Quotes for a dirty old man…

Ich habe mal wieder in Charles Bukowski reingeblättert. Er war genauso alt wie ich jetzt, als er anfing, mit der Kolumne „Notes of a dirty old man“ einen gewissen literarischen Erfolg zu erzielen. Unkonventionell, gewalttätig, unter die Gürtellinie, manchmal um zwei Ecken denkend – einfach zu konsumieren waren seine Geschichten nie! Mäanderten manchmal in einem Satz durch mehrere Themen. Ich lese ihn als desillusionierten Humanisten. Da fällt mir ein: ist es nicht komisch, dass wir uns selbst immerzu durch anderer Leute Augen bzw. Brille zu sehen versuchen? In sich selbst ruhen, in gewissen Momenten einfach einen Scheiß auf die Meinung Anderer geben, sein Ding machen – das war nie MEIN DING. Ich meine, ehrlich, ich muss mich heute weniger bemühen, Bullshit mit einem Achselzucken und einem „Ja, wenn du meinst…“, welches meine zumindest teilweise wohlwollende Ignoranz zum Ausdruck bringen soll, passiv zur Kenntnis zu nehmen. Je weniger nah der Mensch, desto leichter das Achselzucken. Und dann sind da diese Momente, wo mich vollkommen fremde Leute triggern. Verdammt und zugenäht…

Vermutlich gibt es da diese spezielle Sorte Mensch, die einfach nie zu alt für ein bisschen gediegenen Krawall wird. Ich denke ein Aspekt dabei ist, dass man Überzeugungen hat. Der Unterschied zwischen einer Überzeugung und einem Dogma ist für mich übrigens (Obacht, kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit!), dass eine Überzeugung auf Erkenntnis beruht und ein Dogma auf Emotion. Ein weiterer Unterschied ist, dass eine Überzeugung durch neue, andere Erkenntnisse veränderbar bleibt, wohingegen sich das Dogma immer mehr gegen Fakten imprägniert. Es besteht also mithin ein Unterschied zwischen dem – auch mal vehement-verbalgewaltigen – Vertreten einer fundierten Überzeugung und dem zumeist phrasendreschenden Dogmatisieren. Und ich kann es leider nicht leugenen: Dogmatiker triggern mich immer wieder, weil sie nicht weiter denken können, als bis zum Ende ihres Horizonts. Selbst wenn du die auf den Kalmit stellst, sehen sie anstatt der oberrheinischen Tiefebene nur Bäume…

Ein anderer Aspekt des gediegenen alten Krawallbruders (Krawallschwestern seien mir natürlich auch willkommen!) ist der unruhige Geist. Wenn man sich für zuviel interessiert und seine Aufmerksamkeit zu weit streut, bleibt man manchmal zwangsweise in einem Zustand unbefriedigter Erregung zurück (rein platonisch gesprochen!), weil ein einzelnes Menschenleben viel zu kurz ist, für so viele Interessen. Zumindest, wenn man mit einem Standardintellekt ausgestattet ist. Zudem macht der unruhige Geist einen anfällig für allerlei dummen Kram, wie etwa Depressionen; weil man einfach intensiver empfindet. Ich kann das nicht wirklich erklären, aber es fühlt sich in etwa so an, als wenn man an einem blendend hellen Sommertag ohne Sonnenbrille nach oben schaut. Da ist zu viel Licht! Als wenn man euf einem belebten Platz versucht, einem Vogel zuzuhören. Da sind zu viel Geräusche! Als wenn man versucht, sich auf einen Affekt zu konzentrieren, während ringsum eine Demo tobt. Da sind zuviel (negative) Emotionen. Es ist manchmal einfach von allem zuviel…

Ich habe gelernt damit zu leben. Und meistens funktioniert das OK. Nicht immer, aber wenigstens meistens. Manchmal jedoch ist das Leben wie Bukowski lesen – da ist einfach zuviel Leben im Leben drin. Du kannst dich dem auch nicht entziehen, denn der Zug rollt, die Maschine will gefüttert werden, alle warten darauf, dass du deinen verdammten Job erledigst. Du hast ja nur einen Job – funktionieren, damit alles andere auch funktionieren kann, weil wir alle zusammen funktionieren müssen. Ist das das Leben? Reduziert sein auf eine Funktion? Klingt nicht wirklich nach Freiheit. Ich meine, objektiv betrachtet leben wir in einem der reichsten, freiesten, sichersten, bestorganisierten Länder der Erde. Klar, wir haben auch Probleme: soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, struktureller Rassismus, mangelndes Commitment für den Umweltschutz, Egoismus, Narzissmus, und noch ein paar andere -ismen – ABER, im Mittel geht es uns verdammt viel besser, als einem sehr großen Prozentsatz der Welt. (Wird immer gerne verschwiegen, wie gut Demokratie funktionieren kann, wenn es den Demokratiefeinden gerade in den Kram passt.) Was ist es dann, dass so viele so unglücklich und unzufrieden macht?

Einerseits sicher der eine Problemfaktor, nämlich die Ungleichheit. Unser System bevorteilt Typen wie mich überproportional. Andererseits hat sich so eine existenzielle Angst breit gemacht. Die Individualisierung und Partikularisierung unserer Gesellschaft hat dem Indviduum mehr Verantwortung aufgeladen: „DU musst sehen, dass DU dein Leben alleine auf die Reihe kriegst! Ach und übrigens – ab jetzt musst DU das noch scheller können!“ Der Druck macht die Menschen mürbe. Sich wie Bukowski ’68 mal eben mit einem Bier an die Schreibmaschine setzen, und dem lieben Herrgott zumindest literarisch den Stinkefinger zeigen, kann sich so heute gut wie niemand mehr leisten. Stattdessen müssen wir mehr leisten, um uns überhaupt das Leisten leisten zu können. Tretmühle Turbokapitalismus. Das ist es, was mich (pardon) immer härter fickt! Ich mag meine Arbeit als Schulleiter, als Dozent, als Projektentwickler, als Mentor – aber auch hier ist ein dauernder Druck spürbar, Ergebnisse erzeugen zu müssen. Und die Messbarkeit dessen, was ich tue, ist halt nicht in wirklich Monatsabschlüssen, sondern immer nur über mehrere Jahre hinweg beurteilbar. Für die Leute aus dem fernen Fiskalien (Controller) ist das ein Alptraum! Dabei entwickle ich mich (ungeahnter Weise) immer mehr zum Kaufmann. Dennoch suche ich immer noch beinahe verzweifelt nach einem Weg, den kreativen Träumer in mir mit dem, in die Realität eingebundenen Arbeitstier zu versöhnen. Hätte irgend jemand mal einen Rat für mich…?

Ende Gelände! Kein Bock mehr auf Bullshit!

Warum triggern mich Menschen auf Facebook immer noch gelegentlich? Warum kann ich es nicht einfach bleiben lassen, mit jenen Verbohrten zu diskutieren, deren selbstgefällig-weinerliches Geseiere mich im Grunde genommen nur noch anödet. Und deren Wohl und Wehe mir mittlerweile so weit an meinen Arsch vorbeigeht, dass die ganze gottverdammte Pazifikflotte in Fächerformation durchfahren könnte? Weil ich den einen oder anderen persönlich kenne? Was bedeutet persönlich kennen überhaupt? Ich meine, jetzt mal ganz ehrlich – an manchen Tagen kennt man sich ja nicht mal selbst richtig; aber andere Menschen schon? Die haben doch nicht mal ein Display in der Stirn implantiert, auf dem man sehen könnte, was sie wirklich denken. Damit umzugehen ist alles andere als einfach.

Weil andere Menschen nämlich Ansprüche an mich formulieren. Manche Ansprüche sind relevant und gerechtfertigt. Zum Beispiel, weil ich Kohle dafür bekomme, diese irgendwie zu befriedigen. Andere jedoch sind irrelevant und nervtötend. Weil ich Meinungen anerkennen soll, die es nicht mal wert sind, eine weitere Sekunde darüber nachzudenken: arrogant, dogmatisch, asozial, egoistisch und schlicht dumm. Diskussionen über das Impfen etwa. Ich kriege kein Geld dafür, verschwende im Gegenteil sogar Lebenszeit, weil diese Dösköppe nicht verstehen können – oder verstehen wollen – dass ihr Horizont sogar zu begrenzt ist, um die Grenzen ihres Horizonts erkennen zu können. Bei Wissenschaft gibt’s keine Meinungen! Nur Fakten, die natürlich interpretationsbedürftig sein können. Aber wenn ein paar Hundert, oder gar ein paar Tausend Wissenschaftler eines Fachs zu dem gleichen Ergebnis kommen, nämlich das Impfen gegen Covid-19 sinnvoll ist, weil es Gesundheit erhält und sogar Leben rettet, dann ist alles, was man in der YouTube-Uni oder auf der Google-FH lernen kann, um dieser akkumulierten Fachmeinung zu widersprechen einfach nur Bullshit für die Tonne!

Dann kommen alsbald noch irgendwelche politischen Thesen dazu, man mixt das Ganze mit angeblich verifizierten persönlichen Anekdoten (die keinerlei faktischen Wert besitzen, weil sie nichts beweisen können!) und fängt an, von der Einschränkung des Lebens für die armen Impfverweigerer zu labern; und das ja jetzt eine Zweiklassengesellschaft entstünde, wenn man diesen Aluhüten die Teilnahme am öffentlichen Leben einschränkt. Da kommen dann sogar Vergleiche mit der NS-Zeit. Ich würde vorschlagen, man geht mal nach Belarus und protestiert dort gegen das autokratische Regime von Herrn Lukaschenko. Während die Covid-Maßnahmen-Demonstranten freundlich vom Wasserwerfer der Berliner Polizei berieselt werden, weil sie sich Anordnungen widersetzen und versuchen, Polizisten zu verprügeln, kommen in Belarus Spezialpolizeieinheiten, packen dich, bringen dich in ein Geheimgefängnis und schlagen dich zusammen. Einfach, weil ihnen deine Fresse nicht gefällt und du ein Pappschild hochgehalten hast.

Und während nach ein paar Stunden unerträglicher Personalienfeststellung durch die deutsche Polizei unsere Covidioten dann mit einem „Du, DU, DU!“ auf freien Fuß gesetzt werden, wird der Demonstrant in Belarus gerade zum dritten Mal zusammengeschlagen. Und zu dem Zeitpunkt, da die Covidioten dann nach dem Wochenende zu ihrem Anwalt rennen, findet man in Belarus manchmal irgendwo ein frisches Grab… Oder aber, die Gefangenen tauchen einfach niemals mehr irgendwo auf. Aber in Deutschland haben wir Repressionen? Eingeschränkte Meinungsfreiheit? HALLO, WAHRNEHMUNG? Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft haben wir schon lange. Nennt sich übrigens Kapitalismus. Und das Menschen, die ohne Not jedwede Solidarität mit dem Rest des Landes verweigern, weil sie sich in ihren Grundrechten eingeschränkt glauben dafür Konsequenzen erfahren, ist einfach nur – nun ja – konsequent!

Am schönsten finde ich die, die OHNE JGELICHE ECHTE EXPERTISE meinen, mir erklären zu können, wie Gesundheit(swesen) funktioniert! Herzig! Echt herzig! Da kann ich einfach nur noch sagen: „Walk a few hundred Miles in my shoes. I’ve done it, been there, came back with tons of first-hand-experience. I’ve done real scientific research myself and learned, how to judge the quality of that done by others. And I needn’t take any bullshit from noone any longer!“ Ich hab’s satt. Ich gehe die Tage mal durch meine „Freundesliste“ und sortiere den ganzen Filz aus Wahrheitsverweigerern, Möchtegern-Libertären, Aluhüten (und vermutlich auch dem einen oder anderen, bislang gut getarnten Nazi…) aus, weil viele mich einfach nur noch nerven und negative Energie verbreiten, mit der ich nicht mehr umgehen kann und will. Glaubt doch was ihr wollt – aber erzählt es nicht mir, sondern eurer verschissenen Parkuhr. Tschüss!

…und ich hoffte, wir wären weiter…

Ich gehe an dem Plakat, um dass es gleich im Folgenden gehen soll mittlerweile seit ein paar Wochen regelmäßig vorbei; und zuerst war es mir gar nicht weiter aufgefallen. Wie man eben so durch das Stadtbild wandert und Vieles überhaupt nicht mehr bewusst wahrnimmt, weil man Advertising-übersättigt von Konsumrausch zu Konsumkater stolpert, und immer wieder an der eigenen Denkfähigkeit zu zweifeln beginnen muss. Wir sind halt doch leicht beeinflussbar. Und genau das hat mich dann doch eines morgens diese Woche gewaltig gehirngefickt; ich glaube, ich hatte eh miese Laune, aber meine Denkschleifen bezüglich dieses Marketing-Machwerks wurden erstaunlich schnell erstaunlich klar: das Ding geht auf so vielen Ebenen überhaupt nicht, dass ich hier mal geschwind einen auf Roland Barthes und seine Mythen des Alltags machen muss…

Zunächst einmal ist die Machart des Plakats sehr konventionell und spielt in erwartbarer Weise mit dem Begriff der Evolution. Das an sich kann witzig sein, mündet hier allerdings in einem lächelnden Anzugträger mit Smartphone, der mutmßlich gerade ein Eigenheim bestellt? Nun ist die Simplifizierung im Marketing genauso wichtig, wie die didaktische Reduktion im Lehrsaal, und das geschickte Spiel mit Zeichen Grundvoraussetzung für das Evozieren von Gefühlen. Denn nur mit den situativ richtigen Gefühlen verkauft man erfolgreich. Und genau deshalb habe ich ein paar Fragen:

  • Warum nimmt man als (gegenwärtig) oberes Ende der Evolutionskette hier ganz naiv einen Anzugträger mit Smartphone an? Wo sind all die guten Facharbeiter*innen, auf deren Rücken der Wohlstand in diesem Land tatsächlich erwirtschaftet wird?
  • Warum ist es ein einsamer Kerl da auf dem Plakat? Leben wir immer noch in diesem 50er-Jahre-Deutschland mit dem Einzelverdiener-Ernährer-Macho als Patriarch? ich hatte echt gedacht, wir wären wenigstens ein bisschen weiter, als vor 60 Jahren…
  • …und dabei habe ich noch nicht mal an die LGBTQ+-Community gedacht!
  • Wo zum Kuckuck sind die Kinder? Da wird was von Familienheimen erzählt, und dann haben die nicht wenigstens auf einer ihrer Werbetafeln eine Familie als evolutionäre Konklusion auf dem Weg zu ihren Immobilien? Das lässt tief blicken in einem der kinderfeindlichsten Länder der Welt – JA, ich meine Deutschland!
  • Und ja – der Typ ist weiß! Also, wie war das jetzt mit Inklusivität?

Ich fasse zusammen: ICH lese das das implizite Statement dieses Plakats ist elitistisch, chauvinistisch, rassistisch, evtl. homophob und kinderfeindlich konnotiert. Was wiederum bedeutet, dass ausgerechnet ICH – als mittelalter, hetero-sexueller, weißer cis-gender-Mann und halbwegs empfindungsfähiges Wesen – diese Darstellung unmöglich finde. Wahrscheinlich denke ich zu viel und zu weit, oder bin mittlerweile einfach doch ein bisschen empfindlicher für solche Themen, als der Durchschnitt – aber muss sowas denn im frühen 21. Jahrhundert noch sein? Ich verstehe ja, dass man an Zielgruppen-Werbung glaubt. Das bedeutete hier im Umkehrschluss allerdings, dass man nicht annähme, das Facharbeiter, Frauen oder Mitglieder anderer ethnischer Gruppen diese Immobilien kaufen würden / könnten? Starker Tobak. Wie gesagt – meine Interpretation erhebt definitiv keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Aber ich hätte schon gerne, dass wir Menschen alles in allem mal etwas mehr über solche Darstellungen nachdenken. In diesem Sinne wünsche ich noch einen schönen Samstag.

Throwback Sunday

Manchmal darf es ein bisschen steiler sein…

Ich. Kann. Nicht. Gut. Klettern. Zum einen leide ich unter dezenter Höhenangst, und zum anderen bin ich alles andere als topfit – jedenfalls nicht so, wie der vollkommen gestörte Typ, der uns am Aufstieg zum Kalmithaus in vollem Lauf entgegen kam. Hüften, Knie und Sprunggelenke aus Eisen. Zumindest wirkte es so. Aber wenn es ihm Spaß macht, bitte. Ich bevorzuge die etwas langsamere Herangehensweise des „Wanderns“. So mit Rucksack, festem Schuhwerk und halbwegs angemessener Kleidung. Die Haardt zeigte sich heute jedenfalls mit ca. 25°C bei leichtem Wind und immer noch kräftiger Spätsommersonne diesbezüglich von ihrer besten Seite. Und so sind wir oberhalb von Maikammer durch das Felsenmeer und über die Kalmit gegangen.

Blick vom Parkplatz Hahnenschritt
Lieber mittendrin als nur dabei!

Der Spätsommer im Pfälzerwald hat an seinen besten Tagen (und heute war so einer) viel mit der Toskana gemein – zumindest die Geländeformation, die Straßen, ein bisschen der der Bewuchs, sogar der Geruch sind sich an einigen Stellen ähnlich. Und deshalb hat es sich für mich ein wenig wie ein Holiday-Throwback angefühlt. Es ist nicht das Gleiche – muss es aber auch nicht sein. Es war für mich mehr eine Erinnerung daran, dass das Gute manchmal keine 1000Km weit weg liegen muss. Auch wenn die Großdistanz-Tapetenwechsel trotzdem gut für’s Gemüt sind. Heute hat es aber auch in „nur“ 50Km Entfernung sehr viel Spaß gemacht. Insbesondere unsere Kinder sind über jeden Felsen gegangen, bei dem das möglich war, haben die Stunts der Boulderer bestaunt und mit uns ein paar 100 Höhenmeter gemacht. Es hat für die zwei sicher auch ziemlich lustig ausgesehen, wie ich mich an einer Stelle an einem wirklich simplen Kletterstück versucht habe, weil ich keine Lust mehr hatte, untenrum zu gehen. Ich weise an dieser Stelle noch mal auf den ersten Satz hin…

Da dran kann man klettern… also Andere…

Ich war zwar auch ein bisschen froh, als wir wieder am Parkplatz waren (NICHT topfit), würde aber morgen gleich zur nächsten Tour aufbrechen, wenn nicht die Arbeit riefe. Ich kann dieses seltsame Gefühl, welches sich meiner seit unserer Heimkehr vor zwei Wochen bemächtigt hat nicht recht beschreiben – vielleicht wäre „Zweifel“ für den Anfang ein ganz guter Ansatz, aber ein einzelner Begriff fasst es einfach nicht. Wahrscheinlich muss ich noch ein paar Mal mehr wandern gehen. Theoretisch lüde das Wetter die nächsten Tage dazu ein, aber wie schon bemerkt: meine Arbeit macht sich nicht von selbst. Könnte natürlich auch ein teil des Problems sein. Ich denke darüber nach. Vielleicht hilft auch etwas anderes dabei, wieder Klarheit zu gewinnen. In solchen Momenten, wenn man von der Kalmit aus über die oberrheinische Tiefebene schaut, sind solche Fragen allerdings vollkommen irrelevant. Man schaut, man riecht, man staunt!

Genau deshalb muss man raus! Weil man draußen einfach ein paar der Probleme, Sorgen, Nickligkeiten des Alltags, wenn nicht vergessen, so doch beiseite schieben kann. Lange genug, um ein Dutzendmal tief durchzuatmen und den Kopf einfach mal fliegen zu lassen. Ist zwar schon wieder vorbei – aber die Bilder in meinem Kopf sind trotzdem schön! Ich wünsche euch allen eine gute Woche…

Mit Identität Politik machen – echt jetzt…?

Um es vorweg zu nehmen. Es wäre mir zu anstrengend, und auch vollkommen über das Ziel hinaus geschossen, hier philosophische und soziologische Diskurse der letzten 60 Jahre in EINEM Blogpost abbilden zu wollen. Allerdings scheint es mir angeraten, zumindest zum Nachdenken anzuregen, denn diese Debatten werden auf die eine oder andere Weise auch Einfluss auf die Wahl am 26.09.21 nehmen. Wovon ich rede? Identitätspolitik! Einem Begriff, der in aller Munde ist, und doch von den wenigsten verstanden wird. Da geht es im Kern um die Frage, wie man mit Machdifferentialen in Gesellschaften umgeht, die meist aus der (subjektiven) Unterschiedlichkeit der Mitglieder verschiedener Teilgruppen von einer Mehrheitsgruppe konstruiert werden. Oder vereinfacht gesagt: „Du siehst nicht aus wie ich, du bumst nicht wie ich, du magst nicht den gleichen Fußballclub wie ich, du isst nicht das gleiche wie ich, du glaubst an andere Dinge als ich, etc – als bist du nicht genauso Mensch wie ich!“ Das eine solche Schlussfolgerung Käse ist, muss ich hier und jetzt hoffentlich nicht mehr erklären. Mensch ist Mensch – BASTA!

Wir und unsere Vorgängergenerationen haben – aus den unterschiedlichsten Gründen – solche Unterschiede konstruiert (hier schrieb ich schon mal darüber). Und auch, wenn es vordergründig oft um die Durchsetzung einer Ideologie ging, standen zumeist handfeste wirtschaftliche Interessen im Hintergrund, die den jeweiligen Betreibern der Ideologie ein Voranschreiten auf dem Pfad der Ungerechtigkeit notwendig erscheinen ließen. Bei den Alt-Nazis waren es offiziell die Rassenideologie und die Idee vom „Lebensraum im Osten“; tatsächlich war der NS-Staat pleite und musste auf den – später als 2. Weltkrieg bekannt gewordenen – Raubzug gehen, um die eigenen Großmachtträume irgendwie weiter finanzieren zu können. Wie „gut“ DAS funktioniert hat, enthüllt ein kursorischer Blick in die Geschichtsbücher… Egal ob Großgruppe oder Kleingruppe – die Prozesse der Segregation und Stigmatisierung funktionieren, weil wir Menschen dieses Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit haben. Und natürlich kann man sich diesen Umstand zu nutze machen.

Politische Parteien tun es, Gewerkschaften tun es, Vereine tun es, bürgerliche und wirtschaftliche Interessenverbände tun es, Berufsschulklassen tun es, und Fußballfans tun es sowieso. Und über viele Jahre hat man das mit einem Schulterzucken hingenommen. Nun aber haben Vertreter kleinerer gesellschaftlicher Gruppierungen angefangen, den Spieß umzudrehen und sich selbst eine Lobby zu sein: LGTBQ+People tun es, PoC tun es, religiöse und kulturelle Minderheiten aller Art tun es. Und plötzlich schreien viele Mitglieder des Mainstreams (white, middle-aged, male cis-gender, Normfamilien-Typen wie ich z. B. 😉 ) auf, weil es ja nicht sein kann, dass die plötzlich alle eine Stimme haben, und gesehen und gehört werden, und möglicherweise sogar auch all die Rechte haben sollen, wie die Mainstream-Menschen (Stichwort: Ehe für alle!).

Man mag die schriftliche Darstellung Gendergerechter Sprache manchmal als sperrig, die Lesbarkeit einschränkend oder den Sprachstil einschränkend empfinden. Ich habe damit gelegentlich auch meine Probleme, weil ich mich tatsächlich stilistisch eingeschränkt fühle. Aber das ist einfach nur ein Gefühl. Und ich habe mich auch eingeschränkt gefühlt, als die letzte Rechtschreibreform verkündet wurde (über die hatte man übrigens auch in der Schule schon diskutiert, bevor ich 1993 mein Abitur gemacht habe). Und genau das ist das Problem – die subjektive Wahrnehmung, als Mainstream durch die verbesserte Sichtbarkeit anderer gesellschaftlicher Gruppen entmachtet zu werden, ist genau das – nichts weiter als ein Gefühl. Hier werden Fronten konstruiert, wo keine sind! Denn was genau verliere ich, wenn ich in meiner Sprache alle Menschen inkludiere? Ich sage es euch: NICHTS! Aus „Identität“ ein politisches Schlagwort zu machen, ist genauso hanebüchener Bullshit, wie aus „Heimat“ ein politisches Schlagwort zu machen (an dieser Stelle noch mal ein herzliches: „HALT ENDLICH DEINE DÄMLICHE FRESSE DU BATZI!“ an Horst Seehofer…).

Identität ist ein prozessuales Konstrukt, dass sich im Laufe des Lebens, genau wie übrigens auch Heimat und Kultur immer wieder verändert. Bei manchen Menschen häufiger und heftiger, bei anderen seltener und sanfter. Dass solche Prozesse nun für verschiedene Mitglieder unserer Gesellschaft besser sicht- und hörbar werden, finde ich gut. Aus diesem Umstand unter dem Schlagwort „Identitätspolitik“ reflexartig neue Frontlinien aufmachen zu wollen, um dann zwanghaft von einer weiteren Partikularisierung unserer Gesellschaft schwadronieren zu müssen, halte ich jedoch für schlecht! Unsere Gesellschaft ist bereits individualisiert (um noch mal mit Ulrich Beck zu sprechen). Die nächste große Aufgabe unserer Zeit – neben dem schnellen, umweltverträglichen Umbau unseres Landes – wäre es dann wohl, herauszufinden, was so viele Menschen unterschiedlichster Herkunft und Kultur, unterschiedlichsten Glaubens, unterschiedlichster Lebensstile und Überzeugungen als Gemeinschaft zusammenzuhalten vermochte? Dieses ultradämliche, ultrakonservative, nervtötende Identitätsgeschwafel ist es jedenfalls nicht. Schönen Tag noch.

…das ist halt meine Meinung!

"Ich bin" spricht jener "zu reden bereit,
und bitte lediglich für Fakten um euer Gehör.
Eure Meinung dabei zu achten ich schwör!
Doch ich brauche etwas von eurer Zeit,
seid ihr Argumente zu hören denn bereit?
Denn manche die mit "fake news" euch fingen
wollen euch zu gar finst'ren Dingen bringen.... 

Würde Schiller heute leben, er dichtete gewiss immer noch wesentlich besser als ich. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Worte oft nicht mehr durch den selbsterrichteten Schutzwall aus Dogma, Mißtrauen und Hass dringen, der allem Neuen, Unvertrauten so wütend entgegen gebracht wird. Habe ich die Tage feststellen müssen. Wenn das Grünen-Bashing als Witz getarnt daher kommt, und alle den guten, alten, bundesdeutschen, Schenkel-Klatscher üben, bleibt mir nix übrig, als irgendwann die Diskussion zu beenden und mich auf die Erkenntnis zurückzuziehen, dass es einen gewissen Prozentsatz Menschen in diesem Land gibt, die entweder nicht begreifen können – was verzeihlich aber bedauerlich ist – wie die Lage unserer Welt aussieht, oder aber dies nicht begreifen wollen, weil es ihre Art zu leben in Frage stellt. Das ist dann allerdings weder verzeihlich noch bedauerlich, sondern einfach nur schlicht arrogant, dumm und egoistisch. Alternativ verweisen die dann manchmal noch auf „andere Lösungen“, meist allerdings, ohne den notwendigen Sachverstand zu haben, wollen aber immer, dass erst mal „die anderen“ anfangen, was zu tun…

Mein höchst geschätzter Kollege Tobias Sambale fragte gestern: „Ist das eigentlich auch diese Identitätspolitik, über die sich alle aufregen, wenn man tagtäglich wie ein Bekloppter unter jeden Beitrag über Umweltschutz, Elektroautos oder Lastenräder kommentiert?“ Nun ja, das hängt vermutlich vom Blickwinkel, dem level of involvement und der eigenen Kampfeslust ab, aber irgendwie bin ich geneigt „JA“ zu sagen; und zwar, weil sich in letzter Zeit, wenn man sehr genau hinsieht, eine Menge Menschen im Internet (neu) politisieren. Manche von ihnen radikalisieren sich sogar politisch. Man spricht ja immer von den Filterblasen, in denen die Rechten und die Covidleugner (Aluhüte insgesamt) und die Antidemokraten sich gegenseitig aufschaukeln. Doch dieses Phänomen kann man auch in anderen politischen Spektren beobachten. Himmel, ich beobachte es an mir selbst. Meine Reaktionen auf Neurechtes Propagandageschwafel und Green-Bashing fallen in letzter Zeit immer militanter aus. Neulich dachte ich nach dem Senden „jetzt hast du überzogen, dafür kassierst du bestimmt ’ne Sperre“. Pustekuchen. Nix ist passiert. Weil die anderen noch wesentlich übler zu Werke gehen…?

Ich bin mir nicht mal sicher, was ich damit bezwecke. Denn tatsächlich glaube ich nicht, auch nur einen von denen davon überzeugt zu haben, Überzeugungen zu überdenken (man lasse den Satz kurz wirken). Wir sind doch alle Opfer unserer Selbstwirksamkeitsillusion. Wir wollen Spuren hinterlassen, nicht einfach irgendwann die Augen zu machen und das war es dann halt, alles vergeben und vergessen. Wir wollen, dass man sich unserer erinnert. Oder wenigstens zu Lebzeiten unsere Wichtigkeit, unseren Einfluss (ja, vielleicht auch unsere Macht…?) anerkennt und respektiert! Und dafür kommentieren wir auf Facebook? Ziemlich armselig, wenn man es mal überdenkt, oder? Auch ich mache mir Illusionen über die Reichweite meiner Worte, meines Tuns, meines Lassens. Und reflektiere in letzter Zeit an jedem Tag über diese eine Frage, die einen u. U. in den Wahnsinn treiben kann: „Was will ich denn wirklich?“ Weltfrieden? Eine Formel gegen soziales Elend? Wenigstens noch etwas Fortschritt für mein Berufsbild erreichen? In einer Blockhütte im Wald wohnen und schreiben? Nicht selten gewinnt emotional neuerdings das Letztere.

Ich habe mich im Urlaub ein paar Mal dazu hinreißen lassen, in den Echokammern der Ignoranz, der Arroganz und der „alternativen Wahrheiten“ des Internets den 2000-Watt-Strahler auszupacken, um den Heiden das Licht zu bringen – und es war, gelinde gesagt, für den Arsch. Ernüchternd. Und irgendwie auch heilsam. Hab jetzt keinen Bock mehr drauf. Ich mache, wenn’s soweit ist, mein Kreuz, werde zur Kenntnis nehmen, wie viele ewig gestrige Idioten (wieder mal) für die Union, die FDP und (Gott behüte) die AfD gestimmt haben, und hoffe im Grunde meines Herzens auf wenigstens ein bisschen Wandel. Und sollte Flaschet Bundeskanzler werden…, NEIN, darüber will ich nicht nachdenken. Insofern habe ich dann wohl auch Meinungen, die ans Dogmatische grenzen; ich wähne mich allerdings sicher, diese Meinungen mit Fakten fundiert zu haben. Was die Frage offenlässt, wie viele dieser Fakten auch überprüfungswürdig sind? Man wird sehen. Einstweilen wünsche ich euch einen schönen Restsonntag. Ich muss mich jetzt um das Essen für die Familie kümmern. Man liest sich…

Test Covid obbligato – Neue italienische Geschichten N°10

Ich muss wirklich zugeben, dass mich meine neue Kamera zum noch mehr knipsen angeregt hat, als die alte. Könnte daran liegen dass das neue Equipment deutlich weniger wiegt und deutlich handlicher ist. Wie dem auch sei: hier noch ein paar Impressionen…

Irgendwie ist es abstrus. Die einzige Person aus unserer Familie, die für die Rückreise nach Deutschland getestet werden muss, ist unsere 12-Jährige Tochter; denn die unter 12-Jährigen sind ausgenommen, und die Eltern beide fertig geimpft. Als wenn geimpfte und die ganz Kleinen das Virus nicht auch tragen könnten, ohne dies zu bemerken. Diese Regelung ist genauso Murks, wie alles andere, was unsere Regierung in den letzten drei Wochen zu Wege gebracht hat. Aber ich halte mich dran. Zum einen ist der Test negativ ausgefallen und zum anderen bezahlt man den hier in Italien selbst. OK, schmale 22,00€ sind vollkommen im Rahmen, aber zum Wegwerfen haben wir’s nun auch wieder nicht. Da die StiKo sich nun endlich positiv geäußert hat, kommt die Große denn zurück in Deutschland auch alsbald zum Impfen.

Wir haben natürlich am vorletzten Urlaubstag – wie man unschwer erkennen kann – noch mal das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden und den historischen Kern des Ortes besichtigt, in welchem meine Frau eine testende Apotheke ausfindig gemacht hatte. Colle di Val D’Elsa hatten wir auch früher schon mal besucht, aber es wies sich dieses Mal, dass der Aufzug, der normalerweise von einem Parkplatz im Tal hoch in die Altstadt fährt außer Betrieb ist. Also haben wir den langen Weg genommen. War sehenswert, so wie der Rest des Städtchens auch. Als wir dann noch eine Eisdiele ausfindig gemacht hatten, war alles in Butter. Wie bereits die Tage erwähnt, würde sich mein Vermieter etwas weniger Sonne und blauen Himmel satt wünschen. Aber ich will mich nicht beklagen, denn obwohl ich ihm mehr Regen (auch während unserers Urlaubes) gegönnt hätte, haben wir keinen einzigen Tropfen gesehen.

Die Hitze der letzten Woche mit Spitzenwerten bis 40°C ist zurückgegangen, aber wir haben immer noch 33°C am Mittag; und die Augustsonne hat hier in der Toskana fühlbar mehr Kraft als daheim. So war es für ein Weißbrötchen wie mich anfangs ratsam, erst am späteren Nachmittag wieder rauszugehen. Das hat sich mittlerweile gegeben. Ein freudiges Heyho für den Hautkrebs! Ist ja aber auch schon wieder fast vorbei. Ich gehe jetzt demnächst wieder an/in den Pool und heute Abend machen wir noch mal den Grill an. Einige Wünsche wurden also doch erfüllt, auch wenn ein perfekter Urlaub, wie die beste Ehefrau von allen gestern Abend anmerkte eine Utopie wäre. Aber wenn man die guten Aspekte einfach mal zusammenzählt, ist die Habenseite dieses Jahr deutlich im Plus; allen Widrigkeiten zum Trotz. Die nächsten Einlassungen meinerseits gibt es dann höchstwahrscheinlich erst wieder von deutschem Boden zu hören, daher wünsche ich schon jetzt allen ein schönes Wochenende. Man sieht sich.

Alla ricerca di nuove idee – Neue italienische Geschichten N°9

Langsam kann ich die Wehmut schmecken, Freitag Nacht nach Hause fahren zu müssen. Andererseits weiß ich, dass zu Hause auch einige Dinge auf mich warten, die mir – höchstwahrscheinlich – Freude bereiten; und Kopfzerbrechen zugleich. Denn manchmal braucht man frische Ideen für eine neue Projektphase. Manches fällt einem zu, wenn man sich auf die richtige Weise vorzubereiten und dann zu warten gelernt hat. Wie schon des öfteren erwähnt werde ich langsam ruhiger. Nicht wirklich geduldiger, aber wenigstens kann ich so tun, als ob. Auch, wenn’s mich innerlich gerade zerfetzt. Nun treten die Dinge in eine neue Phase und ich muss einiges neu ordnen. Hey, wollte ich den Job nicht so richtig gerne haben? Tja nun… offensichtlich gehören die alltäglichen Detail-Probleme auch dazu.

Andererseits habe ich mittlerweile auch gelernt, Probleme nicht unbedingt als Probleme, sondern eher als Rätsel zu sehen, die gelöst werden wollen. Bei weitem nicht jedes von denen fasziniert mich. Und bei weitem nicht jedes, das mich fasziniert, schaffe ich auf Anhieb. Was aber nichts daran ändert, das Rätsel den sportlichen Ehrgeiz wecken. Überdies war es immer mein Ehrgeiz (der einzige, den ich je verspürt habe – Macht als solche hat mich nie interessiert!), Dinge zu gestalten. Und solche Aufgaben fallen mir mittlerweile immer häufiger zu, teilweise kann ich sie mir sogar selbst suchen. Ist es nicht angeblich so, dass Arbeitnehmer sich mehr Mitsprache bei der Gestaltung ihres Arbeitsumfeldes wünschen? In meinem Fall muss ich sagen: was die Arbeit an sich betrifft, muss man ein Feld mit mehr Freiräumen sehr aufmerksam suchen. Da nehme ich die Verantwortung, die quasi als Dreingabe kommt tatsächlich gerne auf mich.

Und was ist daran nun italienisch? Die Frage ist berechtigt, denn als ich heute morgen mal wieder meine Bahnen im Pool zog, wollten sich meine Gedanken partout nicht auf die Arbeit einlassen. Ich bemerke jedoch, dass sich einige Konzepte, an denen ich schon länger brüte doch zu verfestigen beginnen, personelle Entscheidungen getroffen wurden, die nun umgesetzt werden müssen und insgesamt wieder deutlich mehr Lust auf die Aufgaben vor mir entstanden ist. Die Bahnen im Pool zwischen 09:30 und 10:30 werden mir dennoch fehlen. Ebenso wie die immer wieder eingestreuten Impressionen von unseren Ausflügen. Es ist schon so, dass wir in diesem Teil der Toskana mittlerweile mehr als nur ein bisschen suchen müssen, um noch „Sehenswürdigkeiten“ zu finden, die wir nicht schon kennen. Allerdings will ich gerne zugeben, dass es manche Orte gibt, die ich immer und immer wieder anschauen kann und will. Aber ab und zu muss man auch einfach mal ein bisschen cruisen, um jene besonderen Augenblicke (im wahrsten Wortsinne) erleben zu können, für die die beste Ehefrau von allen und ich so gerne herkommen (und mittlerweile auch unsere Kinder)…

Und dann fließen alsbald auch wieder die Ideen. Natürlich nicht nur für die Arbeit, denn das wäre – pardon, wenn ich so offen bin – pure Verschwendung. Es gibt so viele andere Dinge in meinem Leben, für die ich ebenso nach frischen Ideen suche. Manchmal muss ich mich allerdings in der Tat selbst an Folgendes erinnern: Wir arbeiten, um zu leben, nicht etwa umgekehrt! Was nicht bedeutet, dass ich nichts leisten möchte. Man lernt nur, dass Leistung und Zufriedenheit nicht immer das Gleiche sind; und dies auch nicht sein müssen. Also bekämpfe ich in den letzten drei Tagen des Urlaubs meine Wehmut (und evtl. auch die meiner Lieben), indem wir nochmal rumfahren und Sachen bzw. Orte anschauen. Ich habe Hoffnung, dass auch das Vertraute mich nochmal inspiriern wird. Ihr werdet es ja hören…

Oggi è Ferragosto – Neue italienische Geschichten N°8

Sonntag der 15.08 – Ferragosto. Durchhaus nicht ganz unwichtiger Feiertag in Italien. Hauptferienzeit; auch für die Italiener selbst. Wir hatten vorgesorgt und am Donnerstag für fünf Tage eingekauft, was bedeutet, dass wir uns ein dezentes Bisschen eingeigelt haben. Gestern ein kurzer Ausflug nach Cartaldo Alto, ansonsten Pool, Pool, Pool. Bei derzeit dauerhaft Temperaturen bis 40°C auch das einzig Vernünftige. In den nächsten – leider letzten – Tagen unseres Urlaubs sollen die Werte auf erträglich 31°C zurückgehen. Mein Vermieter fürchtet auf Grund des Regenmangels mittlerweile allerdings um seine Ernte. Verdammte Axt – ich liebe seinen Wein und sein Öl. Wenn man seine Augen und Ohren offen hält, kann man es überall bemerken: Unsere Welt verändert sich, Gewissheiten fallen, eine nach der anderen; und auf Fratzenbuch feiern die „Besitzstandswahrer“ Urständ – vollidiotisches Pack. Was soll’s. Aufregen schadet nur meinem Blutdruck…

Gestern Abend durfte ich zum ersten Mal diesen August eine (höchst beeindruckende) Perseide beobachten; oder besser gesagt das Lichtspektakel, welches die Himmelsstaub-Brösel beim Atmosphären-Eintritt veranstalten. Der Volksmund sagt ja, dass man sich was wünschen darf, wenn man eine Sternschnuppe sieht. Meine beste Ehefrau von allen meinte, sie hätte sich nix gewünscht. Und sie hat viel mehr von den Dingern gesehen als ich. So viele, dass ich schon fast neidisch war. Sie meinte dann noch, dass es ja nix weiter als Physik sei, was man da sähe. So viel zum Thema „Frauen und Romatik“. Wobei man natürlich die Frage erheben darf, was es denn mit Romantik überhaupt auf sich habe? Denn so, wie ich das sehe, verbinden die meisten Leute mit dem Begriff vor allem die Darbietung von Äußerlichkeiten: Candlelight-Dinner, exklusive Geschenke, am besten an exklusiven Orten; Quality-Time-Zweisamkeit sozusagen.

Eigentlich ist die Romantik erstmal eine kulturgeschichliche Periode, die durch eine Abkehr von den zentralen Ideen und Idolen der Antike (welche die Rennaissance erfüllte hatten) hin zu einem stärkeren Selbsbezug des Individuums gekennzeichnet ist. [Vorlesung beendet]. Die allermeisten Menschen verwechseln einfach Sentimentalität und Romantik. Wenn die Geigen jauchzen, die Kerzen schimmern, das Essen vorzüglich mundet und der Brilli funkelt, ist Mann/Frau wesentlich geneigter, sich gewissen Avancen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen. Man kann dann auch noch Tango tanzen (ist, wie eigentlich alle Tänze eigentlich auch nur ein Paarungs-Anbahnungs-Ritual), und die Beere ist geschält. Hat natürlich auch was mit Selbstbezogenheit zu tun. Das ritualisierte Werben um einen Partner für’s Leben wurde allerdings schon in der mittelalterlichen Minne vorbeschrieben.

Das Etikett ist also ein anderes, die Geschenke und Gebräuche mögen sich stark verändert haben; und füreinander in Versen singen ist nicht mehr so in Mode – Gottseidank muss man sagen, wenn ich mir so die Hiphopper und Rapper anschaue. Aber ein teilweise recht stark formalisiertes Tänzchen ist es immer noch, auch wenn manche heute den Code nicht mehr so leicht entziffern können, weil es neuerdings überall von neuen Männern, Feministinnen und genderunsicheren Wesenheiten zu wimmeln scheint. Man verstehe mich nicht falsch – es soll wirklich jeder*inx nach sein*x Facon selig werden. Das macht es allerdings für die Generationen nach mir um einiges komplizierter, ans Ziel der romatischen Bemühungen zu kommen. Das ist ein Teil des Preises, den wir für die weitergehende Individualisierung und Partikularisierung unserer Gesellschaft bezahlen müssen.

Ein alter Kollege von mir hat mal gesagt, Zyniker seien enttäuschte Romatiker. Ich kann diesen Vorwurf nicht ganz von mir weisen, obschon ich meine beste Ehefrau von allen gefunden habe. Was andere Dinge angeht, hat ja aber jeder von uns so einen Friedhof voller unerfüllter Träume im Hinterkopf, der uns dann und wann schwermütig werden lässt. Manche öfter (mich), andere weniger oft. Entscheidend ist dabei vermutlich, verstehen zu lernen, dass das, was wir als Romantik begreifen eben Sentimentalität ist – und Gefühle einem steten Wandel unterzogen sind, so wie die Welt, in der wir alle leben. Alles ist im Fluss. Eine andere Kollegin von mir sagt immer „Am Ende wird alles gut; denn wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!“ (Danke, Maren). Man könnte das als Zynismus abtun. Oder es als das verstehen, was es tatsächlich ist: eine Liebeserklärung an das Leben, gleich wie verkorkst es manchmal auch sein mag. In diesem Sinne, Buona Ferragosto.

Superstizione non necessaria – Neue italienische Geschichten N°7

Freitag der Dreizehnte! Oh mein Gott, Unheil wird geschehen! Ich werde… ich werde… ich werde doch noch nicht arbeiten dürfen! VERDAMMNIS…. [Ironie off] Wer von euch glaubt denn bitteschön, dass ich schon Urlaubsmüde sein könnte (schaut euch die verdammten Fotos an, mehr muss man nicht wissen!). Was jedoch das andere angeht: Ich denke ja, dass der Aberglaube heutzutage nicht mehr eine so große Rolle spielt, wie das vielleicht noch vor ein paar Jahrzehnten der Fall war. Oh, nein nein, ich glaube nicht, dass die Menschen klüger oder aufgeklärter wären, als ehedem. Aber sie haben seit einer ganzen Weile eine Ersatzreligion für das Hor(r)o(r)skop entdecken dürfen: Antisocial Media. Egal ob es früher Freitag der Dreizehnte, Schwarze Katze am Morgen, niemals unter Leitern durchgehen, oder der böse Blick der Nachbarn war – heutzutage sind die Aluhuten nur einen Mausklick entfernt direkt hinter Fratzbuchistan zu bestaunen. Wer braucht da noch altmodische Sternendeuter…?

Viel zu oft lassen wir Menschen uns unser Denken und Fühlen von Fremden diktieren, ohne dies wirklich zu reflektieren. Zweifelsohne gibt es äußere Einflüsse, die für uns gut sind: manche (bei weitem nicht alle!) Verwandte, Freunde (zumindest jene, die lange Zeit unsere Freunde bleiben) wohlmeinende Lehrer, manche Kollegen, etc.; und bei mir natürlich die beste Ehefrau von allen! Die meisten Antisocial-Media-Kontakte zählen jedoch nicht dazu; und das inkludiert explizit auch manche Menschen, die wir im realen Leben kennengelernt haben. Andere versuchen oft genug, uns dazu zu verleiten, ihre Ansichten zu übernehmen. Und manche Ansichten sind es ja auch wert, bedacht oder gar adaptiert zu werden. Jene von irgendwelchen faktenresistenten Dogmatikern mit DummTube-Uni-Abschluss jedoch nicht. So wenig, wie ich mir mein Leben vom Horoskop diktieren lasse, nehmen jene Menschoiden Einfluss auf mich, die andere gerne als „Schlafschafe“ bezeichnen. Manche Tore darf man getrost und ruhigen Gewissens durchschreiten. Andere jedoch sollte man meiden, wie der gute alte Luzifer das Weihwasser…

Wenn ich so meine morgendlichen Bahnen im obigen Pool ziehe, leert sich mein Geist soweit (meist bin ich dabei auch alleine und damit nicht gefordert, zu kommunizieren), dass ich tatsächlich wieder ein wenig zu mir finde. Das klingt jetzt ein bisschen nach diesen Scheiß Glückskeks-Sprüchen, oder. Keine Sorge, ich mutiere nicht zur Winke-Katze. Ist die falsche Ecke unserer Welt dafür. Aber ich stelle fest – und das ist für mich doch ein wenig beruhigend – dass Goethe Recht hatte: tatsächlich können mich an jedem Tag ein paar mehr Menschen am Arsch lecken. Und das sage ich denen auch! Harmonie bedeutet nämlich NICHT, es allen Recht machen zu müssen, sondern mit sich selbst im Reinen zu sein. Das ist schon kompliziert genug, da muss ich nicht auch noch den Dogma-Narzissmus irgendwelcher Internet-Grottenolme befriedigen. NO WAY…

Da genieße ich lieber, was sich mir momentan gerade direkt vor der Haustür bietet, und lasse den lieben Herrgott noch eine weitere Woche einen guten Mann sein. Hier ist alles vorhanden, was man dafür braucht. Und an die Hitzewelle haben wir uns mittlerweile auch gewöhnt. Außerdem kann ich dem Sangiovese für den Wein unseres Vermieters beim Wachsen zuschauen. Die Beeren haben in den letzten 10 Tagen ordentlich zugelegt. DAS sind die einzigen Nachrichten, die im Moment von Belang sind. Buonasera…