(Des)Interesse an Wandel

Wenn man die so genannten Fachpostillen landauf, landab betrachtet, wird es leider immer noch als Wandel, als Innovation gefeiert, wenn irgendwo ein neues Blech oder ein neues Gadget in Dienst geht – vollkommen unabhängig davon, ob dieses Blech oder Gadget die Arbeit voran bringt, oder einfach nur neu ist. Diese Art von Innovation ist so ziemlich das Einzige, woran man denken kann. Vor einiger Zeit wollte ich so’ne Adhäsionsfolie in Fahrzeugen, weil allein schon Werte zu notieren Fehlern vorbeugt – denkt an Closed Loop Communication. Das war vielleicht ein Hickhack. Und warum – weil man Angst hatte, das irgendwelche Honks mit den Stiften die Wand beschriften. Ist natürlich passiert (Honks gibt’s überall), wurde natürlich wieder sauber gemacht, aber erst mal dagegen, weil: haben wir noch nie gemacht.

Ist natürlich Kleinkram im Vergleich zu den Problemen, die wir wirklich haben. Überall werben die HiOrgs einander das Personal ab; und auch, wenn ich es natürlich extrem geschmeidig finde, wenn in meinem Beritt der Dienstplan funktioniert, ist es in der Gesamtheit eine Katastrophe, dass immer noch nicht bedarfsgerecht ausgebildet wird. Dass manche Ämter sich gegen Ideen für Ausbildungs-Netzwerke über Ländergrenzen hinweg sperren, weil sich da ja vielleicht etwas ihrem Zugriff entzieht. Dass in Ba-Wü Kostenträger bei der Finanzierung von allem und jedem mauern, damit die Verhandler Provisionen einstreichen können. Dass dieses ganze beschissene System von Gestrigen, Bremsern, Profiteuren und Lobbyvertretern zu Tode administriert und verhandelt wird, ohne dass sich an der Misere etwas ändert.

Ich kann den Satz „Das können wir nicht, weil…“ nicht mehr hören. Wir können nämlich nicht, wir MÜSSEN dringend von den hierorts tradierten Formen der Leistungserbringung weg, hin zu einem neuen System. Echter Wandel. Ich kenne ein paar Leute, die diese Trommel seit Jahren unentwegt schlagen und bewundere deren Durchhaltevermögen und Frustrations-Toleranz, denn wenn man zum einhundertsten Mal gesagt bekommt, es sei doch alles OK, es liefe doch super, man müsse doch gar nicht viel ändern, könnte man wohl ab und an schon davonlaufen – oder sein Gegenüber mal bei den Schultern packen und ordentlich schütteln, damit er sich wenigstens einmal im Vierteljahrhundert bewegt…

Das System Gesundheitswesen – speziell aber der Rettungsdienst im Südwesten – ist auf so vielen Ebenen krank, dass es mir schwer fällt, zu entscheiden, was ich zuerst nennen soll: Personalmangel auf Grund jahre-, ach was, Jahrzehntelangen Kaputt-Sparens der Strukturen durch die Kassen (Und ja, die HiOrgs sind allesamt zu einem nicht unerheblichen Teil, durch ihre „Mein Auto“- Sandkastenspielchen, mit daran Schuld)? Die mangelhafte Vereinheitlichung und Vernetzung der Leitstellen (in der die Idee, den Rettungsdienstbereich Rhein-Neckar wieder zu trennen nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ist)? Das Jahrzehntelange Mauern des DRK gegen die Installation von ärztlichen Leitern in Ba-Wü, weil man keine externe Qualitätssicherungs-Instanz haben wollte, die einem in die Karten schauen kann? Das Trauerspiel um so genannte erweiterte Kompetenzen von Rettungsfachpersonal (Stichwort Schmerzpatient)? Eine Handhabe gegen Bagatelleinsätze bzw. die Mitnahmepflicht des RD bei solchen?

Einmal mehr kann ich nicht annähernd so viel fressen, wie ich kotzen möchte, denn wenn dieses Trauerspiel nicht in den nächsten fünf Jahren endet, werde ich meinen einstigen Traumberuf an den Nagel hängen und mich irgendwo an einer  Berufsschule oder ähnlichem als Kommunikationstrainer verdingen. Denn irgendwann ist gut. Ein Weilchen noch gebe ich mir diesen Mist, dann ist Schluss. Vielleicht kann ich den einen oder anderen noch aufwecken, aber ehrlich gesagt sind meine diesbezüglichen Hoffnungen ziemlich am Ende. Sehr schade, denn eine Menge guter Leute werden unnötig verschlissen, desillusioniert und ausgebrannt durch diesen Mist. Und alles nur wegen Geld und Standesdünkeln. Facharztstandard? Dass ich nicht lache… Tschüss.

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