Es ist soweit. Die erste NotSan-Klasse in meiner Institution ist gestartet. Man könnte sagen, ein Meilenstein sei erreicht. Und objektiv betrachtet war es bis hierher bereits ein verdammt langer und streckenweise steiniger Weg. Ich bin ihn zumeist gerne gegangen. Doch eigentlich war der offizielle Start ein Rite de Passage. Für die erträumte Schule, weil sie nun Wirklichkeit geworden ist. Für die Schülerinnen und Schüler, weil sie eben in einen neuen, verdammt anstrengenden, sicherlich gelegentlich frustrierenden aber gewiss auch spannenden und am Ende hoffentlich lohnenden Lebensabschnitt eingetreten sind. Und für all die anderen Menschen, die das Projekt durch ihre Arbeit getragen haben, weil sie die Früchte ihrer Arbeit nun tatsächlich sehen können. Und für mich…?
Nach dem Start ist vor dem Start ist nach dem Start. Ich steh‘ erstmal selber wieder in der Bütt und gebe mein Bestes, bis mein Mitarbeiter-Stab denn tatsächlich voll arbeitsfähig ist. Kann noch ein paar holprige Wochen dauern, bis endlich alle Teile wie geplant zusammenfallen und ein halbwegs stimmiges Bild ergeben. Es hat sich also im Vergleich zu letzter Woche nichts geändert. Der Planungshorizont ist auch der gleiche geblieben: immer bis zur nächsten, kleineren oder größeren Katastrophe, die mal wieder Impro-Theater notwendig macht. Ich bin’s gewöhnt und mittlerweile auch recht geübt in Desaster-Management und Trouble-Shooting, auch wenn ich meinen Master ja in Erwachsenenbildung mache.
Erschöpft? Ja, ein bisschen schon. Resigniert? Nur, ab und an, und nur bezüglich mancher Marotten mancher Kollegoiden. Enttäuscht? Nicht die Bohne, denn – sehr zu meiner Verwunderung – läuft bisher fast alles wie am Schnürchen. Aufgeregt? Na klar, wie könnte ich auch nicht, es bleibt ja spannend. Überfordert? Vielleicht ein wenig durch den noch nicht so 100% einsatzbereiten Stab meiner Institution, was mir die eine oder andere Extrameile abverlangen wird. Herr der Lage? Tja, „Leben in der Lage“ ist so ein Motto, dass man in meinen Kreisen häufiger hört. Und ich persönlich verstehe das so: Mal habe ich die Zügel in der Hand, mal bin ich der Rodeo-Clown, aber der Zirkus muss weitergehen. Also gehe ich jeden Tag da raus und versuche mein Bestes.
Ich bin, auf Grund meiner Ausbildung und meiner Erfahrung davon überzeugt, dass es eine gute Dosis Konstruktivismus in dieser Berufsausbildung braucht, dass nur möglichst reichhaltige und realitätsnahe Selbst-Erfahrungen den Schülern wirklich weiterhelfen. Das kann manchmal ein wenig beliebig wirken, doch wenn es adäquat gerahmt und begleitet wird – nämlich in dem man sie dazu bringt, selbst die richtigen Fragen zu stellen und auch eine Antwort auf diese suchen zu wollen – wird daraus ein nachhaltiges Lernerlebnis. Und Spaß machen kann es auch. Nur die Vorbereitung ist viel Arbeit, denn den eben genannten Rahmen richtig aufzubauen und wirksam werden zu lassen braucht Geduld; und manchmal auch den Mut zu Fehlschlägen. Denn eines ist sicher – wir Berufspädagogen wissen noch nicht genau, ob wir Ihnen all das Handwerkszeug mitgeben können, dass sie in der Zukunft brauchen werden.
Die Anforderungen an unseren Beruf verändern sich momentan schnell und das erhoffte Profil der fürderhin benötigten Kompetenzen ist noch nicht erarbeitet. Wir bilden im Moment auf Basis dessen aus, was früher funktioniert hat. Doch die Realität lehrt uns unterdessen, dass wir hier noch einiges zum Nachjustieren haben werden. So ist denn eine der wichtigsten Funktionen unserer Ausbildung, den Schülerinnen und Schülern einen möglichst kompletten vorläufigen Stand der Dinge mitzugeben UND ihnen ein Verständnis für eben diese Vorläufigkeit zu geben; und die unmittelbare Konsequenz, dass sie ihr ganzes Berufsleben lang werden weiterlernen müssen. Und mir ist bewusst, dass diese Flexibilität und das Interesse am Neuen mitnichten in jedem Menschen in gleichem Maße vorhanden sind. Was die Kultivierung natürlich erschwert.
Wir werden sehen, was unterwegs noch angepasst werden muss. Für’s erste bin ich jedoch froh sagen zu können, dass ich die Ehre und das Vergnügen habe, mit einem tollen Haufen junger Leute arbeiten zu dürfen. Wenn ich es schaffe, in ihnen jenes Feuer zu kultivieren, das auch in mir immer noch brennt, darf ich mich glücklich schätzen. Der Weg ist lang, aber ich bin schon wieder unterwegs. Denn nach dem Ziel ist vor dem Ziel ist nach dem Ziel…