Es ist mir wohl irgendwann in den letzten zwei Jahren klar geworden, dass ich manche Auswüchse unserer kontemporären Popkultur-Industrie nicht mehr mitmachen möchte, weil ich sie nicht verstehe; oder verstehen möchte! Einer davon ist, eine mangelhafte Geschichte in so viel schlecht inszenierter Action zu ertränken, dass die Zuschauer hoffentlich – schwindelig von dem wüsten Gewimmel auf dem Bildschirm – das Denken abschalten und die lauwarme, lieblos hingeklatschte, geschmacklose Visual-Kost einfach schlucken. Dann werden immer und immer wieder Zufälle am laufenden Meter zu komfortablen Plotdevices, Charaktere wachsen, bzw. verändern sich nicht (sie sind z. B. oft nicht in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen, weil man als fauler Erzähler denselben Fehler auch zweimal zur Ausweitung der Geschichte nutzen kann) und Wendungen in der Story werden durch ungesunde Dosen Retconning nachträglich so dämlich hingezimmert, das jedwede Glaubwürdigkeit der Secondary World flöten geht. Wir reden also von richtig schlechtem Storytelling, von richtig schlechter Kinematographie und von unpassendem Einsatz digitaler Effekte. Das alles würde ich ja möglicherweise bei Studenten des Handwerks im ersten Lehrjahr noch akzeptieren – aber bei sogenannten Profis, die dafür auch noch einen Haufen Kohle kassieren…? Würde ich jemals so mies abgeliefert haben, hätte das u. U. Menschenleben gekostet. Aber hier kostet es ja nur die Nerven der Zuschauer…
Um es klar zu sagen: ich rede hier gerade von Film und Fernsehen. Ähnliches gilt aber natürlich auch für andere Formen kontemporärer Gebrauchskunst, wie Unterhaltungs-Literatur, Graphic Novels, Videospiele, etc. Und ich sage es an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit für jene, die sich so gerne als gelehrsam (und damit dem Pöbel überlegen) darstellen, weil sie klassisches Zeugs konsumieren (vulgo in Museen oder die Oper gehen und im Urlaub einen auf Bildungsbürger machen): ES. GIBT. KEINEN. UNTERSCHIED. ZWISCHEN. HOCHKULTUR. UND. POPKULTUR! Die Hochkultur von heute war die Popkultur der Menschen von damals. Ein Vincent van G. hat sich nicht hingestellt, Sonnenblumen auf eine Leinwand geklatscht und sich gedacht „Och, das wird sich zukünftig in einem Museum total gut machen und nach meinem Tod bin ich dann ja irgendwann berühmt…“ Der wollte damit seinen Lebensunterhalt verdienen, weil er das EGO besaß anzunehmen, dass SEIN künstlerisches Schaffen so gut wäre, dass andere es auch gut finden könnten. Manche seiner zeitgenössischen Kollegen wie Paul Gaugin teilten diese Ansicht übrigens. Ich bin mir ziemlich sicher, dass etwa John Williams Filmmusiken in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten auch als klassische Musik veehrt werden; und warum auch nicht…? Um seine kreative Arbeit mit anderen teilen zu wollen, bedarf es gewiss eines positiven Selbstverständnisses um die Qualität der eigenen Schöpfungen. Das ist die Quelle des Mitteilungsbedürfnisses. Im Sinne der oben angedeuteten Krise kreativer Schaffenskraft entsteht daraus aber auch ein Problem; nämlich wenn auf einmal Unfähige auf die Idee kommen, ihre Produkte wären gut…
Ich schaue mir gelegentlich Videos des „Critical Drinker“ an. Und in den letzten Jahren hat er sich dauernd darüber beklagt, dass man in Hollywood häufig nur noch „The Message“ verbreiten wolle, anstatt gute Geschichten zu erzählen. Er ist halt anscheinend Antifeminist und glaubt, dass man Maskulinität positiver (in seinem Duktus klingt es manchmal nach: eher so wie früher) darstellen sollte. Darüber kann man mit Blick auf die gegenwärtigen Antisocial-Media-Debatten um toxische Maskulinität und die weibliche Angst davor sicher trefflich diskutieren; in DER Hinsicht wünsche ICH mir die 80er allerdings definitiv NICHT zurück. Von wüsten Alpha-Males und hilf- wie planlosen Damsels in Distress habe ich genug für zwei Lebenspannen gesehen. Der Drinker macht allerdings seine Punkte, wenn es um lausiges Storytelling geht. Logiklöcher werden, wie oben bereits beschrieben, mit Blödsinn gestopft. Und fast jedes Mal, wenn eine Geschichte gerade eben noch – meist durch explizite Exposition, anstatt einfach die Handlungen und Interaktionen der Pro- und Antagonisten für sich sprechen zu lassen – schön betont hat, was für tolle Wesen da doch gerade zu Gange sind, machen diese tollen Wesen irgendetwas saudummes; z. B. Dinge, die für einen angeblich ach so guten Taktiker keinen Sinn ergeben, unnötig exzessive Gewaltanwendung, nutzfreie Show-Offs (also Groß tun, auch wenn man ein dämliches Würstchen ist), in offensichtliche Fallen oder Honeypots tappen und wasweißichnichtnochalles an anderem Quatsch, der für mich die Suspension of Disbelief erheblich stört. Genauso übrigens wie dieses hektische Schnittgezappel, mit dem man versucht Dynamik vorzutäuschen, wenn man offenkundig nicht mal weiß, was Dynamik ist! LERNT. CENTERFRAMING. GODDAMIT! Oder schreibt halt „Der neue hektische Actionfilm mit Dididummdala – und Krampfanfall-Garantie!“ dran, ihr Honks…
Charaktere, deren Beziehungen, deren Entwicklung, deren Ambitionen und Ziele, die normalerweise durch die Dramatik der daraus entstehenden Konflikte eine Geschichte tragen sollten, spielen in vielen „kreativen“ Köpfen anscheinend keine große Rolle mehr, da für diese Personen Gesichter austauschbar sind, jeder Stoff schon mal (besser?) erzählt wurde, man alles in (schlecht gemachter) CGI oder den oben schon erwähnten Brechreiz-förderlichen Schnittfluten ersäufen kann und Masse eh immer wichtiger ist als Klasse… oder? ODER? Ich kann diesen Klickzahlen-nivellierten Einheits-Dreck, der letzthin wohl nur noch von Gewinnmargen-Kalkül diktiert wurde einfach nicht mehr sehen. Viele andere übrigens mittlerweile auch nicht mehr, was die financial struggles ALLER etablierten Streamingdienste sowie die daraus resultierende Preispolitik des letzten Jahres oder aber die oft leerbleibenden Kinosäle recht eindrucksvoll belegen. Ob sich das bald ändert? Keine Ahnung. Nur eines ist sicher. Mit noch mehr von derselben Kost tun sich die Medien-Schaffenden sicher keinen Gefallen. Denn im großen und ganzen sind die visuellen Aspekte tatsächlich ausgereizt. Mehr Effekt bringt heute keinen größeren WOW-Faktor mehr, weil sich alle an CGI sattgesehen haben; und sich stattdessen wieder Figuren wünschen, auf die man sich einlassen kann, weil sie durch ihr Handeln, ihr Fühlen, ihr Interagieren glaubwürdig werden; also tatsächlich CHARAKTER bekommen und nicht nur hübsche Hüllen sind, welche durch Szene um Szene wirbeln, ihre Sprüchlein aufsagen und am Ende irgendjemanden killen. Willing Suspension of Disbelief, also das Füh-Wahr-Nehmen einer noch so fiktiven Geschichte braucht nämlich eben diesen Willen, in die servierte Fiktion einzutauchen, der aber nur dann entsteht, wenn die Geschichte MICH als Zuschauer, als Mit-Erlebenden ernst nimmt und mir nicht nur optisch aufgehübschten halbgaren Unfug serviert, mit dem man VIELLEICHT noch Sechsjährige beeindrucken kann…
Ich mag es durchaus dramatisch. Wobei: man kann Drama auch übertreiben, wie die derzeit ach so beliebten K-Dramen dauernd auf’s Neue beweisen. Schwamm drüber; wenn man’s halt mag. Ich wünschte mir einfach, das Storyteller den Intellekt ihrer Konsumenten respektierten und nicht so täten, als wenn wir mittlerweile allesamt zu Smartphone-sedierten, optisch dauerübersättigten, Aufmerksamkeits-defizitären Kapitalismus-Drohnen degeneriert wären, die jeden Scheiß fressen, denen man ihnen serviert. Das wäre doch mal ein Anfang. Ob derlei Überlegungen auch für mich als Pen’n’Paper-SL eine Rolle spielen? Aber hallo, Freunde der Nacht! Aber darüber habe ich andernorts schon viel geredet. Habt einen schönen Rest-Samstag und lasst euch von einer GUTEN Geschichte entspannen.