Neues von Bibo Blogsberg #1 – Verantwortungsdiffusion

Je größer eine Organisation wird, desto komplexer sind die Netzwerke darinnen und desto undurchsichtiger werden die Befindlichkeiten der beteiligten Protagonisten. Das ist ein Allgemeinplatz, den wirklich jede*r versteht, der sich länger als 17 Nanosekunden mit Organisationsentwicklung befasst hat. Was mich einschließt. Wenn man bedenkt, dass ich das weiß, könnte ich manchmal auch einfach meine Fresse halten, mich zurücklehnen und den Dingen ihren Lauf lassen. Oft genug sind es ja nicht mal MEINE Affen in meinem Zirkus, die gerade ausgebrochen sind, um irgendwelchen fancy Unsinn zu veranstalten. Und doch… fühle ich halt eine gewisse Verantwortung, die mit meinen Aufgaben einher geht. Egal…. Geschichte: Vollkommen meta betrachtet tun wir Menschen manchmal Dinge, die wir sein lassen sollten. Manche Dinge sind einfach nur ungesund, wie zuviel neuen Wein zu trinken, um sich dann trotzdem über den Kopp und den Flotten Otto am nächsten Morgen zu ärgern. Oder ein blöder Fehler, wie etwa, mit eleganter Flottigkeit durch die wohlgetarnte Radarfalle zu donnern, an einem „Unfallschwerpunkt“- a.k.a. hier passiert nie was, aber es ist total gut geeignet um die Leute abzuzocken. Oder ein Ottolenghi-Rezept nachkochen zu wollen, ohne vorher Mami Fortuna die Sterne, Knochen und Karten befragen zu lassen UND einen maghrebo-arabo-afrikano-asiatischen Feinschmeckerladen bis auf die Grundfesten leergekauft zu haben.

Oder man weist auf einen Fehler hin – das ist je nach Betrachtungsweise auch falsch, weil die oben erwähnten komplexen Netzwerke mit ihren Befindlichkeitsfallen an den „richtigen“ Stellen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jemanden platzieren, der a) easily offended ist, weil die Unterscheidung zwischen Sachverhalt und Person für unfassbar viele Menschen ein unfassbar großes Problem darstellt, b) eine eher gestrige Fehlerkultur pflegt, in der es üblich ist, den Überbringer der Nachricht zu köpfen, anstatt einfach den Fehler abzustellen und c) Verantwortungsdiffusion betreibt, weil man in einem komplexen Netzwerk immer jemanden findet, dem man die Schuld zuschieben kann. Der Kreativität sind hierbei keinerlei Grenzen gesetzt. Höre ich da gerade aus dem Plenum, diese Geschichte habe bis hierhin keinen Spannungsbogen? Nun ja, es ist eine alltägliche Geschichte, die so zuverlässig immer wieder auftaucht und grüßt, wie das Murmeltier. Was man kennt, das schockt einen – eigentlich – nicht mehr, oder? Der Protagonist meiner Geschichte wurde jedoch stinksauer und ist es immer noch, weil man anscheinend auf Fehler einfach nicht hinweist, oder aber den Hinweis so sehr herunterverdünnen muss, dass dieser genauso wirksam wird, wie Homöopathie – nämlich gar nicht. Damit sich ja niemand auf den Schlips getreten fühlt – HABE ICH SCHON MAL ERWÄHNT, WIE SEHR ICH SCHLIPSE HASSE?

Ich könnte mich, und das ist die gute Nachricht, eigentlich fühlen, wie der König meiner kleinen Welt, denn zwei sehr steile und schroffe Klippen wurden erfolgreich umschifft – und wenngleich ich auf die Note für meine Master-Arbeit nun etwas warten muss, ist dieser Abschnitt zu Ende. Mein Leben wird dennoch nicht langweilig, da genug Projekte und Aufgaben meine Aufmerksamkeit erfordern. Und genau da kann ich solche Querschüsse nicht gebrauchen, weil meine Stabilität sich eben gerade erst wieder einzupendeln begonnen hat. Und ICH überdies nicht der Typ bin, der seine Verantwortung diffundieren lässt. Aber dauerhaft und immer wieder für so vieles in Frage gestellt zu werden, dass eigentlich selbstverständlich sein sollte, wie etwa, meiner Kontrollfunktion nachzukommen, nagt an mir. Ich bleibe daher bei meiner Aussage – wenn DAS nicht besser wird, ist es der 31.12.23! Ich habe kein Problem damit, wenn man mir auf den Hinterkopf schlägt, weil ich was verbockt habe, was – Gottseidank – eher selten vorkommt, aber natürlich NICHT nie; wir sind ja alle nur Menschen. Aber ich habe ein Problem, wenn Worte auf die Goldwaage gelegt werden sollen, damit sich niemand angegriffen fühlt, obwohl diese Worte einfach nur eine Sache ausdrücken, die dringend angegangen werden muss. Ich kenne meinen Schulz von Thun weiß Gott, aber irgendwann muss mit dem Rumgeeiere Schluss sein und es braucht Ansagen! Und das verstehen andere offenkundig einfach nicht. Am Ende des Tages bedeutet LEITEN notwendigerweise, nach dem DENKEN zu ENTSCHEIDEN und UMZUSETZEN – und nicht nur darüber zu reden! Irgendwann scheint DAS jedoch aus der Mode gekommen zu sein, und ich habe die Aktennotiz nicht bekommen. Wenn ich ehrlich bin – hätte ich sie bekommen, würde ich diese ignorieren, denn im Geschäftsleben sind wir nicht bei Wünschdirwas, sondern die Zielscheibe auf der Schießbahn. Ach, ich habe schon wieder keine Lust mehr und es sind noch fünf Wochen bis zur nächsten, allzu kurzen Auszeit. Ade, war ned schee…

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