Warum Leidenschaft?

“Es ist die Leidenschaft, die meine Leiden schafft!” (Tanzwut). Yay, Captain Obvious fliegt wieder, schönen Dank auch! Aber es ist irgendwie wahr – Mittelmaß schafft keinen Sinn. Mittelmaß schafft es mit großer Mühe gerade so nicht, den Status Quo zu bewahren. Mittelmaß ist der Tod der Kreativität, der Innovation, des Lebens schlechthin. Mittelmaß ist der Topor, der etwa in “1984” das Proletariat so sediert, dass es nicht mehr will, nicht mehr wollen kann als dass, was es bekommt; wie schlecht auch immer das – objektiv betrachtet – sein mag. Mittelmaß ist das Ende aller Dinge; oder, wie Francis Fukuyama nach dem Fall der Sowjetunion eitel deklamierte, “das Ende der Geschichte”… Fukuyama war und bleibt, wie wir heute wissen, ein arroganter Trottel sondergleichen, der immer noch an seinem alten Narrativ festhält, obwohl die Auswirkungen der heutigen, multipolaren Weltordnung manchmal so wirken mögen, als wenn das 1989 beschrieene Ende der Geschichte nun wirklich an der Schwelle des Weltengebäudes stünde. Doch die Geschichte schreitet weiter voran und schert sich dabei einen Scheiß darum, ob wir das wollen, ob wir das verstehen, oder ob wir darauf klarkommen. Das Leben und die Geschichte sind, was passiert, während wir versuchen, Pläne zu machen. Aber das ist gar nicht, worum es hier gehen soll. Leidenschaft ist das Stichwort; Leidenschaft als Todfeind des Mittelmaßes, als Motor des Sinns und des Seins, als das Paradox, dass uns im Kern antreiben kann, wenn wir es denn zulassen.

Wenn man etwa Simon Sinek folgen möchte, dann ist Sinn die Antwort auf die Frage, WARUM man etwas tut? Hat man sein persönliches WARUM einmal gefunden und lebt dieses, indem man mit Anderen verbunden ist und ihnen auch dienlich zu sein versucht, dann erlebt man Sinn; durch die Verbundenheit mit anderen Menschen und ein klares WARUM. Dienlich zu sein bedeutet dabei mitnichten, sich selbst aufzugeben, oder stets durch und durch altruistisch bis zur Selbstaufgabe sein zu müssen; es bedeutet vielmehr, Andere an seinem eigenen WARUM teilhaben zu lassen, bzw. ihnen zu helfen, ihr eigenes WARUM zu finden. Ich finde diese Idee gleichsam schlicht, elegant und heilsam, weil sie ein besonderes Augenmerk auf Solidarität und Miteinander legt. Zwei Zutaten, an denen es unserer Gesellschaft heutzutage in erheblichem Maße mangelt. Kommen wir mit dieser Idee zurück zur Leidenschaft, so lässt sich erkennen, dass diese gleichsam Anstrengung und Schmerz aber eben auch Motivation und Sinn beinhaltet. Nur etwas, dass uns fesselt, dass unsere innersten Saiten zum schwingen bringt und uns ein unhintergehbares Gefühl von Lustgewinn, von Freude, von Wachstum gibt, vermag uns dazu zu bewegen, sich den Herausforderungen zu stellen, gleich wie anstrengend oder schmerzhaft diese auch sein mögen. Leidenschaft und intrinsische Motivation sind untrennbar miteinander verbunden. Was natürlich auch in mir diese Fragen aufwirft: Was ist es also, was mich antreibt? Und warum treibt es mich an?

Meine größte Leidenschaft, seit ich mich bewusst erinnern kann war, ist und bleibt das Geschichtenerzählen. Ich habe schon immer Bilder in meinem Kopf gehabt, die mich zum Erzählen angeregt haben. Ob ich schreibe, ob ich Pen’n’Paper spiele, ob ich im Lehrsaal stehe, ob ich mich mit den Bildern auseinandersetze, die ich hier und dort knipse – immer ist da eine Stimme in meinem Hinterkopf, die dazu etwas zu sagen hat, die meine Bilder mit Bedeutung auflädt, die versucht, das MEHR hinter der Summe der Teile zu sehen; und die gleichsam Andere auf diese Reise des Erlebens, oder des Verstehens, oder des Wachsens mitnehmen möchte. Und das ist mein WARUM: ich möchte anderen Menschen durch meine Erzählungen einfach nur die Chance bieten, zu verstehen, zu wachsen, sich zu entwickeln. Und ich will das nicht mit Druck oder mit Zwang erreichen, sondern indem ich sie in meine Geschichten einführe und dort selbst herausfinden lasse, was ihr MOTOR und ihr WARUM sind. Ich möchte dabei einer der Spiegel sein, in welchen sie sich selbst erkennen können! Immer wieder stoße ich dabei auf Hindernisse, lande in Sackgassen, mache Fehler über Fehler, und muss stets auf’s Neue erkennen, dass man niemals wirklich bereit ist für dieses Abenteuer namens “Leben”; und schon gar nicht für das Abenteuer “Lehren”. Man legt einfach los! Man verkackt (manchmal episch)! Man analysiert die Fehler und überlegt sich einen neuen Ansatz – und wird so langsam besser! Wer vom Start weg nach 100% strebt hat nicht verstanden, dass das Leben – und damit alles, was wir unterdessen tun oder lassen – kein Sprint sondern ein Marathon ist! DAS ist der Schmerz, DAS sind die Herausforderungen. Aber wie süß, wie erfüllend es sich anfühlt, wenn eine Geschichte sich entwickelt, wenn sie anfängt zu “funktionieren”, wenn sie in meinem Kopf zu leben beginnt und wenn die Puzzleteile am Ende zusammenzufallen beginnen. Wenn es dann hinterher wenigstens bei ein paar Anderen auch “Klick!” gemacht hat, bin ich mehr als nur ein bisschen zufrieden. Aber der Weg dahin ist nie leicht…

Auch hier und jetzt bin ich im Begriff eine Geschichte zu erzählen. Eine höchst persönliche Geschichte, weil sie – wie so oft, wenn ich hier schreibe – die Möglichkeit eines Scheiterns inkludiert. Und auch das ist ja ein essenzieller Aspekt der Leidenschaft, der eben schon anklingen durfte: eine investierte Anstrengung resultiert nie notwendigerweise in einem Triumph. Du kannst dich noch so anstrengen, alles geben, es sogar richtig gut machen – und wirst trotzdem nur Zweiter. Oder sogar Letzter. All unsere Fähigkeiten, unsere Motivation, unsere Begeisterung garantieren keinen Erfolg – manchmal will es nicht klappen, weil wir noch nicht gut genug sind. “We develop taste, long before we develop skill!” (Danke Matt Colville). Dennoch lebt es sich mit Leidenschaft wesentlich intensiver, als mit Mittelmaß. Ich möchte meine Leidenschaften auf keinen Fall missen, selbst, wenn sie mir ein ums andere Mal eine besondere Art von Schmerz bereiten mögen. So wie etwa mein Wille, für meine Überzeugungen einzutreten, auch wenn der Wind gerade von vorne weht. Meine große Klappe wird mich irgendwann mal in eine Scheiße reiten, die so tief ist, dass ich da nicht alleine wieder rauskomme. Aber das wird es wert gewesen sein – den Kopf erhoben zu halten und zu wissen, dass meine Leidenschaft mich weiter getragen haben wird, als all die Reichsbedenkenträger, Besitzstandswahrer und “Das-haben-wir-aber-schon-immer-so-gemacht!”-Rufer da draußen. Ich sage: Wage, dich deiner Leidenschaft zu bedienen! Also… was ist DEINE Leidenschaft? Was ist DEIN WARUM? Schönen Sonnabend.

Auch als Podcast…

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