Ist ein paar wenige Tage her, dass ich mit jemandem beim Essen saß und wir kamen auf das Thema Loyalität zu sprechen. Die Unterhaltung drehte sich auch um andere Themen, alles war auf das Arbeitsumfeld bezogen. Mein Gegenüber konnte, nach eigenem Bekunden, mit dem Konzept der Loyalität nichts anfangen. Vielleicht, weil ein “interessantes” Verständnis von Loyalität möglicherweise einer der Samen des Bösen sein könnte. “Ich war dazu verpflichtet xyz zu tun, weil…” wäre ein Hinweis darauf, das aus einer falsch verstandenen Verpflichtung gegegnüber wem oder was auch immer das Bedürfnis entstehen könnte, Dinge zu tun, die man eigentlich, so ganz allgemein als Mensch, nie tun würde. Hannah Arendt nannte das mal die “Banalität des Bösen”. Natürlich ist längst nicht jedes sich einer Organisation, einer Person oder einer Sache verpflichtet fühlen schon automatisch etwas Schlechtes. Allerdings möchte ich darauf bestehen, das Loyalität NIEMALS eine Einbahnstraße sein kann. Loyal gegenüber JEMANDEM bin ich, wenn wir einander in dem Vertrauen verbunden sind, dass die eingeforderte Verlässlichkeit nicht nur geschuldet sondern auch gegeben wird. Loyal gegenüber EINER IDEE, EINER SACHE kann ich nur sein, wenn diese im Einklang mit meinen moralischen Überzeugungen steht. In dem Moment, da diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt werden (“…das ist nicht mehr meine xyz…”), ist die Loyalitätspflicht aus meiner Sicht hinfällig!

Loyalität einzufordern, ist einer der Pfeiler organisationeller Machtausübung. Man nutzt das Gefühl des Verpflichtetseins, um “Untergebene” dazu zu bringen, bestimmte Dinge zu tun. Im Arbeitsverhältnis ist es so, dass ein definiertes Leistungsportfolio der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldet wird. In aller Regel bezieht sich das auf die Anwesenheit für eine bestimmte Anzahl von Stunden an einem per Direktionsrecht festgelegten Ort, um dort, ebenfalls per Direktionsrecht festgelegte Aufgaben zu erfüllen. Dafür gibt es in größeren Unternehmen die sogenannte Stellenbeschreibung; in kleineren Betrieben ergeben sich die Aufgaben in aller Regel aus der Berufsbezeichnung der Angestellten. Ein Energieanlagenelektroniker macht üblicherweise nicht das Gleiche, wie ein Kaufmann im Einzelhandel. Klar soweit. Nun gibt es aber überall immer wieder Situationen, die gar nicht so klar im Arbeitsvertrag oder der Stellenbeschreibung geregelt sind. Und dann spielen Arbeitgeber oft die Loyalitätskarte, weil sie darauf setzen, dass man mit der Zeit eine gewisse Verbundenheit zu dem Geschäft aufgebaut habe (es ist genau DAS, was gerne mit dem überstrapazierten Begriff “Arbeitnehmerbindung” tituliert wird), stellen dabei manchmal auch Gegenleistungen in Aussicht, oder pochen darauf, “dass man das schon immer so gemacht habe”. KEIN SATZ KÖNNTE JEMALS IRGENDWO FALSCHER SEIN! Nur weil andere so blöd waren, sich ausbeuten zu lassen, gilt das für MICH noch lange nicht…
Wir sind hier letzten Endes im Bereich der Manipulation. Denn Macht kann – zumindest in den Grenzen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung – nur dann über mich ausgeübt werden, wenn ich dies auf irgendeine Art legitimiere. Konkludentes Verhalten, also sich stets an die Anweisungen zu halten auch “die Extrameile” zu gehen ohne zu murren und da zu sein, wenn man gerufen wird, genügt aus Sicht der Geschäftsführung vollkommen, um Machtansprüche zu legitimieren, die oft genug übergriffige Scheiße sind! Um hier ganz klar zu sprechen: ICH HASSE DIESEN BEGRIFF “EXTRAMEILE”, WENN ER VON CHEFS IM MUNDE GEFÜHRT WIRD, denn er meint im Kern “ich zahl’ dir schon genug, schaff mal ruhig ein bisschen was für Lau hier im Laden”! F***t euch! Denn das Problem an dieser Stelle ist die zuvor erwähnte Einbahnstraße. Viel zu oft tut man Dinge für den Arbeitgeber, ohne dass es dafür auch nur einen Futzel Kompensation gibt. Ich kann davon ein Lied singen, denn man hatte mich – einmal vor einigen Jahren – mit einer Aufgabe betraut, mir jedoch strikt untersagt, die für die Erfüllung dieser Aufgabe notwendigen Extrastunden aufzuschreiben. Da dürfte über die Jahre hinweg ein erkleckliches Sümmchen Zeit zusammengekommen sein. DEN FEHLER mache ich bestimmt nicht noch mal! Will heißen – Loyalität kann sehr leicht zu einer (Selbst)Ausbeutungsfalle werden; doch wenn es mal daran geht, im Gegenzug etwas auch nur zu erbitten, steht man plötzlich allein im Regen.
Fassen wir also zusammen: “Loyalität” ist ein Begriff dafür, einander in Vertrauen und Verlässlichkeit verbunden zu sein; auf der zwischenmenschlichen Ebene mag das von Fall zu Fall mehr oder weniger gut funktionieren; ebenso wie die Liebe. Da wir aber in einer hoch komplexen Welt leben, Loyalität auch von Organisationen gegenüber ihren Mitgliedern eingefordert wird und komplexe Organisationen vor allem für ihre Fähigkeit berüchtigt sind, Verantwortungsdiffusion zu einer Kunstform zu erheben, wird von Organisationen oft viel gefordert – aber nichts, oder zumindst nur sehr wenig gegeben. Daher finde ich den Begriff “Quiet Quitting” gar nicht so schlimm. Wenn ich irgendetwas über die vertraglich vereinbarte Leistung hinaus geben soll, ist das verdammt noch mal zu vergüten. Ansonsten könnt ihr euch mit eurem Loyalitäts-Geschwafel verpissen! Ich kann Corporate-Bullshit-Sprech von “auf einem guten Weg”, “das Team gemeinsam”, “Workplace-Family” und was weiß ich nicht noch alles nicht mehr hören. Ich will – hört ihr: ICH WILL – vernünftige Arbeitsmittel, einen angemessen temperierten und beleuchteten Arbeitsplatz und die Zeit, meine Aufgaben richtig zu machen. Denn wenn man von mir fordert es schnell-schnell zu machen… wie kommt ihr auf die Idee, das ich, wenn ich nicht mal die Zeit und die Mittel bekomme, es gut zu machen, ich dann die Zeit und die Mittel hätte, es ein zweites Mal zu machen? Aha…? Merkt ihr was? Also… Loyalität gibt’s bei mir nur für jene, die sie sich verdient haben. Beruht also auf Gegenseitigkeit. Und die Forderungen durch irgendeine Organisation sind mir erst einmal scheißegal, solange ich merke, dass ich jemandem scheißegal bin und nur irgendwelche Zahlen zählen; oder Leistung für lau. Dafür ist mir MEINE Lebenszeit zu kostbar! Denkt mal drüber nach, wenn ihr morgen wieder roboten geht…
