Bienvenue au pays cathare N°5 – Der Esel ruft!

Normalerweise ist Wetter was für den Smalltalk, wenn überhaupt. Ich meine, warum sollte man über etwas diskutieren, dass sich sowieso nicht kontrollieren lässt – obacht noch mal für die Klimawandel-Leugner: Wetter IST NICHT GLEICH Klima, ihr Spackos! Jedenfalls gibt’s keinen Knopf für Regen, Sonne, Wind, oder so. Gott sei Dank muss man wohl sagen, denn ansonsten gäbe es unter Garantie um DIESE Fernbedienung noch mehr Streitereien als um jene für die Klimaanlage im Großraumbüro! Jedenfalls sitze ich gerade in der Küche unseres Ferienhauses und schaue dem Regen zu. Heute Morgen hatten wir einen Ausflug gemacht, der uns zwecks einer Besichtigung ein paar Täler weiter Richtung Norden geführt hatte, und dort war auch bei der Abfahrt zurück noch eitel Sonnenschein. Doch je näher wir dann am Nachmittag unserem Tal wieder kamen, umso dunkler wurde der Himmel. Jetzt regnet es seit ein paar Stunden und eben konnte ich den kleinen weißen Esel rufen hören, der sich am Ortseingang eine Weide mit einem Pferd teilt. Ich kann nicht sagen, ob es klagend oder glücklich klang. Aber ich stelle mir halt vor, wie das niedliche Kerlchen so leicht bedrippelt aus der Wäsche kuckend auf der Wiese steht und sich fragt, was das jetzt soll. Na ja, wahrscheinlich macht es ihm weniger aus, als dies bei mir der Fall wäre.

Abbaye de Fontfroide, vom Garten aus

Hier in den Corbieren, die sich an der höchsten Stelle auf etwas über 1200 Meter erheben, bleibt das Wetter oft in einem Tal stehen. Man konnte das gestern ganz gut vom Strand bei Sainte-Marie-La-Mer aus beobachten, wie sich über den Pyrenäen und den Corbieren gewaltige Wolken türmten, während man selbst bei strahlendem Sonnenschein am Strand saß. Kenne ich so von zu Hause nicht. Jedenfalls kann die Region das Wasser vertragen. Und dem kleinen weißen Esel ist dann auch nicht ganz so warm. Man legt sich ja immer so darauf fest, dass das Wetter im Urlaub superdupertoll sein muss, damit man möglichst viel unternehmen kann; nur um dann feststellen zu müssen, dass die lieben Töchterlein das Murren anfangen. Wenn selbst die 10-Jährige irgendwas von „NIE kann man richtig chillen!“ murmelt, braucht man ein paar frische Tragbalken für den Familiensegen. Oder man macht halt doch mal einen Tag oder zwei nix, auch wenn auf der Besichtigungs-Wunschliste noch ein paar Punkte fehlen. Doch – fehlen diese Punkte einem wirklich? Ich meine, es ist ja nicht so, dass man nie wieder herkommt, oder? Zumindest reift so langsam der Plan in mir, in den nächsten Jahren wiederzukommen, um noch mehr anschauen und relaxen zu können. In einer so alten und vielfältigen Kulturlandschaft gibt es so unglaublich viel zu sehen, dass man bei 14 Tagen Aufenthalt zwangsläufig nur eine begrenzte Auswahl an Zielen besuchen kann.

Der Kreuzgang

Insofern galt der Ruf des Esels wohl doch mir; er wollte mir vielleicht sagen, dass ich stets willkommen wäre, auch hier in Südfrankreich nach dem Glück zu suchen. Worin auch immer es sich finden lassen mag. Wetter ist eine Äußerlichkeit. Eigentlich sind auch die ganzen Ausflüge zu schönen Orten nicht mehr als Äußerlichkeiten, denn es geht nicht unbedingt darum einen Ort im räumlichen Sinne zu besuchen, sondern einen Ort für die Seele zu schaffen, an welchem diese sich (neu…?) entfalten kann. Ich werde jetzt ganz gewiss nicht behaupten, dass die zumeist sonnige, auf dieses besondere Art duftende Landschaft und die alten Steine zum Knipsen, sowie das gute Essen und der Wein zum Genießen dabei nicht helfen; das wäre glatt gelogen! Denn ich bin wahrlich nicht der Typ für asketisches Kontemplieren in einer kargen Mönchszelle, oder auf einem einsamen Berg. Obwohl auch solche Momente in den letzten Tagen durchaus dabei waren. Also bin ich wohl selbst einer dieser Esel, die nicht gänzlich von ihrem Urlaubs-Konsum lassen können – weshalb mich der Ruf des echten Esels auch so zum Schmunzeln bringt. Der kleine Kerl sagt mir: nimm das alles nicht so ernst, lass Fünfe grade sein, schränk dich ein bisschen ein, dann darfst du gerne wieder vorbei kommen. Ich hoffe, dass ich das eines Tages wirklich beherzigen kann. Einstweilen wünsche ich mir, in den letzten Tagen hier noch ein bisschen was sehen zu dürfen – und euch eine gute Zeit. Wir hören uns.

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