Benvenuti nelle Marche N°4 – all you need is…?

Wenn’de Zeitung liest, kriegste manchmal komischen Kram serviert. Heute Morgen zum Beispiel bekam ich einen Artikel zum Thema „Cortisol-Face“ serviert. Offenbar ist es derzeit ein Trend, ein wenig aus der Form geratene Gesichter einem Stress-induzierten Cortisol-Überschuss im Körper zuschreiben zu wollen. Manchmal wäre es ganz gut, wenn das Insta-Völkchen, die TikTok-Nation und die SnapChat-Jünger NICHT jeden Quatsch einfach replizieren würden. Insbesondere in einem Zeitalter, in dem manche selbsternannte Besserwissende – a.k.a. Influencer – einem auch noch das Letzte Stückchen ALTEN Blödsinn als den NEUEN heißen Scheiss verkaufen wollen. Verkaufen hier im wahrsten Wortsinn, weil diese Bübchen und Mädchen meinen halt, mit gequirlter Scheiße Geld machen zu können. (Der Artikel auf ZON, der den Quatsch mit dem Cortisol-Face sachlich widerlegt, ist leider hinter der Bezahlschranke). Bezeichnend finde ich die Aussage eines Mediziners aus dem Artikel, das eine in seine Ambulanz mitgebrachte Selbstdiagnose aus dem Internet quasi automatisch ein Ausschlußkriterium darstellt. So viel zur Nützlichkeit von Selbstdiagnostik durch die Halbwissenden. Gemischt mit einem Schuß Dunning-Kruger ein weiteres soziales Pest-Bazillus unserer Zeit. Ich sage das jetzt vollkommen unironisch, nicht in beleidigender Absicht aber sehr wohl mit der Zielgruppe Gen Z und jünger: Erfahrung ist durch NICHTS zu ersetzen, außer durch mehr Erfahrung und Dazu(Lernen) findet NIEMALS ohne Anstrengung statt! Merkt euch das endlich und hört endlich auf, dauernd nach der Abkürzung zum Topf voller Gold zu suchen! Das einzige, was ihr damit erreicht, ist noch mehr gequirlte Scheiße in diese Welt zu setzen (siehe oben)!

Das Restaurant in Macerata war nicht übel…

Der Titel sagte ja was von „all you need is…?“. Und auch wenn die Beatles natürlich schon lange und überdies vollkommen richtig besungen haben, dass die Liebe wirklich das Allerwichtigste in unserem Leben ist, bleiben natürlich noch ein paar andere Bedürfnisse, die es zu stillen gilt. Jedes Mal, wenn ich die Frage nach den Bedürfnissen in Aus- und Fortbildungskontexten anspreche, fangen die Leute unwillkürlich an, Maslows Pyramide zu zeichnen oder mit Worten zu beschreiben. Da Brecht schon wusste, dass das Fressen vor der Moral kommt (da hat er natürlich bei Marx abgekupfert), ist das an sich noch nix bemerkenswertes. Es scheint sich aber ins kollektive Gedächtnis eigearbeitet zu haben, dass ganz unten die physiologischen Bedürfnisse stehen. Und „physiologisch“ wird oft und gerne mit „existenziell“ verwechselt, wobei die Leute dann unterschlagen, dass soziale und individuelle Bedürfnisse (zumindest in unserer Gesellschaft) subjektiv sehr wohl ebenso existenziell sein können, wie die physiologischen – anders wären manche psychische Zivilisations-Krankheiten wie etwa Burn-Out wohl nicht zu erklären. Womit wir wohl wieder beim Cortisol-Face angelangt wären. Welche Bedürfnisse noch existenziell sind, bestimmt – sofern die physiologischen halbwegs gedeckt sind – jeder Mensch für sich; was allerdings mittelfristig ein Problem darstellt, wenn jede/jeder der Meinung sind, IHRE diesbezüglichen Empfindungen und Erkenntnisse zu denen ALLER erklären zu müssen! Und das überdies auch noch in die Weiten des Wenig Wichtigen Webs hinausposaunen… Womit wir wieder bei den Influenzeranzien wären; Menschen, die ihre (wie auch immer beschaffene) Reichweite ausnutzen, um gequirlte Scheiße zu ver breiten, was mich dann mental ranzig macht.

Denke ich über das nach, was ich brauche, dann komme ich zummeist zu dem Schluss, dass ich immer noch mehr Konsumkapitalist bin , als ich das gerne wäre, aber immerhin weniger als viele Andere. Ich brauche vor allem eine Ressource: Zeit. Zeit für meine Lieben, vor allem aber auch Zeit für mich, weil ich in letzter Zeit zu oft bemerken musste, dass dieser ständige Modus des (aufoktroyierten) Kommunizieren-Müssens über alles und jedes mich ermattet hat. Bis zu dem Punkt, da meine Resilienz aufgebraucht war. Und ich bin mir NICHT sicher, dass sie zum Ende des Urlaubs wieder voll aufgefüllt sein wird. We’ll see to that… Was ich jedoch feststellen konnte ist, dass Chef-Sein mich NICHT erfüllt. Now, don’t get me wrong: ich mag die Herausforderungen, welche meine Arbeit mit sich bringt, es gibt einige Kolleg*innen, mit denen zusammenzuarbeiten Spaß macht und ich empfinde meine Aufgaben ehrlich als richtig und wichtig. Und trotzdem fehlt mir letzthin der Drive; weil es immer wieder nur um das eine geht: Kohle, Moos, Schotter, Asche, Zaster, Penunze. Ich sehe keine Visionen – und ich finde das Peer Steinbrück ein Dummschwätzer war, als er sagte, für Visionen ginge man zum Wahrsager. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt je zum Chef-Sein gemacht war; insbesondere, weil ich eigentlich kein direktiver Typ bin, sondern eher jemand, der bedächtig lenkt und auf die Einsicht der Menschen hofft. Immer noch. Mittlerweile muss man sagen: wider besseres Wissen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wir fuhren hier in den letzten Tagen mit einem Leihwagen umher, der objektiv betrachtet lächerlich klein, dezent untermotorisiert und nicht sonderlich gut ausgestattet war. Dafür war er halbwegs kostengünstig. (Lancia Ypsilon Model 846). Unser eigenes Auto laboriert an einem Atmungsproblem, welches erst derzeit behoben werden kann, nachdem in der Woche um Ferragosto kein Ersatzteil zu bekommen war. Wir haben trotzdem schöne Ausflüge gemacht und ich war, bzw. bin, allen kleinen Widrigkeiten zum Trotze zufrieden. Sehr sogar. Vor allem, weil unsere Unterkunft einen vieles vergessen lässt, aber auch, weil unsere Vermieter wirklich reizend hilfsbereite Menschen sind. Ich durfte einmal mehr feststellen, dass meine Vorstellung von einem guten Leben und die meiner besten Ehefrau von allen gelegentlich ein wenig differieren. Ich brauche materiell wirklich nicht viel. Vielleicht liegt es daran, dass sie an ihren Wurzeln, also der Art, wie ihre Familie gestrickt ist nicht vorbeikommt. Ich bin – und das kann man unumwunden sagen – vollkommen anders als meine Geschwister. Ob das mit meiner Erziehung (die anscheinend anders verlaufen ist, als bei meinen älteren Geschwistern) oder doch eher mit meinen Lebens-Erfahrungen zu tun hat, werde ich nicht beurteilen. Aber es hat so einige Auswirkungen… Wenn ich ehrlich bin – ich könnte mir das Leben hier auch vorstellen. Doch ich weiß, dass es meinen Lieben da anders geht und ich käme im Leben nicht darauf, sie entwurzeln zu wollen. Denn ihre Bedürfnisse sehen eben ganz anders aus, als meine. Und ihr existenziell sieht vermutlich auch ganz anders aus, als mein existenziell, selbst wenn wir alle Menschen sind. Am Ende des Tages weiß ich nicht, ob ich den Mut aufbrächte, mit 50 in einem anderen Land noch mal ganz neu anzufangen; von den Kosten mal ganz abgesehen. Aber davon träumen ist schon ganz nett. In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Tag.

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