Ich gab zuvor schon einige Hinweise auf meine momentane Situation. Nun ist es so, dass ich – vollkommen unabhängig von meinem derzeitigen Zustand – sowieso immer jede Menge Zeug rumliegen habe, mit dem ich nicht so recht vorankomme. Aufgaben die unerledigt bleiben. Projekte, die ich nicht vorantreibe, entweder weil sie zu anstrengend, zu kompliziert oder zu langwierig sind; und ich mir das überdies vorher einfacher vorgestellt hatte. Alltagskram, der einfach nicht von der Hand gehen will. Jeder von uns hat vermutlich diesen kleinen Friedhof von Lebenslast, der einfach nicht weggehen will. Aber wie soll er das auch, wenn man sich nicht dazu aufraffen kann, etwas gegen diesen mentalen Gottesacker zu unternehmen. Manchmal ist es bloßes Prokrastinieren. Manchmal ist es Ablenkung. Und manchmal ist es Zeitnot. Doch egal welche Ausrede ich mir auch einfallen lasse, vom ignorierend Abwarten wird es nicht besser. Zähle ich jetzt noch meinen derzeitigen mentalen Zustand hinzu, wird daraus plötzlich eine explosive Mischung aus Verweigerung, Indolenz und Überforderung, welche meine Probleme verschärft. Einfache Missgeschicke, die zumeist mit einer charmanten Entschuldigung aus der Welt geschafft werden können, gären dann unter Umständen so lange, bis der üble Geruch der enttäuschten Erwartungen Anderer anfängt, meine komplette Umwelt zu verpesten. Und ich kann den anderen noch nicht einmal böse dafür sein.

Das unerledigte Problem – so als eigene Kategorie – ist für mich EIN Stigma meines Daseins. Und es ist ja nicht so, dass ich nicht eh schon genug Stigmata hätte: zum Beispiel einen an der Klatsche, um es mal etwas unpoetisch auszudrücken. Oder mein manchmal viel zu loses und lautes Mundwerk. Nun ja, jeder legt sich seine Bäreneisen selber aus, in die er dann hinterher hineintritt. Ich hatte vor kurzem schon einmal darauf hingewiesen, dass ich die letzten Tage als einen irritierend angespannten Zustand bitteren Nichtstuns empfinden musste. In meinem Geist flogen zwar diverse Gedanken und Ideenfetzen durcheinander, doch nichts davon konnte soweit reifen, dass es einen – produktiven – Kreativprozess ausgelöst hätte. Ich hänge immer noch in diesem Dazwischen fest und habe keine Ahnung wie lange das noch so weitergehen soll. Ich meine, es heißt doch immer, man soll die Zeit der Rekonvaleszenz für die Dinge nutzen, welche dem aktuellen Leiden, etwas entgegensetzen können; also im besten Falle eine, wie auch immer geartete, Heilung unterstützen. Auf mich bezogen wäre es ein Schaffensprozess, der meinem Geist guttäte, denn ich liebe es, kreativ sein zu können. Nur klappt das leider im Moment nicht…
Ich gehe derzeit so gut wie jeden Tag allein am Fluss entlang. Hauptsächlich, um meine verzwickten Gedanken zu ordnen; und tatsächlich funktioniert das auch. Und zwar genauso lange, wie ich in Bewegung bleibe. Sobald ich jedoch wieder zu Hause bin und versuche, zu greifen, was mir gerade eben noch durch den Kopf ging, ist diese Ordnung, sind diese Ideen oftmals schon wieder verflogen. Zumindest die allermeisten. Ich habe unterdessen den Eindruck gewonnen, dass meine kreativen Muskeln derzeit ohne Erlaubnis eine längere Pause machen. Und zwar irgendwo anders, nur nicht hier mit mir. Daraus folgt jedoch zwangsweise, dass die Bibliothek mit meinem unfinished Business wächst, anstatt kleiner zu werden. Denn so manche Sache wartet dort schon eine ganze Weile auf eine Lösung, einen Kniff, einen Workaround – oder letztlich die Erledigung. Bei meiner Arbeit bin ich (oder besser, war ich) meist in der Lage, Herr der Dinge zu bleiben. Aber möglicherweise habe ich dabei in den letzten Monaten soviel Kraft aufgebraucht, dass die Maschine sich überhitzt hat. Und in der Folge fühle ich mich selbst derzeit wie unfinished business – unfertig, unbeachtet, ungewohnt untätig… oder mit einem Wort UNERFÜLLT.
Nun könnte man mir erwidern “…aber du schreibst doch gerade!”. Und das ist auch wahr. Es stellt den – in meinem eigenen Empfinden allerdings sehr bemühten, ja nachgerade verzweifelten – Versuch dar, mich wieder in den Griff zu bekommen. Wohin der führt, wird sich noch weisen müssen. Ursprünglich hatte ich das Gefühl, Menschen im Stich zu lassen, wenn ich mich in eine ärztlich angeordnete Rekonvaleszenzphase (besser bekannt als AU-Bescheinigung) begebe. Ich bin ja immer noch selbst so dumm, dem sozialen Stigma der psychischen Erkrankungen aufzusitzen, getreu dem Motto “stell dich doch nicht so an, ist doch nur ‘ne Phase” – FICK DICH “nur ne Phase”; nur weil man’s nicht sehen kann ist es deswegen nicht weniger schmerzhaft, Dummy! Mittlerweile bin ich mir nämlich ziemlich sicher, dass ich gut daran getan habe, manche Menschen nicht weiter mit meiner, mutmaßlich letzthin gelegentlich belastenden Anwesenheit zu nerven. Es ist, wie es ist – es ist, was es ist. Manchmal stehst du im Ruderhaus und kannst einfach nur zuschauen, wie der Eisberg näherkommt. Dieses Mal habe ich – hoffentlich – das Ruder früh genug herumgerissen. Wir hören uns – das hier ist für mich nämlich Therapie. Kommt darauf mal klar, liebe Mitmenschen.
