Jetzt essen sie Äpfel…

Ja solche Bundesparteitage sind tolle Demonstrationen, dass die Demokratie in unserem Staate noch intakt ist, dass ihre Institutionen noch funktionieren; aber auch dafür, dass ihre Funktionäre noch demokratisch sind? Mit nicht allzu plakativer Wollust wird da auf dem Podium in den sauren Apfel gebissen, der Partei eine neue Agenda, ein neues Ziel, eine Chance zur Auferstehung geben zu müssen und man nutzt als Aufhänger dafür – tada, ein kleiner Tusch muss jetzt schon sein – die gute, ökologisch einwandfreie, gesunde Ernährung als Killerthema für die kommenden Wahlk(r)ämpfe. Ja wirklich, was vollkommen Neues, Unverbrauchtes musste her. Ähm… war da nicht erst kürzlich was mit einem obligaten Veggie-day?

Ich meine, man muss Frau Merkel schon Respekt zollen: die Sozen hat sie mehr oder weniger kampflos aus deren angestammtem Kernkompetenzraum der Sozialpolitik vertrieben, die Grünen des Atomausstieges und des Umweltschutzes beraubt, die CDU zumindest nach außen hin so liberalisiert, dass die FDP sang- und klanglos untergehen musste und das Einzige, was den Grünen als Antwort, als Schärfung des Profils gegenüber der ubiquitär merkelisierten Union einfällt, ist der saure Apfel? Ein schönes Sinnbild, wie ich finde, für den gegenwärtigen Zustand unserer Demokratie. Wir werden von der Frau Pastorentochter allabendlich in den Schlaf gealternativlost und alle schauen Kernobst essend dabei zu, wie diese machtgeilheitsgesteuerte Antithese zu Charisma noch den letzten Rest Mündigkeit hinrichtet, im Namen der Gleichschaltung nach ihrem Bilde der Welt.

Ernsthaft, wo sind alternative Ideen zum nachhaltigen Wirtschaften? Glaubt jetzt wirklich jeder, dass die Art und Weise wie Herr Gabriel bei irgendwelchen Gipfeln Aktivisten abbügelt der Weisheit letzter Schluss in Sachen Energiewende ist? Wo ist der große Wurf zum Thema Bürgerrechte im digitalen Zeitalter? Welche Formen demokratischen Handelns auch für den einzelnen Bürger lassen sich im Netz realisieren, was bedeutet Netzneutralität konkret? Wie lässt sich individuelle Mobilität neu gestalten? Was könnte etwa für alternative Antriebsquellen an Fördermitteln bereitgestellt werden, damit Deutschland auch weiterhin ein Spitzenstandort in Industrie und Forschung bleiben kann?

Nur mit klaren Szenarien davon, wie unsere Zukunft unter Annahme verschiedener Entwicklungspfade aussehen könnte und was wir tun können, um auf diese Einfluss zu nehmen, werden wir fähig sein, Ideen zu entwickeln und Antworten auf drängende Fragen zu finden, die unser Leben in den nächsten Jahrzehnten nachdrücklich beeinflussen werden. Mit Sicherheit ist auch die Frage nach einer Ressourcenschonenderen, gesünderen Ernährung eine wichtige Komponente nachhaltiger Zukunftsentwicklung – aber eben nur eine von vielen. Und wenn die Grünen als Partei nicht genau so abserviert werden wollen, wie etwa die Piraten, dann sollten sie sich auf ihre Werte als Stimme für eine ökologische und gleichsam humane Entwicklung unserer Gesellschaft besinnen.

Drängende Fragen gibt es genug, man hat anscheinend nur noch nicht den Modus Operandi gefunden, diese verständlich aufzubereiten und gleichzeitig sinnvolle Lösungen anzubieten. Dafür ist man ja aber auch viel zu sehr mit internen Machtspielchen, der Aufarbeitung der eigenen Geschichte und dem Ringen um eine gemeinsame Linie beschäftigt. Und so lange man sich eben nicht mal darüber einig ist, wohin der Zug denn nun fahren soll, dürfen diese Menschen eigentlich auch in keinem Führerstand mehr sitzen! Äpfel dürfen sie ja meinetwegen weiterhin kauen…

Leitkultur

Ein einziges Wort und so viel Stress. Wann immer ich in irgendwelchen sozialen Medien den Furor wahrnehme, welcher sich regelmäßig im Hinblick auf das Bekanntwerden der Information entlädt, dass irgendwo irgendwas mit Rücksicht auf die Mitglieder hierorts vertretener fremder Kulturkreise unterlassen, zurückgenommen oder verändert wurde, keimt in mir folgende Frage auf: würde es mir etwas ausmachen? Natürlich ist meine Meinung für niemanden außer mir selbst verbindlich und ebenso natürlich werde ich einen Teufel tun, irgendjemandem sein Recht auf’s zutiefst beleidigt sein abzusprechen. Aber für die folgenden Betrachtungen ist nun mal zunächst meine eigene Denke maßgeblich.

Ganz klar, die geringste kulturelle Schnittmenge hierzulande ergibt sich mit den Muslimen, na logo… oder? Tja also ich weiß nicht, wie ich das jetzt sagen soll, aber wenn ich mir mit Blick auf meine Reisen quer durch die bunte Republik so meine hiesigen Mitbürger und ihre Mentalitäten ansehe, dann muss ich sagen, dass ich einen eher größeren Unterschied zwischen mir und einem Bayer, einem Westfalen, einem Berliner oder Friesländer ausmache, als zu meinem – zugegeben ziemlich säkular orientierten – türkischstämmigen Feinkosthändler um die Ecke. Abseits dieser Anmerkung ist aber schnell ausgemacht, dass sich hinter dem oben genannten Furor häufig eine diffuse Mischung aus Überfremdungsangst, verletztem Nationalstolz und schlichter Unkenntnis um die tatsächlichen Umstände einer solchen Rücksichtnahme verbirgt. Im Großen und Ganzen also die übliche, kleinbürgerlich-xenophobe Melange aus Stammtischparolen und existenzieller Angst „vor denen“.

Natürlich ist es ein willkommener Aufreger, wenn ein Linken-Politiker in Nordrhein-Westfalen das Sankt-Martins-Fest in Kindergärten mit Rücksicht auf die Muslimen umbenennen lassen will. „Das ist unsere christliche Kultur!“. Möchte gerne mal wissen, was Nationalismus und Christentum eigentlich miteinander zu tun haben, wenn man mal vom gelegentlich weltfremd-gestrigen Denken absieht. Jedenfalls zeigt sich hier eindrucksvoll, dass die Jahrzehnte der schwarzen „Das-Boot-ist-voll“-Propaganda ihre Erosionsspuren in den Gehirnen vieler hinterlassen haben. An dieser Stelle ein besonderer Dank an Roland Koch für seine unvergessen unnötigen Beiträge in dieser Angelegenheit. Dass natürlich ausgerechnet ein Linker in dieses Wespennest sticht, kann man jetzt als taktisch ausgesprochen ungeschickt betrachten, oder aber lauthals als Indikator für die Demokratie zersetzenden Kräfte der „EX-SED“ und ihrer linksintellektuellen Gesinnungsbrüder landauf landab nutzen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich, wie so oft, irgendwo dazwischen, auch wenn ich mal zu behaupten wage, dass die wenigsten Die Linke-Funktionäre in Nordrhein-Westfalen eine solche Parteivergangenheit haben. Aber solche Feinheiten werden von politischen Gegnern üblicherweise ja gerne als Dippelschisserei abgetan.

Den parteitaktischen Erwägungen zum Trotz geht es hier aber um etwas ganz anderes: nämlich die Frage, was Integration eigentlich bedeutet? Oder vielmehr, was sie bedeuten müsste? Über Jahre hinweg hat man sich darauf beschränkt, die damals so genannten Gastarbeiter zu importieren und dann sich selbst zu überlassen. Die daraus natürlich erwachsende Folge war eine sozialräumliche Segregation, in normalem Deutsch auch als Ghettobildung bekannt. Nein, wir haben doch keine Ghettos in der BRD! Ja sicher, wir haben auch keine viel zu große Spreizung zwischen Arm und Reich, keine marode Infrastruktur, keine Krebskranken und keine Salafisten.

Diese Menschen kamen in eine Fremde, die für den typischen Deutschen – den es natürlich nicht gibt – vergleichbar wäre mit einem Rucksacktrip durch Nepal. Dass sich gleich und gleich gerne gesellte, dass man, um sich hier besser zu fühlen, mehr oder minder homogene Einheiten bildete, erschien und erscheint immer noch logisch. Man war ja nur auf Zeit da, um Kohle zu scheffeln und dann wieder nach Hause zu gehen; aber wenigstens ein kleines Stück von der Heimat wollte man auch hier in der Fremde nicht missen müssen. Die Jahre zogen so dahin, es ließ sich ja hier auch ganz gut leben, dann kamen Kinder… der Rest der Geschichte schrieb sich von selbst und 50 Jahre später stehen wir augenreibend da und können uns nicht erklären, wieso sich da mitten im Herzen unserer Welt ganze Parallelgesellschaften bilden konnten. Nun die Antwort darauf ist einfach: weil wir sie nur zum Schuften dahaben wollten aber nie darüber nachgedacht haben, sie auch an unserer Gesellschaft teilhaben lassen zu dürfen.

So ganz platt gesagt ist das aus heutiger Sicht wahrscheinlich nicht das Klügste gewesen, aber damals kam keiner auf die Idee und sagte: „Hey, die leben hier, die arbeiten hier, die zahlen hier Steuern, die sind Teil unseres Landes!“. Stattdessen betrachten nicht wenige unsere Mitbürger mit ausländischen Wurzeln als Fremdkörper. Ganz so wie ein Bayer einen Preußen als Fremdkörper betrachtet… Integration bedeutet letztlich nichts anderes als teilhaben zu dürfen, sich nicht verstellen zu müssen, respektiert zu werden. Nicht das mich jetzt jemand falsch versteht: das gilt für beide Seiten! Teilhabe, Wahrung der Identität und Respekt für das Gegenüber; das sind die Bausteine, aus denen ein neues Deutschland für uns alle erwachsen könnte!

Womit wir wieder bei der Leitkultur wären. Für mich ist eine Leitkultur eine Leitplanke für alle verschiedenen Kulturen unter dem Dach unseres Hauses Deutschland. Auch ich bin nicht glücklich damit, wenn jemand Sankt Martin in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ umbenennen möchte. Weil ich in der hierorts fest verwurzelten, christlich-abendländischen Kultur erzogen wurde. Aber nicht, weil ich Angst davor habe, von Muslimen überrannt zu werden, sondern weil ich die Hoffnung hege, dass miteinander solche Feste zu begehen Verständnis und damit hoffentlich auch Toleranz im Herzen der Menschen mit anderer Kultur zu sähen vermag. Wozu allerdings im Gegenschluss auch gehören würde, die Gebräuche des Anderen einfach mal auszuprobieren, um ihren Sinn zu verstehen. Denn erst wenn man begreift, warum Andere die Dinge manchmal anders tun, kann man sie auch in ihrem Anderssein akzeptieren. So gedacht hätte Leitkultur für mich einen Sinn.

Der Tod ist nicht leicht…

Wer ein selbstbestimmtes Leben führt, der soll auch einen selbstbestimmten Tod haben dürfen? Ist es wirklich so einfach? Wenn wir in unsere Historie schauen, entdecken wir im Zusammenhang mit der illegitimen Tötung von Menschen, welche von den Nazis als „lebensunwertes Leben“ bezeichnet wurden das Wort Euthanasie. Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet es „leichter Tod“. Doch wie kann der Tod, der Weg über die einzige finale Grenze, die der Mensch vermutlich – hoffentlich! – nie wird überwinden können denn leicht sein? Oder allein die Entscheidung darüber, das Leben zu verkürzen, also diese Grenze früher zu überschreiten, als von der Natur vorgesehen? Selbst unter dramatischen Umständen eine schwierige und überdies sehr individuell zu beantwortende Frage.

Da vermischen sich in einer Debatte des Bundestages zum Thema philosophische, ethische und moralische Gedanken mit der Jurisprudenz und am Ende gehen doch alle mehr oder weniger mit ihrer Meinung wieder nach Hause. Ganz so, als wenn es einem anderen Menschen gegeben ist, darüber entscheiden zu dürfen, was mit mir irgendwann, wenn die Umstände möglicherweise radikaler werden als alles, was ich bislang erlebt habe, dann werden darf und was nicht! Da wird behauptet, dass man einen Markt des Todes erzeugen würde, was auf keinen Fall geschehen dürfe. Nur dass wir einen solchen Markt schon lange haben. Unsere moderne Medizin kann das Leben verlängern, hilfreich für Patienten und Angehörige Segens- und Lebensqualität spendend wertvolle Zeit schenken. Aber ebenso auf eine Art und Weise, die ohne Gnade Würde und Sinn des Menschseins vernichtet, Leiden verlängern. Tag für Tag entstehen nicht wegdiskutierbare Fakten, die alle Beteiligten an den Rand des Denkbaren und manchmal auch darüber hinaus führen.

Unsere Gesellschaft ist so beschaffen, dass wir den Tod als Unausweichlichkeit verdrängen, soweit es nur geht. Immerzu rennen wir einem vollkommen fiktiven Ideal von Vitalität und Virilität hinterher, dass uns von der Werbung, den Medien, unseren Mitmenschen, ja uns selbst suggeriert wird. Das mittels perfekter Illusionen verspricht, uns keine Gedanken über das Morgen machen zu müssen oder zu sollen, weil das hier und jetzt ja so stark, so geil, so voll Entertainment und Erlebnis ist… bis dann irgendwann die normative Kraft des Faktischen uns eines Besseren belehrt. Das Leben an sich ist ein Kreislauf, gewiss. Es entsteht immer wieder von neuem. Doch alles was einen Anfang hat, muss auch ein Ende haben. Ein Gedanke, der uns jedoch nur wenig Trost spendet, wenn wir doch noch so viel vorhaben (müssen)!

Mündigkeit in jedem Sinne ist eine schwierige Angelegenheit, denn es erfordert eine große Menge an Informationen, sowie das zugehörige Verständnis, diese auch in Zusammenhänge einordnen zu können, um zu unabhängigen Entscheidungen und somit zu einem wahrhaft selbstbestimmten Leben kommen zu können. Was für grundsätzliche Fragen des Lebens gilt, verliert im Angesicht des Todes kaum seinem Gehalt; sich bewusst dafür entscheiden zu müssen, aus dem Leben zu scheiden, bedarf der Kenntnis möglichst vieler Fakten – alles kann niemand wissen – und eines Überblicks über die verbleibenden Optionen. Das kann zugegebenermaßen den einen oder anderen überfordern, aber der übereifrige Paternalismus, welchen unser Staat in dieser Frage an den Tag zu legen im Begriffe ist, verärgert mich zutiefst. Menschen sind auch ohne medizinisches Fachwissen und einen überragenden Intellekt sehr wohl in der Lage, ihre Situation einzuschätzen, wenn man ihnen die Fakten korrekt und verständlich erklärt. Dazu ist es aber zum einen notwendig, dass so mancher Mediziner von seinem hohen Ross herunter kommt und anfängt deutsch zu reden, anstatt alles in schlau zu verklausulieren. Und zum andern, dass unser Staat endlich anfängt, die Mündigkeit und Souveränität seiner Bürger, soweit sie überhaupt noch existiert wieder anzuerkennen, bzw. sogar zu fördern. Dazu gehört eben auch, dass man selbst darüber entscheiden können sollte, wann man auf würdige Art das Hier und Jetzt verlassen will, wenn alles Sinnvolle versucht ist, einfach keine Hoffnung mehr bietet. Und dass man dafür gegebenenfalls auch Hilfe in Anspruch nehmen können sollte.

Würde. Auch so ein Begriff, der in dieser Diskussion von manchem überstrapaziert wird. Wie würdig ist es denn, die Umsetzung einer bewusst getroffenen Entscheidung zu blockieren, indem man Strafandrohungen an Jene ausspricht, die zur Hilfe bereit wären. Zweifelsfrei ist in der palliativen Versorgung noch mehr zu erreichen, weil diese ebenfalls eine große Hilfe darstellt, sich seine (viel berufene) Würde auf dem letzten Stück des Weges zu bewahren. Aber es darf nicht die einzige Hilfe bleiben, die wir Menschen in der schwierigsten Lage ihres Lebens zukommen lassen wollen. Ich glaube, dass man Menschen nicht zum Hierbleiben verdammen sollte, indem man es verbietet, beim Beschreiten – zugegeben unnatürlicher – Wege aus Leid und Elend zu helfen, Barrieren errichtet die also von potentieller Hilfe abschrecken. Weil ich denke, dass sich diese Entscheidung niemand leicht macht; immerhin hängt in aller Regel mehr als nur ein persönliches Schicksal an solch einer Frage. Was zu einem weiteren Aspekt führt: Wie ist es um das Loslassen können bestellt? Wer bespricht die zu beachtenden Aspekte mit den Angehörigen, sollte ihnen ein Mitspracherecht eingeräumt werden und wenn ja, unter welchen Umständen?

Mir ist bewusst, dass die Beachtung all dieser Fragen nach Einzelfallentscheidungen verlangt. Aber wenn es sich der einzelne Betroffene gewiss nicht leicht macht, diese Entscheidung zu treffen, sollten wir es uns – egal ob in der Position des Healthcare Professional oder als Angehöriger – auch nicht leicht machen und diese Entscheidung schlicht ablehnen, weil wir sie nicht verstehen wollen, sondern sie in aller Konsequenz akzeptieren und gegebenenfalls die Hilfestellung geben, zu der wir fähig sind, ohne Angst haben zu müssen, hernach juristisch verfolgt zu werden. Denn eine solche Angelegenheit ist auch so schon schwer genug…

Bildung in einem Fort…?

Hat definitiv nichts mit einer befestigten Militäreinrichtung zu tun, sondern damit, dass derjenige, der aufhört, lernen zu wollen damit automatisch eingesteht, dass er lieber dumm wird, bzw. bleibt. Ich kenne ein paar erlesene Leute, die leider der Meinung sind, die Weisheit schon von Kindesbeinen an mit Löffeln gefressen zu haben, überdies allerdings auch solche, die schon mit vergleichsweise jungen Jahren grau im Kopf gewesen sind. Beide Varianten nerven, weil sie einem speziell bei der Arbeit als chronische Lowperformer unnötig bremsen. Die einen, weil sie glauben sie können alles, jedoch nichts geregelt kriegen und die anderen, weil sie glauben, dass alles geregelt zu bekommen viel zu viel Aufwand wäre; selbst wenn der eine oder andere durchaus könnte, wenn er wollte.

Solche Menschen haben sich auf einer Schiene des Lebens eingefunden, die keine Weichen mehr bietet. Vielleicht sollte man fairer Weise sagen, dass es auch für diese Individuen sehr wohl Möglichkeiten gegeben hätte, etwas zu verändern; doch man hat sich so schön in seiner kleinen Nische eingerichtet, dass man diese unbeachtet links oder rechts liegen ließ, um seine eigenen – zumeist illusorischen – Ideen von richtig und falsch zu verfolgen. Die Superoberschlauen Besserwisser sind mir dabei die unsympathischeren, weil sie in der Regel mit der Attitüde daher kommen, ihren Beruf 147 v. Chr. eigenhändig erfunden zu haben; was sich allerdings in keinster Weise in ihrer Performance wiederspiegelt: die ist eigentlich fast immer grottig! Na ja und die Anderen… sind meistens entweder zu sexy for their shirt oder zu cool um sich mit Arbeit abzugeben. Es gibt mit Sicherheit zwischen diesen Negativpolen noch eine Menge Schattierungen, doch die Schatten überwiegen nach meiner Erfahrung deutlich dem Licht.

An den meisten Tagen kompensiere ich derlei einfach weg. Entweder indem ich einfach meinen Job mache, wie ich es für richtig halte und das Genöle ignoriere, während ich die Fehler anderer ausbügele. Oder einfach geduldig das Schichtende erwarte und alle Verantwortung weit von mir weise, wenn’s mal hart auf hart kommt. Man entwickelt im Laufe der Jahre nicht nur einen dicken Bauch, sondern auch ein dickes Fell. Mal abgesehen davon, dass ich mir bei den verschiedensten Situationen in meinem Job halt nicht aussuchen kann, mit wem ich es gerade zu tun habe. Das hat das Gesundheitswesen nun mal so an sich. Bei den casual occasions am Wasserloch merkt man mir zumeist nicht wirklich an, was ich über so manchen denke, weil ich eigentlich nur ungern Menschen wehtue. Außerdem muss ich mit ein paar von denen noch zusammen arbeiten, da genügt es schon, dass sie dämlich sind, ich muss sie nicht auch noch gegen mich aufbringen. Wenn das schon als Nettigkeit qualifiziert, bin ich ein ziemlich netter Typ. Vielleicht ein bisschen zynisch, aber nett…

Nun gibt es aber jene Gelegenheiten, bei denen man solchen Kollegoiden ausgeliefert ist, ohne Chance, dem Unvermeidlichen zu entgehen: ihnen dabei zusehen zu müssen, wie sie das tun, von dem sie denken, es sei genau richtig. Die vom Arbeitgeber veranstalteten Fortbildungen sind solche Gelegenheiten. Da ist, zumindest für mich, von Fremdschämen bis richtig handfest Aufregen alles dabei, wenn die Besten der Besten sich wieder anschicken, die Welt mit ihrem Scheiß zu beglücken. Nicht nur, dass ihr Auftreten nervt, diese selbstverliebte Selbstverständlichkeit und Jovalität, mit der sie versuchen, allen ihre Sicht der Dinge aufzuzwingen. Was mich aber noch viel mehr ankäst ist, dass sie mal mehr, mal weniger absichtlich Unterricht sabotieren, der mich interessiert, indem sie die wirklich allerblödesten Fragen oder Anmerkungen parat haben, oder durch ostentativ demonstriertes Desinteresse alle runterziehen. Da könnte ich jedes Mal schreiend davon laufen.

Darum dieses Mal gleich im Vorfeld: Menschen die mich nerven, oder meinen mich mit Meinungen oder Heldengeschichten zutexten zu dürfen, die mich einen Dreck interessieren, werden in Zukunft abgefertigt. Ich habe keine Lebenszeit mehr übrig für Spacken, die sich nur im Glanze ihres unberechtigten Narzissmus sonnen wollen, oder meinen alles schon besser zu wissen als irgendjemand sonst! Ich weiß, dass ein wenig Demut jedem gut steht und ich kann nur empfehlen, das mal selbst zu versuchen: low profile halten, zuhören wenn man was vom Profi erklärt bekommt, mitmachen, wenn es was zu Üben gibt und nicht sich selbst oder andere ablenken. Zeit zum dumm babbeln ist immer, aber eben nicht nur…

Introspektion reloaded…

Ich bin eine Rampensau! Man könnte dieses Fakt freundlich umschreiben und zum Beispiel sagen, dass ich mich manchmal ganz gerne ein wenig vordrängle; oder das es mir vielleicht dann und wann echt schwer fällt, nicht einfach mit Anlauf ins Rampenlicht zu springen. Aber ganz gleich, wie viel Euphemismus man auch einsetzen mag, ich bin jemand, der von sich gerne denkt, dass da wo er ist, vorne sein muss. Das kann durchaus charmante Züge annehmen. Es fällt mir selten schwer, die Leute mit einem markigen Spruch oder ein bisschen Stand-up-Comedy abzuholen, um sie zu unterhalten; vielleicht manchmal auch, um ihnen meine Denke nahe zu bringen. Das Problem ist, dass ich genau deswegen oft nicht Fünfe gerade sein und mal Andere machen lassen kann. Was einerseits die Gefahr der Redundanz in sich birgt, andererseits Jenen, die nicht so vehement vorwärts preschen, wie ich das zu tun pflege, den Raum zu agieren nimmt. Und das bedauere ich zutiefst!

Ich mache das ja nicht, weil ich böse bin und denke, dass diese Anderen es nicht drauf hätten. Im Gegenteil gehe ich bei (fast) jedem Menschen zunächst davon aus, dass er beziehungsweise sie genau wie ich einfach nur ein Mensch ist, der seine Sache – gleich welche Sache – ganz ordentlich macht und sich den üblichen Regeln des Zusammenlebens entsprechend zu benehmen weiß; ruhig aber nicht vollkommen passiv, höflich aber nicht devot, beflissen aber nicht servil, aufmerksam aber nicht speichelleckerisch, und so weiter… na sie wissen schon. Dieses Vorschussvertrauen wird üblicherweise bis zum Beweis des Gegenteils der ersten Annahme aufrechterhalten. Personen, die nicht in den Genuss dieser Behandlung kommen, haben das Pech, dass ich, genau wie jeder andere Mensch auch leider bezüglich bestimmter Sachverhalte und Personen Vorurteile habe. Man kann in mancherlei Hinsicht einfach nicht aus seiner Haut, auch wenn das vielleicht angebracht wäre…

Was jedoch mich betrifft, so brennt in mir ein Feuer. Das klingt jetzt sicher pathetisch und wenn man mich so anschaut, würde man vermutlich eher an ein Häufchen Grillkohle anstatt eines beachtlichen Osterfeuers denken. Doch tatsächlich bin ich ein eher unruhiger Geist und sehr häufig auf der Suche nach Stimuli. Da ich irgendwann beschlossen habe, dass bewusstseinserweiternde Substanzen abseits von alkoholhaltigen Getränken für mich nix sind, extreme Sportarten wie Downhillbiking, Fallschirmspringen und Ähnliches mich nicht reizen und ich dafür überdies NULL Begabung habe, blieb neben kognitiven Herausforderungen noch das soziale Feld… darauf kann ich gut spielen und tue es auch sehr gerne, was aber dazu führt, dass ich – deutlich öfter, als mir lieb ist – Menschen mit meiner Präsenz an die Wand fahre.

Nur, um dies als Teil meiner Entschuldigung in Positur zu bringen: ich plane sowas nur höchst selten, das passiert einfach. Menschen sagen irgendwas und vor meinem geistigen Auge klappt, wie bei Windowsprogrammen so ein Dropdown-Menü runter, mit zwischen drei und sieben wahlweise gaghaltigen, bösartigen, lustigen oder ironischen Kontern. Manchmal mischen sich auch mehrere der vorgenannten Optionen und mein launiges Konversationsstammhirn feuert munter drauf los, oft ohne vorher mögliche Folgen abzuwägen. Oh doch, ich kann durchaus diplomatisch sein, mich vorsichtig erklären, auf Menschen zugehen und sie auch gewähren lassen. Es gibt aber zwei Typen von Situationen, in denen dieses Feature meiner Persönlichkeit unwillkürlich zuschlägt: wenn ich mich wohl fühle und merke, dass jemand mitzieht, brenne ich gerne mal ein Feuerwerk an Albernheiten ab. Falls mein Gegenüber aber eher passiv ist, kann es passieren, dass ich die Person durch meine Worte und Handlungen dominiere, ihm oder ihr meine Deutung der aktuellen Situation aufnötige und entsprechend meiner jeweils gezogenen Schlüsse ohne ein weiteres Wort handle; auch wenn das bedeutet, dass ich mich später einer Diskussion stellen muss, wenn der derart überfahrene nämlich festgestellt hat, was ich gerade abzuziehen die Stirne besessen hatte.

Man muss keine Intelligenzbestie sein, um erahnen zu können, dass mich das gelegentlich in Schwierigkeiten bringt. Menschen, die sich von mir in irgendeiner Weise unangemessen behandelt oder benachteiligt fühlen, sind was Unschönes, egal ob sie ihren Frust verbalisieren oder nicht. Denn ich merke oft sehr wohl, dass ich über das Ziel hinaus geschossen bin. Aber zum sich entschuldigen können gehört eine Größe, an der es mir manchmal ebenso mangelt, wie an der Bedachtsamkeit, welche die Notwendigkeit einer Entschuldigung verhindern könnte. Daher sei es auf diesem Wege als digitaler Dispens erbeten: wenn ich in letzter Zeit jemanden zu sehr überfahren haben sollte, tut es mir ehrlich und aufrichtig leid! Ich versuche mich zu bessern. Nur das spontane Reißen bösartig-ironischer Witzchen, das werde ich wohl nie ablegen können. Ironymus ist halt mein zweiter Vorname…

Smalltalk statt serious content?

Wir haben an dem Tag, da ich diese Worte schreibe den 19 Oktober und ich sitze in T-Shirt und kurzer Hose im Garten. Eigentlich ist es ja eher nicht mein Ding, mich zum Wetter zu äußern, denn bei diesem Thema gibt’s wenig argumentative Arbeit. Das Wetter ist wie das Wetter ist wie das Wetter. Andererseits soll man ja an den Klimadaten schon sehen können, wohin unsere Treibhausgaserei uns noch führen wird; nämlich ins Armageddon. Hm… es gehört auch nicht unbedingt zu meinem Portfolio Katastrophenszenarien zu entwerfen, wie das amerikanische Doku-Sender immer wieder tun. Kann man super an unseren Nachrichtenkanälen beobachten, wenn man mal nicht zur Primetime einschaltet. Da ist vom Meteoriteneinschlag, über Sonneneruptionen, Aliens und natürlich auch Klimakatastrophen und Kriege alles dabei, was das Herz zum Verdüstern braucht. Früher hat man sich zum Gruseln Freddy Krüger oder Jason Vorhees reingezogen, heute reichen dazu wenig seriös aufgemachte Dreiviertelstünder auf dem Newschannel. Es verwundert auch wenig, dass alle 12-13 Minuten Werbepause ist. Das folgt dem schon lange bekannten Muster, den Konsumenten zu immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen zu erziehen. Denn wer ungeduldiger ist, kauft öfter Neues, weil die Befriedigungsdauer zusammen mit der Aufmerksamkeitsspanne ebenso sinkt.

Aber allen potentiellen Katastrophen zum Trotz – fiktiven, wie wahren – gilt das Wetter als Part des Smalltalks, des gepflegten Austausches von Unwichtigkeiten. Nun gehört zur Fähigkeit der Konversation – und zu dieser Disziplin zählt auch der Smalltalk – die Kenntnis um die korrekte Unterscheidung von nichtig und wichtig, sowie ein Grundverständnis für größere Zusammenhänge. Nichts ist für mich bei einem Gesprächspartner nervtötender, als feststellen zu müssen, dass hinter einigen Allgemeinplätzen und viel heißer Luft wenig substantielles bleibt, was die Hoffnung auf eine interessante und eventuell sogar tiefschürfende Unterhaltung nähren könnte, nachdem das gefällige Blendwerk abgebrannt wurde. Ich habe kein Problem, wenn jemand zu einem Thema nichts beizutragen weiß, es gibt jede Menge Dinge, von denen ich nicht den leisesten Schimmer habe. In solchen Fällen soll Zuhören helfen, denn dabei kann man unter Umständen etwas lernen. Was ich jedoch auf den Tod nicht ausstehen kann, sind Menschen, die versuchen, sich mit gefährlichem Halbwissen, ein bisschen Hörensagen und einem aufgeblähten Ego in jede sich bietende Kommunikationssituation zu drängen; wenn man mit den Wölfen heult, sollte man auch wissen, wie gebissen wird.

Abseits dieses Exkurses findet man rasch wieder zur eigentlich interessierenden Frage: ist das Wetter ein Thema für Smalltalk, oder vielleicht doch serious content. Und die ist aus meiner Sicht ganz einfach zu beantworten. Wenn man nur wenig Ahnung davon hat, sollte man es beim Smalltalk belassen. Ich bin kein Meteorologe, Physiker und was weiß ich, was für Fachrichtungen sich noch damit befassen … als Dendrochronologen tätige Botaniker kämen vermutlich auch noch in Betracht. Daher kann ich zum Thema Klimawandel aus wissenschaftlicher Sicht nichts Sinnvolles beitragen. Allerdings regt mich die aus meiner ganz persönlichen Sicht ungewöhnliche Witterung zum Nachdenken an. Und alsbald bin ich wieder bei der einen Frage, die mich in der letzten Zeit dauernd umtreibt: wann werden jene, die angetreten sind, uns zu regieren – oder auch zu beherrschen, das hängt ja immer von der jeweiligen Perspektive des Handelnden ab – endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir Menschen wichtiger sind, als jedwedes geopolitisch-wirtschaftliche Machtinteresse? Weil wir Menschen jeden Staat auf dem Erdenrund konstituieren. Und weil wir, diese Menschen, jeder in sich drin, einfach nur Menschen sind, mit menschlichen Bedürfnissen, Interessen und Sehnsüchten, menschlichen Konflikten, Sorgen und Problemen.

Aus dieser Sicht könnte es eigentlich egal sein, ob man Smalltalk macht, der Menschen einander näherzubringen helfen kann, oder ob man über ernsthafte Themen redet, die uns alle angehen. Eigentlich hat jedes Sujet diese zwei Seiten, doch ob man mit der Medaille richtig umgehen kann bestimmt, ob wir miteinander auskommen oder nicht. Immer wieder von der einen Ebene zur Anderen wechseln zu können, ohne Brüche zu erzeugen, ohne das Interesse oder den Respekt für das Gegenüber zu verlieren; erst dieses Verständnis stiftet ein Miteinander. Doch solange so viele Individuen Kommunikation als Ort der Selbstdarstellung missbrauchen, anstatt in einen ehrlichen und respektvollen Dialog einzutreten, solange das Ego alles Handeln diktiert und jedes Gespräch wie ein Kampf geführt wird, bleiben wir weiter mit Highspeed auf dem Highway der Missverständnisse und Konfrontationen – zu schnell, um je eine Ausfahrt erkennen zu können. Lehnt euch doch alle mal zurück und versucht euch selbst beim Reden zuzuhören. In diesem Sinne, eine schöne Woche.

Kampf dem ISmus…

An humanitäres Elend haben uns die Nachrichten in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt. Ich kann mich an kaum eine seriöse Nachrichtensendung der letzten dreißig Jahre – oder wie lange ich das schon halbwegs bewusst verfolge – erinnern, in der nicht von der einen oder anderen Ecke der Welt die Rede war, die gerade niederbrannte. Fast scheint es, als wenn die Zahl der Hiobsbotschaften sich in den letzten Jahren stetig nach oben entwickelt hätte. Die Krisen wechselten einander zumeist im Monatstakt ab, die eine oder andere kam und blieb – mehr oder weniger ungelöst bis heute – aber daran hat man sich gewöhnt. Politiker brauchen solche Krisen, oder zumindest die Bilder davon in den Köpfen der Menschen, denn ohne substantielle Existenzängste kommt das Volk womöglich auf die Idee, nach mehr Demokratie zu fragen. Manchmal passieren auch bemerkenswerte Dinge, die zunächst Hoffnung schüren; wir erinnern uns vielleicht an die Büchse der Pandora. In einer Version des Mythos war das letzte Übel, welches daraus entfleuchte und auf die Welt losgelassen ward, die Hoffnung.

Der arabische Frühling von 2011 war so ein Ereignis. Beschaut man sich heute nüchtern die Ergebnisse, wurde wohl doch der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. In Tunesien ringt man tatsächlich bemüht um Demokratie, doch das soziale Elend ist seit dem Fall der Autokraten erheblich gewachsen, weshalb Tunesier auch einen nicht unerheblichen Teil der IS-Truppen stellen. Krieg ist besser als gar kein Job. Libyen liegt im Chaos. Keine zentrale Regierungsgewalt, verschiedene mehr oder weniger radikale, islamische Milizen ringen um die Macht und das soziale Elend ist seit dem Fall der Autokraten erheblich gewachsen. In Ägypten regiert faktisch wieder das Militär, was keinen nennenswerten Unterschied zum alten Regime macht, mit einem Unterschied: das soziale Elend…; Moment habe ich das gerade eben nicht schon mal gesagt? Und Syrien? Wäre das Elend, welches im Beharren auf die alten Strukturen vom Regime Assad über die Zivilbevölkerung gebracht wurde, nicht so niederschmetternd, könnte das Ganze auch einem Film von Sascha Baron Cohen entsprungen sein, so vollkommen überzogen wirkt die Rhetorik des Autokraten.

Und nun der Islamische Staat. Es ist die Schuld einer Koalition gegen den Terror, dass dieses Regime des totalen Terrors überhaupt entstanden ist. „There are weapons of mass destruction in Iraq!“. Diese eine, perfide orchestrierte Lüge hat die ganze Region ins Chaos gestürzt. Ich sage nicht, dass zum Beispiel das Regime von Saddam Hussein irgendeine Form von Rechtsstaatlichkeit gehabt hätte und die Verbrechen an den Kurden im Norden des Irak waren zweifellos furchtbar. Aber dieses Regime zu stürzen und sich dann, als ruchbar wurde, dass ein solcher, asymmetrischer Konflikt selbst für die höchst entwickelte Streitmacht unserer Welt nicht zu gewinnen ist, überstürzt zurückzuziehen, weil die Inlandsumfragen schlechte Werte für den Präsidenten verkündeten, beinhaltet eine ganze Kette historischer Fehler. Vom Kampf gegen die Taliban in Afghanistan, an dem unsere eigenen Truppen beteiligt waren kann man auch nicht behaupten, dass er ein voller Erfolg gewesen wäre. Zwar sind dort die extremen Kräfte gegenwärtig trotz all ihrer grausamen Bemühungen nicht in der Lage, das Blatt entscheidend zu wenden, aber Frieden sieht anders aus!

Historische Dramen kennen Sieger und Verlierer. Doch im Kampf gegen IS gibt es keinen Sieg, weil keine Schlachten geschlagen werden. Die Nomenklatur vergangener Konflikte hier anzuwenden ist schlicht falsch, denn die Truppen des islamischen Staates sind zum größten Teil feige aus dem Hinterhalt agierende, hochmobile, gut ausgestattete Guerillas, die organisiertes Verbrechen wie Prostitution, Glücksspiel, Menschenhandel und Schmuggel nutzen, um ihre Terroroperationen zu finanzieren; und das im Namen wahren Glaubens. Eigentlich ist der IS nichts weiter als eine große Mafiabande, nur dass sie ihre Exekutionen öffentlich vornehmen. Die Unterschiede zu anderen Staaten in der Region, wie etwa Saudi Arabien, die ja „wichtige Verbündete“ darstellen, sind übrigens marginal. Nur bei den Saudis sieht man nicht alltäglich im hiesigen Fernsehen, wie deren Frauen unterdrückt und alle mit einer abweichenden Meinung drangsaliert, eingesperrt und gefoltert werden. Die Türkei sieht zu, weil sie hofft, dass der IS Bashar al Assad endgültig das Rückgrat bricht. Man hofft von diesem Machtvakuum in Syrien zu profitieren und wartet, während Unschuldige abgeschlachtet werden. Der Westen bombardiert, wie stets mit „chirurgischer Präzision“ dort, wo er den Feind vermutet, scheut sich aber, Bodentruppen zu schicken, weil man ein Desaster wie im Irak oder in Afghanistan befürchtet, wo all die Macht zu nichts nutze war, weil man sich den Taktiken des Feindes nicht anzupassen wusste.

Dieser Konflikt offenbart nicht nur die tatsächliche Unfähigkeit des Militärs, gegen Verbrecher zu kämpfen, sei es aus organisatorischen, technischen oder ideologischen Gründen, sondern auch die Unfähigkeit der Politik, auf grundlegende Fragen des 21. Jahrhunderts Antworten zu geben: Wie geht man mit radikalfundamentalistischen, staatsfeindlichen Strömungen, gleich welcher Couleur um? Wie bringt man Gläubige verschiedenster Religionen und eher säkular orientierte Menschen zusammen, ohne dass sie anfangen, sich gegenseitig umzubringen? Wie viel Rede- und Meinungsfreiheit muss eine vitale Demokratie gewähren und ab wann muss sie einschreiten? Wie bringt man die Politik dazu, endlich den Menschen, welche jeden Staat konstituieren die Priorität vor geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen einzuräumen, die ihnen schon immer zusteht?

Wie viele Unschuldige müssen diese Verbrecher noch abschlachten, bevor man einfach das tut, was jetzt – zumindest aus meiner Sicht – das sinnvollste wäre: nämlich alle, denen Gefahr durch den islamischen Staat droht, in Sicherheit bringen, den IS im dann verbleibenden Territorium international isolieren, alle Ressourcen- und Finanztransaktionen unterbinden und ihnen dann gelassen dabei zusehen, wie sie sich selbst zu Grunde richten! Das bedürfte einer gewissen Geduld und mit Sicherheit hätte man dort noch ein, zwei Jahre Zulauf. Aber wer drin ist, ist drin und darf auf eigenes Betreiben mit untergehen. Und wenn dieses politische Großexperiment beendet wäre, hätte man ein Exempel für die Weltgemeinschaft, wie es NICHT geht. Ob wohl irgendjemand etwas daraus lernen würde? Da es aber am Mut, an der Entschlossenheit und dem Interesse an den Menschen mangelt und stets nur geopolitisches Kampfschach gespielt wird, darf das Krebsgeschwür weiter wachsen und noch viele vergiften bzw. töten. Und wenn der Terror endlich auch in unseren Straßen angekommen ist, beginnt man vielleicht darüber nachzudenken, dass isolationistisches Denken à la „mein Staat, dein Staat“, keine Zukunft mehr hat. Schöne Woche noch…

Ist Forschung sozial?

Das ist so eine Sache mit der Sozialforschung. Ich musste mich im letzten Jahr damit befassen, da ein Studium der Bildungswissenschaft zwangsläufig nach einer gewissen Methodenkenntnis verlangt. Ich käme nie auf das schmale Brett, mich bezüglich Statistik mit einem Psychologen oder Soziologen vergleichen zu wollen, die machen ja bekanntlich fast alles damit; egal, ob es Sinn macht oder nicht. Aber wenn ich so auf meine Studien zurück blicke, komme ich nicht umhin, mich zu fragen, was genau ich da gelernt habe…

Dies soll kein despektierlich‘ Reden sein, aber mein Vertrauen in die Möglichkeiten der Sozialforschung wurde, zumindest hinsichtlich der quantitativen Methoden, eher erschüttert denn aufgebaut. Was eventuell daran liegen könnte, dass die zwangsläufig mit klassischen Erhebungsmitteln wie etwa Fragebögen einher gehenden Simplifikationen meines Erachtens die subjektive Perspektive derart beschneiden, dass es kaum möglich bleibt, sinnvolle Erkenntnisse über deren Bedeutungszuschreibungen zu gewinnen. Denn das Subjekt – oder in Normalsprech der Mensch – soll doch sein, worum es bei „Sozial“-Forschung gehen soll … oder? Nun ist es so, dass es in der wissenschaftlichen Welt einen sehr langen und umfangreichen Disput darüber gibt, auf welche Art man soziale Sachverhalte erforschen kann und soll. Ich habe offensichtlich aus meinen Erfahrungen und Studien heraus eher eine Verbindung zu den, so genannten qualitativ-interpretativen Ansätzen entwickelt, was daran liegen mag, dass ich die Zuverlässigkeit statistischer Instrumente für fragwürdig halte, sobald es um die Erfassung des sozialen Binnenraumes geht.

Warum ich davon spreche? Ich hatte neulich eine zugegeben zu kurze Online-Diskussion mit einem Sozialwissenschaftler, der den Bologna-Prozess – also die Entwicklung hin zu Europaweit einheitlichen Bachelor- und Masterabschlüssen an Universitäten – für totalen Käse hält, weil die Vergleichbarkeit der Ergebnisse einzelner Studenten nicht gegeben sei. Er meinte, es gäbe keine einheitlichen Qualitätskriterien, es würde nur innerhalb einzelner Kurse bzw. Jahrgänge gemessen, was diese neuen Bildungsabschlüsse entwerten würde. Das hat mich natürlich schon nachdenklich gemacht, weil er damit irgendwie meine neben einem Vollzeitjob her betriebenen, durchaus anstrengenden Fortbildungsbemühungen quasi en passant für wertlos erklärt. Das hat mich vor den Kopf gestoßen!

Die Diskussion drehte sich auch um Sinn und Unsinn unseres Bildungssystems in seiner jetzigen Form aber das führte hier zu weit. Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Forschungsergebnisse in den Sozialwissenschaften sind IMMER erheblich von der Deutungsperspektive des Forschers und der Wahrnehmung durch die Rezipienten abhängig. Somit ist es Verschwendung von Papier oder Online-Bandbreite, einfach irgendwelche – womöglich auch noch aus dem Zusammenhang gerissene – Kennzahlen für den Wert von Bildung zu zitieren. Die Biographie, sowie Lebens- und Arbeitsumstände des Forschers nehmen genauso Einfluss auf den Zuschnitt von Forschungsvorhaben, wie dies die Wahrnehmung durch die Scientific Community in Bahnen lenken kann; vom Erkenntnisinteresse des Auftraggebers irgendeiner Studie ist hier noch nicht einmal die Rede. Dass man mittels Daten das Eine oder das Andere „beweisen“ kann, wenn man sich nur Mühe gibt, sieht man an der Qualität so mancher Studie, die dann gerne im Marketing genutzt wird. Ein Blick auf Volker Pispers Beitrag zum Thema McKinsey kann hier helfen, die Augen zu öffnen.

Es liegt mir fern, jemandem, der schon deutlich mehr akademische Meriten gesammelt hat als ich, ans Bein pissen zu wollen. Aber hinsichtlich des Wertes von Diesem oder Jenem stelle ich lieber mal eigene Beobachtungen an. Und mit einem durch zwei Jahrzehnte Arbeit mit Menschen durchaus gut geschulten Blick auf allzu Menschliches verlasse ich mich manchmal auch – vollkommen unwissenschaftlich – auf meine Intuition. Es erscheint mir daher auch allzu billig, auf das „verschulte“ Studium durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse zu schimpfen, wenn eigentlich die Verantwortung für die individuelle Qualität des Abschlusses, übrigens auch schon zu Zeiten von Diplom und Magister vor allem beim Studiosus selbst zu suchen wäre. Vielleicht wäre es hilfreich, das System auf den Prüfstand zu stellen; aber eben nicht nur das System, sondern auch die Menschen, welche es konstituieren. In diesem Sinne eine schöne Woche!

Sharia-Polizist oder Schützenkönig?

Medialer Furor bezüglich religiöser oder politischer Phänomene abseits des Mainstreams ist in unserer Gesellschaft Alltagsgeschäft. Menschen, welche sich durch nicht gesellschaftlich konzessioniertes Verhalten abheben, werden in aller Regel sofort dämonisiert, mindestens aber als abschreckendes Beispiel gehandelt. Da haben wir nun Sven Lau und seine Sharia-Polizei, die einstweilen von Wuppertal nach Düsseldorf weitergezogen ist und mit weniger auffälliger Tracht aber mindestens eben so viel staatsmächtiger Aufmerksamkeit ihrem in aller Welt Augen seltsamen Geschäft nachgeht. Und es ist eigentlich ein Riesenblödsinn, diesen Typen so viel Aufmerksamkeit zu widmen, denn genau das wollen sie.

Man muss nicht allzu viel vom Islam verstehen, um begreifen zu können, dass die salafistisch indoktrinierte Auslegung des Koran ideologischer Hardcore-Fundamentalismus ist, der die Rechte der Frauen auf Gleichberechtigung ebenso negiert, wie die Toleranz gegenüber anderen Religionen oder Lebensstilen. Nun ist unser Lebensstil – vulgo dass, was den Salafisten westliche Dekadenz heißt – durch und durch säkular. Der durchschnittliche Bundesbürger gehört formell einer Religionsgemeinschaft an, lebt vielleicht auch deren Gebote, zumindest soweit es nicht mit seinen persönlichen Befindlichkeiten kollidiert und besucht Gotteshäuser zu den üblichen Gelegenheiten, was sich bei den Meisten, genau wie bei mir in Hochzeiten und Todesfällen erschöpfen dürfte. Dass ich Sakralbauten auch gerne als Fotomotiv nutze, dürfte bekannt sein. Der Punkt, den ich aber gerade zu verdeutlichen suche, ist folgender: einem guten Stück der Bundesbürger ist die organisierte Religion als Selbstzweck Wumpe. Was vermutlich auch an der hierorts tiefgehenden Entkopplung von Staat und Kirche liegen dürfte, die in unseren Breiten aber auch noch nicht so lange anhält.

Was nun diese jungen Männer mit der auffallend mächtigen Gesichtsbehaarung und dem Missionierungstrieb angeht, so haben sie, zumindest Angaben staatlicher Behörden zu Folge den Anschluss an die Gesellschaft verpasst. Oft stark segmentierte Bildungs- und Berufskarrieren, verschiedene kleinere Delikte und mangelnde soziale Fähigkeiten kulminieren häufig in der Selbstfindung durch eine Gruppe, die – vollkommen im Gegensatz zu unserer Gesellschaft – starke Regeln, mögliche Identifikationsfiguren als Führer und die Verheißung einer besseren Zukunft in sich trägt. Dass die Quelle dieser Ideologie, nämlich der Koran, genauso wie jedes andere heilige Buch im Kontext seiner Entstehungszeit gesehen werden muss und im Wesentlichen auch die Nächstenliebe als hohes Gut propagiert, wird bei der wörtlichen Zitierung des Missionierungsgebotes gerne unterschlagen. Menschen, die sich von einer materialistischen Gesellschaft zurück gelassen fühlen mit religiösen Heilsversprechen zum Kampf aufzurufen ist ein Muster, das ein wenig an die Rekrutierungspraxis der christlichen Kreuzzüge im Hochmittelalter erinnert. Insofern ist der erhobene Zeigefinger durch allzu christliche Menschen vielleicht auch nicht so angebracht.

Das Problem sind nicht ein paar Kerle, die angesichts ihrer prekären sozialen und wirtschaftlichen Situation Erfüllung darin suchen, im Schoß einer Gemeinschaft Stärke zu fühlen, die sie im Leben anders bislang nicht zu erlangen fähig waren. Das Problem ist auch nicht der Zuspruch, den sie durch Andere erfahren. Junge Männer, die offensichtlich von ihrem Testosterongetränkten Machismo getrieben in die Kameras des Privatfernsehens stammeln „das die Recht haben, die Mädchen gehörten ja Abends schon irgendwie nach Hause“. Natürlich zur besten Sendezeit und genauso geschnitten, dass unsere Migrationsmitbürger mal wieder als ewig gestrige Frauenhasser rüberkommen. Derlei Berichterstattung ist ja vollkommen unparteiisch… Ebenso wenig ist die Sprengkraft der Angelegenheit auf die Nazis beschränkt, die derlei Tun unaufhaltsam auf den Plan ruft. Die kommen eh bei jedem Wetter aus ihren Löchern, wenn sie Ausländer klatschen dürfen; egal ob mit oder ohne Grund. Doch das sind alles nur Symptome.

Und zwar dafür, dass unsere Gesellschaft es immer mehr verlernt, sinnvolle Antworten auf die Fragen der Zeit zu finden. Dafür, dass es den Menschen an Vorbildern mangelt, die in der Lage sind Werte zu vermitteln. Ich rede dabei nicht von Tugend, Pflichterfüllung und Gehorsam sondern von Solidarität, Ehrlichkeit und Kreativität, sowie dem Bestreben und Durchhaltevermögen, seine Träume wenigstens zum Teil Realität werden zu lassen. Überhaupt mangelt es uns an Träumen. Einmal mehr muss ich Herrn Steinbrück meine Geringschätzung dafür zollen, dass er Visionen für unnütz hält. Schließlich aber sind die Scharia-Polizisten ein Hinweis darauf, dass unsere Gesellschaft Wandel dringend nötig hat, denn Schützenkönige brauchen wir ebenso wenig, wie diese bärtigen Wirrköpfe.
[PS: Wer den letzten Satz nicht verstanden hat, rufe sich ins Gedächtnis, dass die Brauchtumspflege oft genug auch ein Hort für reaktionäres, wenig der Zukunft zugewandtes Gedankengut ist. Ich habe nichts gegen Traditionen, aber viel zu oft erstarrt mit den Ritualen und den Trachten auch der Geist…]

Schwächen hat jeder…

…ob es allerdings auch sinnvoll ist, sie zu offenbaren, ist in den Augen der meisten Menschen höchstwahrscheinlich vom jeweiligen sozialen Kontext abhängig. Neulich hat jemand, den ich kenne sich ein wenig darüber belustigt, dass eine deutsche Zeitung dazu aufrief, bei Bewerbungsgesprächen doch auch auf seine persönlichen Defizite einzugehen; ich habe den betreffenden Artikel nur überflogen, würde jedoch meinen, dass dies einen Aufruf zu mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Dritten konstituieren soll. Quasi eine Erinnerung daran, dass es Tugenden gibt, die mit den rein ökonomischen Aspekten des Arbeitens nichts zu tun haben. Kant würde sagen, dass es nur dann ein moralisches Handeln gibt, wenn man sich der Pflicht dazu hingibt, richtig zu handeln und nicht wenn man es tut, weil es einen voran bringt. Und richtig handeln bedeutet in Kant‘schen Kontext, jeden Menschen auf Grund seiner angeborenen Würde als vernunftbegabtem Wesen Achtung entgegen zu bringen – wozu eben auch gehört, sein Gegenüber nicht zu belügen.

Eigentlich kann ein Aufruf zu mehr Aufrichtigkeit speziell bei Menschen in leitenden Positionen doch nie verkehrt sein, würde man im ersten Augenblick denken. Doch ich denke, es ist oft nicht so sehr ein echter Mangel an Tugend, der dem einfachen Ottonormalverbraucher einen Chef als… nun sagen wir mal von Grund auf Suspekt erscheinen lässt. Wir neigen nur einfach dazu, Menschen mit höherem Einkommen (und übrigens auch mehr Verantwortung) Unaufrichtigkeit in Reden und Handeln quasi als Grundvoraussetzung für das Erreichen einer höheren Position zu unterstellen. Ich weigere mich das zu glauben. Weil wir Menschen entgegen der Hobbes’schen Philosophie nicht von Grund auf schlecht sind; wir haben vielleicht die Tendenz, uns durch verschiedene Anreize korrumpieren zu lassen, aber auch dabei gilt, dass es schwächere und stärkere Charaktere gibt. Aber jemand, der eine gewisse Position erreicht hat, kam dort in den meisten Fällen durch harte Arbeit hin und erwartet – nicht ganz zu Unrecht, wie ich meine – für seine Leistung respektiert zu werden. Das tun wir alle auf die eine oder andere Weise. Aber bei jemandem, der zumeist eine gesellschaftlich höhere Position innehat, sträuben wir uns dagegen, das anzuerkennen, weil wir, aus welchen Gründen auch immer – Neid käme aber wohl durchaus in Frage – das Recht auf diese Position bezweifeln.

Von daher verwundert es nicht, dass ein solcher Artikel, der eben nach mehr Aufrichtigkeit verlangt unsere populistischen Instinkte anspricht: „JA, zeig schon her, was mit deiner ach so weißen Weste alles nicht stimmt!“. Nun ja, was soll ich sagen, Stammtischparolen waren mir schon immer fremd. Ebenso bezweifele ich aber, dass jeder Personaler diesen Kandidaten sofort als untauglich abhakt, nur weil er zugibt, einen menschlichen Makel zu haben. Zugegeben entspräche genau das dem allzu stereotypen Bild, welches wir von der Unmenschlichkeit der Arbeitswelt haben, doch auch hier empfiehlt es sich, nicht alle über einen Kamm zu scheren. Vielleicht ist das Zugebenkönnen ein erster Schritt hin zu einem achtungsvollen Umgang miteinander, wie ihn Kant uns angemahnt hat?

Natürlich lässt sich kaum verleugnen, dass unsere Arbeitswelt einem entmenschlicht vorkommen kann, verglichen mit den Gutsherrenzuständen, wie sie vor 100 Jahren geherrscht haben, geht es zumindest in unseren Gefilden heute jedoch ziemlich gesittet zu. Und nur weil man im Umfeld der Erwerbstätigkeit, wie allerdings auch überall sonst, vielleicht noch nicht an einem Ziel wie dem Diskurs auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten angekommen ist (der zumindest gegenwärtig gar nicht möglich ist, weil eben nicht alle Menschen als gleich anerkannt sind), bedeutet das nicht, dass es sich nicht lohnt, darauf hin zu arbeiten. Auch wenn der Weg noch lang sein mag.

Was nun die Aufrichtigkeit bei Personalgesprächen angeht, habe ich keinen Ratschlag. Ich würde aber vermuten, dass es sich mittelfristig als eher nachteilig heraus stellen könnte, wenn man tatsächlich vorhandene Defizite verschweigt. Ich persönlich empfinde Aufrichtigkeit als einen Wert an sich, dem ich mich verpflichtet habe, weil ich die Menschen um mich herum respektiere – natürlich nur, sofern sie dies auch tun. Aber zum einen findet man das mit ein wenig sozialem Geschick recht schnell heraus. Und zum anderen dürfte diese Einschränkung umgekehrt genau so gelten…! Schöne Woche noch.