… denn eine solche Selbstzuschreibung empfände ich als anmaßend. Nilz Bokelberg, dieser Trottel hat sich vor gut drei Jahren mal im Zeit-Magazin so tituliert. Sein Ansinnen erschien mir, der ich selbst Vater zweier Töchter bin verständlich. Seine Denke jedoch war mir zu paternalistisch, sein Gestus zu pathetisch und die Äußerung an sich schlicht zu sehr auf die Generierung von Aufmerksamkeit ausgelegt. Nichtsdestotrotz habe ich seither so einiges auf den mentalen Prüfstand gebracht und bin etwas aufmerksamer hinsichtlich meiner eigenen alltagschauvinistischen Tendenzen geworden.
Nun habe ich heute Facebook aufgemacht und musste ein Bild sehen, in dem sich zwei mutmaßliche Kolleginnen vor einem RTW in eine Pose gebracht haben, die vermutlich weibliche Reize betonen soll; in diesem Fall den Gluteus Maximus. Und selbstverständlich musste ich mich dazu äußern. Denn selbst, wenn ich kein Feminist bin, ist diese Darstellung offenkundig dazu geeignet als sexuell aufgeladene Objektifizierung dieser Kolleginnen wahrgenommen zu werden. Das leistet aus meiner Sicht einerseits so ziemlich allen Frauen im Rettungsdienst, sowie auch dem Bild unseres Berufsstandes in der Öffentlichkeit einen Bärendienst!
Warum, werden vielleicht z.B. die Menschen, die dieses Machwerk produzieren fragen? Nun, das ist ganz einfach zu beantworten: indem Kolleginnen (und vielleicht auch Kollegen) sich in sexuell aufgeladenen Posen in mehr oder weniger PSA ablichten lassen, gestatten sie, auf den visuellen Reiz reduziert und mithin nicht mehr als Healthcare Professional, sondern als Stück Fleisch wahrgenommen zu werden. Nun möchte ich davon ausgehen, dass die Aufnahmen in gegenseitigem Einverständnis entstanden sind und die Kolleginnen sich sehr wohl der Wirkung der Pose bewusst waren. Und es spricht grundsätzlich nichts dagegen, auch in PSA gut aussehen zu wollen.
Doch was passiert mit der Wahrnehmung durch Andere? In dem Thread unter dem Bild auf FB entstand – sicherlich zu Unrecht – die Ansicht, dass man auf solche Kolleginnen gut verzichten könne. Das kann, will und werde ich nicht beurteilen, denn meine Vermutung ist eher, dass sie das als Spaß betrachtet haben und dabei die möglichen negativen Fremd-Wahrnehmungen nicht umfassend thematisiert oder bedacht wurden. Bezogen auf die Individuen gibt’s zwei Möglichkeiten, wie man mit diesen Zuschreibungen umgeht: entweder man beginnt sich zu schämen und das ganze als Dummheit zu betrachten, oder man sagt sich: jetzt erst recht. Wie auch immer sie damit umgehen: die Fremdattribution bleibt eine Weile haften.
Das aus meiner Sicht weitaus größere Problem ist, dass ein nicht unerheblich großer Teil der Social-Media-Nutzer gerne zu unzulässigen Verallgemeinerungen und Stereotypen neigen; d.h. nicht wenige werden sich denken, dass im Rettungsdienst „willige Weiber“ rumlaufen und in der Folge jene Kolleginnen, denen sie dann später begegnen auf Basis solcher Bilder beurteilen: mögliche Konsequenzen sind Respekt- und Distanzlosigkeit, bis hin zu sexueller Übergriffigkeit. Indem ich also Kolleginnen so darstelle, mache ich sie, aber eben auch andere zu potentiellen Sexismus-Opfern. Und dafür, ihr Macher dieses Kalenders verdient ihr euch mindestens einen der silbernen Ärsche mit Ohren des Jahres 2020. Verantwortungsvoller Umgang mit Social Media geht anders!
Ich bin gerne zu einer – gegebenenfalls auch öffentlichen Diskussion bereit. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt muss ich aber zum Boykott dieses – Gott sei Dank als limitiert bezeichneten – Produktes aufrufen. Limitiert ist nämlich nicht nur die Stückzahl, sondern auch die kognitive Reichweite seiner Macher. Schönen Sonntag noch