Oggi è Ferragosto – Neue italienische Geschichten N°8

Sonntag der 15.08 – Ferragosto. Durchhaus nicht ganz unwichtiger Feiertag in Italien. Hauptferienzeit; auch für die Italiener selbst. Wir hatten vorgesorgt und am Donnerstag für fünf Tage eingekauft, was bedeutet, dass wir uns ein dezentes Bisschen eingeigelt haben. Gestern ein kurzer Ausflug nach Cartaldo Alto, ansonsten Pool, Pool, Pool. Bei derzeit dauerhaft Temperaturen bis 40°C auch das einzig Vernünftige. In den nächsten – leider letzten – Tagen unseres Urlaubs sollen die Werte auf erträglich 31°C zurückgehen. Mein Vermieter fürchtet auf Grund des Regenmangels mittlerweile allerdings um seine Ernte. Verdammte Axt – ich liebe seinen Wein und sein Öl. Wenn man seine Augen und Ohren offen hält, kann man es überall bemerken: Unsere Welt verändert sich, Gewissheiten fallen, eine nach der anderen; und auf Fratzenbuch feiern die „Besitzstandswahrer“ Urständ – vollidiotisches Pack. Was soll’s. Aufregen schadet nur meinem Blutdruck…

Gestern Abend durfte ich zum ersten Mal diesen August eine (höchst beeindruckende) Perseide beobachten; oder besser gesagt das Lichtspektakel, welches die Himmelsstaub-Brösel beim Atmosphären-Eintritt veranstalten. Der Volksmund sagt ja, dass man sich was wünschen darf, wenn man eine Sternschnuppe sieht. Meine beste Ehefrau von allen meinte, sie hätte sich nix gewünscht. Und sie hat viel mehr von den Dingern gesehen als ich. So viele, dass ich schon fast neidisch war. Sie meinte dann noch, dass es ja nix weiter als Physik sei, was man da sähe. So viel zum Thema „Frauen und Romatik“. Wobei man natürlich die Frage erheben darf, was es denn mit Romantik überhaupt auf sich habe? Denn so, wie ich das sehe, verbinden die meisten Leute mit dem Begriff vor allem die Darbietung von Äußerlichkeiten: Candlelight-Dinner, exklusive Geschenke, am besten an exklusiven Orten; Quality-Time-Zweisamkeit sozusagen.

Eigentlich ist die Romantik erstmal eine kulturgeschichliche Periode, die durch eine Abkehr von den zentralen Ideen und Idolen der Antike (welche die Rennaissance erfüllte hatten) hin zu einem stärkeren Selbsbezug des Individuums gekennzeichnet ist. [Vorlesung beendet]. Die allermeisten Menschen verwechseln einfach Sentimentalität und Romantik. Wenn die Geigen jauchzen, die Kerzen schimmern, das Essen vorzüglich mundet und der Brilli funkelt, ist Mann/Frau wesentlich geneigter, sich gewissen Avancen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen. Man kann dann auch noch Tango tanzen (ist, wie eigentlich alle Tänze eigentlich auch nur ein Paarungs-Anbahnungs-Ritual), und die Beere ist geschält. Hat natürlich auch was mit Selbstbezogenheit zu tun. Das ritualisierte Werben um einen Partner für’s Leben wurde allerdings schon in der mittelalterlichen Minne vorbeschrieben.

Das Etikett ist also ein anderes, die Geschenke und Gebräuche mögen sich stark verändert haben; und füreinander in Versen singen ist nicht mehr so in Mode – Gottseidank muss man sagen, wenn ich mir so die Hiphopper und Rapper anschaue. Aber ein teilweise recht stark formalisiertes Tänzchen ist es immer noch, auch wenn manche heute den Code nicht mehr so leicht entziffern können, weil es neuerdings überall von neuen Männern, Feministinnen und genderunsicheren Wesenheiten zu wimmeln scheint. Man verstehe mich nicht falsch – es soll wirklich jeder*inx nach sein*x Facon selig werden. Das macht es allerdings für die Generationen nach mir um einiges komplizierter, ans Ziel der romatischen Bemühungen zu kommen. Das ist ein Teil des Preises, den wir für die weitergehende Individualisierung und Partikularisierung unserer Gesellschaft bezahlen müssen.

Ein alter Kollege von mir hat mal gesagt, Zyniker seien enttäuschte Romatiker. Ich kann diesen Vorwurf nicht ganz von mir weisen, obschon ich meine beste Ehefrau von allen gefunden habe. Was andere Dinge angeht, hat ja aber jeder von uns so einen Friedhof voller unerfüllter Träume im Hinterkopf, der uns dann und wann schwermütig werden lässt. Manche öfter (mich), andere weniger oft. Entscheidend ist dabei vermutlich, verstehen zu lernen, dass das, was wir als Romantik begreifen eben Sentimentalität ist – und Gefühle einem steten Wandel unterzogen sind, so wie die Welt, in der wir alle leben. Alles ist im Fluss. Eine andere Kollegin von mir sagt immer „Am Ende wird alles gut; denn wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!“ (Danke, Maren). Man könnte das als Zynismus abtun. Oder es als das verstehen, was es tatsächlich ist: eine Liebeserklärung an das Leben, gleich wie verkorkst es manchmal auch sein mag. In diesem Sinne, Buona Ferragosto.

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