Was vom Tage übrig blieb…

…hab ich selten wirklich lieb. Ich sammle – wie wir alle das vermutlich tun – stets große Stapel unerledigter Dinge, die ich vor mir her schiebe, wie ein Eisbrecher die Schollen. Sie bleiben eine Weile am Rumpf kleben, um dann langsam, aber unaufhaltsam fort getrieben zu werden und alsbald außer Sicht zu geraten. Denn der Eisbrecher bewegt sich ja immer weiter, immer vorwärts. Wohin auch immer.

Diese unerledigten Dinge sind meistens von solcher Insignifikanz, dass es keinen Unterschied macht, ob man sich ihrer erinnert, oder nicht. Ich müsste mal wieder: den Keller aufräumen, dieses oder jenes Buch fertig lesen (und es gibt wirklich so manches, dass diese Mühe nicht wert ist), mich mal wieder bei xyz melden (man hat ja Angst, was zu verpassen, oder seinem sozialen Umfeld beim Schrumpfen zusehen zu müssen); und schließlich mal wieder was schreiben.

Zum Beispiel zur „sozialen Kehrtwende“ der SPD. Haben andere allerdings schon erledigt und wenn das einzig amüsante, wie substantielle an einem Sachverhalt die Kommentarspalten unter der Berichterstattung dazu sind, brauche ich meinen Senf nicht auch noch dazu zu geben. Verschwendete Lebenszeit. Oder die Frage nach der Relevanz der Geisteswissenschaften in aktuellen Diskursen. Ich könnte eine Buch dazu füllen, aber a) haben das schon andere getan (und vermutlich besser, als ich es je könnte) und b) ließt überhaupt irgendwer meine Kommentare? Zu so einem „schweren“ Thema? Ich glaube nicht, denn die leichte Kost wird doch bevorzugt.

Abgesehen davon passiert es mir immer wieder, dass ich beim Lesen meiner üblichen Postillen, oder beim Recherchieren im Netz BRILLANTE Ideen habe, was ich als nächstes Sujet in einem Blogpost beackern könnte. Nur bin ich keiner von diesem Typen mit einem Diktiergerät oder einem Notizblock in der Brusttasche (mein üblicher Habit hat keine Brusttasche); also vergesse ich meine Epiphanien oft genug wieder, ohne, dass ich den Kairos packen und das Eisen schnell schmieden könnte. Was für ein entsetzlicher Verlust für die Menschheit… nicht wahr? Blödsinn. Wenn ich’s vergessen habe, wird’s so gut schon nicht gewesen sein.

Trotzdem bleibt oft so ein schaler Geschmack zurück, ein Gefühl der Kapitulation: vor dem Alltag, vor meinen eigenen Faulheit und Unorganisiertheit und letztlich oft auch vor meiner Zeitnot. Selbst jetzt, wo ich ein paar Tage durch eine fiese Grippe ans Haus gebunden war, bringe ich kaum was sinnvolles zustande; OK, zugegeben, die ersten sechs Tage meiner Krankheit habe ich gar nichts zustande gebracht außer rumliegen und einen auf Männerschnupfen machen. Aber auch heute Abend scheint es nicht so, als sei ich inspiriert. Oder?

Ich muss zugeben, dass ich mittlerweile tatsächlich den boshaften Biss bei den Tagesthemen vermissen lasse. Zum einen wird man mit dem zunehmenden Alter angeblich duldsamer (hierzu eine Einlassung: DULDSAMKEIT? SEHE ICH AUS, ALS HÄTTE ICH ZEIT FÜR DEN SCHEISS?); ok, daran liegt’s wohl nicht. Dann vielleicht doch eher am gewachsenen Interesse an anderen Themen? Zum Beispiel meiner anderen Schreiberei? Das wird es wohl sein. Wie dem auch sei; die anderen Themen haben mich anscheinend nicht ausreichend fasziniert, sonst hätte ich wohl was dazu sagen können. Ich bin nicht traurig drum, vielleicht rege ich mich ja die Tage über etwas anderes auf. Dann bekommt ihr lieben Leser das bestimmt mit.

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