Menschenskinder…

…lernen die Welt zu (be)greifen, laufen los, streiten, schließen Freundschaften, kommen in die Schule, werden älter, reifen und werden – schließlich – irgendwann zu denen, die, wie ich, darüber reflektieren, was Menschenskinder für die dazugehörigen Großen bedeuten. Rein biologistisch gesehen geht’s ja nur um den Erhalt der Spezies. Dies so eng zu betrachten, wäre dennoch Käse. Nicht nur mir ist bewusst, dass Generation um Generation immer wieder nach dem Sinn des Lebens sucht und sich dabei jenes Intellektes bedient, mit dem Mutter Natur uns auszustatten die unfassbare Blödheit besessen hat. Denn ohne diesen Intellekt würden wir weder immer noch versuchen, uns die Erde Untertan zu machen, noch gäbe es dieses unnötig verschwenderische Suchen nach Sinn überhaupt.

Meine kleinere Tochter wurde gestern eingeschult und wie ich diesen, wohl eingeübten, Ritualen beiwohnte, die dazu gedacht sind, das Kind im neuen Lebensabschnitt zu begrüßen, der – mit dem trainiert bösartigen Auge des Zynikers betrachtet – in der unausweichlichen Einsortierung in eine Schublade mündet, wurde mir etwas bewusst: nämlich dass Sinn in den Anderen (z. B. unseren Kindern) zu suchen, ungerecht ist. Ungerecht gegenüber den Anderen, weil wir dann Sehnsüchte auf sie projizieren, die wir – aus welchen Gründen auch immer – nicht aus uns selbst heraus befriedigen können. Ungerecht uns selbst gegenüber, weil im direkten Vergleich immer irgendwelche (vermeintlichen) Unzulänglichkeiten des Selbst sichtbar werden, die dennoch vielleicht ein Teil sind, der dazu beiträgt, uns die sein zu lassen, die wir sind.

„Hätte, hätte, Fahrradkette!“ Wir leben nicht im Konjunktiv, sondern im Hier und Jetzt. Und all diese Überlegungen, was man z. B. täte, wenn man seinem 20-jährigen Ich mit den bereits gemachten Erfahrungen zur Seite stehen könnte, sind ebenso Käse, wie die oben erwähnte biologistische Weltsicht und das Projizieren. Solche Träumereien stellen lediglich den verzweifelten Versuch dar, sich mit der gelegentlich auftretenden subjektiven Sinnlosigkeit des eigenen Tuns gut zu stellen. „Hätte ich das vorher gewusst, wäre alles besser geworden!“ Blödsinn. Sinn muss man nicht suchen. Denn betrachtet man es fatalistisch, ist unsere Existenz ein kosmischer Wimpernschlag, in welchem wir, auf einem zufällig habitablen Klumpen Gestein, mit einem Affenzahn durch unser Sonnensystem rauschen und uns ebenso zufällig so weit entwickelt haben, dass wir uns fragen können, was das soll. Doch es soll nichts. Es passiert einfach. Und es ist an uns, dieses bloße Passieren mit Sinn zu FÜLLEN…!

Meine Tochter muss sich solchen Überlegungen noch nicht stellen. Sie ahnt nicht, wie viel für die Eltern mit dem Wachsen des Kindes zusammenhängt. Und damit meine ich bewusst nicht die fiskalischen Herausforderungen. Unsere Kinder sind, im Guten, wie im Bösen Spiegel unserer Selbst, denen wir nur schwerlich entfliehen können. Einen physischen Spiegel kann man abhängen, verschenken, im Keller verstecken, wenn uns das Bild nicht gefällt; doch ein Kind… nun, Keller wäre in dem Fall keine Lösung. Also wäre es doch eine gute Idee, unserem Leben Sinn zu geben, indem wir Dinge tun, die uns und anderen helfen. Zuvorderst unseren Kindern. Das jeder sich jetzt darunter etwas anderes vorstellen kann, erfüllt mich mit einer gewissen Zuversicht. Denn es bedeutet, dass der eine oder andere sehr wohl einen Sinn für sich definiert hat und nun versucht, diesen weiterzugeben.

Solche Menschen sind es, die – all ihren eigenen Fehlern und Irrungen zum Trotz, oder wegen dieser Fehler und Irrungen – als Idole, als Exempel, als Vorbilder fungieren und funktionieren. Die uns gemahnen, dass man seinen Sinn nur in sich selbst findet und, im besten Fall, andere daran teilhaben lassen kann. Das gilt natürlich im Guten, wie im Bösen. Denn Menschen, die andere zum Bösen anstiften können, gab und gibt es genug. Aber die meine ich nicht. Die will ich nicht vergessen, sondern mich gegen ihr Gift immunisieren. Mir geht es um jene, die andere Menschen zum Guten anstiften; dazu, der Welt etwas zu geben, dass tatsächlich nachhaltig und bereichernd zugleich wirkt – die Inspiration und den Willen etwas füreinander zu tun. Wenn wir – meine Frau und ich – das bei unseren Kindern noch schaffen, haben wir mehr für unsere Welt getan, als man hätte erwarten können. Ich wünsche noch einen schönen Sonntag.

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