Leben ist Dynamik

Auch wenn der Titel vielleicht als Allgemeinplatz wahrgenommen wird, auch wenn Binsenweisheiten einen manchmal nicht weiterbringen, auch wenn Glückskekse nicht immer sonderlich lecker sein mögen: wenn wir in den letzten 21 Monaten als Menschen irgendwas gelernt haben könnten, dann, dass das Leben kein gerader Fluss ist! War es nie, ist es jetzt nicht und wird es niemals sein. Einer unser vornehmsten Fehler als Menschen ist es, sich am Bekannten, am Gewohnten, am Eingeübten festzuhalten. Weil es uns ein (allzu trügerisches) Gefühl von Sicherheit vermittelt. Und niemand ist sich seiner Selbst gerne unsicher, oder erlebt mit Wonne das Gefühl, keine Kontrolle über die Dinge zu haben. Aber echte Kontrolle ist eine Illusion. Leben ist nicht nur Dynamik – Leben ist Chaos! Allerdings ist es schwierig, den Begriff Entropie aus der Physik auf die Sozialwissenschaft zu übertragen…

In den Sozialwissenschaften diskutiert man Entropie als Maß für die Ordnung / Unordnung innerhalb eines sozialen Systems. Wie es bei allen Systemtheoretischen Ansätzen so geht, herrscht hier vor allem eines: Uneinigkeit. Ohne auf die akademische Diskussion eingehen zu wollen, muss man sich die Frage stellen, ob man eine grundsätzliche Ordnung der Dinge unterstellen möchte, oder eben nicht? Und das ist auch eine Glaubensfrage. Beziehe ich das zum Beispiel auf die Aluhüte, dann sehen diese überall geheimnisvolle Mächte am Werk, welche die Welt nach ihrem Bild zu formen versuchen. Dann wäre die (für uns verborgene) Ordnung der Dinge eben jenes Geflecht aus obskuren, im Dunkel des Ungesehenen und Ungeahnten operierenden Geheimbünden, Regierungsorganisationen und was weiß ich nicht noch alles. Wenn ich mir ansehe, wie schwierig es ist, verschiedene Partner bei relativ einfachen politischen Projekten unter einen Hut zu bekommen, fällt es mir sehr schwer, mir ein paar geheime Regierungsmitarbeiter vorzustellen, die mal eben die ganze Bundes-Bevölkerung 5G-chippen. Die meisten Behörden in Deutschland können ja nicht mal ihre IT vor russischen Hackern schützen…

Unterstelle ich jedoch irgeneine Form von Ordnung, komme ich irgendwann nicht mehr umhin, auch eine eher deterministisch orientierte Grundhaltung einzunehmen; einfach weil die angenommene Ordnung ja unterstellt, dass es Wenn-Dann-Kausalitäten gibt, die nur jeweils wenige, vorgegebene mögliche Pfade der Weiterentwicklung zulassen. Ein kurzer Blick über den Tellerrand sagt mir jedoch, dass diese Annahme nicht so ganz stimmen kann. Man denke an Mutationen und so…? Und wieder einmal stehe ich an meinem Schreibtisch und muss feststellen, dass sicher geglaubte Dinge doch nicht so sicher sind, dass Entwicklungen plötzlich, unerwartet Wendungen nehmen, die sich der innovativste Romancier nicht ausdenken kann; und dass alles Modellieren und Abwägen manchmal für die Tonne ist. Womit wir mal wieder beim Plan X wären.

„Improvisationstalent“ nennt man es, wenn Menschen aus den wenigen vorhandenen Ressourcen kurzfristig funktionierende Lösungen zaubern können. Die Bezeichnung „MacGyvern“ wäre wohl auch legitim, zumindest, wenn es um technische Probleme geht. Ein dauerhaftes Problem entsteht daraus allerdings, wenn der regelmäßige Einsatz des Improvisationstalentes als dauerhaft verfügbar betrachtet wird, und man auf Basis dieser Fähigkeit bewusst andere Ressourcen zu sparen versucht! Das endet mit MacGyver im Burnout und kaputten Projekten. Aber das müssen manche Menschen (insbesondere sogenannte Chefs) immer erst auf die harte Tour lernen! Besonders ärgerlich wird es, wenn dann auch noch Andere sich mit den Federn erfolgreicher Arbeit schmücken, die aus solchen Umständen heraus entstanden ist. Sowas vertreibt nämlich die MacGyver…

Manchmal ist die Ferne verlockend…

Ich bin eher ein Grübler, denn ein Renner. Ich schaue mir an, was läuft, was nicht läuft, und warum es nicht läuft. Und dann versuche ich nach und nach, an den verschiedenen möglichen Stellschrauben zu drehen, bis es besser läuft. Man nennt solche Leute wie mich, wenn ich recht weiß, Realisten und Pragmatiker. Und sagt Ihnen, zu Unrecht, eine gewisse Leidenschaftslosigkeit nach. Ich bin Realist, wenn es um das Beurteilen von Chancen und Risiken geht, doch Träumer genug, auch Projekte ín diese Betrachtung einzubeziehen, die Andere von vornherein ablehnen würden. Ich bin Pragmatiker, wenn es um die Bewältigung des Tagesgeschäftes geht, aber Theoretiker genug, nach einer immer besseren Fundierung meines pragmatischen Handelns zu streben. Insofern bin ich, wie viele Andere auch ein ambivalentes Wesen. Und ich habe mich zu sehr an das „Leben in der Lage“ gewöhnt, als dass mich die Botschaft von neuen Virusvarianten noch allzusehr aus der Reserve locken könnte. Just another problem to be solved by flexible means… Ich wünsche uns allen die Geduld, es noch ein wenig länger zu ertragen, die Vernunft, uns an die notwendigen Maßnahmen zu halten, und den Mut es danach auf’s Neue zu tun. Was auch immer ES sein mag. In diesem Sinne, schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

#zimbocompodcast

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