DU OPFER – oder: was heißt hier schwach…?

Rollenverständnis. Insbesondere bei Geschlechterrollen. Eines der größten Probleme der Menschheit überhaupt. Wenn man es ein wenig überspitzt, ist es die Wurzel allen Übels. Weil sich in dem großem Graufeld zwischen Zero und Hero beiderseits des Gender-Äquators (und auch in dem Raum dazwischen) so viele Möglichkeiten auftun, sich selbst und andere Miss zu verstehen, dass Konflikte vorprogrammiert sind. Und wer glaubt, dass persönliche Kränkungen bei Politikern nicht ausreichen, um mal eben einen neuen Krisenherd aufzumachen, der soll sich einfach die letzten 27 Monate mit Donald Trump noch mal genau ansehen. (Nicht dass Barrack Obama eine blütenreine Weste gehabt hätte – auch unter seiner Administration gab es Staatsterrorismus).

Wir wachsen mit Rollenbildern auf. Es kann gar nicht anders sein, denn unsere Eltern, deren Eltern und wiederum auch deren Eltern und so weiter sind mit Rollenbildern aufgewachsen; tradierten Vorstellungen davon, wie ein Junge oder ein Mädchen sich zu verhalten hätten, während sie zum Mann bzw. zur Frau heranwachsen. Allein der Umstand, dass es Homo-, Bi- und Transsexualität (und noch so viele andere Spielarten) schon immer gegeben hat, wurde durch diese Traditionen in den meisten Kulturen – so auch in unserer – stets negiert. Erst allmählich begann sich dies zu ändern. Zögerlich treten jene ins Licht, die nicht länger bereit sind, ihre wahre Natur zu verstecken. Und ebenso allmählich finden diese „Angriffe“ auf tradierte Rollenbilder Eingang in die Medien.

Um wirklich verstehen zu können, wie entsetzlich das alles für „den klassischen Mann“ oder „die klassische Frau“ ist (heute bestenfalls noch künstliche Begrifflichkeiten, die vielleicht irgendwann einmal ein Korrelat in der realen Welt gehabt haben mögen), muss man sich nur vor Augen führen, wie kurz es erst her ist, dass die Welt subjektiv noch in Ordnung war. Bis 1958 brauchten Frauen die Erlaubnis des Vaters oder Gatten, um den Führerschein machen zu dürfen. Erst ab 1969 sah das BGB eine verheiratete Frau als geschäftsfähig an und erst seit 1977 dürfen Frauen ohne Erlaubnis des Ehepartners einem Beruf nachgehen. Ach, das waren noch gute alte Zeiten…

Wollt ihr mich verarschen? Es gibt keine gute alte Zeit. Es gab sie nie und vermutlich wird es leider auch in Zukunft immer wieder Perioden geben, derer man sich – ex post – unangemessen nostalgisch erinnert, weil Menschen das halt so machen; die Scheiße einfach mal ausblenden, damit das eigene Narrativ nicht ganz so düster daherkommt. Ich nahm gerade eben einen winzigen Ausschnitt aus der jüngeren Emanzipations-Geschichte der Frau, damit klar wird, warum so viele Männer immer noch nicht klar kommen. Jahrtausende des guten alten Patriarchats weggewischt von ein paar links-grün-versifften Emanzen, die einfach nicht verstehen wollen, dass das Primat des Mannes den Naturgesetzen folgt… Wacht auf, ihr Opfer und versteht, dass man Rollen auch ändern kann, aus ihnen ausbrechen, sie neu definieren.

Unsere Welt ist eine wesentlich stärker partikularisierte, als sie dies noch vor fünfzig Jahren war. Wir zahlen den Preis der Moderne durch die Notwendigkeit, uns unseren Platz in dieser Welt immer wieder selbst immer wieder neu suchen zu müssen. Ulrich Beck benannte dieses Phänomen mit dem Schlagwort „Risikogesellschaft“. Und in mancherlei Hinsicht ist seine Analyse immer noch aktuell. Die Medien sind, so sehr sie sich auch bemühen mögen, Avantgarde sein zu wollen, immer auch ein Spiegel des Zeitgeistes. Und es hat lange gedauert, bis wir im Fernsehen nicht mehr dauernd über den „Macho-Hero“ auf der Suche nach seiner „Damsel in Distress“ gestolpert sind, sondern eben auch ängstliche, (vermeintlich) schwache, suchende, verletzliche Männer zum Vorschein kamen, die in der Realität schon immer da waren. Wenn jetzt die plakative Übersexualisierung beiderlei Geschlechts noch aufhören würde, kämen wir vielleicht endlich zur Normalität. Wär doch mal ganz nett. Schöne Woche noch…

Der verwirrte Spielleiter #05 – tot geplant…?

Wie man es auch dreht und wendet: als SL kommt man einfach nicht drum herum, ab und an mal was vorzubereiten. Sei es die Karte einer Location, welche die Charaktere erkunden sollen, Handouts mit Informationen, die nach einem Zusammentreffen mit einem Antagonisten verfügbar werden oder einfach nur ein paar NSCs, welche der Gruppe lustigen Scheiß angedeihen lassen. Da man sich sowas aber schlechterdings einfach so merken kann, hat man ein Notizbuch. Oder auch mehrere. Oder irgendeinen Cloud-Speicher voll mit Textfiles, Bildern, usw. Oder was auch immer. Jeder entwickelt im Lauf der Zeit seinen individuellen Workflow, wenn es um so was geht.

Und jeder entwickelt sein individuelles Level an Planung. Ich selbst habe in meiner SL-Frühzeit mit Hingabe Dungeons geplant, Landkarten gemalt, Encounter minutiös vorbereitet… um immer wieder fassungs- und auch hilflos zusehen zu müssen, wie die bösen Spieler meine sorgsam geplanten Szenarios in Null Komma Nix verwüsten, zertrampeln, einstampfen, sprengen, verbrennen, fluten, oder sonstwie vernichten. Die ganze Arbeit für die Katz. Kotzen hätte ich jedes Mal können.

Bis ich erkannt habe, dass nicht die Spieler das Problem waren, sondern ich! Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, ihnen meine Sichtweise der Geschichte, meinen Weg, meine Lösungen, meine Willkür servieren zu wollen? Es ist doch ihre Geschichte! Okay, ich habe die Grundlagen entwickelt, aber wenn wir diese zusammen weiter entwickeln wollen, warum sollten dann alle nach meiner Pfeife tanzen sollen. Das nennt man in Gamerkreisen „Railroading“ und es macht den meisten nicht sonderlich viel Spaß.

Das eigentliche Problem dabei ist, dass es unter Umständen Flaschenhälse oder gar Sackgassen erzeugt, die das Spiel vollkommen vernichten können. Beispiele dafür fänden sich in den ersten Tomb-Raider-Teilen, wo man bei manchen Rätseln absurde Kombinationen ausknobeln musste, um überhaupt weiterkommen zu können. Sowas ist frustrierend und reißt die Spieler eventuell auch aus ihrer Immersion. Das ist nicht klug. Insbesondere, wenn man manches auch einfach passieren lassen kann. Oder gleich eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten offen lässt.

Nehmen wir mal an, ich würde mal wieder Lust bekommen, ein Dungeon zu planen und so vorgehen, wie ich früher und viele andere SL heute noch; nämlich linear. Irgendwann kommt die Gruppe an eine verschlossene Tür. Der Dieb tritt vor und versucht das Schloss zu knacken, versemmelt aber seinen Wurf. Der vergiftete Dorn, der zur Sicherheit in das Schloss eingebaut worden war, vergiftet ihn so heftig, dass er eine ganze Weile außer Gefecht sein wird. Und kein anderer in der Gruppe hat die Fertigkeit „Schlösser öffnen“… Man könnte nun entgegnen, dass doch einfach noch ein paar Charaktere die Fertigkeit hätten lernen können. Stimmt grundsätzlich. Manche Systeme regulieren jedoch den Zugang zu bestimmten Fertigkeiten abhängig von der Klasse des Charakters. Wenn’s nicht gerade eine Gruppe mit lauter Dieben ist, wird es dann schwierig. Und wie glaubwürdig ist ein Paladin, der Schlösser öffnen kann…?

Solche Probleme kann ich durch ein flexibleres Design lösen. Zum Beispiel, indem es mehrere Wege zum Ziel gibt. Indem ich bei den wenigen obligaten Hindernissen keine strikt monokausalen Lösungswege (du musst dies…, nur dann wird das…) verlange. Indem ich ausufernde Dungeons einfach weg lasse. Indem ich die Umgebung so gestalte, dass die Kreativität bei der Problemlösung gefordert wird. Folglich plane ich nur wenig tatsächlich vor. Ich notiere mir stattdessen Nexuspunkte, an denen sich Personen und Ihre Agenden mit Ereignissen und ihren jeweiligen Auswirkungen verknüpfen und so jeweils einen Vortex an Möglichkeiten erzeugen. Ich gehe jetzt mal soweit es „meine Nexus-Vortex-Methode“ zu nennen; und ich möchte davor warnen, zu denken, dass ich mir dadurch Arbeit sparen würde. In meinem Notizbuch habe ich eine ganze Auswahl an NSCs mit Zielen und Aufgaben und in meinem Webglossar einen wachsenden Schatz an Orten und (geplant, aber noch nicht ausgeführt) natürlich Beschreibungen bereits abgelaufener Ereignisse. Dies immer wieder zu ordnen, während die Charaktere durch meine Sitzungen marschieren ist meine Aufgabe.

Wenn also zum Beispiel in einer meiner Sitzungen ein Hacking-Device ein unheilvolles Eigenleben entwickelt, haben meine Charaktere eine ganze Menge Möglichkeiten, dem entgegen zu treten. Sie haben es zuerst abgelenkt, den Datenstrom zu seinem Ziel verfolgt und dann mit einer EMP-Granate außer Gefecht gesetzt. Der Umstand, dass es sich dabei um einen Cyberschädel mit einem künstlich gezüchteten, sich unerwartet selbst regenerierenden biologischen Gehirn darin gehandelt hat, ließ das Ganze zudem ein bisschen gruselig wirken. Möglich gewesen wäre, es auf verschieden Arten direkt anzugreifen, es direkt zu hacken, es gewähren zu lassen, oder es gar bei Auffinden sofort zu vernichten. Stattdessen wollten sie es untersuchen und dann nahmen die Dinge ihren Lauf. Aber zu keiner Zeit habe ich die Charaktere zu etwas genötigt. Alle Entscheidungen wurden selbst und zum Teil unabhängig voneinander getroffen. Dennoch entstand alsbald Teamwork. Wenn eine Gruppe so funktioniert, kommt bei mir Laune auf.

Was ich damit sagen will ist dies: lernt, eure Geschichten fliegen zu lassen, nötigt die Spieler lediglich dazu, Stellung zu beziehen und etwas zu tun, oder zu lassen. Doch gebt ihnen bitte nicht vor, wie sie auf etwas zu reagieren haben. Das tötet nur die Lust am Spiel, weil es oft als Unfairness empfunden wird – zumindest von mir! Aber nur mit Spaß heißt es: aways game on!

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #04 – Fairness? Was ist das?

„Warum hat sich das regeneriert? So was habe ich ja noch nie gesehen. Das kann doch gar nicht sein…“ Ich habe da neulich eine, für meine Story aus meiner Sicht wichtige Wendung eingebaut, welche den Charakteren eine Chance geben sollte, einem neuen Antagonisten in meiner Space-Opera-Cyberpunk-Kampagne auf die Spur zu kommen. Das wurde primär nicht gut aufgenommen, weil es unerwartet kam. Doch ich bin der Meinung, dass das Unerwartete, das Unberechenbare, das Unbestimmte ja gerade der Stoff ist, aus dem Geschichten gesponnen werden sollten. Daher möchte ich zunächst auf den Unterschied zwischen Standardhandlungen und dem Unbekannten eingehen.

Ich habe gerade die Tage gesagt, das Standardhandlungen der Charaktere auch erwartbare Resultate liefern sollten. Wenn also der Charakter mit seinem üblichen Plasmablaster auf einen gewöhnlichen Gegner schießt, dann erwartet er vielleicht, weil das die letzten acht Male auch so war, dass der beim dritten Treffer umfällt. Braucht er plötzlich sieben Treffer, oder mein NSC für seinen Charakter nur einen einzigen- weil ich als SL gerade heute Lust drauf habe, ein paar Charaktere wegzuputzen – ist das Spiel dysfunktional geworden. Denn, da es sich beim Rollenspiel um eine Geschichte handelt, die wir – also SL und Spieler – gemeinsam erzählen wollen, müssen wir uns auch alle halbwegs an die Regeln halten.

Diese Aussage bezieht sich auf die mechanischen Konventionen, die zur Auflösung von Konflikten oder zur Lösung schwieriger Aufgaben verwendet werden. Also auf die Frage, wann welche Würfel welche Ergebnisse zeigen müssen, damit alle Lächeln können. Das ist natürlich von Regelwerk zu Regelwerk unterschiedlich gelöst, aber das grundlegende Prinzip bleibt dabei das gleiche: Hierbei sollten alle (fast) immer skrupulös handeln, denn sonst zerstört man das Vertrauen der Spieler in die Fairness des Spiels. Fairness ist jedoch ein wichtiger Faktor. Wie bereits neulich gesagt, wollen wir als SL unsere Spieler mit ihren Charakteren siegen sehen. Natürlich wollen die Spieler ihre Charaktere ebenso siegen sehen! Aber der Kampf bzw. die Schwierigkeit der Aufgabe muss fair gestaltet sein; sie wollen sich ihre Erfahrung hart verdienen und nicht einfach nur hinterher geworfen bekommen.

Damit stehe ich als SL vor einem großen Problem: dem nämlichen schmalen Grat aus DVSL#03, auf dem zu wandern ich immerzu gezwungen bin. Nehmen wir an, ich als SL verwickle die Charaktere in einen Boss-Kampf. Mit den Henchmen des Ober-Gegners läuft es so, wie sonst auch. Doch der Boss zaubert plötzlich – ohne, dass die Charaktere eine Chance gehabt hätten, sich darauf vorzubereiten – absurde Fähigkeiten aus dem Hut, die in keinem Regelwerk stehen und die ganze Gruppe im Nu beinahe killen. Wenn es dafür keine gute Erklärung gibt, ist das Spiel gestorben. Gebe ich jedoch jedem Charakter vor dem Zusammentreffen mit dem Big Boss eine nirgendwo dokumentierte BGF9000, wird das zu einer ebenso nutzlosen Erfahrung, weil es zweimal ordentlich rummst und dann war’s das. Beide Extreme illustrieren, warum man sich an den, durch das gewählte Regelwerk beschriebenen Rahmen halten sollte.

Big Boss, die Dritte: Alle haben Ausrüstung und Fähigkeiten im Rahmen dessen, was die Regeln hergeben, dennoch ist der Endgegner schwer zu überwinden, weil er einfach sehr gut in dem ist, was er so tut. Der Kampf dauert an, da verlässt die Fortune die Würfel eines Spielers im denkbar ungünstigsten Moment… Ich als Spielleiter muss sehr schnell durchdenken, wie ich die Sache ausgehen lasse. Und ich habe durchaus Möglichkeiten, das Ergebnis einer unglücklichen Aktion so zu moderieren, dass es seine eigentliche Schärfe verliert. Ob ich das durch Humor/Slapstick oder aber großes Drama tue, ist vollkommen egal. Wichtig ist auch hier, dass ich fair bleibe und mein Eingriff so subtiler Natur, dass die Spieler ihn akzeptieren.

Manche Dogmatiker werden jetzt sagen, dass der Spielleiter nicht bescheißen darf, auch wenn er damit vielleicht einen, oder sogar mehrere Charakter aus dem Spiel nimmt. Ich sage, dass ist kein Bescheißen, sondern kreative Realitätsmodifikation. Ich töte einen Charakter nämlich zum Beispiel nur sehr ungern auf Grund von dämlichem Würfelpech. Zum einen, weil ich ein Fan der Charaktere bin, zum anderen, weil ich genauso wissen will, wie die Geschichte ausgeht, wie meine Spieler auch. Denn als kollaborativer Geschichtenerzähler lasse ich mich selbst gerne davon überraschen, wohin der Zug fährt. Neulich zum Beispiel haben die Charaktere ein Vehikel, dass Ihnen später noch hätte dienlich sein können vom Himmel geholt, weil sie eine Antagonistin ums Verrecken nicht entkommen lassen wollten. Dann ist das halt so.

Worauf ich hinaus will, ist folgendes: wenn ich mir, womöglich über einen längeren Zeitraum die Mühe gemacht habe, die Charaktere aufzubauen, um (hoffentlich) ein paar bestimmten Storyhooks nachzugehen und in ein bestimmtes Geschehen hinein zu stolpern, wäre es höchst widersinnig, einen, oder auch mehrere dieser Charaktere dem Zufall zu überantworten. Das bedeutet nicht, dass es nicht doch mal zu Todesfällen kommen kann, insbesondere, wenn es der Dramatik der Geschichte dienlich ist und der Held mit einem gebührenden Knall abgehen kann. Aber wenn das passiert, muss es eine Chance für den Spieler geben, irgendwie wieder in das Spiel zu kommen. Denn auch er hat ein Anrecht darauf zu erfahren, wie diese Geschichte, an der er ja beteiligt ist, weitergeht. Kille ich mal eben so seinen Charakter, nehme ich ihm dieses Recht!

Was nun das anfangs erwähnte Unbekannte anbelangt: damit verhält es sich ähnlich. Und nutze ich etwas neu eingeführtes gegen die Charaktere, geben ich ihnen im Nachgang selbstverständlich die Chance, sich diesen neuen Aspekt des Spiel selbst zu nutze zu machen, um sich gegen zukünftige Bedrohungen wappnen zu können. Auch hier gilt, dass mein Eingriff subtil erfolgen und glaubwürdig auf dem aufbauen sollte, was es schon gibt. Wenn in meiner Space-Opera-Cyberpunk-Kampagne plötzlich irgendjemand ultraheiße Feuerbälle um sich würfe, wären meine Spieler vollkommen zu recht angepisst, weil Magie nirgendwo in meinen Handouts erwähnt wird. Sich selbst regenerierendes Gewebe gab’s aber schon. Ich habe da nur Bestehendes extrapoliert und neu abgemischt; et voilá, ich habe sie damit vollkommen überrumpelt.

Mit dem cheatenden SL ist es wie mit allem. Die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist. Setze ich das sparsam und bewusst als Werkzeug ein, um die Geschichte voran zu treiben, oder mal einen Charakter am Leben zu lassen, wird es von den Spielern nach meiner Erfahrung als fair empfunden. Und da unser oberstes Ziel Spaß ist, kann es damit so falsch nicht sein. In diesem kontroversen Sinne: always game on.

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #03 – reden kann doch jeder…

…oder so? Die Krux an diesem Satz ist, dass sehr viele Menschen einfach mal Dinge tun, mit denen sie nicht so klar kommen. Kinderkriegen zum Beispiel, oder Autofahren. Kommunikation gehört auch dazu. Nicht umsonst widmen sich mehrere Disziplinen fachwissenschaftlich diesem Sujet; doch ich werde jetzt NICHT anfangen, über einschlägige Theorien zu referieren. Erstens, weil das den einen oder anderen überfordern könnte (nicht kognitiv, wohl aber an der Aufmerksamkeitsspanne). Und zweitens, weil das hier Spielleiter-Tipps sein sollen – also Ratschläge, die auch etwas mit dem echten Leben am Spieltisch zu tun haben. Denn erinnert euch bitte: wir kommen dort zusammen, um Spaß zu haben!

Es gibt eine goldene Regel, die aller Kommunikation am Spieltisch zu Grunde liegt:

Der Spielleiter muss ein FAN der Spieler und ihrer Charaktere sein!

Eigentlich ist damit schon fast alles gesagt. Sehen wir uns diese Aussage trotzdem etwas näher an. Warum Fan? Weil mit Fandom einhergeht, dass ich einerseits dem Subjekt meines Fan-Seins Aufmerksamkeit entgegen bringe. Also genau höre, was gesagt wird. [WICHTIG: Verwechselt das an dieser Stelle bitte nicht damit, dass ich als SL deswegen auch automatisch weiß, was der Spieler mit seinen Äußerungen für seinen Charakter gemeint haben könnte…] Und sehe, was nicht gesagt wird. Denn – auch wenn es ein Allgemeinplatz ist – bei weitem nicht alles, was wir kommunizieren findet rein über die Sprache statt. Womit auch klar wäre, dass das in der Überschrift genannte Reden allein nicht ausreicht.

Andererseits bedeutet Fandom aber auch, dass ich die Spieler siegen sehen will. So wie eine individuell favorisierte Sportmannschaft. Sie sollen den Shit rocken dürfen! Was wiederum nicht bedeutet, dass ihnen das einfach fallen soll/muss. Meine Spieler (insbesondere etwas erfahrenere Spieler) haben ein feines Näschen für Balance. Sind die Siege zu leicht, oder zu schwer, bzw. bleiben ganz aus, werden sie alsbald mürrisch sein. Zu recht. Der schmale Grat, sie ausreichend Erfahrung und Macht sammeln zu lassen, kommende Hindernisse und Antagonisten zu überwinden, während ich sie weder am ausgestreckten Arme hungern lasse, noch mit Goodies überhäufe, ist immer wieder eine Herausforderung. Aber dazu bei Gelegenheit mehr

Ich sollte meine Spieler, ihre Wünsche und Ideen, ihre jeweils eigenen Pläne für ihre Charaktere (in denen wahrscheinlich eine Menge Arbeit und Herzblut steckt) stets respektieren und das in meinem Handeln ausdrücken. Insbesondere in meinen Worten, Gesten und meinem Mienenspiel. Zweifelsohne klappt das nicht immer und in einer etwas mehr casual ausgelegten Runde bin ich wahrscheinlich nicht immer zu 100% da. Das soll keine Missachtung meiner Spieler oder meiner Spielleiter sein, sondern das Eingeständnis, dass es schlicht unmöglich ist, mehrere Stunden am Stück intensiv aufmerksam zu bleiben. Wenn ich ein wenig „drifte“ versuche ich aber, das Spiel der anderen nicht zu stören.

„Spotlight“ ist hier der entscheidende Faktor. Während einer Spielsitzung sind nicht immerzu alle Charaktere in alles involviert. In dem Moment, in dem der Lichtkegel aber auf mich fällt, werde ich als Spieler zur Rampensau. Als SL nehme ich eine eher passive Rolle ein. Ich beschreibe die Dinge. Ich warte auf die Aktionen meiner Spieler, treffe Entscheidungen darüber, welche Auswirkungen diese wohl haben werden (oder lasse die Würfel dies entscheiden, denn wer bin ich schon, alles wissen zu wollen 😉 ) und beschreibe dieser Auswirkungen, damit meine Spieler darauf neu reagieren können. Ich habe aber als SL KEIN Spotlight. Im Gegenteil, ich selbst versuche bewusst, dies zu vermeiden, denn es ist nicht meine Show, sondern vielmehr die meiner Spieler (bzw. ihrer Charaktere).

Nun ist es so, dass es auch am Spieltisch emotional hoch hergehen kann Und nicht immer trennen wir die Gefühlswelt von Charakter und Spieler oder Spielleiter dabei sauber. Das ist menschlich, denn letzten Endes ist jeder Charakter im Rollenspiel eine ausdifferenzierte, überspitzte, vielleicht sogar parodierte Facette unseres Selbst. Wir spielen ja mit Rollen – also auch mit den Rollen, die das Leben in uns angelegt hat. Daher lautet die zweite goldene Regel am Tisch:

Seid friedlich zueinander! Stress hat am Spieltisch eigentlich nichts verloren!

Und wenn doch mal welcher entsteht, was nicht ausbleiben wird, erinnert euch eurer Kinderstube. Wir sind alle nur Menschen und dies ist ein soziales Spiel. Manchmal muss man Fünfe gerade sein lassen, einmal tief durch die Hose atmen und sich einen Kaffee holen gehen. Dann wird das schon wieder. Wie mit allen Dingen, so ist es auch mit dem kommunikativen Aspekt des Spielleitens: Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen, außer durch mehr Erfahrung!

Es wird immer wieder Situationen geben, in denen eine SL-Entscheidung Diskussionen oder zumindest Unmut auslöst. Daher empfehle ich, sich in solchen Momenten die erste Regel ins Gedächtnis zu rufen. Sei ein Fan deiner Spieler! Ist eine Entscheidung gegen die Spieler in ihrer Härte nicht unbedingt von Belang für die Handlung, stoßt sie um, oder mildert die Folgen ab. Nicht, weil ich als SL eine Pussy bin, sondern weil ich nur jene harten Entscheidungen durchdrücken werde, welche auch für die Geschichte von Belang sind. Wissen meine Spieler (und die merken sich solche Dinge mit einer Präzision, die auch mich immer wieder irritiert), dass sie mir vertrauen können und ich sie nicht ohne guten Grund in die Scheiße reite, werden sie viel eher bereit sein, auch etwas zu akzeptieren, was ihnen (oder besser ihren Charakteren) erstmal gar nicht schmeckt. Womit wir bei der letzten wichtigen Regel wären:

Seid konsistent in eurem SL-Handeln! Gleichartige Aktionen der Charaktere müssen auch erwartbar gleichartige Ergebnisse in der Spielwelt erzeugen.

Hat man sich und seine Spieler an diese Dinge gewöhnt, läuft der Laden meist schon ganz gut. In meinem nächsten Post gehe ich auf SL-Entscheidungen ein – und, warum SL manchmal auch bescheißen dürfen sollten. Bis dahin: always game on!

Auch zum Hören…

WTF-punk…?

Es gab mal Zeiten (an die ich mich sogar noch erinnere) da war Punk ein eigenständiger Begriff und Vertreter dieser Subkultur hatten (zumindest teilweise) eine Agenda. Und wenn es nur darum ging, möglichst wenig Berührungspunkte mit dem politischen und ökonomischen Establishment zu haben – vulgo unseren Eltern und anderen Personen, die in unsere Welt einzugreifen versuchten. Natürlich hatte das was mit den Ablösungs-Bemühungen zu tun, die jeder Jugendliche und Adolesezente durchlaufen muss. Rebellion gegen die Altvorderen ist unser westlicher Rite de Passage.

Ergo hat das Wort in meinem mittlerweile bald 45-jährigen Hinterkopf eine andere Bedeutung, als dies bei jüngeren Menschen der Fall ist, bzw. sein kann. Ich habe Punk als etwas Bedeutsames erlebt und auch wenn der Enthusiasmus der Jugend in den meisten Protagonisten meiner Geschichte gewichen sein mag, bleibt zumindest die Erinnerung an etwas, das größer war, als man selbst. Und das Gefühl, sich nicht vollkommen einem System ergeben zu haben, dass uns alle auf die eine oder andere Weise verschlingen möchte.

Heutzutage jedoch wird Punk nur noch als Suffix benutzt. Ein Wortanhängsel, dass diesem oder jenem Dings die Bedeutung „rebellisch“ oder „non-mainstream“ verleihen soll. Es dient – zumindest in den Köpfen jener, die gerne Etiketten verteilen, also zum Beispiel Kunst-/Film-/Literaturkritikern – nur noch dem Zweck, irgendwas ideologisch hoch zu adeln; einen Bedeutungsüberschuss zu erzeugen, der gar nicht da ist. Ich schrieb vor etwa einem Jahr, dass in meinen Augen Cyberpunk nicht tot ist. (Ich warne allerdings davor, es ist einer meiner wenigen Posts in Englisch). Nun haben wir auch hier einen Kunstbegriff, über dessen tatsächliche Herkunft viel gesprochen wurde, zum Beispiel von Bruce Bethke, dessen erste Kurzgeschichte 1983 diesen Titel trug. Wie er selbst sagt, haben viele dazu beigetragen, das literarische Genre, welches sich dahinter verbirgt zu definieren.

Es war das erste Kunstwort dieser Art, doch in den folgenden Jahren wurde alsbald alles als -punk definiert, was irgendwie nicht in die hergebrachten Taxonomien passte. Das -punk sich dabei eigentlich auf Rebellion gegen eine Gesellschaftsordnung bezog, die so mancher bereits damals (also Anfang der 80er des 20. Jahrhunderts) heraufziehen sah, wird dabei gerne unterschlagen; jene Ordnung die wir heute haben: die unumschränkte, alles durchdringen wollende, alles monetarisieren wollende Macht des Kapitals. Wir leben im Zeitalter des Cyberpunk und merken es nicht mal, halten den Begriff immer noch für Science-Fiction und uns selbst so weit entfernt von den beschriebenen Dystopien, wie es nur geht. How about taking a look around...

Hab ich die Tage von Neon Gods gesprochen? Natürlich hat dieser Begriff einen Überschuss an Bedeutung; Neonreklamen sind zum Sinnbild der Moderne geworden und Götter beten wir heute nicht mehr wirklich in der Kirche an. Mamon ist die neue Religion. Damit markiert Neon Gods einen Übergang von der Moderne zur Post-Moderne, der sich immerzu im Hier und Jetzt vollzieht. Wir haben nicht, wie Francis Fukuyama schon Anfang der 90er des 20. Jahrhunderts postulierte, das Ende der Geschichte erreicht. Wir sind vielmehr mittendrin. Denn wo sonst, als in der Gegenwart soll sich denn bitte das Ende von Geschichte realisieren?

Für die Schöpfer solcher Begriffe wie Cyberpunk haben ihre Kreationen Sinn und Bedeutung. Jene, die nur ein Geschäft wittern, degenerieren solche Begriffe zu Marketinginstrumenten, zu sinnentleerten Hülsen, die einfach nur Illusionen verkaufen sollen. Ich bleibe bei meinem Cyberpunk, wenngleich er sich neu erfinden muss, um wieder Relevanz zu gewinnen. Fragen, die Science -Fiction an unsere Welt stellen müsste, gibt es mehr als genug. In diesem Sinne eine schöne Woche.

Auch zum Hören…

Hello Darkness, my old friend

Spazieren gehen tut dem Körper gut, der Seele sowieso und manchmal auch dem Intellekt. Ich habe heute morgen einmal mehr – zu meinem Bedauern immer noch eine eine meiner schlechteren Angewohnheiten – mehr oder weniger kurz in Facebook geschaut und dort festgestellt, dass mal wieder Polit-Trash-Discussion-Time ist. Diskutiert wurde über den Film „Kleine Germanen“, der natürlich auf beiden Seiten Beißreflexe ausgelöst hat. Auf der einen, weil die links-grün-versiffte Medienlandschaft wieder mal vermeintliche Lügen über die wahren Deutschen Patrioten verbreitet (was objektiv betrachtet leider nicht immer wahr ist); und auf der anderen, weil natürlich jeder, der Worte wie Volk, Patriot, Vaterland und Stolz in einem ganzen Satz (oder Absatz) benutzt, automatisch ein Nazi ist (was ebenso wenig stimmt)…

Im Grunde genommen ist also gar nichts Unerwartetes passiert. Unerwartet waren jedoch die Gedanken, die das in mir ausgelöst hat. Ich war ja nun in den letzten Jahren nie weit entfernt von harscher Kapitalismus- und Gesellschafts-Kritik, aber meine vagabundierenden Gedanken stolperten über einen alten Song, den ich sehr schätze: „Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel. [Ich oute mich hier als Oldschooler – die Version von Disturbed mag ich nicht!] Jedenfalls blieben meine Gedanken an dem Song hängen und ich ging ihn noch mal durch. Nichts an diesem Text ist Füllwerk, denn er erzählt eine Geschichte von Entfremdung, Vereinsamung und Bedeutungsverlust im Angesicht moderner Zeiten, die flüsternd jeden Winkel unseres Daseins vergiften:

I’ve come to talk with you again
Because a vision softly creeping
Left its seeds while I was sleeping
And the vision that was planted in my brain still remains
Within the sound of silence

Kann es sein, dass die ständige Berieselung einen großen Teil von uns endgültig in durchkonformisierte Konsum-Sklaven verwandelt hat? Sind wir nicht mehr fähig, in der Öffentlichkeit differenziert über bestimmte Dinge zu reden, weil die Vereinfachungs-Didaktik der Werbung endgültig auch die politische Meinungsbildung erobert hat? Und falls dem tatsächlich so ist, warum bemerke ich das erst jetzt, wo Simon & Garfunkel doch vor 55 Jahren schon darüber gesungen haben…?

In restless dreams I walked alone
Narrow streets of cobblestone
‚Neath the halo of a streetlamp
I turned my collar to the cold and damp
When my eyes were stabbed by the flash of a neon light
That split the night
And touched the sound of silence

Und warum bemerken so viele andere nicht, dass sie geblendet werden?

And in the naked light I saw
Ten thousand people, maybe more
People talking without speaking
People hearing without listening
People writing songs that voices never shared
No one dared
Disturb the sound of silence

Es wäre arrogant zu vermuten, dass ich der Einzige bin, dem solche Gedanken durch den Kopf gehen. Einerseits, weil offensichtlich Künstler und Intellektuelle schon vor langer Zeit gesehen haben, welchen Weg unsere Gesellschaft nimmt. Man mag über Noam Chomsky denken, was man will, aber sein Buch „Manufacturing Consent“ (zusammen mit Edward S. Herman) ist schon ein Augenöffner. Öffentliche Meinung wird selbstverständlich gezielt zu beeinflussen gesucht. Die Kampagnen rund um Richard Nixons „War on drugs“ illustrieren dies eindrucksvoll. Andererseits, weil sich immer wieder Kampagnen gegen den, von der Politik vorgesehen Weg formieren. Was diese im einzelnen erreichen wollen und welche Methoden sie dafür nutzen, darf diskutiert werden (siehe die „Gelbwesten“ in Frankreich); Fakt ist jedoch, dass durchaus viele Menschen durch die Illusionen sehen und sich eine eigene Meinung bilden können. Eine Meinung ist zunächst etwas individuelles. Erst wenn sich viele Gleichgesinnte finden, wird aus einer Meinung eine Agenda…


„Fools“, said I, „You do not know“
„Silence like a cancer grows
Hear my words that I might teach you
Take my arms that I might reach you“
But my words like silent raindrops fell
And echoed in the wells of silence

Ja, warum ist das so, dass trotz der Möglichkeit dazu viele Menschen es nicht sehen, es nicht fühlen, es nicht verstehen können? Verstehen wollen? Weil auch jene, welche die öffentliche Meinung schon seit so langer Zeit beeinflussen, eine Agenda haben. Und sie haben es gewiss nicht verabsäumt, diese Agenda bei jeder sich bietenden Gelegenheit in unsere Köpfe zu hämmern:

And the people bowed and prayed
To the neon god they made
And the sign flashed out its warning
In the words that it was forming
And the sign said
„The words of the prophets are written on the subway walls
And tenement halls
And whispered in the sounds of silence

„Neon Gods“… ich mag diesen Terminus, denn er sagt in seinem gewaltigen Bedeutungsüberschuss fast alles, was es dazu zu wissen gibt. Ich bin mir sicher, als Neil Gaiman seinen Roman „American Gods“ verfasste, hatte er dieses Lied zumindest dann und wann im Hinterkopf. Doch wo führen mich meine ganzen Überlegungen über einen uralten Song hin? Nun…dahin, zu denken, dass unsere diskursiven Fähigkeiten durch Propaganda vergiftet sind. Der Mythos der Einfachheit (und Alternativlosigkeit) politischen Handelns, der von allen Seiten stets auf’s neue befeuert wird, macht die meisten Menschen zu willfährigen Anhängern dieser oder jener Agenda, die sich – langsam, aber unaufhaltsam – zu Dogmen verfestigt. Und ein Dogma erlaubt keine fruchtbare Diskussion mehr. Wir leben folglich im Zeitalter der Dogmen.

Ich weiß, dass meine Einsichten nur wenige weiter bringen werden, aber viele Wenig machen ein Viel. Vielleicht kommen wir ja doch wieder dazu, uns über die Dinge verständigen zu können, nicht nur despektierlich übereinander her zu ziehen. Uns zusammen zu setzen, um uns auseinandersetzen zu können. Das wäre mein Wunsch. In diesem Sinne – ein schönes Wochenende!

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #02 – Vorbereiten? Ich…?

Wie bereits erwähnt, bedeutet SL zu sein Arbeit. Nicht im klassischen Sinne des Broterwerbs, obwohl ich gehört habe, dass es in den USA wohl Dungeonmasters for hire gibt, die stressgeplagten Städtern mit maßgeschneiderten Sitzungen einen Kick verschaffen und dafür eben bezahlt werden. Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Es klingt für mich zwar nicht nach einem Modell, dass allzu viel Wert auf Charakter-Entwicklung legt, aber jeder soll nach seiner Facon selig werden…

Allerdings steht fest, dass ein solches Bezahl-Modell eine Menge Vorbereitung auf Seiten des SL verlangt, da er für jede Eventualität, jedes Abweichen vom vorgesehenen Handlungspfad, jede Nebenaktion und jeden Wunsch der Spieler vorbereitet sein muss. Denn wer würde schon einen SL bezahlen, der mangelhafte Arbeit abliefert? Als SL muss ich mir also natürlich Gedanken darüber machen, wie ICH die Aufgabe lösen würde, wenn ich einen, oder mehrere der Charaktere spielen würde (was bedeutet, dass ich auch die Charaktere kennen muss). Was aber nicht bedeutet, dass die Spieler unbedingt auf die gleichen Ideen kommen müssen. Das Problem, dass daraus entsteht ist folgendes: was für Szenarien kann ich so stringent durchplanen, dass mein Zeitansatz und der vorgesehene Spielablauf in jedem Fall eingehalten werden und die Spieler hinterher auch noch Spaß gehabt haben können?

Wie in DVS#01 besprochen sollte sich die Gruppe vorher darüber geeinigt haben, welches Thema und welchen Fokus das Spiel haben soll. Miete ich mir einen D&D DM, läuft es auf Kampf- und Plünderungsorientierte One-Shots hinaus. Denn das Eingehen auf Spieler-Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten braucht ebenso Zeit, wie die Entwicklung einer großen Geschichte. Man merkt, wir sind schon mittendrin, daher ein paar Worte zum Planen von Rollenspiel-Sitzungen und Kampagnen an sich: Die wichtigste Frage, die ich neben Thema und Fokus beantworten muss, ist, ob ich nur einzelne, unzusammenhängende Abenteuer erzählen möchte, die ich jeweils in einer, maximal aber zwei Spielsitzungen abhandeln kann; oder ob ich eine längere Erzählung plane, die neben der Hauptgeschichte auch Raum für Nebenkriegsschauplätze lässt? Die den Charakteren Freiraum bei der Erkundung der Welt gibt? Die sie auch Einfluss auf weitreichende Geschehnisse nehmen lässt?

Beschränke ich mich auf One-Shots, oder eine Serie von One-Shots, kann ich die Handlung wesentlich stringenter durchplanen, wobei ich auch in dem Fall vor dem Einbau von Problemen mit nur einer Lösung sehr warnen möchte. Denn – was mir offensichtlich erscheint, muss dies keinesfalls für meine Spieler sein. Ist doch klar, dass der nicht ganz so moosbewachsene Stein in der fünften Reihe von oben den Mechanismus auslöst – oder…? Trotzdem erlauben mir One-Shots mehr Kontrolle, da die Zahl der Optionen durch die geringe Größe der aktuellen Spielumgebung (das Geisterhaus, das kleine Dorf, die alte Burg, die Mafia-Wäscherei, das Schiff) quasi automatisch begrenzt wird. Gute Ausgangslage für ein „Whodunit“, o.Ä.. Überdies ist das Spiel-Ziel eines solchen Einzelabenteuers zumeist leicht zu erkennen.

Dafür brauche ich an vorzubereitenden Materialien nicht wirklich viel: ein paar Nichtspielercharaktere (NSCs), vielleicht ein, zwei Pläne für Gebäude/Verließe, ein paar Gegner, sofern ich es zu Kämpfen kommen lassen möchte und einen Zeitansatz, wie lange man ungefähr daran spielen könnte. Arbeit für einen regnerischen Nachmittag, sofern man seine Regeln schon ein bisschen kennt.

[KURZER EXKURS]: Regeln, also die mechanischen Notwendigkeiten eines jeden Spielsystems sollte man tatsächlich kennen, bevor man selbiges zum Einsatz bringt. Nicht notwendigerweise jede, noch so gut versteckte, Zusatzregel in irgendwelchen obskuren Quellenbüchern; aber man sollte schon halbwegs wissen, was man tut. Denn dauerndes Herumgeblätter in nämlichen obskuren Büchern bremst das Spiel und somit die Immersion der Spieler u. U. erheblich aus. [EXKURS ENDE]

Lege ich jedoch, nachdem ich mich mit den Spielern hinsichtlich Thema, Fokus, Regelwerk geeinigt habe, ein Kampagne an, ist viel mehr Vorarbeit notwendig. Ich brauche einen ganzen Sack voller NSCs unterschiedlichster Professionen, die ich wahlweise als Sidekicks, Aktionspunkte, Questgeber oder Antagonisten nutzen kann. Und jeder von denen hat seine eigene Agenda, seinen eigenen Shit am laufen, was durchaus Probleme erzeugen kann, wenn die Charaktere – mal wieder mit dem Kopf durch die Wand – aus Versehen jemandem in die Suppe spucken, der ihnen eigentlich wohlgesonnen war… Außerdem brauche ich wesentlich weitreichendere Areale mit Beschreibungen hinsichtlich Aufbau, Funktion, Infrastruktur, dort lebenden Fraktionen, wie etwa Gangs, etc, etc, etc.! Das kann, wie bei meiner aktuellen Kampagne, mehrere Tage meiner Freizeit in Anspruch nehmen.

Ich fahre dabei mittlerweile zweigleisig. Zum einen habe ich mein Notizbuch, in dem sich, eng beschrieben, Seite um Seite meine Gedankenstützen reihen. Andererseits pflege ich mittlerweile online – und auch für die Spieler zugänglich – eine Mischung aus Glossar und Tagebuch mit allem relevanten Infos, welche die Charaktere bereits haben. Natürlich notieren sich meine Spieler auch viel von dem mit, was ich während der Sitzungen beschreibe. Und trotzdem gehen gelegentlich Details verloren. Mir ist zwar deswegen noch nie eine Sitzung entgleist, aber manchmal hat nicht viel gefehlt. So gilt auch hinsichtlich der Nachbereitung von Spielsitzungen: wer schreibt, der bleibt!

Und was bleibt sonst noch? Ach ja: Ambiente… Dazu werde ich demnächst irgendwann ein paar Wort verlieren. Vorab nur so viel: das hängt sehr von den Spielern und dem SL ab, ob man sich die Mühe des Versuches machen möchte, am Spieltisch Ambiente erzeugen zu wollen. Über kommunikative Fertigkeiten als notwendige Vorbedingung des Rollenspiels sprechen wir das nächste mal. Bis dahin: always game on!

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #1 – quo vadis?

Die meisten Leute fangen, wenn sie etwas zum Rollenspiel oder zum Spielleiten schreiben wollen, mit weitschweifigen Erklärungsversuchen an, wie das mit dem Darstellen der Figuren und dem ganzen mechanischen Schrott (vulgo Regeln) so funktioniert; und lassen dabei das Wichtigste von allem außer acht: Rollenspiel ist zuvorderst ein soziales Event. Menschen kommen zusammen, um miteinander etwas zu tun. Das unterscheidet sich kaum von anderen Dingen, die man miteinander unternehmen kann, wie Zoobesuche, Wanderungen, Bungeespringen, Volleyball und Essen gehen – oh ja, besonders Essen gehen.

Die Ähnlichkeit ist frappierend, denn man sitzt beisammen, rings um einen Tisch, in freudiger Erwartung genussvollen Konsums – na ja, also zumindest die meisten. Eine Person am Tisch hat eine andere Rolle: unser verwirrter Spielleiter. Ihm fällt die ehren- und zugleich schmerzvolle Aufgabe zu, sich ’ne Geschichte aus den Rippen schneiden zu müssen. Doch bevor das überhaupt passieren kann, müssen einige Fragen geklärt sein, die nachhaltigen Einfluss auf Wohl und Wehe der kommenden Ereignisse haben werden.

Die Gruppenzusammensetzung: Oft ist es so, dass man die anderen Personen am Tisch schon eine Weile kennt, aber dann und wann kommen auch mal neue Player ins Feld und dann tut man als SL gut daran, zu klären, wie diese Person tickt; und ob sie überhaupt reinpasst. Üblicherweise gibt es nämlich in jeder Runde, die sich schon länger trifft ein paar (zumeist ungeschriebene) Regeln, die alle beachten. Z.B., wie Verköstigungen beschafft werden, ob am Spieltisch auch Alkohol getrunken werden darf, ob Unpünktlichkeit toleriert wird, wie neue Termine ausgehandelt werden (falls man sich nicht, wie früher jeden Freitag um 17:00 und jeden Samstag um 14:00 trifft…), ob Charakterbögen beim Spielleiter gelagert werden, ob man sich überhaupt immer am gleichen Ort trifft, etc., etc. Eben alles, was nicht mit dem Spiel selbst, sondern mit dem Sozialleben der Spieler am Tisch zu tun hat. Und hier gilt es eben zu klären, ob der, oder die Neue „reinpasst“? Oder ob es sich der Meister sogar verbittet, das Spieler potentielle neue Mitspieler anschleifen. Manche sind da sehr reserviert…

[KURZER EXKURS] Das Wort „Gruppenvertrag“ kotzt mich an. Denn es impliziert, dass solche Regeln in Stein gemeißelt sind und NICHT, genauso wie die Persönlichkeit der Teilnehmer im Zeitlauf Veränderungen unterliegen können. Die Dogmatik, mit der mancher Apologet der Rollenspieltheorie zu Werke geht, stößt mich ab, weshalb ich mir die Terminologie nicht zu eigen machen werde. [EXKURS ENDE]

Gemeinsame Prämissen: Miteinander zu spielen, gleich welche Position man nun innehat bedeutet, neben den sozialen Regeln auch, sich über Thema und Fokus des Spiels verständigen zu müssen. Einfaches Beispiel: ich habe jetzt Lust auf Vampire, ein bekanntes, sehr gut ausgearbeitetes und weit verbreitetes Regelwerk zum Thema gefällt mir aber nicht, weswegen ich etwas eigenes konstruiere; am ersten Spielabend laufen meine Spieler, die nur das Wort Vampire verstanden haben, allesamt mit fertigen Charakteren nämlichen Regelwerks an und machen alle lange Gesichter, als ich Ihnen sage, dass sie diesen Dreck in die Tonne treten können…

Das Thema einer Rollenspielrunde könnte auch mit dem Wort „Genre“ beschrieben werden: Steampunk, Dieselpunk, High Fantasy, Horror, Space Opera, Dark Fantasy, Cyberpunk, Hard Science-Fiction, etc. Da nicht jeder immer auf das gleiche Lust hat, sollte man sich beim Neustart etwas Zeit nehmen, diesen Punkt zu klären. Mit dem Genre wird dann auch oft über das Regelwerk abgestimmt. Jeder SL, aber auch jeder Spieler hat da so seine Präferenzen. Ich will an dieser Stelle nicht zu weit ausholen, daher vorab nur soviel: es wird gerne behauptet, dass sich manche Themen oder Genres nur mit bestimmten Regelwerken gut spielen lassen. Ich halte das für Käse, denn ein Regelwerk ist, was der SL und seine Spieler draus machen. Es ist aber oft so, dass Setting und Regelwerk miteinander verwoben sind. Dann hat man wenig Chancen, das ohne großen Aufwand zu ändern. So oder so muss man zu einem Kompromiss kommen, den alle tragen wollen.

Der Fokus hingegen bestimmt, in welche Richtung innerhalb eines Genres wir gehen wollen. Nehmen wir der Einfachheit halber mal High Fantasy: wollen die Spieler, dass sich ihre Charaktere im Verlauf des Spiels zu epischen Helden entwickeln? Oder genügt es ihnen, als vagabundierende Abenteurer ein Verließ nach dem anderen zu plündern? Stürzen sie sich gerne in Diplomatie und Intrigen? Oder stehen sie doch lieber selbst auf dem Schlachtfeld? Oder beides? Unterschiedliche Möglichkeiten hat man innerhalb jedes Themas. Auch diese Frage kann man vorher klären. Wobei man bitte nicht zuviel erwarten darf: wenn ich sowas frage, heißt es meist nur: „…ach, mach doch einfach mal, wir sehen dann schon ob’s passt…“. Dieser genügsame Ansatz macht es für mich einfacher, denn tatsächlich hat es bislang meistens gepasst. Aber, wenn man vorher darüber angestimmt hat, gibt es hinterher keine Legitimation für Genöhle…

OK! Wir wissen nun also, wer mit wem was spielen möchte und wohin die Reise gehen soll! Super! Dann klären wir in der nächsten Episode doch mal, was der Spielleiter alles vorbereiten sollte, BEVOR die Gruppe sich am Tisch versammelt. Always game on!

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Randnotizen eines Erschöpften #08 – Welcome back, darkness…

Joa… was soll ich sagen? Scheiße gelaufen, da in Bremen mit der sogenannten Asylmafia, die zum Beispiel hier, hier, hier und hier beschrien wurde (hart rechte Webseiten ohne Impressum lasse ich bewusst aus, die finden sich bei einer Googelei aber immer ganz weit oben, weil dumme Menschen auf Schlagzeilen reinfallen). Also doch keine bundesweite, links-grün-versiffte Verschwörung gegen DAS VOLK, sondern einfach nur eine verliebte Behördenleiterin, die Goodies verteilt hat, um sich den Mann ihres Begehrens gewogen zu machen. Wer von Beiden dabei mehr kriminelle Energie hat zu Tage treten lassen, werden die Gerichte klären, aber eines steht fest: der Rechtsstaat funktioniert und die Mauscheleien halten sich in sehr engen Grenzen. Das dürfte unseren ganzen Nazis aber gar nicht schmecken, dass mal wieder eines ihrer Argumentations-Kartenhäuser mit extrem leisem Krachen in sich zusammenfällt…

Was gibt’s noch Neues? Ach ja – Neuseeland! An dieser Stelle möchte ich den Familien der Hinterbliebenen, aber auch den Kollegen, die bei diesem hinterhältigen Akt rechten Terrors zur Hilfe eilen mussten mein herzliches Mitgefühl aussprechen. Zur Sache selbst will ich mich nicht äußern, daran arbeiten sich schon viel zu viele andere ab. Was jedoch das nun verkündete Verbot für halbautomatische Waffen angeht – BRAVO! Wie immer kommen natürlich die Waffen-Fetischisten aus allen Ecken gekrochen und jammern rum. Auch dazu sage ich nichts, die Kommentar-Spalten in den Online-Zeitungen sagen alles, was man dazu wissen muss. Wieder nur Idioten unterwegs, wie ein lieber Kollege von mir sagen würde.

Brexit-Schmexit, untergehendes Venezuela, der rechte Hauptmann Jair Bolsonaro in Brasilien Präsident, wenigstens Orbáns Fidesz aus der EVP im Europa-Parlament ausgeschlossen; und dann auch noch Scheiß-Fußball. Diese Nachrichten des Tages sagen das gleiche, wie die letzten 100 Tage seit Krampf-Karrenbauer und die 100 Tage davor – wir lernen nichts aus dem Erlebten und machen immer so weiter, als wenn das Morgen ganz automatisch besser wird, auch wenn wir alles immer nur noch schlimmer machen. Und dann auch noch die ganzen Menschen, welche die Fridays for Future in den Schmutz ziehen müssen, weil ihnen ein 16-jähriges Mädchen Angst macht, dass viel mehr Leute mobilisieren kann, als sie selbst. Es geht immer nur um Macht und Geld. Nicht mehr um unsere Zukunft und die Fragen, die sie stellt; alle drehen sich nur noch um sich selbst.

Eigentlich ist es kein Wunder, dass meine Depression zurück ist. Mal schauen, wie’s läuft… schönen Tag noch.

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Der verwirrte Spielleiter #0 – wie wird man Spielleiter?

Um’s kurz und schmerzlos auf den Punkt zu bringen: durch Zufall. So wie man zumeist auch durch Zufall zu einem Hobby wie Pen&Paper-Rollenspiel kommt; oder besser durch Freunde oder Bekannte, die einem zeigen, was das ist und wie das geht. Viele probieren es aus, ein großer Teil sagt nach dem ersten Reinschnuppern „Danke, aber nein!“ und ein gewisser Prozentsatz bleibt halt dabei. Manche ein paar Jahre. Andere, so wie ich, ein paar Jahrzehnte…

Rollenspieler wird man, weil man Fantasie und Spaß an gemeinsamem Eskapismus hat. Vielleicht auch, weil Nerds und Nerds sich einfach besser verstehen; keine Ahnung, macht aber auch keinen Unterschied. Spielleiter wird man entweder, weil die meisten anderen Nerds keinen Bock auf die Arbeit haben, die sowas mit sich bringt. Dazu komme ich aber demnächst in einem eigenen Post. Oder, man hat einfach Freude daran, den anderen sauschwere Aufgaben zu stellen, um ihnen dann huldvoll beim Scheitern (oder wenigstens beinahe Scheitern) zusehen zu können. Wenn man das dann noch mit etwas Chuzpe und etwas mehr Humor verkaufen kann, hat man die wichtigsten Eigenschaften, die einen zum Spielleiter machen auch schon zusammen.

Achtung – ich höre irgendwo jemanden rufen „Aber als erstes musst du doch das Spiel kennen lernen, die Regeln, die Welt, die Konflikte, die Waffen, etc.!“ Bullshit. Meine dritte Spielsitzung insgesamt absolvierte ich als Spielleiter und ich hatte von dem Regelwerk wahrhaft episch wenig Ahnung. Aber fette Ideen, ein wüstes Dungeon und einen knalligen Bosskampf als Finale! Nicht übel für einen Noob dachten sich die anderen wohl, et voilá – a new gamemaster was born! Ja sicher sollte man halbwegs wissen, wie die Mechanik des Spiels funktioniert. Aber bis heute interessieren mich, sofern ich den Spielleiter-Sessel okkupiere, andere Dinge mehr.

Das Wichtigste überhaupt ist, dass man Spaß am Geschichten erzählen hat, dass man gerne selbst Szenarien und Ideen entwickelt und das man keine Angst hat, diese Roh-Szenarien anderen zu übergeben, damit sie meine Ideen zu ihren Geschichten machen können. Neben Erzählkunst, Regelkenntnis und Chuzpe ist nämlich der Mut, sich auf die erzählerische Macht der Spieler zu verlassen die wichtigste Eigenschaft eines SL. Und nur für den Fall, dass das auf den ersten Blick nach Überforderung klingt… ist es anfänglich auch. Aber wie mit allem anderen wird man auch mit dem Spielleiten nur besser, indem man es tut. Dies mag den Anfängern genauso ein Trost sein, wie mir, denn auch ich verkacke immer noch regelmäßig irgendwas. Und das mit fast 30 Jahren Erfahrung. Trotzdem gilt bei mir: always game on!

Auch zum Hören…