Springtime Relief!

Ich bin eine Gadget-Hure. Man kann das drehen und wenden wie man will, aber technische Geräte, die einem (oft nur vorgeblich) das Leben erleichtern, faszinieren mich. Ich bin heute, obschon mit besseren finanziellen Mitteln gesegnet, allerdings nicht mehr so schnell dabei, mir Dinge, die mich interessieren einfach zu kaufen. Mag an einem stetigen Überdenken meines Konsumverhaltens liegen, oder daran, dass ich wirklich gerne Reviews lese. Und dann zwangsläufig auch über jene stolpere, die dieses oder jenes echt coole Dingens als exakt so scheißig entlarven, wie es das auch ist; oder auf Probleme in der praktischen Nutzbarkeit hinweisen. Oder den Zweck des Gerätes als solchen in Frage stellen. Wie viele analoge Notizblöcke und Stifte kann man für ein remarkable(c) kaufen? (ein E-Ink-Tablet, mit dem man genau eine Sache tun kann: handschriftliche Notizen auf einem elektronischen Gerät aufzeichnen, dass sich anfühlt, wie Papier…) Ich denke halt oft darüber nach, wie ich meine kreativen Prozesse besser, geschmeidiger, effektiver gestalten kann. Und manchmal komme ich dabei auf das schmale Brett, dass Tech alles besser macht. Augerechnet ich als Pädagoge müsste es doch besser wissen, oder…? Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir Menschen des frühen 21. Jahrhunderts immer noch an das Fortschritts- und vor allem das Coolness-Versprechen glauben, dass uns seit Jahrzehnten von verschiedenen Konzernen tagtäglich ins Hirn gehämmert wird. Anders kann man es sich kaum erklären, dass die Firma Apple so groß geworden ist, mit Produkten, die andere genausogut entwickeln und herstellen können.

Ich werde dieses Jahr 50 und scheine manchmal trotzdem immer noch zu denken wie ein 20-Jähriger. OK, Jungs werden 14 und wachsen danach maximal noch an Höhe und Breite; dennoch ist es ernüchternd, sich für so unglaublich reflektiert zu halten, um trotzdem wieder und wieder Artikeln auf den Leim zu gehen, die darüber berichten, welche Tech und welche Methoden man UNBEDINGT braucht, um seinen creative workflow auf Level zu bringen. Alleine die Menge an Brechreiz erregendem Marketingsprech, die viele Artikel über Kreativ-Gadgets und Kreativ-Methoden und Kreativ-Räume, sowie die sie erzeugenden Journaloiden umwölkt, könnte mir ein Indikator für die aufgeblasen-scheißige Hohlheit des Inhaltes sein. Und doch… blöd bleibt manchmal blöd. In den vergangenen Monaten war ein Grund – und das soll hier wirklich nichts entschuldigen – der Umstand, dass ich nicht so ganz ich selbst war. Gefangen in einer Dunkelschleife, welche die üblichen Probleme mit sich brachte: Dünnhäutigkeit, Selbstzweifel, Aggressionen, Vermeidungsstrategien, Antriebslosigkeit, gelegentliches Prokrastinieren – und natürlich den Gegenpol: krankhaftes Schuften auf der Suche nach Erfolgserlebnissen. Name it, I know it! Been there, done that… Die unnütze Suche nach dämlichen Gadgets und anderer Leute neuen Ideen (die ich eigentlich selbst schon im Überfluss habe) fällt gleich in mehrere der vorgenannten dysfunktionalen Coping-Strategien. Und ich frage mich, wie viele Andere sich irgendwelchen Müll kaufen, um eine Leere auszufüllem, die mit ein bisschen Lachen, Lesen (BÜCHER), menschlicher Nähe, Sonnenlicht und sozialer Aktivität viel besser zu füllen wäre?

Doch es sieht nun wenigstens für mich ein bisschen so aus, als wenn das Eis langsam bricht. Man mag gar nicht darüber nachdenken, dass Ende nächster Woche evtl. noch mal ein Wintereinbruch kommen soll. Ich kann das Grau in Grau nicht mehr sehen, ich brauche jetzt Frühling. Nicht nur, weil man dann wieder etwas mehr draußen unternehmen kann, wodurch mein Vitamin-D-Pegel auch nicht mehr per Substitution gepushed werden muss. Ebenso nicht, weil bei Sonnenschein gefühlt alles ein bisschen leichter fällt. Sondern weil ich spüre, dass der Griff meiner Depression wirklich nachlässt, der mich dieses Mal mehrere Monate nicht richtig hat zur Ruhe kommen lassen. Ich kann nicht leugnen, dass es mir derzeit immer noch schwer fällt, richtig gut draufzukommen. Und die Arbeit ist derzeit nicht eben ein Quell steter Freude, weil immer neue Hürden auftauchen, die nur selten einfach zu bezwingen sind. Aber es wird. Ganz langsam wird es wieder! Und ich darf erneut feststellen, dass oft der Wunsch nach Konsum nicht mehr ist, als ein gut versteckter Mangel an etwas anderem. Ich habe heute Morgen vor der Playse gesessen und gezockt, war danach mittags im Sonnenschein mit der besten Ehefrau von allen am Rhein spazieren. Danach haben wir uns allen daheim ein köstliches Mal bereitet und nun sitze ich hier und schreibe diese Zeilen. Und ich fühle mich einmal mehr gesegnet, über etwas von meiner Zeit selbst verfügen zu dürfen. Denn dann ergeben sich bei mir die Kreativität, so manche Problemlösung, soziales Miteinander und Zufriedenheit ganz von selbst. In diesem Sinne – startet bedacht und trotzdem offen in die neue Woche. Noch ist der Frühling fragil…

Auch als Podcast…

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