Es ist wieder mal Melancholie-Zeit. Morgen müssen wir schon wieder nach Hause fahren. Wenigstens schmeißt uns das Wetter hier gerade raus. Was nicht etwa bedeuten soll, dass man nicht auch bei lausig kaltem Regen was unternehmen könnte. Heute haben wir uns zum Beispiel mit den Kindern einen Wildpark angeschaut. Hübsche Viecher können einen wahnsinnig erden. Sie machen einem nämlich klar, dass man manchmal seine ganze Existenz auf die grundlegenden Funktionen zurückführen muss: Futter suchen, essen, trinken, schlafen – und das andere mit der Reproduktion… na, ihr wisst schon!
Immer von Entschleunigung zu reden ist jedoch ziemlich beknackt. Übrigens genau so, wie im Zusammenhang mit so Schlümpfen wie Hildmann und Naidoo von Verschwörungs-„Theoretikern“ zu reden. Hasnain Kazim merkte neulich an, dass man sie bestenfalls Verschwörungs-Fuzzis nennen könnte, denn Theoriebildung hat was mit Wissenschaft zu tun; und was diese Honks betreiben, ist in etwa so wissenschaftlich, wie sich mit Kuhmist beschmiert beim Sonnentanz im Feuer für Ishtar zu opfern, damit man die nächste Schlacht gewinnen kann. Nun ja, witzig ist die Vorstellung schon, dass Hildmann und Naidoo sich zugedröhnt ins… na ja, lassen wir das.
Aber zurück zur Ent-Schleunigung, welche ja eine zuvor abgelaufene Be-Schleunigung voraussetzen würde. Diese Marketing-Schlachtrufe derer, die gerne Achtsamkeits-Ratgeber, Coachings und anderen Tand verkaufen wollen, suggerieren, dass man sich unwillentlich von der Welt und ihrem stets rasanten Tempo so beschleunigen lässt – bzw. lassen muss, dass man dann gar keine andere Wahl hat, als unter Zuhilfenahme (teurer) Lifestyle-Produkte wieder auf den Boden kommen zu können. Wir sind – so unterstellen diese Menschen durch ihre Angebote – allesamt zu dumm, zu unaufmerksam und auch noch eingespannt, um unsere eigenen Bedürfnisse erkennen zu können. Zugegeben, das ist eine schöne Marketing-Masche. Ich fühle mich jedoch durch dieses allzu oft inhaltsleere Geschwurbel beleidigt.
Ich hab meine persönlichen Erfahrungen mit einer echten psychiatrischen Erkrankung gemacht und mir sind diese Typinnen und Typen, die nutzlose One-size-fits-all-„Lösungen“ für Zivilsations-müde „Leistungsträger“ als Ersatzreligion für spirituelle Krüppel anbieten, ehrlich gesagt ziemlich zuwider. Einerseits, weil Hilfe in problematischen Lebenslagen stets maßgeschneidert sein muss und andererseits weil auch die Unterstellung, als moderner Mensch zu blöd für eine eigene Spiritualität zu sein mich brüskiert. Wie wenig reflektiert und bar jeden Verständnisses für das eigene Bedürfnis nach Spiritualität viele Menschen sind, ist mir bewusst; jedoch gerade damit Kasse machen zu wollen, ist in meinen Augen eine bodenlose Frechheit. Insbesondere, weil hier „Wahrheiten“ verkauft werden, die brandgefährlich sind.
Wahrheit ist – wenden wir den Blick zurück auf Hildmann und Naidoo – etwas sehr subjektives. Es gibt keine letztgültigen, immer gleichen Wahrheiten. Nur dass, was man für sich selbst fürwahr herausfindet. Und das kann im Laufe eines Lebens sehr wohl einem Wandel unterworfen sein. Menschen, die vorgeben (einfache) Wahrheiten anzubieten, verkaufen zumeist Dogmen – also ihre ganz persönliche, verabsolutierte Meinung! Wie leicht hier an Menschen, die einfach nur auf der Suche nach Antworten für die schwierigen Fragen im Leben (Wer bin ich? Wer will ich sein? Warum bin ich? Wohin führt das Alles? Was bedeute ich für Andere? etc.) sind, Manipulationen vorgenommen werden können, erklärt sich von selbst. Denn, bin ich im Bezug auf meine Identität im Zweifel, sauge ich den Mist, den manche Ratgeber-Fuzzis absondern besonders neugierig auf und beginne unter Umständen, das fürwahr zu nehmen.
Für den aufmerksamen Beobachter ist damit einer der Mechanismen, der Verschwörungs-Kacke ans Laufen bringt auch schon (populärwissenschaftlich) erklärt. Ich bevorzuge es seit jeher, selbst zu denken und selbst zu fühlen. Und ich fühle jetzt gerade Melancholie, weil ich weiß, dass ein paar Tage mehr Urlaub an diesem friedlichen Ort mich als Mensch wieder ein bisschen kompletter machen würden. Aber so ist das – wir bekommen selten, was wir uns wünschen. Und wenn, dann steht es nicht zwischen zwei überteuerten Buchdeckeln, sondern wir erfahren es in den Dingen die wir wahrnehmen, durchdenken und dann teilen – damit andere sie auch durchdenken können. Ohne Dogmen, ohne Verkaufsabsicht, einfach so. Denn die wichtigen Dinge im Leben kosten Mühe, keine Euros.