Losgelöst…?

Wann immer wir unsere angestammte Umgebung verlassen, wann immer wir an andere Orte gehen, setzen wir uns der „Gefahr“ aus, etwas zu missen. Zumeist denken wir dabei an liebgewonnene Gewohnheiten und Bequemlichkeiten. Ich finde ja, der Begriff „Komfortzone“ ist totgeritten, aber tatsächlich ist hier es wenigstens ein bisschen wahr: man lässt gewohnten Komfort hinter sich. Wenn man sich allerdings die Ziel-Location aussuchen darf, wartet dort das Versprechen auf anderen Komfort. Und sehr oft auf solchen, der einen das Vermissen des allzu Bekannten doch recht bald vergessen lässt. Natürlich hängt’s ein bisschen davon ab, wie verwöhnt man ist. Aber seien wir ehrlich, mal ein bisschen für sich sein zu können, ist der wahre Luxus unserer Zeit.

So verbindet sich für mich derzeit das Angenehme mit dem Nützlichen, denn da ich gerade wieder zu Ausbildungszwecken im bekannten Retreat im Pfälzerwald weile, kann ich nach Unterrichtsende mal für eine Weile die Tür zu machen, und ein wenig Ruhe tanken. Zudem ich mich gerade im Moment physisch ein wenig angeschlagen fühle; Test negativ, kein Fieber, aber halt doch ein wenig unfit. Mal schauen, wie’s die nächsten Tage wird. Die Bedingungen könnten diesbezüglich besser sein, aber ich werde das Beste daraus machen.

Der heutige Tag war anstrengend, weil der Unterrichtsstoff mir viel Vortrag abverlangt hat. Doch so langsam geht die Betriebstemperatur wieder auf Normallevel. Wenn man eine Diskussion über die ethischen Aspekte des Berufsfeldes anzettelt, muss man aber halt damit rechnen, dass Fragen auftauchen, die nicht mit einem JA oder NEIN zu beantworten sind. Ich hatte allerdings, ehrlich gesagt damit gerechnet, dass mich dieser Ritt weiter aus meiner emotional-kognitiven Komfortzone führen würde, aber das unterblieb heute auf wohltuende Art und Weise. Und nicht etwa, weil ich weniger kontrovers Material als bei anderen Gelegenheiten benutzt hätte. Ich bin tatsächlich angenehm überrascht und angetan von der Diskursfähigkeit meiner SuS.

Was ich an solchen, in vielerlei Hinsicht losgelösten Unterrichtssituationen schätze, ist die Möglichkeit, sich auch informell austauschen und so Fragen und Probleme lösen zu können, die andernorts vielleicht nicht in der Deutlichkeit zur Sprache kämen. Die richtige Mischung aus menschlicher Nähe und analytischer Distanz ist auch beim Umgang mit den SuS das A und O; denn natürlich reden wir hier von durchaus vielschichtigen sozialen Beziehungen, die man sich nicht verselbstständigen lassen sollte, weil die Ergebnisse von zu viel Laissez-Faire u. U. überraschend negativ ausfallen können. Ich habe mein Lehrgeld gezahlt…

Ich zweifele durchaus manchmal an der Tauglichkeit meiner didaktischen Konstruktionen, weil ich natürlich immer wieder mal einen anderen Weg versuche, und damit ebenso natürlich auch immer mal wieder Schiffbruch erleide; Trial and Error halt… Allerdings gilt für mich das Gleiche, wie für die SuS: der Unterricht ist auch für mich immer wieder ein Lernprozess. Genau deswegen ist der Wechsel des Lernortes auch für mich wertvoll, weil er mir die Chance gibt, andere Perspektiven auf das eigene Tun und Lassen nehmen zu können. Quasi losgelöst vom Tagesgeschäft. Genau dieser Komfortzonen-Shift hat mich durch den Tag getragen – und tut dies hoffentlich auch noch die nächsten Tage. Einstweilen bleibe ich da, wo Fuchs und Hase sich zum Kartenspielen treffen, und wünsche ein schönes Wochenende.

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