Fluch und Segen zugleich – dass ist meine Arbeit für mich. Segen, weil ich meinen Job und meine persönlichen Interessen, ja sogar meine Hobbies ziemlich oft verdammt gut miteinander kombinieren kann. Fluch, weil ich immer noch glaube, dass manche Worte, die im Geschäftsleben gerne mal so dahingesagt werden, tatsächlich wahr sein könnten; und weil Menschen nun mal häufig nicht sagen, was sie denken oder wissen… Womit wir bei meiner Leiden-Schaft wären: Ich bin, unumwunden gesagt, ein Harmoniebedürftiger Mensch. Ich mag es, wenn mein Umfeld gut miteinander auskommt, und ich liebe es, wenn Teammitglieder zusammen funktionieren – nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf menschlicher Ebene. Wenn es läuft wie geschmiert, und auch schwierige Aufgaben plötzlich pille-palle einfach werden. Wenn man sich versteht, ohne allzu viele Worte verlieren zu müssen. Wenn nicht jeder einen Riesen-Bohei um sich selbst macht…
Das ist jedoch in manchen Settings ein eher seltenes Ereignis. Denn wir Menschen sind halt darauf gepolt, unseren Selbstwert herstellen, erhalten und ggfs. auch steigern zu müssen. Weil eine positive Erzählung unseres Selbst uns davon abhält, verrückt zu werden. Oder besser gesagt, unser Selbst zu verlieren; im wahrsten Wortsinn. Je nachdem, wie der Rest der Persönlichkeit rings um den, mehr oder minder stabilen Prozess Identität strukturiert ist – also ob man eher ein egoistischer Narziss, ein altruistischer Humanist, oder, wesentlich wahrscheinlicher, irgendetwas auf dem langen Schieberegler dazwischen ist – wirkt sich das auf das Funktionieren der sozialen Aspekte von Leben aus; und damit natürlich auch auf die sozialen Aspekte von Arbeit. Wenn man sich nun – vorrangig, oder gar beinahe vollständig? – über seine berufliches Selbst definiert, seine Identität vom Erwerb beruflicher Meriten abhängig macht, bedeutet das eine Verengung der Perspektive, einen Verlust von Metareflexion, weil alles nur funktional betrachtet wird – bringt mich das weiter, oder ist das Kunst und kann weg? Das ist keine sehr gesunde Art, sein Leben zu leben. ICH weiß es, denn ich war dort…
Ursprünglich hatte ich versucht ein VLOG mit einem etwas anderen technischen Setting aufzuzeichnen. Hab meine Olympus OMD EM-10 Mk4 in Stellung gebracht und in 4K30 gefilmt. Mit Perspektive und Licht gespielt. Getelepromptet. Sah wesentlich besser aus, als mit der döseligen Logitech Brio; selbst der Ton war gut. Und dann habe ich die Arbeit von zwei bis drei Stunden in die Tonne getreten, weil ich beim zweiten drüber Nachdenken zu weinerlich klang – und überdies Interna genau das sind – intern! Aus der isometrischen Perspektive betrachtet gibt’s da halt ein paar Leute, denen ich im Laufe der nächsten Woche auf den Zahn fühlen, oder auch mal Bescheidstoßen muss; aber das ist nichts, was hier ausgefochten werden soll oder kann. Zumal mein Punkt ja schon sichtbar geworden ist – es ist immer die Leidenschaft, die Leiden schafft! Weil Personen und Dinge, die einem am Herzen liegen ungefiltert und ungebremst die Klaviatur meiner Seele bespielen, die unterschiedlichsten Emotionen auslösen können, ohne sich dafür euch nur ein Jota anstrengen zu müssen. Was im Moment vor allem ein Ding betrifft, nämlich meine Arbeit.
Es sind im Moment die Tätigkeiten, deren Ertrag noch im Ungefähren bleiben muss, die mir besondere Freude bereiten, mich in Flow versetzen, und mich als Mensch vorwärts bringen; der Ertrag muss im Ungefähren bleiben, weil man viele Rahmen-Parameter des eigenen Tuns auch als Schulleiter nicht beeinflussen kann. Das ist der Segen, von dem ich ganz oben sprach. Das ist das Salz in der Suppe, der morgendliche Blick auf etwas Schönes, das Gefühl von Sinn und – nun ja, das könnte jetzt pathetisch hohl klingen, aber ich sage es trotzdem – von Bestimmung! Ich bin, im Grund genommen da, wo ich hinwollte und wo ich hingehöre. Subtrahieren wir davon den ganzen Sumpf aus Ärger – meinen Fluch – bleibt immer noch genug übrig, was mich vorerst an Ort und Stelle hält. Man muss hier ganz einfach sagen, dass so etwas immer eine Kosten-Nutzen-Rechnung bleibt, die nicht nur fiskalische Gesichtspunkte einbeziehen darf, sondern eben auch weiche Faktoren wie „Zufriedenheit“, „Wertschätzung“, „Teamplay“, „Entwicklungsmöglichkeiten“, usw. Je älter man wird, desto wichtiger ist einem im übrigen Freizeit. Weil man genau weiß, dass man nicht mehr so viel Zeit übrig hat, wie mit 18…
Ich würde es nicht wirklich als Leiden betrachten wollen, wenn menschliche wie sachliche Störungen meinen Flow, bzw. die Hinwendung zu meinen Leidenschaftenn unterbrechen, oder mich davon abhalten, überhaupt erst „rein zu kommen“; eher als nervtötendes Rauschen, das vom Wesentlichen ablenkt. Klingt es arrogant, wenn ich sage, dass ich relativ schnell vergessen kann, was Menschen mir gesagt haben, wenn ich dessen Relevanz für den jeweiligen Gesamtprozess als gering einschätze? Vielleicht – ist mir aber egal! Ich lerne immer besser, meine persönlichen Ziele wahrzunehmen und auf diese hin zu arbeiten, und auch mal auf Dinge oder Menschen zu scheißen, die mich nur aufhalten. Jenen, mit denen ich lebe, regelmäßig arbeite und denen ich für ein Gespräch (fast) immer zur Verfügung stehe sei gesagt, dass ich euch NICHT als Hindernisse, Ablenkungen oder Rauschen wahrnehme, sondern als Individuen, die meine Aufmerksamkeit verdient haben. Die anderen merken schon, wenn das nicht so ist. Und nun, genug von Leidenschaften geredet – das Wetter ist schön, der Sonntag noch jung… wir hören uns!