Generation Clash!

Die Boomer haben’s verbockt! Die Gen-Xer rennen ihnen immer noch hinterher! Die Gen-Yler denken auch eher an sich selbst! Die Gen-Zler denken nur noch an sich selbst! Aaargh! Sterotypen, wohin das Auge blickt. Differenzierte Betrachtung? Fehlanzeige! Verständnis für die mangelhafte Abbildung sozialer Realität durch willkürlich bestimmte Alters-kohorten? Passiert Anderen! Einfach mal die Fresse halten, auch wenn man echt viel Meinung für echt wenig Wissen hat? Musste mit der Lupe suchen! Und so weiter und so fort… Mein Alltag, wenn ich so blöd bin, irgendwelche Foren, Kommentarthreads unter Zeitungsartikeln o. Ä. zu besuchen, schwankt heutzutage mit hoher Frequenz zwischen Ekel, Verwunderung und Fremscham. Gut, daran hat sich jetzt in den letzten Jahren wenig geändert. Was sich gerade ändert, ist der Umstand, dass Social Media (endlich) am Ende der Straße angekommen sein könnte [Im englischsprachigen Netz macht das Thema schon seit zwei, drei Monaten in den üblichen Tech-affinen Magazinen die Runde: The Atlantic, Contagious, The Verge]. Antisocial Media scheint rapide ins Trudeln geraten zu sein und beginnt deutlich zu schrumpfen. Gottseidank! Und ich will hier brutal ehrlich sein: Ich würde es feiern, wenn man sich endlich von den Timelines der Datenkraken aus dem Sillicon Valley freimachen könnte. Es würde Zeit freisetzen, die man besser nutzen könnten, russischen Social-Engineering-Bot-Netzen den fruchtbaren Boden entziehen und der Demokratie gut tun, wenn man sich erst mit den Fakten beschäftigen müsste, bevor man ungefiltert seine – zumeist hoch uninformierte – Meinung in die Welt hinausposaunen kann. Und die Scheiß-Nazis müssten sich eine neue Strategie ausdenken.

Aber ich kam gerade ein wenig vom Pfad ab, nicht wahr? Also ich, so als Gen-Xer habe das Gefühl gewonnen, dass diese ganzen Generations-Kampf-Dinger, die insbesondere in den Antisocial Media ausgefochten werden nichts weiter sind als Batterien von Nebelkerzen, die unfassbar ervtötend von den wahren Problemen ablenken. Solange wir uns nur lange genug in unseren Timelines aufhalten, kriegen wir den Arsch nicht hoch, um mitbekommen zu können, was wirklich abgeht. Es kommt für mich nicht ganz überraschend, dass die Demonstrationen gegen den Rechtsrutsch in unserem Lande zu einer Zeit passieren, in der die multipolaren Krisen, welche den Globus gerade erschüttern auf ein verändertes Bewusstsein im Umgang mit Medien treffen. Die kritische Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit verschiedenster Medienunternehmen und – formate hat NOCH keine profunde Auswirkung auf tatsächliches Abstimmungsverhalten, aber die Zwänge unserer Zeit sind im Bewusstsein vieler anscheinend endlich angekommen. „The times they are a-changing“ Bob Dylan ist auch 60 Jahre später anscheinend noch aktuell… Ich bin zwar noch weit davon entfernt, glauben zu wollen, dass das Thema Rechtsrutsch abgehakt werden kann, dass die Politik endlich ANGEMSSEN auf die Klimakrise reagiert, oder dass wir endlich anfangen, uns um das Leben und die Menschen zu kümmern und nicht das Kapital; bei Letzterem liegt’s wahrscheinlich daran, dass K im Alphabet halt vor L und M kommt und wir dämlichen Deutschen ja alles alphabetisch sortieren müssen…

Aber… aber vielleicht kann man ein Mü Hoffnung schöpfen. Interssanterweise bildet sich die innere Achterbahnfahrt auch in den äußeren Umständen ab. Heute Mittag ging ich eine Weile spazieren, weil das Wetter hier im Nordbadischen ganz okay war. Semi-Sonnenschein bei 13°C ist für Mitte Februar natürlich eindeutig zu warm, aber wenn man nicht nur von Vitamin-D-Tropfen leben möchte, muss man halt auch mal vor die Tür. Mittlerweile ist die Sonne einer eher Jahreszeit-typischen, gemütszerschleißenden Graugemengelage mit eingebauter Regenwahrscheinlichkeit gewichen. Da kann man doch super kotzen vor Glück! Und dennoch ist es eine dezente Ironie des Schicksals, denn mein Leben – abseits aller Betrachtungen zur Lage der Welt – ist im Moment genauso ein Hin-und-Her-Schwanken zwischen (sehr kurzen) Augenblicken des Glückes, (eher kurzen) Momenten der Entspannung und Erleichterung und (tendenziell längeren) Perioden eines abgefuckten sich-irgendwie-durchwurschtelns durch diesen Mist. Ich wünschte mir, dass meine Arbeit mich am Wochenende mal losließe. Doch selbst wenn ich nicht aktiv mit den Kollegen*innen über irgendwas kommuniziere, wälze ich die ganzen Probleme dennoch, weil sie mich nicht loslassen. Hafen der Ruhe sind meine persönlichen sozialen Beziehungen und meine Hobbies, mit denen, soweit ich das überblicken kann alles in Ordnung ist. Und hier spiegelt sich meine Zugehörigkeit zu einer Alterskohorte dann doch. Menschen meines Alters wurde tatsächlich einiges geschenkt (eine subjektiv halbwegs sichere Welt mit gut organisierten Feindbildern und nicht zu viel Wissen über Hintergründe, sofern man nicht zu genau hingeschaut hat); wir hatten aber auch ständigen Wettbewerb zu bestreiten, um in irgendwas vorankommen und uns unsere Nische im Leben einrichten zu können. Wenn man meiner „Generation“ also vorwerfen möchte, nicht genug für die Umwelt getan zu haben, so könnte das a) an schlechter zugänglichen Informationen, b) dauerndem Kompetitionsmodus im Arbeitsleben und c) anderem Sozialverhalten auf Grund der Nicht-Existenz von Antiscocial Media gelegen haben. Das soll nichts entschuldigen, nur erklären.

Ich kann übrigens mittlerweile Sprüchen wie „OK Boomer“ (Fickt euch ihr Pappnasen) absolut kein Verständnis mehr entgegen bringen. Denn Stereotypen bringen einen nicht weiter; genausowenig wie FDP-wählende Gen-Zler. Die haben schlicht nicht verstanden, wie die Welt eigentlich funktioniert, zeigen aber, dass es dumme, egoistische, ignorante Arschlöcher in allen Altersgruppen gibt. Ich hoffe wirklich, dass Antisocial Media im nächsten Jahr volles Programm an die Wand fahren, Konzerne wie Alphabet, Meta und dieser tech-demente Clown Musk insolvent gehen, wir zu einer gesünderen Entwicklung im Tech/Internet-Bereich kommen. Dann hätte die Demokratie wieder eine Chance. Und Autokradidioten wie Trumpel, Putinella, Orbanitu und Erdodröhnchen verlören eventuell ihre Machtbasis. Aber was weiß ich schon. Schlaft wohl ihr Schafe, morgen ist Sonntag.

Auch als Podcast…

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