand den “Papierkram” für euch erledigt, ihr Superhirne. Zumal diese ganze Schattenfechterei zwischen einzelnen Parteien vom eigentlichen Problem ablenkt.

Seit Corona flammen immer wieder die gleichen – im übrigen unnötigen – Diskussionen über die Frage auf, ob mobiles Arbeiten oder Home-Office (oder wie auch immer das Kind nun genannt oder organisiert sein soll) nun produktiver oder unproduktiver seien, als die typische Präsenz-Tätigkeit im Büro. Da haben wir schon die erste künstliche Dichotomie: denn man – lies: Arbeitgeberverbände und deren Lobbystiftungen – grenzt jene, die einen Arbeitsplatz haben, der auch von zu Hause stattfinden kann ab gegen jene, denen das nicht möglich ist; und facht in dieser Zone immer schön ein Feuer des Streits an, um vom eigentlichen Thema abzulenken, zu welchem wir alsbald kommen werden. Butter bei die Fisch: ich habe 26 Jahre im Einsatzdienst und auf Rettungsleitstellen gearbeitet. Und es wäre mir im Leben nicht in den Sinn gekommen, zu beklagen, dass andere es besser hätten, weil sie in einem Büro, oder eben nicht in einem Büro sitzen. Denn am Anfang stand halt die verfluchte Berufswahl. Und wenn DICH dein Job jetzt so ankäst, dass DU es nicht ertragen kannst, dass dieser Verwaltungsheini, Lehrer, oder sonstwer einen oder zwei Tage die Woche von daheim arbeiten darf – dann such DIR verdammt noch mal was anderes. DEIN Problem ist nicht der Job der anderen Person, sondern DEIN eigener, GODDAMIT! Aber… das Framing durch Lobbyismus und regelmäßig wieder lancierte Studien, die dieses oder jenes behaupten, hält den Kampf an dieser Front am Laufen. Auf die Art und Weise generiert man ein Feindbild: den “Sesselfurzer”. Es ist a) Blödsinn, zu glauben, dass alle Menschen, die in Büros wohnen nichts arbeiten würden und b) aus verschiedenen Gründen eine verdammt gute Sache für alle Beteiligten, wenn man denen unter bestimmten Umständen mobiles Arbeiten ermöglicht. Lässt sich auch recht gut begründen:

  • Umweltvertäglichkeit: weniger Pendeln = weniger Emissionen = Umweltschutz. Könnte eigentlich jeder verstehen können, der noch sechs bis acht funktionierende Hirnzellen hat. Aber das mit der Umwelt geht offensichtlich ja nicht wirklich in viele Schädel rein…
  • Sozialverträglichkeit: verschiedene Aspekte des Privatlebens und der Arbeit lassen sich so wesentlich besser unter einen Hut bringen. Und ja, das bedeutet bisweilen auch, dass die Arbeitszeit zergliedert sein mag. Solange jedoch die abgelieferte Leistung im richtigen Verhältnis zum gezahlten Gehalt steht, ist mir – auch als Vorgesetztem – am Ende herzlich egal, wann genau diese Leistung erbracht wurde, FALLS das Gegenüber die Vorzüge dieses Arrangements ebenso zu schätzen weiß. Überdies sind manche Menschen Introvertierte – und die BRAUCHEN ihre Zeit zum Nachladen der sozialen Batterien.
  • Produktivität: meine persönliche anekdotische Evidenz sagt mir, dass bestimmte Arbeiten in einem ruhigen, abgeschotteten Umfeld besser von der Hand gehen. Bei mir wäre das vor allem klassische Unterrichtsvorbereitung oder das Erstellen von Instruktionsdesigns. Es steht außer Frage, dass sich das Team trotzdem regelmäßig in Person sehen muss, denn Home-Office ist aus meiner Sicht immer nur ein Teil der Lösung. Für die Unken: die ernstzunehmenden Studien kommen allesamt zu dem Ergebnis, dass die gemessene Arbeitsproduktivität bei einer Hybridlösung (Home-Office vs. Präsenz 35 – 65) ideal ausfällt.
  • Teamwork: lässt sich nur teilweise über die Distanz aufrecht erhalten. Aber es ist eine Legende, dass das gar nicht ginge. Mein Team und ich haben das mehrfach bewiesen. Die richtige Mischung aus Nähe und Distanz ist allerdings in jeder Beziehung entscheidend für den langfristigen Erfolg – auch am Arbeitsplatz.

Worum geht es also: es geht NICHT um die Frage, ob Menschen generell im Home-Office fauler sind. Funfact: manche sind das auch am Präsenzarbeitsplatz, denn Penner die sich mit minimalem Aufwand durchs Leben stinken, gibt’s leider überall. Die muss man einfach markieren, observieren und ggfs. eliminieren – egal ob im Home-Office oder im Büro! NEIN, es geht darum, die Gräben innerhalb der erwerbstätigen Masse der Menschen im Lande schön tief zu halten, damit wir working people ja nicht auf die Idee kommen, mit einer Stimme zu sprechen. Wo kämen wir denn da hin? Da kommt ja am Ende noch “TAX THE RICH” raus. Das geht ja mal gar nicht. Kleines Rechenbeispiel: Jemand hat 100 Millionen auf der Bank. Darauf bekommt die Person, wenn sie gut verhandelt hat derzeit ca 2,5% Zinsen (wahrscheinlich mehr, denn man braucht viel Kapital, um neues FIAT-Geld erzeugen zu können). Das sind 2.500.000,00 €. per Anno. Darauf werden in Deutschland 25% Kapitalertragssteuer also 625.000,00€ fällig. Und noch mal der Solidarzuschlag in Höhe von 5,5% des Kapitalertragssteuersatzes. In diesem Fall sind das 34.375,00€. Bleiben also 1.840.625,00€ per anno übrig. Würde das als normales Erwerbseinkommen versteuert, würde deutlich mehr fällig. Der Einfachheit halber nehmen wir den Höchststeuersatz von 45% (stimmt nicht ganz, lässt sich hier aber leichter darstellen). Das wären dann 1.125.000,00€ mit einem verbleibenden Einkommen von 1.375.000,00€ – oder 465.625,00€, die der Staat NICHT einnimmt, weil er erwerbsloses Kapitaleinkommen gegenüber Erwerbseinkommen aus eigener Tätigkeit bevorteilt. Und das kommt NUR UND AUSSCHLIESSLICH einer Gruppe in Deutschland zu Gute: dem oberen Prozent. Und da wird wesentlich mehr Kapital bewegt als lumpige 100 Millionen, das waren doch schon 1994 mur Peanuts, nicht wahr, Herr Kopper?

Die ganzen Neiddebatten, das scheinbar nutzlose Wiederaufkochen alter Diskussionen, das Veröffentlichen dieser oder jener Studie, das dauernde Trara irgendwelcher Arbeitgeberverbände, wir würden alle zu wenig arbeiten – all das dient nur dem Zweck, dass wir NIEMALS wirklich darüber nachdenken, das Geld, welches uns fehlt, um den Schwächsten der Gesellschaft ein würdiges Leben zu ermöglichen, sofern sie dazu nicht selbst in der Lage sind, dort holen, wo es eh schon zuviel von allem hat. Und nur mal so am Rande – viele Staaten in der EU haben Höchststeuersätze weit jenseits der 50%-Marke. Wie wir übrigens auch bis ca. zum Jahr 2000. Man möchte es kaum glauben, aber ausgerechnet während der, ansonsten eher neoliberal ausgerichteten Ära Kohl (1982- 1998) waren deutlich mehr Steuern fällig als heute… Wenn also jemand für mich den Begriff “Sesselfurzer” benutzt, weil ich (leider zu viel) sitzender Tätigkeit nachgehe, dann kann ich nur mit Schulter zuckend sagen: “DU hast GAR NICHTS verstanden, DUMMY!” Eine gute Workplace Culture wäre folglich, zu akzeptieren, dass a) nicht alle Tätigkeiten gleich und b) nicht alle Tätigkeiten GLEICHWERTIG sind; und überdies c) nicht alle Tätigkeiten auf die gleich Art und am gleichen Ort erbracht werden müssen. Kommt drüber hinweg ihr hart arbeitenden Wertschöpfer da draußen. Schönen Tag noch.

Auch als Podcast…

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