So ein Kinderkram!

Ich schreibe keine Rezensionen – ja, es heißt Rezension, nicht Rezession, die hat was mit Wirtschaftswissenschaft zu tun – weil ich die meisten Kritiker und große Teile des Feuilletons mittlerweile zu verachten gelernt habe. Man kann, nein soll, eine eigene Meinung zu den Dingen haben. Bis heute hat sich mir nicht erschlossen, welchen Wert es für meine, oder irgendjemand anderes Entwicklung haben sollte, wenn ich nur Dinge schaue, lese, zocke, konsumiere, von denen irgendwelche geschwätzigen, möchtegern-intellektuellen Dogmatiker behauptet haben, sie seien „wertvoll“. Ich verstehe das Konzept nicht! Die Idee des Kritikers entspringt vermutlich der, noch vor 100 Jahren allgegenwärtigen Zensur. Und genauso benehmen sich die meisten Rezensierenden dann auch…

Hätte ich nicht meinen eigenen Kopf, wäre ich nicht der Mensch, der ich bin und das gilt natürlich auch uneingeschränkt für meinen kulturellen Konsum. Wobei ich gerne zugeben möchte, dass manche Dinge, die sich in meinen Regalen finden bei den Apologeten der Hochkultur wahrscheinlich bestenfalls Stirnrunzeln auslösen würden. Im Übrigen empfinde ich diese kanonische Unterscheidung in Hoch- und Populär-Kultur sowieso als Egogewichse. Den wahren Wert eines Kulturproduktes kann man erst mit einem gewissen Abstand ex post überhaupt zu ermessen beginnen. Und vieles, was heute als Teil von Hochkultur betrachtet wird, war zu seiner Zeit Pop – wenn sie das Wort denn gekannt hätten.

Heute stolperte ich wieder über so eine Perle der Kulturkritik; natürlich auf Zeit Online, da wo der Feingeist Urständ feiert… Es geht in dem Artikel um den aktuellen Blockbuster „Alita: Battle Angel“ basierend auf einem Manga gleichen Namens. Der Autor offenbart im Text, dass er weder versteht, warum die Suche eines Cyborgs (eines Zwitterwesens aus Mensch und Maschine) nach seiner Identität eine Metapher auf die Suche nach Zugehörigkeit und nach Sinn in uns allen darstellt; noch versucht er, zu akzeptieren, dass „Der Gott des Gemetzels“ – so genial dieses Kammerspiel auch sein mag – NICHT die einzige Möglichkeit ist, menschliche Emotionen heraus zu arbeiten. Man darf sich ruhig auf CGI einlassen und trotzdem das Menschliche suchen und finden. Und dass die hauptsächlich thematisierten riesigen Augen nun mal ein Bestandteil des Manga und das Anime sind, womit man Rodriguez und Cameron zumindest etwas Werktreue vorwerfen kann.

Comic- oder Mangavorlagen sind immer schwierig. In „Sin City“ hat Frank Miller seinen eigenen Comic Panel für Panel kopiert und ich hasse den Film bis heute; obwohl er, rein visuell betrachtet großartig ist. „Alita: Battle Angel“ krankt an den gleichen Problemen, denn das, was in den Panels einer Graphic novel, eines Comics, eines Mangas zwischen den Bildern und Textzeilen passiert, folgt ganz anderen erzählerischen Gesetzen. Wer sich mal mit dem Thema auseinandersetzen möchte, dem sei „Understanding Comics“ von Scott McCloud empfohlen. Es erklärt gut, warum nicht alles Buddenbrookesk toterklärt und totbeschrieben werden muss (Entschuldigung, Thomas Mann) und warum Abweichungen vom normal aussehenden menschlichen Darsteller manchmal notwendig sind. Unter dem Aspekt könnte man das Geschwafel von den Augen im verlinkten Artikel auch für Kultur-Xenophobie halten.

Jedenfalls nervt es mich, dass Journalisten ohne Kenntnis der Kunstformen und tieferes Verständnis für visuelles Erzählen ihre irrelevante Meinung absondern dürfen. Dem durchschnittlichen Feuilletonisten muss man wohl ein eher konservatives, ab und an sogar reaktionäres Denken unterstellen. Aber Filme, in denen CGI vorkommt sind ja auch fast immer nur Kinderkram. Interessant in dem Zusammenhang ist der fast lobende Hinweis auf die Neuauflage von „Planet der Affen“, präzise auf die Qualität des Affen „Cesar“. Da wird Entwicklung gesehen. Aber der Stoff ist ja auch schon älter und stammt aus unserem Kulturkreis… also doch Xenophobie. Sollte man mal drüber nachdenken, denn auch Kulturseiten beeinflussen unsere Denke. Schönen Tag noch.

Das Auto in Nachbars Auffahrt…

Bundesarbeitsminster Heil hat ein Konzept zur Grundrente vorgelegt. Diese Aufgabe war im Koalitionsvertrag vereinbart worden, weil allzu augenfällig geworden ist, dass die Altersarmut in Deutschland zunimmt. Nun hat dieses Konzept, wie es in der Politik Usus ist, eine Kontroverse ausgelöst; und wie man in den Kommentarspalten zu diesem Artikel ganz gut ablesen kann, eine heftige! Man mag mit der Meinung des Autors (Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) d’accord gehen, oder auch nicht; interessant ist aus meiner Sicht weniger das Konzept, oder was es vielleicht (hoffentlich) für Renten aus kleinen Einkommen bedeutet, als vielmehr die Vehemenz, mit der darob eine Neiddebatte ausgefochten wird.

Nicht wenige Mitmenschoiden vertreten (natürlich geschützt von der subjektiven Anonymität des Internets) hier, oft nur unzureichend mit dem Etikett „Lowperformer“ versehene, sozialdarwinistische Thesen, die in mir das kalte Kotzen aufsteigen lassen. Offensichtlich wähnen sich diese Kommentatoren als „Highperformer“ und halten von der Idee sozialer Solidarität, die eigentlich eine Grundeigenschaft von Gesellschaften sein sollte genau NICHTS. Wer im Hier und Jetzt viel verdient, hat auch im Später viel mehr verdient als die anderen, die ein geringeres Salär hatten und folglich weniger in die Renten- und Sozialkassen einbezahlen konnten. „Dann sollen sie halt mehr verdienen!“. Auf welchem Planet lebt so ein Mensch…?

Mal ganz davon ab, dass das Gehalt zumeist in keinster Weise die soziale Nützlichkeit einer beruflichen Tätigkeit abbildet (denn dann müsste eine Krankenschwester mehr bekommen, als ein Hedgefond-Manager), wird auch die Idee humanitärer Grundwerte (wonach jeder Mensch gleichviel „wert“ ist) einfach mal in die rhetorische Mülltonne geworfen… BRAVO! Überdies wirft es einmal mehr die Frage auf, was sogenannte „Highperformer“ überhaupt ausmacht? Und ob es überhaupt nötig ist, sich dieses Etikett zu verdienen, um als Mensch respektiert werden zu können? Ich persönliche verneine das, denn jemand der tagein, tagaus klaglos und ohne großen Bohei seinen Job macht, ist mir eigentlich viel lieber, als so eine Möchtegern-Turbodüse, die neben ihrer Arbeitsleistung auch noch unendlich viel heiße Luft produziert. Wäre die nutzbar, könnten wir den Individualverkehr auf Montgolfieren umstellen.

Aber anstatt an der Sache zu diskutieren, wird sofort über Leistungsgerechtigkeit schwadroniert. Als ob diese selbsternannten Helden der Arbeit tatsächlich so viel mehr leisten würden, als der prekär auf Zeitarbeit beschäftigte Kommissionierer, der nach 40 Wochenstunden noch aufstocken muss; und folglich irgendwann, sofern Herr Heil seine Pläne umsetzen darf dann in den „Genuss“ der Grundrenten-Leistungen kommen wird: 977€ für 40 Jahre Vollzeit bei Niedriglohn empfinde ich persönlich jetzt nicht gerade als spätrömische Dekadenz. Ich hoffe doch mal, dass die ganzen „Highperformer“ mehr als 30,5 Entgeltpunkte zusammenbekommen…oder?

Wie dem auch sei: diese Diskussion entlarvt Deutschland mal wieder gnadenlos als Heimat der „dem-Anderen-die-Butter-auf-dem Brot-Missgönner“, als Hochburg der Arroganz und der Asozialität. Ich SCHÄME mich für solche Mitmenschoiden in Grund und Boden. Eigentlich müssten sie alle mal auf Grundsicherung angewiesen sein, damit sie am eigenen Leib erfahren, wie das ist. Ich jedenfalls finde – allen handwerklichen Mängeln am Konzept zum Trotz – den Grundgedanken gut und richtig. Wir sitzen nämlich alle im selben Boot – ob es euch passt oder nicht. Guten Abend.

Schaffensprozess

Es ist ein offenes Geheimnis, dass kreatives Arbeiten bei vielen Leuten nach ähnlichen Mustern abläuft. Den wenigsten stürmen einfach drauf los und machen etwas; vielmehr ist es üblich, sich zunächst einen Plan zurecht zu legen. Nicht, weil wir Deutschen ohne Plan nix auf die Reihe bekämen, sondern weil – insbesondere bei etwas größeren Projekten – ich am Ende weniger Probleme habe, meine losen Enden einzufangen. Zuvorderst, wenn ich komplexe Geschichten erzählen möchte, ist es immer ratsam, sich ein Storyboard oder etwas ähnliches zu machen.

Bei mir geschieht das in Form einer Tabelle, die vier Spalten enthält:

  • Charakter: Hier findet sich zu jedem Hauptcharakter, aber auch zu den wichtigen Nebenfiguren eine kurze Beschreibung, welche die essentiellen Bestandteile der Persönlichkeit kurz einfängt.
  • Schlüsselszenen: Hier umreiße ich die Momente der Geschichte, an denen ein wichtiges Treffen oder eine wichtige Veränderung eines Hauptcharakters eintritt. Und tatsächlich nur die, bei denen mir von Anfang an klar ist, dass sie für den Verlauf der Erzählung geschehen müssen.
  • Nexuspunkte: Ganz einfach; wer begegnet wem wo und warum?
  • Konflikte: Hier finden sich neben den Problemen, welche einzelne Charaktere miteinander haben auch die Beschreibung ihrer jeweiligen Motivationen, weil sich in der Abgrenzung zu den anderen Teilnehmern einer Erzählung am besten heraus arbeiten lässt, warum Protagonisten und Antagonisten tun, was sie tun.

Da hab ich also, ziemlich am Beginn meines aktuellen Projektes (und es handelt sich NICHT um ein belletristisches Werk, das sich mit Rettungsdienst befasst, soviel darf ich sagen!) eine solche Tabelle entwickelt. Sie hängt an meinem Whiteboard im Arbeitszimmer und dann und wann werfe ich auch einen Blick darauf, um mich zu vergewissern, dass ich tatsächlich noch die Geschichte erzähle, die ich zu Beginn im Kopf hatte. Und stelle fest JA und NEIN…

Einerseits bewege ich mich entlang der beschriebenen Charaktere und ihrer Konflikte. Andererseits habe ich neue Elemente angefügt und andere weggelassen, schlicht, weil die Entwicklung der Figuren dies gebot. Überdies habe ich die Geschichte um ein paar Twists und Figuren angereichert, weil sie sonst zu schnell auserzählt gewesen wäre. Ich habe versucht, meinen Stil etwas einzuschränken. Der Meister des Schachtelsatzes hat versucht, nicht zu ausufernd zu schreiben. Doch ich schaffe es nicht stringent. Weil manche Dinge sich nicht so einfach in Subjekt – Prädikat -Objekt ausdrücken lassen. Trotzdem darf man nicht zu viel beschreiben, sonst lässt man der Fantasie des Lesers ja zu wenig Raum. Und das ist es, was für mich ein gutes Buch ausmacht. So viel zu geben, dass es eine Kohärente Idee von der Welt und den Figuren vermittelt; aber eben doch so wenig, dass jeder Leser theoretisch die Möglichkeit hat, sich ein Teil dazu zu denken.

Ich habe schon öfter über diesen Bias zwischen den Kunstformen Buch und Film referiert und es bleibt dabei – was ein Leser in seinem Kopf mit meiner Geschichte anstellt, kann ich kaum beeinflussen. Wohingegen ein Film einen großen Teil dieser Fantasie-Arbeit eliminiert, weil seine Macher sie vorweggenommen haben. Damit muss man leben.

Jedenfalls muss ich für meinen Teil feststellen, dass kreatives Schreiben stets eine Eigendynamik entwickelt und dass ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe, meinen Instinkten zu folgen, wann immer ich das vorbeschriebene Terrain meiner Tabelle beim Schreiben verlasse. Und ich hoffe ehrlich, dass das Ergebnis irgendjemand interessiert. In diesem Sinne, bis die Tage.

Facebo klingt wie Placebo…

Lustig, was einem alles so auffällt wenn man – einmal mehr und bestimmt viele Male zu oft – auf sein Smartphone-Display schaut. Ist bestimmt nicht smart, so oft drauf zu schauen, aber so sind wir halt; das Belohnungszentrum muss stimuliert werden. Und wenn das nur durch insignifikantes Social-Media-Geschnatter, ist das halt so.

Dabei ist mir allerdings aufgefallen, dass Facebook © auf meinem Display tatsächlich oft mit Facebo abgekürzt wird. Höhö, dachte ich mir: ein Facebo ist also ein (in der Realität) unwirksames Mittel. Nämlich zur Selbstdarstellung. Besser kann man, zumindest für meinen Geschmack, die Wirkung von Facebook © wirklich nicht zusammenfassen. Ich selbst habe bereits mehrmals versucht, dem Zuckerberg’schen Datenkraken auf Dauer zu entkommen und bin jedes Mal kläglich gescheitert. Mal, weil ich die Möglichkeit, meine Blogposts dort zu teilen nicht missen wollte; mal, weil man bestimmte (durchaus wertvolle) Kontakte offline so schlecht pflegen kann. Und mal, weil ich mich immer noch zu gerne in nutzlose Filterblasen-Diskussionen einmische. Scheiß-Nazis muss man entgegentreten, egal, wo man sie findet!

Und doch – auch wenn man all diese eigentlich sinnhaft klingenden Begründungen zusammennimmt, bleibt dieses unangenehme Gefühl, dass das alles nur hohler Mist ist und mich nirgendwohin bringt. Nicht, dass ich das Bedürfnis hätte, den fatalen Versuch zu unternehmen, meine eigene (subjektive) Wichtigkeit zu pimpen, indem ich online Präsenz zeige. Ich bin kein „Influencer“ (klingt das nicht wie „Influenza“, also Grippe und müsste damit als Krankheit eingestuft werden?). Ich würde nur gerne mehr Menschen zum selbst Denken anregen. Wenn das schon als influencing, also Beeinflussung gilt, sollte ich mich wohl vor meinen eigenen Worten in Acht nehmen.

Was nun aber das „nirgendwohin bringen“ angeht – wenn wir mal davon ausgehen (wollen), dass jeder Mensch nach Verbesserung strebt, also mehr Wissen, mehr Können (vermutlich auch mehr Liquidität), um vorwärts zu kommen, stellt sich die Frage, ob auch jeder mensch dabei über die Nachhaltigkeit seines Tuns und Lassens nachdenkt? Ich meine, etwas zu erlernen, um im Job besser zu werden und damit vielleicht etwas mehr Geld für den Lebensunterhalt der Familie einwerben zu können würde ich als legitim und nachhaltig betrachten, da die Person etwas dazulernt und damit insgesamt „besser“ wird. Die Verbesserung der Person wirkt aber auch auf die Gesellschaft um die Person herum. Direkt, durch mehr verfügbares Einkommen, das zum Beispiel den Kindern die Mitgliedschaft im Sportclub ermöglicht; indirekt durch das Ankurbeln der Volkswirtschaft auf Mikro-Niveau. Damit ist natürlich noch nicht gesagt, ob das auch ökologisch nachhaltig geschieht. Aber nehmen wir mal an, dass ein besseres Wissen um die Zusammenhänge irgendwann auch diesen Bereich berührt.

Auf Facebook©, Instagram ©, oder sonstwo einfach irgendwelche stundenlang nachbearbeiteten „casual shots“ hochzuladen und sein Aussehen dazu zu benutzen, um schnelles Geld zu machen, schult bestimmt auch in manchen Bereichen: Beauty, Styling, Fitness, Bildbearbeitung… einen rechten Nutzen für die Gesellschaft kann ich daran aber noch nicht ableiten. Eher das Gegenteil, wenn noch leichter beeinflussbare Teenager irgendwelchen Idolen hinterher hecheln, an denen so gut wie alles Fake ist. (=> Bildbearbeitung: auch „Influencer“ sehen morgens um 05:00, direkt nach dem Wecker aus, wie explodierte Fraggles).

Womit wir wieder beim Facebo wären. Denn die subjektive Wirkung dieses ganzen visuellen Betruges ist wie Parfüm: riecht gut und verflüchtigt sich im Nu. Denn schon morgen stehen die nächsten „Influencer“ mit dem nächsten „heißen Trend“ parat. Danke für nichts, wenn die Illusion sich verflüchtigt, denn das Geld habt ihr trotzdem mitgenommen. Ich vermute, dass ich auch in Zukunft nicht von Facebook loskommen werde. Aber ich gelobe, dass ich alles dransetzen werde, meine Töchter darauf vorzubereiten, Fake von Echt unterscheiden zu lernen. Bis die Tage.

Lieber ein bitteres Ende…

…als gar keines. Ich wäre dann jetzt soweit. Nachdem meine Arbeit auf Leitstellen mich dann jetzt endlich an den Punkt gebracht hat, dass ich nicht mehr – wie früher – immer meine Contenance gegenüber den Frechheiten der Anrufer wahren kann, ist es an der Zeit, endgültig den Deckel drauf zu machen, bevor ich dran kaputt gehe. Tatsächlich öffnet sich sogar die Gelegenheit, dies bei meinem aktuellen Arbeitgeber darzustellen. Andernfalls müsste ich – vollkommen ernst und ohne jeglich weitere Zurückhaltung – den Arbeitgeber wechseln. Ich bin zu alt, zu gut in den anderen Teilen meines Jobs und zu unglücklich über manche Aspekte meiner Arbeit, um noch allzu viele Kompromisse eingehen zu können, oder zu wollen.

Ich dachte bei meiner Arbeit lange Zeit, dass man die Dinge pädagogisch angehen müsse, dass sich jede verbale Konfrontation deeskalieren lasse, dass ich als Dienstleister für allzu menschliches Geduld mit den Anrufern haben müsse – heut weiß ich, dass das Bullshit ist. Ein nicht unerheblicher Teil der Kontakte findet mit Menschen statt, deren Wertesystem so verschoben und deren Vorstellung von der Wichtigkeit des eigenen Anliegens (auch Egoismus genannt) so groß ist, dass ich damit schlicht nicht mehr klar komme. Zumindest nicht in dieser Intensität. Es macht einen großen qualitativen Unterschied, ob ich fünf bis sieben Einsätze pro RTW-Schicht abarbeiten muss, oder 140 – 160 Telefonate. Die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist…

Bitte nicht falsch verstehen; mit den normal agierenden Menschen mit ihren normal vorgetragenen Anliegen habe ich überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil. Aber diese Menschoiden mit ihrer Vollkasko-Mentalität, die glauben, dass die Welt ihr ganz persönlicher Selbstbedienungsladen ist, kann ich nur noch schwer ertragen. Und da meine Fertigkeiten im Feld der Ausbildung von Rettungsfachpersonal mittlerweile ein akzeptables Level erreicht haben, sehe ich meine Zukunft – mehr oder weniger ausschließlich – in diesem Bereich. Denn als demotivierter, dauergeladener Calltaker nütze ich weder mir, noch meinen Klienten.

Ich hoffe auf die Zukunft!

Ein letztes Mal…

…kann ich nicht anders, als Herrn Ragge vom Mannheimer Morgen entschieden zu widersprechen. In seinem Kommentar spricht er davon, dass ein zu großer, ohne Wissen der Stadt eingerichteter Rettungsdienstbereich an Versorgungsproblemen in Mannheim Schuld sei. Dies Aussage ist in mehrerlei Hinsicht unzutreffend.

Erstens ist es bereits seit den frühen 2000er Jahren ausgewiesene Landespolitik, größere Leitstellenbereiche schaffen zu wollen, um Synergieeffekte im Rettungswesen nutzbar machen zu können. Vor dem Hintergrund steigender Notfallzahlen eine schlichte Notwendigkeit, um das System bezahlbar zu halten. Die dazu notwendigen Strukturen sollen überall im Land entstehen. Da es bereits seit 2006 eine Leitstelle in Ladenburg gab (und immer noch gibt), die beide Bereiche disponierte, war es eine logische Entscheidung, die schon seit Jahren in der Praxis aus einer Hand koordinierten Bereiche auch organisatorisch zusammenzuführen. Größe und Unwissenheit sind damit Strohmann-Argumente – man könnte es auch tendenziös nennen, was in diesem Zusammenhang bei den Äußerungen Herrn Ragges allerdings auch nichts neues ist.

Versorgungsprobleme gab es in Mannheim (allerdings weniger ausgeprägt als in den allermeisten anderen Bereichen Baden-Württembergs) schon lange; aber nicht wegen der Leitstellen-Struktur, sondern weil die Krankenkassen ihre Macht in den sogenannten Bereichs-Ausschüssen (das sind die Gremien, in denen die Vertreter der Leistungserbringer und die Vertreter der Krankenkassen seit Jahrzehnten ohne sinnvolle Rechtsaufsicht die Entgelte für die Leistungen der Rettungsdienste verhandeln) ausgenützt haben, um den Rettungsdienst in Baden-Württemberg kaputt zu sparen. Auf Kosten der Bürger. Erst seit das 2011-12 öffentlich ruchbar geworden ist, interessiert es überhaupt irgendjemanden.

Mitnichten jedoch haben diese Versorgungsprobleme (präzise die Nichteinhaltung der P95-Regel: 95% aller Einsatzstellen müssen in längstens 15 Minuten von einem Rettungsmittel erreicht werden) mit mangelnder Ortskenntnis, Bürgernähe oder Betriebssicherheit zu tun. Die Disponenten, welche heute ihren Dienst in Ladenburg versehen, haben allesamt zuvor in Heidelberg oder Mannheim auf den ehemaligen dortigen Leitstellen ihren Dienst versehen, oder wurden hier im Bereich für den Bereich ausgebildet. Ich kann das voller Überzeugung sagen, denn ich bin einer dieser Disponenten und habe bereits 1998, noch im Turm der ehemaligen Feuerwache Mitte meinen Dienst versehen…

Herrn Ragges Äußerungen implizieren einmal mehr, dass hier Amateure ohne Ortskenntnis tätig wären und das ist schlicht und ergreifend unwahr. Die Auftrennung des Bereiches – rein politisch motiviert, weil Politiker ihr Gesicht wahren wollen und mancher Amtsinhaber nach mehr Macht strebt – ist nicht mehr aufzuhalten. Eine Verbesserung, so wie von Herrn Ragge beschrieben bringt sie nicht. Diese entsteht allenfalls dadurch, dass das Landes-Innenministerium mittlerweile endlich seiner Aufsichtspflicht nachkommt, die das ehedem zuständige Landes-Sozialministerium über Jahrzehnte vernachlässigt hat. Was dazu führt, das allenthalben Standorte für Rettungsmittel aus dem Boden sprießen, wie Pilze in einem feuchten Sommer.

Ich sage daher – danke für nichts! Hauptsache man zerstört funktionierende Strukturen, damit man behaupten kann, etwas für die Bürger getan zu haben. Ich habe von diesem Schmierentheater die Schnauze voll. Schönes Rest-Wochenende.

Brennen oder Rennen?

Ich liebe meine Arbeit! Das ist, wenn man manchen Autoren Glauben schenken möchte ein Satz, der Gefahr birgt. Denn wenn wir uns unserem Job verschreiben, kann es gut passieren (und ist durchaus auch vom AG beabsichtigt), dass wir zu schnell und zu heiß brennen, uns verausgaben und so viel von uns preis- und hergeben, dass wir uns selbst verlieren; oder zumindest einen wichtigen Teil von uns. Der hier beschriebene Weg ist für den Arbeitgeber opportun, den der bekommt zum Normaltarif einen maximal performenden Mitarbeiter. Für eben diesen Mitarbeiter ist das allerdings ein recht sicherer Weg in den Burnout.

Ich kann mir nun, weil reine Selbstbespiegelung in solchen Situationen nicht so aufschlussreich ist, wie man das gerne denkt, anfangen Sorgen zu machen, denn ich brenne für meinen Job – immer noch! Ich mache meine Arbeit gerne und ich gehe manchmal auch gewisse Längen dafür, dass alles klappt; vielleicht gelegentlich zu große Längen. Ich bekam vor ein paar Jahren schon mal eine Quittung für mein Engagement und möchte diese Erfahrung nicht wiederholen. Was nach den Ausführungen eines Artikels in der Zeit ein hinreichender Grund wäre, beruflich das Weite zu suchen. Wozu ich aber, ehrlich gesagt keine Lust habe.

Es ist ein bisschen wie die Hand im Honigtopf; man kommt schwer davon los und irgendwie ist es ja auch lecker. Doch man weiß instinktiv, dass man gerade übertreibt. Was also tun? Weiter brennen? Natürlich mit dem Risiko, wieder voll über’s Ziel hinaus zu schießen. Oder doch rennen? Aber wohin? Ideen und Pläne hätte ich ja mehr als genug. Das bekommt man als kreativer Typ quasi als Fluch mitgeliefert. Aber es fehlt momentan an zwei Dingen: ausreichend Leidensdruck und Startkapital. Also mach ich erstmal weiter und bitte jene Menschen, die mich kennen und schätzen, mir bescheid zu sagen, bevor es schief geht. Wozu hat man denn Freunde…? In diesem Sinne, ein frohes neues Jahr!

Hoch die Hände – Jahresende?

„Hajo, des Johr is glei rum!“ wie man bei uns in Mannheim so schön sagt. Zeit für einen Rite de Passage mit reichlich Geballer; egal ob ethyltoxisch, oder mit Schwarzpulver, woll‘? Lieber Himmel, wenn man irgendwas über den Zustand unserer Gesellschaft wissen will, schreibt man einfach in irgendein Forum „Böllern ist geil!“ und wartet, bis sich die Kommentarspalte füllt. Was man da findet, sagt einfach alles. Überall nur Dogmen, Beleidigungen, Engstirnigkeit, Arroganz und – oh Wunder – außer Meinung wenig Substanz.

Ich bekenne: früher habe ich gerne und manchmal auch viel Geld für die Knallerei ausgegeben. Heutzutage ist mir das einfach zu stressig. Vielleicht auch, weil sich die Zahl der Arschlöcher auf der Straße nicht nur proportional zum Alkoholgehalt sondern auch mit jedem vergehenden Jahr automatisch zu erhöhen scheint. Viele Menschen missgönnen heutzutage ihrem Gegenüber die Butter auf dem Brot und halten sich selbst für den Gipfel der Evolution. Zumindest im Internet. Stünde mir so ein Forentroll in persona gegenüber, wäre vermutlich ganz schnell die Luft aus, denn eine gute alte Face-to-Face-Konfrontation können die ja gar nicht mehr. Dann rennen sie entweder gleich heulend zu Mami, oder – anderes Extrem – ziehen ein Messer. Was für Zeiten…

Mal ganz davon abgesehen, dass wir mit Leben und Leben lassen viel einfacher führen und einmal im Jahr semi-kontrollierter Überdruckabbau ohne große Kollateral-Schäden möglich sein sollte, stellt sich folgende Frage: wozu der ganze Scheiß?

Heute ist ein Tag! Morgen ist auch ein Tag! Nur das Datum ändert sich…

Und für eine Datumsänderung braucht’s an den anderen 364 Tagen auch keinen Bohei. OK, ein neues Jahr beginnt. Mit den gleichen Fratzen bei der Arbeit, in der Zeitung, im TV, in den social media und was weiß ich noch wo. Mit den gleichen Problemen. Die AfD ist immer noch da, die sozialen Probleme sind immer noch da, die bröckelnde EU ist immer noch da, mein Stress im Job ist immer noch da; verdammte Axt! Da hilft kein Schönsaufen und kein Bleigießen. Es sei denn, irgendjemand lässt sich selbst komplett in Blei gießen… dann sind die Probleme für denjenigen natürlich weg.

Seien wir ehrlich, es ist eine Übung in Eskapismus, die gemeinsam viel mehr Spaß macht, als allein, da wir halt – allen Auswüchsen der Moderne zum Trotz – immer noch soziale Wesen sind. Ich habe meinen Frieden mit diesem Remmidemmi gemacht. So wie ich auch meinen Frieden mit Fasching gemacht habe. Ich hasse diese Narretei immer noch wie die Pest, aber wenn andere das brauchen, sollen sie doch. Und ich denke, genauso muss man Sylvester sehen: kommt, geht vorbei, hinterlässt kaum Spuren. Ich nutze es für einen netten Abend mit Freunden; so wie manchen anderen Abend im Jahr auch.

Und was das Gezeter über die Feinstaubbelastung und den Müll angeht: ich glaube, dass ich so manche bigotte Seele, die hier Armageddon herbei redet auf einem Faschingsumzug finden kann – die machen genauso viel Dreck und Lärm, erzeugen noch wesentlich mehr Trunkene und Verletzte und haben keinerlei weiteren Wert für die Gesellschaft – außer dass sie eine Übung in Eskapismus sind. Die heuchlerischen Spacken, die jetzt so wüst auf’s Feuerwerk schimpfen, sollten mal drüber nachdenken… an jene, die eh auf alles schimpfen: locker bleiben und an Leben und Leben lassen denken hilft enorm. Ihr werdet auch das überstehen.

In diesem Sinne: rutscht alle schön!

Ich glaub’s ja nicht…

…aber der Dauerlauf ist zu Ende. Es ist Heiligabend (na ja, wohl eher noch heiliger Nachmittag) und ich sitze in meiner Küche, während – ganz klassisch – der Duft von garender Gans durch die Wohnung zieht. Während ich diese Zeilen schreibe, sind meine Lieben allesamt im Gottesdienst; aber einer muss ja dafür sorgen, dass es nachher eine schöne Bescherung wird. Wer glaubt, alles sei wegen des Datums eitel Sonnenschein, der hat’s natürlich nicht kapiert. Dennoch kann ich sagen, dass wenigstens für heute etwas Ruhe in meinen Geist eingekehrt ist.

Es sind noch einige Dinge zu erledigen, aber für wenige Minuten habe ich Zeit zur Kontemplation und nutze diese auch, um hier zu schreiben. Vor allem, weil ich allen Menschen, denen ich etwas bedeute – and vice versa – hiermit Folgendes sagen möchte:

FROHE WEIHNACHTEN!

Genießt die Stunden (vielleicht sogar Tage) mit euren Lieben. Lasst euch von denen, die eh immer nur nerven nicht aus der Ruhe bringen. Lasst überhaupt alte Konflikte ruhen. Lasst euch ein wenig verwöhnen, oder tut dies selbst. Beschenkt Andere, mit was auch immer euch einfällt! Denkt zur Abwechslung nicht an Morgen! Beschenkt euch selbst mit etwas Glück! Und tut, was sich gut anfühlt, auch wenn euer Arzt es vielleicht nicht ganz so gut finden würde…

Die allermeisten von uns haben es sich nämlich verdient! In diesem Sinne wünsche ich euch ein frohes Fest und Segen auf allen Wegen.

Erwachsen bilden #02

Die eigenen Fähigkeiten zu reproduzieren ist die Königsdisziplin des Unterrichtenden. Das bedeutet, dass es sehr schwierig ist, anderen sinnvoll das Wissen darum zu vermitteln, wie man sinnvoll Wissen vermittelt. Ich hatte an anderer Stelle schon mal erwähnt, dass man Menschen nicht lernen machen kann, weil wir unser eigenes Wissen stets durch eine Mischung aus Erfahrung und Reflexion des Erfahrenen selbst konstruieren; daher auch der Begriff Konstruktivismus. Ohne zu sehr in die Tiefe gehen zu wollen, ergibt sich daraus das Problem, dass ich die eigenen Erfahrung darum, wie man andere zum Lernen anregen kann, in ein Angebot verpacken muss, dass für die Teilnehmer einer entsprechenden Veranstaltung hinreichend interessant ist, sich selbst damit befassen zu wollen. Das erste, was ich also brauche, ist Motivation.

Nun, einerseits darf man in der Erwachsenenbildung wohl von einem Grundmaß intrinsischer Motivation ausgehen. Doch zusätzliche Motivation kann man, genauso wie Wissen nicht einfach im Kopf der Anderen wachsen lassen… oder? Sicher, durch eine geschickte Gestaltung meiner Angebote kann ich das versuchen. In aller Regel durch Methodenpluralismus, also einen abwechslungsreichen Unterricht, der Phasen der Beschulung mit Phasen der Eigenarbeit abwechselt. Aber man darf bitte nicht glauben, das es dann ein Selbstläufer wäre. Denn so, wie ich als Dozent/Lehrer eine Vorstellung davon habe, was geht und was nicht, haben meine Kursteilnehmer das auch. Insbesondere in der Erwachsenenbildung, wo die Teilnehmer bereits einen Schatz an (positiven wie negativen) Erfahrungen mit Beschulung mitbringen.

Der Begriff „Unterricht“ weckt bei vielen Menschen Erinnerungen an die eigene Schulzeit; häufig unangenehme, weil wir uns eher an die schlechten Dinge erinnern können. Unser limbisches System versucht uns halt vor potentiellen Gefahren zu schützen, deshalb sind negative Erinnerungen leichter auslösbar. Diese Konnotation zu durchbrechen und die Teilnehmer trotzdem einzufangen ist also die allererste Aufgabe. Erst danach kann ich beginnen, mein Methoden-Feuerwerk abbrennen, weil es ansonsten wirkungslos verpuffen wird.

Diesen Erwägungen folgend bereite ich gerade eine Schulung vor, die Grundlagen der Ausbildungs-Begleitung und des fachpraktischen Unterrichtens im Betrieb vermitteln soll. Und wenn ich ehrlich sein soll – ich bin gespannt, ob ich meine selbst gesteckten Ziele diesmal erreichen kann. In jedem Fall lerne ich dabei was dazu. Wenn ich dieses positive Gefühl an meine Teilnehmer tragen kann, habe ich schon einiges gewonnen.