Das große Staunen N°4 – stur lächeln und winken!

Als wenn ich’s nicht gewusst hätte! Die letzten zwei Wochen sind an mir vorbei galoppiert wie’n Eichhörnchen auf Koks. Natürlich sagt man sich immer, dass man nach dem Urlaub erst mal langsam reinmäandern möchte, aber das ist eigentlich nicht mein Ding. Ich hasse es abgrundtief, wenn Dinge zu lange unerledigt rumliegen; und das ist nach zwei Wochen Absenz halt automatisch der Fall. Und musste mich dennoch dieser Tage schelten lassen, weil etwas so lange liegen geblieben ist, dass dies gewisse Probleme verursacht hat. Aufmerksamkeit ist schon eine merkwürdige Angelegenheit. Einerseits sind wir mit etwas Übung in der Lage, unfassbare viele kleine Dinge im Nahbereich beinahe gleichzeitig zu registrieren. Aber das große Ganze, oder auch ein Prozess, der nicht direkt vor unserer Nase liegt? Pfffft… aus den Augen, aus dem Sinn! Das ist wohl einer der Gründe, warum so viele Menschen nicht verstehen, dass auch ihr – zugegeben oft sehr kleiner – Beitrag zum Klimaschutz einen Wert hätte, wenn sie denn bereit wären, diesen zu leisten. Oder das Wählen gehen nicht nur ein demokratisches Recht ist, sondern gleichsam auch eine Pflicht, die Demokratie durch Legitimation zu stärken. Auch, wenn man nicht immer der gleichen Meinung sein mag, wie der schlussendliche Gewinner.

Gorges de Galamus

Ich versuche derzeit, meine Aufmerksamkeit so nah wie möglich bei den Dingen zu lassen, die MIR persönlich wichtig sind, weil sie mein Leben berühren; gleich, ob das jetzt primär meine Familie, meine Freunde, meine Studien oder meine Arbeit betrifft. Vorhin versuchte ich, etwas zu lesen, dass mir wichtig ist und für meine Studien hilfreich sein wird. Allerdings war ich so blöd, diesen Versuch auf meinem Handtuch, im Schatten eines Baumes an den Gestaden unseres bevorzugten Badesees zu unternehmen. An einem Samstagmittag im Frühsommer ist es da ja auch menschenler und total beschaulich, nicht wahr…? Kurz gesagt, nach fünf Minuten habe ich das Buch entnervt wieder weggelegt, weil die immer wieder zwischen Englisch und Deutsch wechselnde Konversation mehrerer Hardcore-Gamer in der Nähe mich brutal abgelenkt hat; wofür die natürlich nichts konnten, sie suchten ja auch nur Erfrischung im Grünen. Ich stelle einmal mehr fest, dass ich für bestimmte Tätigkeiten meine Solitude brauche. Das fickt mich auch immer wieder während der Arbeit. Ich sitze in meinem Büro und versuche mich gerade tief in einen Kaninchenbau hineinzudenken, auf der Suche nach einer Alice der Erwachsenenbildung – und alle verdammten fünf Minuten gibt’s irgendeine Ablenkung. So sehr ich die meisten meiner Kollegen:innen auch schätze und mag – ICH kann so NICHT arbeiten! Zumindest nicht an Projekten, die nach Hirnschmalz verlangen.

Der Input, den ich in meinem Job als Schulleiter abarbeiten muss, erfordert ein schnelles Hin- und Herfokussieren incl. Scharfstellen nach Auffinden der richtigen Brennweite, analog zum Gebrauch eines guten Reisezooms (in meinem Fall: M. Zuiko Digital ED 12-100mm F4 IS Pro). Das Problem ist, dass ich dabei – im Gegensatz zu meinen Knips-Sessions – nicht immer selbst darüber bestimme, wie viel Zeit ich mir für ein bestimmtes Motiv nehmen kann, weil es viele Stakeholder gibt, deren interessen ich im Blick behalten muss. Ist ein bisschen wie Jonglieren mit Fackeln, worin ich definitiv viel weniger geübt bin, als im Fotografieren. Daraus folgt, dass mein Job eine gewisse Fehleranfälligkeit bekommt, je mehr Prozesse unterschiedlicher Natur und Geschwindigkeit gleichzeitig am Laufen sind. Manche Menschen akzeptieren das als Entschuldigung, wenn mal was verrutscht ist, andere nicht, weil in der Geschäftswelt am Ende eines Quartals / Jahres nur das Ergebnis unter dem Strich zählt. Und ich verstehe das selbstverständlich, nehme ich meine Gesamt-Verantwortung doch durchaus ernst. Ich werde jetzt nicht behaupten, dass mich das nicht belasten würde; tatsächlich ist für mich persönlich meine erste und wichtigste Mission, sach- und fachadäquate pädagogische Qualität an die SuS / TN zu bekommen! Und ich höre in letzter Zeit immer wieder, dass es so, wie wir das täten zu teuer würde. Die ursprünglich ausgelobte Mission war jedoch eine andere. Die Parameter haben sich mittlerweile aber geändert, weil ambitionierte Projekte entwickelt werden. Geld wächst aber nicht auf Bäumen und Preise kann man genauso wenig beliebig erhöhen, wie SuS / TN-Zahlen. Das will man aber an gewissen Stellen nicht hören.

Ich will wieder dahin!

Wir bleiben nach wie vor, auch wenn das auf den ersten Blick anders wirken mag, beim Thema Aufmerksamkeit: wenn ich irgendwas anschaue, dann gibt es immer bestimmte Qualitäten eines betrachteten Objektes, die verschiedenen Betrachtern unterschiedlich stark augenfällig werden: meine beste Ehefrau von allen ist Goldschmiedin. Sie macht Dinge von erlesener Kunstfertigkeit, die nicht unbedingt zum Alltagsbedarf gehören. Nähere ich mich einem solchen Objekt, kann ich entweder die handwerkliche Arbeit und Expertise bewundern, die hineingeflossen sind, mich fragen, ob dieses Stück zu mir passen würde – oder ich hänge mich am Preisschild auf und fange an rumzunölen, dass das ja viel zu teuer sei. Das Material würde doch nur soundsoviel kosten. Die Gegenfrage ist dann immer, ob man, wenn man ein Auto bräuchte auch nur bereit wäre, die Materialien zu bezahlen, nicht jedoch das ganze Handwerk, welches sich in einem so komplizierten technischen Gerät realisiert. Viele Leute verstehen die Frage nicht, weil es ihnen vielleicht nicht an finanzieller Expertise gebricht – wohl aber an dem angemessenem Respekt für die Komplexität und das Know-How, welche es für die fragliche Leistung braucht. Wer Analogien zu meiner Tätigkeit findet, darf gerne darüber nachdenken.

Ganz ehrlich – ich hatte heute mit einem alten Freund eine kurze Konversation via Chat, die sich um die Frage drehte, ob ich nicht kürzer treten könnte. Mein Antwort war, dass das genau JETZT nicht der Fall sei, weil ich eben für bestimmte Dinge eine Verpflichtung habe, die ich erfüllen will, das Licht am Ende des Tunnels jedoch vom Jahresende aus schon langsam sichtbar wird. Und ich empfinde die eben erwähnte Verpflichtung – dies sei in aller Deutlichkeit gesagt – zuvorderst für meine Kollegen:innen und die uns anvertrauten SuS; nicht jedoch zwingend für meinen Arbeitgeber. DER muss sich langsam aber sicher genau überlegen, ob der eingeschlagene Kurs wirklich so gesund ist, wie man sich das derzeit einredet! Meine Antwort darauf ist mittlerweile leider ein klares „NEIN“! Und ich bin mittlerweile müde, dies durch die Blume zu sagen, um dabei, wie die Pinguine aus Madagaskar, stur zu lächeln und zu winken. Skipper kann mir mal den Buckel runter rutschen. Ich wünsche euch dennoch ein schönes Wochenende und viel Spaß bei dem guten Wetter. Genießen wir es, so lange es noch geht.

Auch als Podcast…

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