Muss man wirklich erwachsen werden?

Es gibt so einen Spruch, den ich auch selbst manchmal zum Besten gebe, dass nämlich Jungs nur Sieben werden und danach lediglich in der Länge wachsen; und auch etwas in der Breite, aber das ist ein ganz anderes Thema. Was damit gesagt werden soll, erscheint klar: nämlich das auch erwachsene Männer so eine Tendenz haben, sich kindisch zu benehmen. Ob das jetzt irgendwelche Begrüßungsrituale sind („Ey Jigsaw, alles senkrecht?“), dass ALLE Männer grundsätzlich neue Spielzeuge in Betrieb nehmen, ohne die Bedienungsanleitung zu lesen („Brauch isch ned!“) – was im Übrigen nicht ganz wahr ist – oder die mangelnde Fähigkeit zur Selbsteinschätzung, egal ob beim Autofahren, beim Flirten, beim Saufen, oder bei allem zusammen, wir Männer haben irgendwie schon die Tendenz, uns bei den verschiedensten Dingen ein wenig blöder anzustellen, als unser kalendarisches Alter es vermuten lassen würde. Und ich bin da beileibe keine Ausnahme.

Was die eine Frage aufwirft, die in diesem Zusammenhang wirklich wichtig ist: muss man unbedingt vollkommen erwachsen werden? Oder ist es nicht viel schöner, das Spielerische fortbestehen zu lassen und dem Kind im Manne hier und da Auslauf zu gewähren? Ich weiß, da gibt es immer wieder ein Zuviel, aber letzten Endes will keine Frau, die ich kenne ( und übrigens auch kein homosexueller Mann) einen Dauererwachsenen zum Partner; die neigen nämlich zu Kleinkariertheit, Spießigkeit, einem übergebühr stark ausgeprägten Vermeiden jeglichen Risikos – was zwangsläufig zu Langeweile führt – und sind alles in allem wenig spaßige Zeitgenossen. Merkt man eigentlich gerade, dass ich Menschen mit zu wenig Kind im Geiste nicht besonders leiden kann…?

Natürlich sollte jeder Mensch die grundlegenden Kulturtechniken erlernen dürfen, das Miteinander und die Teilhabe in einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft beigebracht bekommen und durch eine Ausbildung dazu befähigt werden, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. All die Dinge eben, die das Leben als Erwachsener aus Sicht der Allgemeinheit – falls es so was überhaupt gibt – halt ausmachen. Im gleichen Zuge sollte man allerdings auch darüber aufgeklärt werden, dass man sich selbst nicht so wichtig, dafür aber durchaus auch mal mit Lust auf die Schippe nehmen sollte. „Erwachsen“ ist für mich ein so ambivalenter Begriff. Einerseits kenne und nutze ich die Möglichkeiten, die mir als halbwegs autonomem Individuum offen stehen, da ich vor dem Gesetz seit Erleben der Volljährigkeit gewisse Rechte genieße. Andererseits wünschte ich mir manchmal die Freiheit, meinen Spieltrieb so ursprünglich und ungebremst ausleben zu dürfen, wie ich das als Kind konnte.

Irgendwie ist es wohl eine Einstellungssache, sich das Kind im Manne zu bewahren, denn ich selbst empfinde es als Bereicherung meiner Persönlichkeit, nicht als Mangel, meinem Spieltrieb, einer gewissen naiven Neugierde und dem Drang, alles nicht so ernst zu nehmen einfach nachzugeben und fröhlich auf die Konventionen des voran schreitenden Alters zu scheißen. Auch wenn das vielleicht nicht immer bei allen gut ankommt, die das mitbekommen. Immerhin bin ich erwachsen genug geworden, zu wissen, wann und wo man sich auch mal gehen lassen kann, ohne dass es gleich harsche Konsequenzen hätte. Ich würde mir da aber noch mehr Freiräume wünschen. Ernsthaftigkeit um der Ernsthaftigkeit Willen ist nämlich keine Tugend, sondern Diktatur gegenüber dem freien Geist.

Ich werde übrigens morgen 40 – fühlt sich irgendwie noch gar nicht so erwachsen an!

Veränderung ist gut für uns, oh yeah, schubidubi…

Sorry für die Gesangseinlage, aber ich konnte einmal mehr nicht an mich halten. Aber nun zur Sache: Veränderung? Was ist denn das wieder für ein Thema, ist ja ein viel zu groß gefasster Bereich, es bedeutet für jeden etwas Anderes, jeder geht damit individuell um und überhaupt muss man doch gar nicht darüber reden, weil sie halt einfach passiert, die Veränderung. So, oder so ähnlich höre ich gerade verschiedene Gedanken dazu in meinem Hinterkopf anbranden und wenn ich ehrlich bin, habe ich mir zumindest in letzter Zeit bis zu einem Vortrag, den ich zu einem speziellen Aspekt des Themas hören durfte eher wenige Gedanken dazu gemacht. Was daran liegen könnte, dass ich mich persönlich in kurz und mittelfristigen Veränderungsprozessen befinde und mich diesbezüglich eher als Gestalter, denn als Erdulder derselben sehe. Ich tue nämlich viel dazu, dass sich manche Dinge ändern.

Aber die dort umrissene Denkart war für mich eine erhellende Reise in mein eigenes Denken, dass ich wohl doch nicht so gut kenne, wie ich meist meine. Es ging bzw. geht speziell um Veränderungsprozesse in der Arbeitsumwelt und wie Menschen diese erleben, bzw. was sie tun können, um die notwendigen Anpassungsleistungen zu stemmen. Heutzutage kann man für so was externe Beraterfirmen anheuern, die größere Umstrukturierungen in Unternehmen begleiten und sowohl für Gruppen als auch für Einzelpersonen aller Hierarchieebenen im betroffenen Betrieb Beratung anbieten. Nun ist Coaching eines der Modeunwörter des frühen 21. Jahrhunderts, weil anscheinend plötzlich jeder für alles einen Coach braucht. Tatsächlich ist es aber so, dass wir erst jetzt begreifen, was im Menschen drinnen bei bestimmten äußerlich stattfindenden Prozessen alles geschieht und welche Auswirkungen dies auf die Betroffenen haben kann.

Nicht umsonst haben die Krankenkassen mit mildem Entsetzen festgestellt, dass die Zahl der psychisch bedingten Ausfalltage sich in den vergangenen Jahren verfünffacht hat und die direkten Folgekosten psychischer Erkrankungen mittlerweile ca. 16 Mrd. Euro per anno betragen; die Nettokosten verringerter Produktivität sind hierbei noch nicht berücksichtigt und die Tendenz ist nach wie vor steigend. Das hängt zum einen mit der Arbeitsverdichtung zusammen – obwohl die Arbeitgeber dies natürlich vehement bestreiten – aber genau so auch mit der spürbaren Beschleunigung unterschiedlichster gesellschaftlicher Prozesse, bis hin zu dem Grad, da man den Überblick verliert und sich ein Gefühl allumfassender Ohnmacht einstellt. Was noch vor kurzem als Gewissheit galt, ist plötzlich in Frage gestellt, oder ad absurdum geführt. Zum Beispiel der Frieden in Europa, bzw. an seiner Ostgrenze.

Die Angst vor dem Unbekannten ist ein Gespenst, dass uns Menschen im Großen wie auch im Kleinen umtreibt und so ist es auch wenig verwunderlich, wenn speziell Veränderungen am Arbeitsplatz zunächst als Bedrohung der Nische aufgefasst werden, in welcher man sich so gemütlich eingerichtet hat. So versuchte auch der Vortrag anhand eines Modells zu verdeutlichen, was in uns in solchen Fällen abläuft, wobei das Bild zyklisch angelegt ist, man also irgendwann nach Widerstand und Verwirrung wieder an einem Punkt angelangt, wo alles – mehr oder weniger – gut ist. Zumindest die Meisten. Wie bei allen sozialwissenschaftlichen Modellen gilt die Einschränkung, dass es nicht auf jeden Fall gleich gut oder überhaupt anwendbar ist, aber wir Menschen sind halt nicht alle gleich, gell. Im Grundsatz ist das Gesagte nicht verkehrt, aber es begreift Mitarbeiter in einem Unternehmen in der Breite als passive Erdulder, als gegen ihren Willen dem Veränderungsprozess Unterworfene und vergisst dabei den Umstand, dass die Mitarbeiter durchaus eigene Gestaltungsmacht für sich reklamieren könnten.

Zweifelsfrei ist es die Kommunikationskultur eines Unternehmens (zuallererst das Vorhandensein einer solchen – die Untergebenen ankacken können zählt nicht), die bestimmt, ob der Input der wertvollsten Ressource, über die ein Unternehmen, speziell im Gesundheitswesen verfügt, nämlich seiner Mitarbeiter angenommen und nutzbar gemacht wird; oder ob er, wie ich schon zu oft erleben musste als insignifikant abgetan wird, bis die Frustration des Personals so groß wird, dass jene, die noch halbwegs veränderungsfähig und -willig sind anfangen, davon zu laufen.

Nun ist man anscheinend zu dem Schluss gelangt, dass kommende Veränderungen während der Umsetzung vielleicht der einen oder anderen Unterstützung für das Personal bedürfen. Was für mich die Frage aufwirft, warum man sich nicht endlich entschließt, an sich selbst und seiner Kommunikationskultur zu arbeiten? Mit Sicherheit bin ich nicht der Einzige bei meinem Arbeitgeber und mit Sicherheit ist es auch nicht der einzige Arbeitgeber, bei dem sich die Frage stellen sollte, warum man immer nur Probleme managed, anstatt Lösungen zu erarbeiten.

Andererseits sehe ich aber durchaus auch das Beharren nicht weniger Kollegoiden auf den althergebrachten Verfahrensweisen und Strukturen, weshalb ich dem Bemühen meines Arbeitgebers trotzdem gewisse Sympathie entgegenbringe. Vielleicht ist es zur Abwechslung mal möglich, auch ein paar klassische Innovations-Totalverweigerer auf den Weg mitzunehmen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Vielleicht erwarte ich aber von meinen Mitmenschen manchmal auch einfach zu viel. Nachdenken, bevor man redet oder etwas tut zum Beispiel. Wie auch immer es ausgehen mag, Veränderungsprozesse sind für mich immer etwas Spannendes, an dem ich gerne mitarbeiten möchte, egal ob im Großen oder im Kleinen. Ich würde mich freuen, wenn das auch ein paar Andere mal so zu sehen beginnen würden; denn nur wer mitgearbeitet hat, darf sich hinterher auch über die Ergebnisse auslassen. In diesem Sinne noch einen schönen Tag voller Veränderung.

A snipet of efficiency?

Manchmal lese ich Twitter-Nachrichten, oder folge den Links in Tweets. Ehrlich! Und manchmal finde ich das, was ich dort finde sogar interessant. Wirklich jetzt! Zum Beispiel musste ich kurz innehalten, als ich eine Tabelle gesehen habe, in welcher jemand aufgerechnet hat, was für verschiedene Dinge man hätte tun können in der Zeit, die es brauchte um das Video zu „Gangnam Style“ von Psy ca. zwei Milliarden Mal anzuschauen. So viele Klicks – oder wahrscheinlich mittlerweile ein paar mehr – haben nämlich die verschiedenen Versionen davon auf Youtube. Zum Beispiel hätte man gut anderthalb Mal Wikipedia schreiben können; zumindest nach deren Rechnung…

So ganz aus dem Zusammenhang gegriffen klingt das ja ganz nett, unterschwellig die pauschale Anklage in den Raum zu werfen, dass Menschen ihre Zeit vergeuden. Denn nichts Anderes unterstellt der Autor dieser Grafik ja; nämlich dass wir gefälligst etwas Vernünftiges tun sollten, anstatt mit „Gangnam Style“ anschauen unsere Zeit vor dem Computer zu vertrödeln. Aus Sicht dieser Menschen ist das genannte Video wahrscheinlich auch nur ein Beispiel von vielen, das recht eindrucksvoll darauf hinweisen soll, dass wir die Effizienz unseres Lebenszeiteinsatzes optimieren sollen. Denjenigen schwebt dabei wahrscheinlich vor, dass wir alle bienenfleißig dauerschuften sollen, um eine bessere Welt zu erschaffen; was auch immer an ihr dann besser sein soll. Da man die Motive eines Autors nicht immer so klar erkennen kann, bleibt im Dunkel, ob diese Rechnung nun für eine nachhaltigere Gesinnung werben soll, oder doch für ein effektiveres Wirtschaften im klassisch kapitalistischen Sinne. Ist auch Wurst, denn die Tabelle ist trotzdem Käse.

And here is why: Zunächst einmal ist nicht zu ermitteln, wie viele Male dieses Video nebenher gelaufen ist, während derjenige, der den Klick gesetzt hat gleichzeitig vielleicht sogar etwas Sinnvolles getan hat. Zweitens weiß man nicht, wie viele Male das Video nach 15 Sekunden oder weniger wieder weggeklickt wurde. Drittens dürfen Menschen Pause machen – und Manche dürfen in dieser Pause sogar tun, worauf sie Lust haben. Viertens lässt sich ebenso wenig ermitteln, wie oft das Video zu Lehr- oder Forschungszwecken aufgerufen wurde (nicht lachen, Sozialwissenschaften sezieren Alles, was wir tun!). Und fünftens – woher will der Autor wissen, dass auch jeder, der sich das Video anschaut, überhaupt dazu fähig wäre, etwas zu seiner (zudem unbekannten) Agenda beizutragen. Manche Surfer im Netz sind nämlich ganz einfach zu blöde zum geradeaus laufen!

In der Zeit, die der oder die Macher mit der Anfertigung dieser Grafik verschwendet haben, hätte man zum Beispiel an einer Lernsoftware für verblödete Surfer arbeiten, ein Zimmer streichen, oder schlicht etwas Intelligentes von jemandem lesen können, der etwas Relevantes zu irgendeinem Thema zu sagen hat, anstatt arroganten, nutzlosen Müll abzusondern. Hasta la vista…

Idole gesucht?

Die lateinischen Begriffe imago [für Bild] und imitatio [für Nachahmung] sind einander nicht von ungefähr ähnlich. Wir machen uns ein Bild davon, wie etwas aussieht und versuchen dann, diesem Bild nahe zu kommen, etwa bei Modetrends. Ich habe neulich in irgendeiner Zeitschrift einen Kurzartikel über eine Frau gesehen, die die feinen Abendroben bekannter Hollywoodstars als Papiermodelle für ihre kleine Tochter nachschneidert. Für sich betrachtet ein eher harmloses Hobby, wenngleich die dahinter stehende Psychologie – nämlich aus dem eigenen Kind einen Star machen zu wollen – zumindest aus meiner Sicht ein wenig bedenklich ist. Nicht selten nimmt derlei Verhalten irgendwann pathologische Züge an.

Was bei der Mode dem Drang entspringt, etwas vom Glamour und der (vermuteten) Weltläufigkeit großer Stars an sich sehen zu wollen, also ein Imitationsverhalten, welches die zunächst rein äußerlichen Attribute Anderer kopiert, um sich selbst mehr Ansehen zu geben, mutiert nicht selten zu einem wesentlich weiter gehenden Vorgang, in dem auch andere (wiederum nur vermutete) Qualitäten kopiert werden. Eventuell bis zu dem Grade, da man selbst nur noch ein Abziehbild des jeweiligen Vorbildes ist. Wie schon anfangs erwähnt reden wir hier jedoch von einer Imitation äußerer Attribute; egal, ob es sich dabei um den Kleidungsstil, den Habitus, den Gestus, die Mimik oder den sprachlichen Duktus handelt. Einem Fachmann mögen solche Dinge Aufschluss über die Verfasstheit der Persönlichkeit hinter dem Bild geben, doch auch die Psychologie vermag das tatsächliche Selbst eines Individuums nicht abzubilden. Also bleibt jedwede Imitation oberflächlich.

Auch dieses dem Trend Hinterhergerenne ist per se nichts Schlimmes. Es wird erst dann problematisch, wenn nicht mehr, oder überhaupt nie zwischen den vermuteten, oder zugeschriebenen Qualitäten des Symbols – und nichts anderes ist ein Star heutzutage, denn er oder sie steht für etwas Bestimmtes, wobei dieses Bestimmte für jeden etwas Anderes sein kann – und den tatsächlichen Qualitäten des Individuums unterschieden wird. Ein Beispiel: Robert Downey Jr. kommt als Tony Stark wirklich gut rüber, wenngleich er allerdings in so gut wie jedem Film in der Hauptsache sich selbst spielt, was mir persönlich allerdings noch nicht langweilig geworden ist. Aber der Robert Downey Jr., den wir auf der Leinwand und in den Promi-News sehen, ist weitestgehend der, von dem er will, dass wir ihn sehen. Er ist ein Schauspieler, also spielt er uns was vor. Viele Leute sehen aber nur den coolen Stil und halten das für die Substanz von Robert Downey Jr., der in echt ein trockener Alkoholiker, cleaner Junky und was weiß der Teufel sonst noch alles ist. Ich finde dieses Bild nicht unsympathisch, aber ich habe keine Ahnung, wie viel Authentizität in diesem Image steckt – man sieht wieder, Image kommt von imago, wir reden also von Bildern mit Symbolcharakter.

Das eigentliche Problem ist, dass wir Images zu Idolen machen. Idolum aus dem lateinischen meint Abgott, also ein Götzenbild. Ich bin wahrlich nicht das, was man üblicherweise als guten Christen bezeichnen würde, aber wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, stand irgendwo im Buch der Bücher, dass man sich kein Bild von Gott machen soll. Die goldenen Kälber unseres Zeitalters sind nun ausgerechnet Jene, die es häufig genug in die Klatschspalten schaffen und das meistens mit Verhalten, das wir mal mit etwas Wohlwollen als nur mäßig gottgefällig bezeichnen wollen. Es liegt schon eine gewisse Ironie darin, dass wir Menschen vergöttern, denen eher das Menschliche denn das Göttliche nicht fremd ist.

Doch wenn die Idole von heute als Vorbilder eigentlich nicht taugen, weil sie einerseits nur Spiegel für das sind, was wir in ihnen und gleichsam an uns sehen wollen und andererseits ihr Tun in keinster Weise zum Ideal genügt, was wollen wir stattdessen verehren? Ich würde sagen, der Fehler liegt allein schon in dem Trugschluss, dass man etwas, bzw. jemand verehren muss, um jemand bzw. etwas sein zu können. Wenn es etwas gibt, worüber bei halbwegs vernünftigen Leuten Konsens herrscht, dann wohl, dass unsere Art, die Dinge zu tun sich überlebt hat und das wir dringend etwas ändern müssen, und zwar an so ziemlich allem. Hierbei positives Beispiel zu sein, dazu taugt so gut wie keines unserer heutigen Idole, womit wir – einmal mehr – bei einer alten Weisheit von Mahatma Ghandi wären: Sei du selbst der Wandel, den du in der Welt sehen willst. Und dafür braucht man Wissen, Ideen und Mut – aber definitiv keine Yellow Press Berühmtheiten. Aber das Denken fällt umso schwerer, je mehr man die, von bunten Bildchen überladenen Klatschmagazine inhaliert. Und Tschüss für heute.

A snipet of summer heat

Gleißendes Licht durchflutet die Straßen, sucht sich seinen Weg durch die offenen Fenster in das Innere einer Behausung, bringt die Lebensgeister wieder online und gleich darauf den Körper zum Absturz, wenn die Hitze am mittleren Nachmittag ihren Peak erreicht. Ich liebe den Sommer und mag es, weit nach Mitternacht mit herunter gelassenen Scheiben durch die Stadt zu cruisen, die mit einem Mal wie von Geisterhand Leben atmet, wo vor Kurzem noch Totenstille geherrscht hatte. Aber so sehr ich die Vitalität und Gelassenheit endlos scheinender Sommerabende schätze, so sehr hasse ich die Schwüle, die sich hierortens mit Einzug höherer Temperaturen zwangsläufig bildet und wie ein giftiger Schleier über Alles legt. Sie raubt den Atem und macht jede noch so einfache Verrichtung schwerer.

Und dennoch; wenn ich das Eine nicht ohne das Andere haben kann, dann soll, nein dann muss es so sein! Die dunklen Monate der Einkehr, des kleinen Todes der Natur, der Heizkosten, der farblosen Eintönigkeit und der Ungemütlichkeit vor der Tür, sie rauben mir die Energie, den Willen – und ein bisschen auch den Verstand. Mit den Jahren ist es so gekommen, dass ich nun das ganze Jahr über geschäftig zu sein habe und nur selten in jenen Zustand verfallen kann, den man, sofern ich mich recht erinnere „Langeweile“ nennt. Aber etwas zu tun zu haben, ersetzt nicht die Momente lustvollen Müßigganges, die man in der Sommerzeit haben kann. Einfach mal für ein Weilchen von Allem zu lassen, die Seele zum Baumeln in die Sonne zu hängen, nicht alles so ernst zu nehmen und den Dingen das Näher kommen zu erlauben; das ist wahrer Luxus, den zu genießen man sich die Freiheit gestatten muss, gerade, wenn man eigentlich keine Zeit dazu hat.

Selbst wenn ich weiß, dass sich die Zeit, oh die kostbare Zeit nicht ersetzen lässt, ich dann hinterher für die Bummelei doppelt so schnell rennen muss. Was im Übrigen eine Illusion ist, denn tatsächlich vertut man bei der Arbeit – gleich welcher Art von Arbeit – viel Zeit damit, die Dinge auf verschiedenste Arten falsch anzugehen. In diesem Sinne ist Faulenzen für mich Achtsamkeit gegenüber sich selbst, wenn man in diesen Momenten der Kontemplation zu seiner Energie zurück findet. Überdies sollte man eigentlich so gut wie immer erst Denken, bevor man etwas tut!

Also genieße ich und blende für den Augenblick aus, dass die Arbeit derzeit bei Tag und bei Nacht den Schweiß über Gebühr rinnen lassen wird. Denn wenn die kühleren Tage kommen, werde ich mich grämen, dass ich dann eine ganze Weile keine Gelegenheit mehr haben werden, den süßen Schweiß des Sommers zu fühlen; auch, wenn er eigentlich salzig ist. Allen eine sonnige Zeit!

Soviel gewollt…

Ich mache mir da keine Illusionen – ich habe in meinem Leben schon ziemlich viel gewollt und doch nur wenig geschafft. Zumindest rede ich mir das ein. Könnte natürlich daran liegen, dass ich mir meine Ziele regelmäßig zu hoch stecke. Oder vielleicht doch eher an einem Zuviel? Zu viele Ideen und zu wenig Zeit. Zu viele Anforderungen und zu wenig Fertigkeiten. Zu viele Luftschlösser und zu wenig Realitätsmörtel. Keine Ahnung, wahrscheinlich von allem ein bisschen was. Oder liegt es doch eher daran, dass ich die Dinge in einem zu pessimistischen Licht sehe? Wenn man sich auf die Suche nach richtig guten Ergebnissen begibt, bleiben zwangsläufig Erfolge auf der Strecke, weil man sich und seine Möglichkeiten in aller Regel NICHT korrekt einschätzen kann. Das ist nicht böse oder bitter, sondern eine einfache Wahrheit. Es ist uns Menschen leider nicht gegeben, uns selbst wirklich objektiv und realistisch zu reflektieren. Und da ich ein Mann bin, habe ich es doppelt schwer, weil ich mich natürlich immerzu mit den anderen Männchen messen muss… oder zumindest behauptet das die Psychologie. Männer sind durch ihren kompetitiven Habitus quasi automatisch sozial benachteiligt!

Abseits dieser Behinderung gebricht es uns Zivilisationsmenschen, meiner Erfahrung nach, aber vor allem am Vertrauen auf unsere Intuition, unsere Instinkte. Wir verlassen uns so sehr auf Gadgets, legen soviel Wert auf Besitz und Zertifikate und schauen immerzu auf Kontostände – insbesondere Die der Anderen! – dass wir gar keine Zeit und auch gar kein Gespür für den rechten Moment und keinen Maßstab für unser Wollen mehr haben. Das Haben Wollen und das dafür notwendige Können stehen nicht mehr in einem günstigen Verhältnis zueinander. Der aufmerksame Zuhörer wird jetzt fragen, wie ich vom Können Wollen so direkt auf’s Haben Wollen komme? Weil die meisten von uns das so oft miteinander verwechseln. Man kann dem Anschein nach keine Befriedigung aus der Lösung einer Aufgabe mehr ziehen, sondern interessiert sich nur noch für die Belohnung. „Der Weg ist das Ziel!“ verkommt, zumindest meinem Gefühl nach, immer mehr zu einer Floskel aus der Vergangenheit.

Aber was passiert, wenn die Ablenkungen, die meiner Betrachtung nach ja eher materieller Natur sind, reduziert werden? Schaue ich zu Menschen, die weniger haben als ich, so rückt zumeist der Umstand in den Fokus, dass deren Verzicht in irgendeiner Form erzwungen ist und diese Menschen ebenfalls gerne etwas mehr hätten, egal wovon. Wobei die Qualität dieses erzwungenen Mangels sehr unterschiedlich sein kann. Jemandem, der Hartz 4 bekommt, geht es, gemessen an den sonstigen Verhältnissen bei uns materiell schlecht. Im Vergleich mit Bürgerkriegsflüchtlingen im Südsudan jedoch…; nun ich denke, hier kann ich mir weitere Ausführungen sparen. Ist der Verzicht so groß, dass existenziell bedrohliche, materielle Not entsteht – und genau das ist ja an vielen Orten rings um den Globus der Fall – wird sichtbar, dass ein derartiges Zuwenig den Menschen seine Würde und damit auch seine Humanität vergessen lässt. Anders sind die Grausamkeiten, welche sich zum Beispiel die unterschiedlichen Volksgruppen in Schwarzafrika antun, kaum zu erklären.

Das Fremde, gleich in welcher Gestalt es daher kommt, wird mir immer dann zum Feind, wenn meine eigene Situation subjektiv schlecht ist, wobei vollkommen unbeachtlich bleibt, ob der zum Feind erklärte Fremde an meinem Unglück nun schuld ist, oder nicht. Es gibt allerdings auch hier qualitative Unterschiede. Menschen aus unseren Breiten, die ins soziale Aus geraten, wählen ganz gerne rechtspopulistische Parteien, weil deren Vertreter ihnen in den Fremden eine ideale Projektionsfläche für die Scham ob des eigenen Versagens bieten. Oder einfacher gesagt: Wenn du dich Scheiße fühlst, tritt einen Anderen so tief in den Dreck, dass du auf ihn herab sehen kannst, dann geht es dir gleich besser! Im Südsudan, wo die Menschen wirklich nichts mehr zu verlieren haben, eskaliert die Verzweiflung so sehr, dass man die Mitglieder eines anderen Stammes tötet. Der Mechanismus ist der Gleiche, die Ergebnisse differieren allerdings (noch) dramatisch. Warten wir hier bei uns lange genug, haben wir vielleicht auch wieder braunes Gesocks auf den Straßen, das Menschen verschleppt…

Aber ich schweife mal wieder ab. Ich denke allerdings, dass jeder Mensch – egal ob im Großstadtghetto oder im Südsudan (man möge mir das Hantieren mit Klischees verzeihen, aber manchmal sind sie hilfreich) – von einem gewissen Streben getrieben wird. Und bei jedem von uns hat Dieses eine materielle und eine ideelle Seite. In der Materiellen realisiert sich unsere Subsistenz, also der Broterwerb, der Familienunterhalt, bei Einigen auch die Ansammlung von Wohlstand. In der Ideellen jedoch realisiert sich der Sinn unserer Existenz. Zumindest ist das bei mir so; aber ich vermute, dass ich diesbezüglich nicht alleine bin. Ich gehe arbeiten, weil man Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf, etc. braucht. Das sind Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Ich lese, studiere, blogge aber, weil ich mehr sein möchte, als ein Angestellter im Gesundheitswesen; mehr erreichen möchte, als irgendwann meine 45 Jahre abrobotet zu haben. Sehr wahrscheinlich schwingt da auch ein gewisses Geltungsbedürfnis mit, schließlich muss ein bisschen Egogewichse dann und wann erlaubt sein, aber in erster Linie tue ich das, weil es mir Sinn gibt. Allerdings resultiert daraus in meiner Denke auch eine Verpflichtung gegenüber Jenen, die nicht das Privileg haben, ihren Neigungen und Ambitionen nachgehen zu können. Die Verpflichtung, sie an meinen Erfolgen teilhaben zu lassen. Und darum will ich immer mehr, immer weiter.

Wenn ich also zu Beginn feststellen musste, dass ich schon oft zuviel gewollt habe, so steht dahinter stets dieser Drang, etwas erreichen zu wollen, auch wenn es sich vielleicht im Nachhinein als Spleen, als fixe Idee oder als schlichter Blödsinn herausstellen mag. Ohne dieses Feuer, dieses Getriebensein fühle ich mich nämlich leer und nutzlos. Dabei allerdings die individuelle Balance zwischen der ideellen und der materiellen Seite des Wollens zu finden, gelingt nicht immer auf Anhieb, manchmal auch gar nicht. Achtsamkeit gegenüber beiden Bedürfnissen walten zu lassen bedeutet nämlich manchmal freiwilligen Verzicht; und wie schwer der uns Menschen fällt, wie schwer der mir selbst fällt, ist immer wieder erstaunlich… und ernüchternd. Ich muss jetzt aber trotzdem wieder etwas wollen, nämlich zum Ende kommen, daher Gott zum Gruße und viel Spaß beim Begutachten der eigenen Motivation.

Immer sind die Anderen schuld!

Es fällt mir leicht, Anlässe zu finden, um mich mal so richtig über meine Mitmenschoiden aufzuregen, denn wir Wesen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind schon ein komischer Haufen. Natürlich sind da auch noch die ganzen Anderen, diese „Kunden“, die nicht selten meinen, die ganze Welt sei ihr persönlicher Selbstbedienungsladen ohne lästige Kasse, dafür aber mit Vollkasko für alle, zumeist durch eigenes Verschulden eingetretenen Eventualitäten. An die habe ich mich (fast) gewöhnt; in jedem Fall aber ist deren Geseiere heutzutage für mich in der Regel nicht mehr, als ein verschmerzbares Hintergrundrauschen.

Was mich aber ankotzt ist das Verhalten einiger weniger Mitglieder des ansonsten sehr kollegialen und freundlichen Pflegefachpersonals, aber auch gewisser Ärzte insbesondere in Aufnahmestationen, die egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit und egal ob gerade viel los ist, oder auch gar nix so tun, als wenn man als dämlicher Krankenwagenfahrer um Erlaubnis fragen müsste, um kranke Menschen in IHR Krankenhaus zu bringen – selbst wenn genau dieses Ziel auf Grund der benötigten Fachdisziplin auf der Hand liegt. Und sich dann mehr oder weniger lauthals darüber beschweren, wie schwer man ihnen das Leben doch macht, dass sie sich ja Tag ein, Tag aus kaputt schuften müssen, weil wir Sanis so böse und dumm sind und ihnen die Bude voll stellen. Und dabei werden sie manchmal auch noch ausfallend…

Hierzu ein paar Feststellungen vom bösen, dummen Sani:

Erstens vollziehen wir mit dem Transport in ein Krankenhaus lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Antwort auf das Hilfeersuchen eines Bürgers – wir sind dazu auch dann verpflichtet, wenn WIR keinen sinnvollen Grund für dieses Vorgehen feststellen können! Überdies regelt das jeweilige Landeskrankenhausgesetz die Aufnahme- und Versorgungspflichten…

Zweitens sind wir durchaus im Stande, zu entscheiden, welches Spital für welches Krankheitsbild ein sinnvolles Ziel sein könnte – ehrlich, man muss eine mehrjährige Ausbildung machen, um im Rettungsdienst arbeiten zu dürfen und sie wird gerade sogar noch verbessert. Und außerdem versuchen wir sehr wohl, Lasten zu verteilen.

Drittens ist die Unterstellung, dass wir uns einen Dreck um die Situation Anderer, wie z.B. des Aufnahmepersonals scheren würden, schlicht unverschämt. Manchmal lassen einem die Umstände, wie Angehörige, einweisende Ärzte, oder die Art der Erkrankung keine Wahl, als genau dorthin zu fahren, wo es gerade jetzt nicht passt. In dem Fall passt es zumeist aber überall nicht. Und das liegt nicht an uns, sondern an der Politik. Wollen wir nicht mal zusammen streiken gehen? Übrigens würden wir dann und wann auch gerne mal eine pünktliche Pause haben, nicht dauernd schleppen müssen, etc.

Viertens und Letztens ist es im Leben doch immer so: wie man in den Wald hinein ruft… Wenn man also immer mit einer Fresse zum Reinschlagen durch das Ambulatorium spaziert und jedem, der einem gerade nicht passt, den Eindruck vermittelt, dass man ihn für Scheiße hält, darf man sich nicht wundern, wenn man selbst für Scheiße gehalten und gerechter Weise auch genau so behandelt wird. Einfach mal normal höflich sein und eventuell sogar lächeln würde wirklich helfen. Muss ich auch, wenn mich mal wieder jemand zu Unrecht anpampt, weil ich ja nur vom dummen Fußvolk bin. Vielleicht wäre es für Manche aber auch einfach an der Zeit, mal einen anderen Job zu probieren…?

Ich persönlich werde jedenfalls den Eindruck nicht los, dass ich mein Studium irgendwie beschleunigen muss, um vom zwangsweisen Umgang mit manchem arroganten Arschloch endlich erlöst zu werden. Und tschüss!

Fuck Europe? No way…

Heute ist Europawahl. Ich hoffe, ihr seid hingegangen, weil politisch die Wahl zu haben ein Privileg ist, über das nur ein geringer Prozentsatz der Menschen überhaupt verfügt! Dieser Tage las ich in einer Zeitschrift einen Text zum Thema, in welchem der Autor, obschon offensichtlich kritisch gegenüber dem Konstrukt Europa sich dafür aussprach, wählen zu gehen. Gut so. Allerdings forderte er auch ein neues Narrativ für Europa. Aha… und was genau meint er damit?

Narrativ ist leicht, es meint eine Sinn stiftende Erzählung, übersetzt in den Kontext soll es wohl heißen, dass es zur Einigung Europas einen neuen, besseren Grund braucht, als den der Freizügigkeit, die zu genießen der Schreiberling offen zugab; einen neuen Sinn, mit dem die Notwendigkeiten erklärt werden sollen, dass Nationalparlamente Rechte an Europa übertragen müssen, dass der Apparat Europa Geld kostet und nationale Freiheit einschränkt, dass die Konsensfindung in einem so großen föderalen Gebilde komplizierter wird und das Interessenausgleich oft enttäuschte Gesichter bei einer oder mehreren Parteien erzeugt.

Dabei übersieht der Autor zwei entscheidende Probleme: erstens gab es bislang nie ein „Narrativ“, welches die Bürger berührt hätte, welches die Kraft in sich getragen hätte, aus einem Polen, einem Franzosen, einem Deutschen , einem Spanier, einem Griechen plötzlich lauter Europäer im Geiste zu machen. Dazu wurde die Souveränität der einzelnen Nationalstaaten innerhalb der Union immer viel zu sehr betont, dazu waren und bleiben wir bis heute immer viel zu sehr Deutsche, obwohl es „den Deutschen“ oder „das Deutsche“ gar nicht gibt! Es ist ein Konstrukt aus der Zeit des wilhelminischen Kaiserreiches, gerade mal so 130 Jahre alt, geschaffen aus dem einen Grund, den Untertan auf etwas Einigendes einzuschwören, um ihn so folgsam und konform zu machen mit dem, was die Obrigkeit in ihrer Weisheit beschließen würde – den Wahnsinn eines Kadavergehorsam fordernden Militarismus inklusive, der schließlich einen Weltkrieg herauf beschwor. Schönen Dank auch für Verdun, ihr Schwachköpfe!

Auf der anderen Seite negiert diese Sichtweise die Schaffenskraft der Gesellschaft. Wer anders soll denn ein solche Sinn gebende Erzählung schaffen können, als die Menschen, die hier leben? Irgendwelche Bürokraten, die nur bis zum nächsten Lobbyistenmeeting denken können? Ein womöglich wieder hinter verschlossenen Türen von den führenden Politikern Europas ausgekungelter Kommissionspräsident ,wie der stets farblos gebliebene Technokrat Barroso? Wenn Europa tatsächlich funktionieren soll, als ein Raum der sozialen Freizügigkeit, der nicht nur physische, sondern vor allem mentale Grenzen abbauen kann, dann muss man den Bürgern mehr zutrauen – dann müssen wir Bürger uns mehr zutrauen und Gestaltungsmacht einfordern!

Idioten, die immer noch glauben, dass Nationalstaaten in einer globalisierten Welt als Einzelkämpfer bestehen können, die sich vor dem Fremden fürchten, weil sie selbst einfach nur Angst vor der Zukunft haben und deshalb Andere erniedrigen müssen, um sich ein bisschen besser fühlen zu können wird es immer und überall geben – aber wir sollten diesem Faschistengesocks nicht das Feld überlassen, sondern sie dahin drängen, wo sie hin gehören: nämlich an den rechten Rand!

Ein Europa, in dem Bürger die Möglichkeit haben, an einer besseren Zukunft mitarbeiten zu können, klingt für mich verlockend. Denn seien wir ganz ehrlich: wer noch glaubt, dass die soziale Hängematte hier in unserem Deutschland für immer Bestand haben wird, wenn wir nur unsere Grenzen verrammeln, dem sollte man mal etwas über globale Wirtschaftszusammenhänge und die Chancen und Möglichkeiten einer vitalen demokratischen Zivilgesellschaft beibringen – mancher dumpfe Braunkopf würde vermutlich ganz schnell das Lager wechseln. Der Weg dahin ist allerdings ganz klar kein einfacher. Aber es liegt an den Menschen, die Umstände zu ändern, nicht die Umstände dürfen die Menschen ändern, denn dann haben wir verloren und irgendwann ist wieder 1933… Schönen Sonntag noch!

Verzwitschert!

Ich bin, was meine Lesegewohnheiten angeht, irgendwie wohl noch nicht so ganz im 21. Jahrhundert angekommen. Überschriften werden ja oft so formuliert, dass der Informationsgehalt des ganzen Artikels sich auf diese wenigen Schlagworte reduziert. Leider steht dann im Fließtext auch oft genug nicht wirklich mehr, als das, was die Überschrift eh schon ahnen lässt. Diese Verschlagwortung ist übrigens definitiv kein Erbe des Hyperlinks, auch wenn mancher „Fachmann“ gerne so tut, als wenn erst mit dem Siegeszug der elektronischen Indexierung (HTML, die erste weiter verbreitete Webprogrammiersprache wurde entwickelt, um einen Wust von wissenschaftlichen Dokumenten besser durchsuchbar zu machen) der markige Aufmacher zum Signum der Informationsvermittlung geworden wäre. William Randolph Hearst, der erste echte Medientycoon, dessen „Morning Journal“ zur Blaupause der Yellow Press wurde, hat mit dieser – meines Erachtens bis ins Mark unseriösen – Art des Journalismus politischen Einfluss genommen; und das bereits 1898!

Was ich damit sagen wollte ist, dass ich zwar durchaus verschiedenste digitale Publikationen und auch ein paar soziale Medien nutze, aber bei weitem nicht alles, was ich lese, ist digital! Und manche Hypes in und um so genannte New Media nehme ich gar nicht zur Kenntnis, weil bereits die Art der Schlagzeile mich abstößt. Denn „je reißerischer der Aufmacher, desto unbekömmlicher der Inhalt“ als Bewertungsmaßstab hat mich in den vergangenen Jahren noch so gut wie nie in die Irre geführt. Was soll man also in diesem Zusammenhang zum Beispiel von einer Twitternachricht wie „Vegetarier halten sich oft für etwas Besseres“ halten? [Ist allerdings ein Gedächtniszitat, ich gebe also nur sinngemäß wieder, was da stand]

[Exkurs Anfang]
Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate sind zumeist vor allem eines – nämlich aus dem Zusammenhang gerissen und somit ihres Kontextes beraubt. Deshalb sollen Schüler auch immer noch lernen, ihre Aufsätze in ganzen Sätzen zu schreiben, weil Informationen ohne Kontext wie eine Unterhaltung ohne Gestus und Mimik sind. Zumindest ich fände es sehr unnatürlich, wenn mein Gegenüber seine Äußerungen ohne jegliche Regung von sich geben würde. Folgt man Watzlawick, ist das auch gar nicht möglich; wäre es das, würde ich wahrscheinlich aber wohl eher vor Langeweile von dem Geleier einschlafen, als das ich mich fürchtete. Abseits des Unterhaltungswertes ergibt sich aber aus einem Mangel an Subtext- und Kontextinformationen ein noch viel handfesteres Problem, nämlich das quasi vorprogrammierte Missverstehen des jeweiligen Zitates.
[Exkurs Ende]

Das eben Gesagte im Gedächtnis nun zurück zu den Vegetariern, die sich laut Zitat für was Besseres halten. Was mich betrifft, so habe ich zwar beim einen oder anderen sich fleischlos ernährenden Mitbürger schon dezente Missionierungstendenzen ausmachen können. Die bewegten sich bislang aber immer noch im charmanten Bereich. Im Bezug auf was Vegetarier in der Mehrzahl sich also für etwas Besseres halten sollen, weiß ich nicht. Ich kennen jede Menge Menschen, die auf die eine oder andere Art arrogant daher kommen; gelegentlich zu Recht – viel häufiger aber nicht! Ich könnte jetzt allerdings keine Statistik darüber vorlegen, ob mehr Vegetarier darunter sind. Nun könnte man dem Link im Tweet folgen, vielleicht einen Text finden, zusätzlich noch Infos über den Autor und dann wissen, was er tatsächlich gemeint hat. Das machen meiner Erfahrung nach aber die Wenigsten, weil das Thema a) nicht wirklich von weitreichendem gesellschaftlichem Interesse ist, b) das Zitat so wunderbar Vorurteile bedient, dass man gar nicht weiter lesen braucht, um sich in seiner Meinung bestätigt zu sehen, dass Veggis eh alle arrogante Penner sind (zur Rückversicherung: das ist NICHT meine Meinung) und c) da viel zu viel andere Sachen sind, die man auch noch schnell überfliegen muss – womit wir mal wieder bei Häppchen von Opinion-to-go wären.

Ich erlebe die digitale Welt nicht selten als ein Überangebot an Informationen und Meinungen, aus dem die wirklich wichtigen und interessanten herauszufiltern immer schwieriger wird. Und Newsgrabber oder Feedreader, die man auf Schlagworte einstellt, schaffen hier keine Abhilfe. Sicherlich ist das ein Umstand, den man bei der Pluralisierung des Web als demokratischem Ort aushalten muss, doch Relevantes von Müll zu unterscheiden wird dadurch nicht einfacher. Vielleicht ist genau deshalb die Verankerung der eigenen Wahrnehmung in etwas entschleunigteren Medienformaten und deren, von den Kindern der neuen Zeit zugegeben vielleicht als verstaubt wahrgenommenen Sprache etwas Notwendiges; nämlich als Basis für ein tiefer greifendes Verständnis für Zusammenhänge und als Filter gegen Wortschrott. Weshalb zumindest meiner Meinung nach ein humanistisches Bildungsideal keinesfalls schon zum Abraum der Geschichte gehören muss.

Beim Lesen der Klassiker und der Ergründung verschiedenster anderer Wissensgebiete geht es nicht nur um die Geschichten, welche in ihnen erzählt werden, oder die für sich betrachtet nicht allzu spannende Fähigkeit, Integrale berechnen zu können, sondern auch darum, zu lernen wie man Subtext- und Kontextinformationen entschlüsselt und in größeren, Einzelthemen übergreifenden Zusammenhängen denkt. Klingt komisch aus dem Munde von jemandem, der sagt, man kann auf die neuen Fragen nicht immer die alten Antworten geben? Nur vordergründig, denn man lernt auf diese Art ja nicht Antworten auswendig, sondern den Weg, auf dem man alle möglichen Fragen sinnvoll beantworten kann, auch die Neuen; vor allem die Neuen! Und deshalb lese ich jetzt, erstmal in meinem aktuellen Buch weiter. Schönen Tag noch!

Widerspruch Olé!

Ich finde Ratgeberbücher meistens eher belustigend. Man wird zumeist wortreich, gelegentlich humorvoll, aber eigentlich immer belehrend darüber aufgeklärt, wie schlecht man sein Leben nach Auffassung des Autors lebt und wie man das alles viel besser hinbekommen kann, wenn man dies oder jenes tut; oder auch unterlässt. Nun sollte ich mal kurz ehrlich zu mir sein, auch wenn es schwer fällt: Ich hasse es wie die Pest, wenn jemand den Oberlehrer gibt – und es ist mir dabei so was von vollkommen egal, ob dieser Penner eventuell sogar recht hat!

Was man – egal ob in der trivialen Literatur, oder auch sonst wo im Leben – viel zu selten antrifft, ist der Mut zur Widersprüchlichkeit, zum Zwist mit sich selbst, zum Bekenntnis, dass das Menschsein zwar oft nach einer klaren Linie verlangt, die Umstände aber nur sehr selten eine hergeben. Es mag das eine oder andere Mal schon angeklungen sein, dass ich Dogmatismus in jedweder Darbietungsform für eines der größten Übel überhaupt halte; zum einen, weil der unumstößliche Glaube an die Richtigkeit der eigenen Meinung den Blickwinkel unnötig und vor allem unzulässig einengt. Wahrnehmung hat ja auch etwas mit wahrnehmen wollen zu tun, wie selbst der Volksmund schon weiß. Und zum anderen, weil das immanente Verkündet-werden-Wollen dessen, woran man sich ja nun so unglaublich fest klammert unweigerlich dazu führt, dass der Dogmatiker jenen, die er mit seiner Weisheit zu beglücken glaubt, alsbald ganz furchtbar auf den Wecker gehen wird.

Man versucht in Dogmen, durch eine einseitige Sicht der Dinge Sachverhalte zu vereinfachen, die deshalb nicht einfach sind, weil die schlichte Existenz des gesellschaftlichen Pluralismus nicht nur eine eigene Meinung ermöglicht, sondern sie überdies auch verlangt. Begnügt man sich damit, die Weltsicht eines Anderen unreflektiert anzunehmen, wird man über kurz oder lang Kompromisse mit demjenigen, sich selbst oder Dritten eingehen müssen, die einem nicht schmecken. Woraus sich die Frage ergibt, wie viele Kompromisse man denn unbedingt eingehen muss, nur um sich selbst auf konformistisch zu trimmen? Ich meine ja, dass diese Zahl recht begrenzt ist, falls man seine persönliche Autonomie irgendwie gewahrt sehen möchte. Mit den unterschiedlichen möglichen Weltsichten, den daraus resultierenden politischen und sozialen Aktivitäten, die alles bis hin zum individuellen Lebensentwurf – sofern man einen hat – beeinflussen wird man, so man sich zu ein wenig Toleranz durchringen kann, jedoch mit Widersprüchlichkeiten und Spannungsfeldern leben müssen, die sich nicht selten als unauflösbar herausstellen. Dogmen helfen einem hier allerdings höchstens bis zu der Tür, durch die das Brett vor dem Kopf wegen der Breite nicht mehr durchpasst…

Aber solche anscheinend unvereinbaren Gegensätze findet man ja nicht nur bezüglich sozialer Beziehungen, sondern auch in den Untiefen der eigenen Persönlichkeit. Für mich als alten Sozen hat zum Beispiel die Konfrontation mit den verschiedensten Fragen im Laufe der Zeit zur Adaption einiger durchaus als wertkonservativ anzusehender Positionen geführt. Ich sehe aber keinen Widerspruch darin, auf der einen Seite für gerechtere Sozialsysteme zu sein – wie auch immer die dann aussehen würden – und auf der anderen Seite gerne Manchen aus der Sozialhängematte hinaus stoßen zu wollen, weil er meiner Meinung nach halt nix drin zu suchen hat. Und das ich durchaus für leistungsgerechte Entlohnung bin; was aber vermutlich, konsequent durchgezogen, dazu führen würde, dass so mancher vermeintlicher „Leistungsträger“ sich ganz schön umkucken würde, wo den plötzlich sein Kohle bleibt…

Ist nur ein plakatives Beispiel und ich bin mir sicher, dass die allermeisten an sich Zwiespältigkeiten entdecken könnten, die nachdenklich machen müssten. Es ist aber Teil unserer menschlichen Natur, dass unsere Persönlichkeit sich ein Leben lang in einer Art Fließgleichgewicht befindet, dass sich immer wieder neu regulieren muss. Die sich scheinbar ohne unser Zutun weiterbewegende Umwelt nimmt uns mit auf diese Reise, egal ob wir das wollen oder nicht und unsere Persönlichkeit wird dabei, zumindest in Teilen, dazu gezwungen, sich anzupassen, was unausweichlich immer wieder zu Unstimmigkeiten im Oberstübchen führen muss. Da wir Homo Sapiens Sapiens nämlich ziemliche Gewohnheitstiere sind, die mit allzu schneller Veränderung unseres Lebensumfeldes gar nicht so gut umgehen können, wie das immer gerne von den auf die Entgrenzung von Arbeitszeit und Ort geilen Arbeitgebern behauptet und somit auch verlangt wird. Menschen können sich sehr wohl verändern, aber je radikaler und willkürlicher diese Umgestaltung ausfällt, desto schwerer kommen wir hinterher wieder in Tritt.

Tatsächlich sind all diese Veränderungen ja aber von uns Menschen selbst gemacht, denn die oft überwältigende Dynamik, welche unserer Umwelt heutzutage innewohnt, kommt erst durch die Schaffenskraft, Kreativität und Neugierde vieler Einzelner zu Stande, die sich in ihrer Vernetztheit zu einem unaufhaltsamen Motor der Veränderung vereint. Und dessen Kraft bewegt uns Alle, wobei es gleichgültig ist, ob wir gerade mal zu den Innovatoren, oder zu den Mitgerissenen gehören. Womit der größte Widerspruch unserer Existenz wohl wäre, dass wir uns einerseits dem Bekunden nach dauernd nach der guten alten Zeit sehnen – auch wenn die erst gestern zu Ende gegangen sein mag – und andererseits unsere Schaffenskraft willig in Veränderungen stecken, von denen wir uns eine Verbesserung versprechen; gleich auf welchem Gebiet die Anstrengung stattfinden mag, ob sie groß oder klein sei, bedeutend oder unbedeutend, für alle oder nur für uns…

Die Sehnsucht nach einer Beständigkeit, welche uns die Illusion von Sicherheit und Geborgenheit in einer gefühlt immer verrückter werdenden Welt gestatten soll, ist ein mittlerweile immer unerfüllbarer gewordener Traum. Und dennoch orientiert sich unser Anspruch an der Vorstellung einer (non-existenten) Vollkasko gegen alle Eventualitäten des Lebens. Wie wäre es da mit einem Wider-Spruch gegen den Anspruch? Mit einem Zügeln des eigenen Verlangens? Es wäre eine Mischung aus dem Eingeständnis, dass Sicherheit, so allumfassend, wie wir Deutschen sie gerne denken, schon immer ein Trugbild gewesen ist und dem Anerkennen der Möglichkeiten und der Kraft, die sich in den von uns so gefürchteten Unwägbarkeiten des Lebens verstecken. Einfach mal leben anstatt versichern! Ich finde Widersprüchlichkeiten spannend, denn sie lassen mich niemals vergessen, dass jedes Ding mehr als einen Aspekt hat. Viel Spaß beim Entdecken der persönlichen Paradoxa.