Countdown to Christmas #4

„FREEDOM, FREEDOM, FREEDOM, FREEDOM…“ In meinem Hinterkopf spielt gerade Aretha Franklins „Think!“ Leider stellen die meisten Menschen heutzutage offenkundig den Zusammenhang zwischen Freiheit und Denken nicht mehr in dieser Intensität her. Gerne verwechselt man die Selbstwirksamkeit, die als Teil der persönlichen Autonomie die Erfahrung der Möglichkeit zur erfolgreichen Einflussnahme auf das eigene Schicksal meint, mit Freiheit als einem universellen Wert, der jedem immer und überall Handlungsmacht garantieren soll. Das die Beschränkung der eigenen Freiheit durch die Freiheit anderer dabei inhärenter Bestandteil des Konstruktes ist, wird gerne vergessen, wenn das Ego brüllt…

Wir sehen gerne in die Weite, anstatt die Nähe zu würdigen…

Was mir immer häufiger fehlt, ist die Selbstreflexion; bewusst herausfinden wollen, worin die eigene Wirksamkeit besteht, und wie mir dies ein Gefühl von Autonomie gegegnüber den Zwängen der Gesellschaft verschafft? Es gibt bestimmte Zwänge, denen ich mich entweder gar nicht, bzw. nur unter streng definierten Bedingungen, oder unter Inkaufnahme von Sanktionen entziehen kann: Verantwortung für Freunde und Familie, Arbeit, Steuern, Gesetze, Moral, etc. Auf den ersten Blick klingt das höchst unfrei. Doch was ist die Alternative: Bellum omnium contra omnes? Der Krieg aller gegen alle, wie ihn Hobbes in seinem „Leviathan“ heraufbeschwört? Wahrscheinlich nicht in solcher Konsequenz. Aber mit einem kurzen Blick auf den Manchester-Kapitalismus lässt sich sagen, dass zumindest ein sozialer Zustand entstünde, der Wenige erheblich bevorteilen würde, und den Rest in Unfreiheit stürzte, die auch als solche empfunden würde.

Nun könnte man argumentieren, dass ich mir meinen objektiven Mangel an Macht über mein Schicksal nur schönrede, wenn ich diese Zwänge als gegeben abtue und philosophisch begründe (kategorischer Imperativ und so…). Fatalismus lautete dann die Diagnose; wehr- und kritiklose Schicksalsergebenheit. Mir wäre es allerdings lieber, es als Stoizismus zu erkennen; Gelassenheit im Antlitz des (zunächst) Unabänderlichen. Wir können nicht alles ändern, nur weil es uns gerade nicht gefällt. Insbesondere, da ALLES immer auch ALLE ANDEREN einschließt. Keine*r von uns existiert schließlich in einem abgesonderten Raum-Zeit-Kontinuum, getrennt von allem anderen. Das Problem bei der ganzen Sache ist das Framing vieler Menschen: DEREN Anspruch auf Freiheit wird immer verabsolutiert, wohingegen der ALLER ANDEREN als disponibles Gut betrachtet wird. Ist doch nicht so wichtig, ob die frei sind…

Freiheit kann eine Brücke sein…

Wenn Freiheit also vielleicht gar kein so kampfwütiger, universeller Begriff ist, sondern dessen Gehalt nur vom jeweiligen psychologischen Framing abhängt, dann sind wir ja wieder beim Zusammenhang von Denken und Freiheit; also bei der Selbstreflexion. Dumm gelaufen, oder? Mir wäre es lieb, wenn man sich darauf besinnen könnte, die eigenen Freiräume als Geschenke des Sozialen wahrzunehmen. Selbstverständlich engt das Zusammenleben mit Anderen die eigene Unabhängigkeit ein. Wem könnte das bewusster sein, als Eltern, die sich – mal mehr, mal weniger der Folgen bewusst – Verantwortung für neues Leben aufgeladen haben. Vater zu sein, hat meine Denke in vielerlei Hinsicht verändert. Trotzdem habe ich immer noch diesen Drang nach Individualität, nach der Möglichkeit mich selbst ausdrücken zu können. Und wenn man es recht bedenkt, tue ich genau das gerade! Ich bin also privilegiert, denn ich habe eine Stimme und finde immer wieder die Muse und Zeit, sie zu nutzen.

Was ich sagen will ist Folgendes: es gibt jede Menge Freiheit in den Leben der Menschen hier in Deutschland. Natürlich gibt es auch Not, die von Fall zu Fall sicher auch existenziell sein kann. Aber die Freiheit überwiegt bei weitem. Sie wird aber nicht mehr als solche wahrgenommen, weil manche Menschen Unfrieden sähen, um ihre eigenen Ziele verfolgen zu können. Ich werde mir meine Freiheit nicht von denen Re-Framen lassen! Haters gonna hate. Ich brauche diese negative Energie nicht – ich suche lieber die positive! Mag jemand mitsuchen? Immerhin ist bald Heiligabend…

Countdown to Christmas #5

In aller Kürze – ich bin bislang davon verschont geblieben, Gewhamed zu werden (ihr wisst schon „Last Christmas…“). Wir haben einen Baum, der heute noch fertig geschmückt werden muss. Die Geschenke sind eingelagert, beziehungsweise zum Teil auch schon verpackt. Ich habe ab morgen Urlaub; auch wenn ich blöd genug war, mir eine dienstliche Verpflichtung in diesen Urlaub zu legen. Am Dienstag lasse ich mich Boostern. Und auch, wenn ich heute Nacht (glaube ich) noch mal von der Arbeit geträumt habe, fällt der Stress ganz langsam von mir ab. Irgendwie hätte ich im Moment mehr Lust auf Pool und Drinks mit Schirmchen, aber ich nehme es wie’s kommt. Familienfeiern haben einen Teil ihres Schreckens verloren, seit ich mit manchen Dingen meinen Frieden gemacht habe.

Und ich meine damit tatsächlich Dinge. Mit manchen Teilen meiner Familie rede ich seit einer Weile nicht mehr, weil ich es satt hatte, wie ein dummes Kind behandelt zu werden. Und wenn ich so recht darüber nachdenke, verspüre ich auch keine weitere Regung dabei. Also werde ICH an diesem Zustand nichts ändern. Manche Fragen blieben bis heute unbeantwortet, und meine Eltern kann ich das nicht mehr fragen, weil sie beide an einem besseren Ort sind. Schwamm drüber. Jeder Mensch hat sich in seinem Leben etwas vorzuwerfen; man muss sich bis an sein eigenes Ende fragen, ob man recht getan, oder ob ein anderer Weg besser gewesen wäre. Ich weiß es ebenso wenig wie jede*r andere. Und das ist etwas, dass ich mit mir selbst – und NUR mit mir selbst – abmachen muss. Die Frage, welche für diesen Post bleibt, ist Folgende: Sind negative Gefühle ein guter Ratgeber, wenn es um das Niederbrennen von Brücken geht? Vermutlich nicht. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass jede Geschichte zwei Seiten hat, und jede*r Beteiligte stets zuerst seine Sicht der Dinge bedenkt. Aber so sehr ich auch an die Macht gelungener Kommunikation glaube, so sehr bin ich auch ein Mensch, der seinen Affekten manchmal ausgeliefert ist; wie alle Anderen auch. Wer weiß, vielleicht löst sich das mit genügend Abstand. Und wenn nicht, ist das auch eine dieser Fragen, die man mit auf’s Sterbebett nimmt.

Heute Morgen bin ich – wen verwundert das nach dem letzten Abschnitt? – nachdenklich aufgewacht, und daran ändert der Tag mit seinem Mannheim-typischen Dezember-Grau-in-Grau bislang wenig. Gestern Abend schauten die beste Ehefrau von allen und ich, vor dem Zubettgehen aus dem Fenster, und der Himmel hatte so ein komisches, unbestimmbares, Präniederschlags-Grau-Beige-Lila-Bunt. Sie nannte die Farbe Taupe oder Mauve, und witzelte darüber, dass sie neulich irgendwo so eine Bauhaus-Farbkarte mit seltsamen Farbnamen wie „Sehnsuchtsvolle Verheißung“ für solche unbestimmbaren Färbungen gesehen hätte. Vielleicht wären „Oktobriges Ocker“ oder „Wirsches Weizengelb“ auch ganz nett. In jedem Fall sollte man den Marketing-Typen mal was anderes zum Rauchen geben. Was nun die Farbe meines Geistes angeht, würde ich heute zu „garstigem Grau-Grün“ mit einem Schuss „belangloses Blassblau“ tendieren. Immerhin nicht Schwarz, welches normalerweise meine Kleiderwahl dominiert, wie meine drei Mädels heute Morgen einmal mehr belustigt festgestellt haben. Ich rede mir halt immer noch ein, dass Schwarz schlank macht…

Wir biegen also auf die Endstrecke nach Weihnachten ein. Und wie jedes Jahr ist dies die Zeit der nachdenklichen Nachlese und des antizipierenden Ausblicks. Mal schauen, ob ich die nächsten Tage noch lustiger draufkomme. Wenn ich mich mal nicht mit Arbeit befasse, vielleicht schon. Ich gelobe daher, mir damit Mühe zu geben. Schönen vierten Advent.

Auch als Podcast…

Oh, ihr Seligen…

Es passiert mir nicht selten, dass ich einen Gedanken fasse, den ich für interessant genug halte, darüber einen Blogpost lang zu räsonieren. Das Problem ist, dass ich manchmal bin, wie Hamilton das Eichhörnchen aus „Ab durch die Hecke“ – schnell gedacht, noch schneller vergessen, weil von irgendwas anderem abgelenkt! Und wenn’s nur so was banales ist, wie etwa Hausarbeit. Manchmal verfängt sich ein Rest des Gedanken aber im Spülsieb meines Cerebralsyphons und wird so später wiedergefunden. Wie etwa meine Gedanken zu Wolfgang Kubickis Äußerung, dass an einer allgemeinen Impfpflicht die freiheitliche Gesellschaft zu Grunde ginge. Er macht zwar den sinnvollen Punkt, dass auch Geimpfte sich verdammt noch mal überall testen lassen sollten. Aber ansonsten übersieht er schlicht, dass dieser Wahnsinn ohne eine generelle Impfpflicht noch zwei, drei Jahre weiter gehen wird. Wie erklärt er das seinen wirtschaftsliberalen Jüngern? Und, hat er tatsächlich vergessen, warum es obligatorische Pocken-Impfungen gab? Selig sind, die selektiv vergessen können, wenn es um ihre persönliche Bedeutung und Macht geht…

Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wenn ausgerechnet Juristen, die den Geist des kategorischen Imperativs, welcher durch unsere gesamte Gesetzgebung weht, eigentlich als Muttermilch aufgesogen haben sollten, dann anfangen, das Individuum um jeden Preis über das Kollektiv stellen zu wollen. So wie jene, die das Kollektiv über das Individuum stellen wollen, in aller Regel dabei irgendwann anfangen, das Individuelle ausrotten zu wollen (ein Blick in die VR China genügt, um zu verstehen, wovon ich rede) kommen mir manche FDP-Politiker vor, wie erzegoistische Nihilisten, die das Solidarische eliminieren wollen, damit der Markt alles regeln kann. Der Markt jedoch, so man diesen denn dummerweise entfesselt, regelt nur eines: Umverteilung von denen, die eh zu wenig haben, hin zu denen, die eh schon zu viel haben. Und falls sich jetzt jemand über den Passus „ZU VIEL“ mit Bezug auf individuellen Besitz aufregen möchte: wie sinnvoll ist es, Touristen mit Feststoffraketen ins All zu schießen (und dabei selbst mitzufliegen), wenn hier unten sowieso schon das Klima umkippt?

Das Besitz verpflichtet, steht in unserem Grundgesetz (Art. 14, Abs. 2). Amis ist das natürlich egal. Aber unseren Besitzenden ist es offenkundig zumeist ebenso egal. Wo ist da die, zwingend notwendige, juristische Konsequenz, wenn es um den Erhalt der Solidargemeinschaft geht? Typen wie Kubicki geht es immer nur um die „Freiheit, die ICH meine“, nicht um die Freiheit aller Bürger, wenigstens halbwegs gleiche Chancen beim Start ins Leben haben zu dürfen. Und dann redet dieser freche Faktenallergiker über eine allgemeine Impfpflicht, als wenn die Unversehrtheit meines linken Oberarms die letzte Demarkationslinie der Demokratie wäre! Was genau raucht derTyp? Und dann schwadroniert er auch noch davon, dass Menschen wie ich, die eine generelle Impfpflicht fordern, Jakobiner wären, denen es lediglich um die Bestrafung der Ungeimpften ginge. Was für ein verdrehtes Verständnis von Rechtsstaat hat dieser aufgeblasene Amateur?

Wir haben da draußen eine Schwurblerszene von etwa ein paar 10.000 Menschen, welche durch gezielte Desinformation über alle möglichen Kanäle in den letzten 21 Monaten bundesweit ein Klima des Misstrauens verbreitet haben, dass auch so manchen eigentlich Vernünftigen zum Impfskeptiker gemacht hat. Weil wir denen viel zu viel Raum in unserer Wahrnehmung einräumen. Dabei ist deren Signifikanz für die Gesamtgleichung Gesellschaft unbedeutend! Sie sind nur viel lauter als die meisten anderen. Und dann kommt die FDP und wittert im Angesicht der redlich verdienten Bedeutungslosigkeit Morgenluft… Und wenn man in so einer Situation einen Apologeten für die übersimplifizierte Verschlagwortung des, im Kern stets unscharfen Begriffes, Freiheit braucht, eignet sich der selbsternannte nordische Freigeist Kubicki natürlich exzellent.

Ob ich wütend bin? Aber hallo! Warum ist mir die Ampel mit diesen unerträglichen Selbstdarstellern Lindner, Kubicki und Wissing nicht erspart geblieben? Und dann muss ich auf ZON auch noch lesen, dass ausgerechnet DIE bei jungen Leuten richtig geil gescored haben. Soviel zu meinem Vertrauen in die junge Generation. Ich vermute mal, dass deren Bedürfnis nach Selbstwirksamkeitserfahrung (bei manchen Vertretern der Generation Z nach meiner persönlichen Erfahrung durchaus stark ausgeprägt) sie zu denen getrieben hat, die sich schon immer dieses Wort Freiheit (wie schon gesagt, ein höchst unscharfer und daher stets auf’s Neue definitionsbedürftiger Begriff) auf die Fahne schreiben und dabei stets verabsäumen, auch anzugeben, wessen Freiheit sie eigentlich meinen! Na ja, da die nicht wirklich irgendwas liefern, habe ich immer noch Hoffnung, dass sie das nächste Mal wieder hinter der Bühne verschwinden müssen. Oder ich werde zur Abwechslung mal wirklich positiv überrascht. Das hätte nach 30 Jahren schon was. Jedoch mir fehlt der Glaube. Da wünsche ich euch lieber schon mal einen schönen vierten Advent.

Auch als Podcast…

Meine Heimat…? N°1 – Ort: Monnem!

Ich klinge, wenn ich hier schreibe oft nachdenklich, manchmal wütend, manchmal auch geschockt, hin und wieder ein bisschen lustig… aber sentimental passiert in diesem Theater normalerweise nicht. Allerdings ist die Weihnachtszeit, Kraft ihrer zeitlichen Position im Jahr und ihrer inhärenten Nötigung zur Beschäftigung mit der Familie, automatisch der Reminiszenz verdächtig. Und wer sich erinnert, schwelgt irgendwann in jenen kostbaren Momenten, die einem ein gutes Gefühl geben. Es ist eine Form, unsere Persönlichkeit zu stabilisieren, im Hier und Jetzt zu verankern. Denn zum Navigieren braucht man einen Fixpunkt, von dem aus man messen kann – und nichts ist natürlicher, als das jetzige Selbst mit dem von vor 10, 20, 30 Jahren zu vergleichen. Sofern man den schon so alt ist. Dabei kommt zum Tragen, dass die persönlichen Erinnerungen immer mit anderen Personen, Orten und Ereignissen verknüpft sind. Das gibt uns diese Sicherheit, „dazu zu gehören“.

„Wozu zu gehören?“ könnte man fragen. Meine Antwort würde heute lauten: zu meiner Familie, zu meiner Peergroup, zu meinen Job Relations, zu meiner ‚Hood, zu meiner Stadt. Es wird ja immer wieder über den Begriff Heimat diskutiert. Horst Seehofer hat versucht, ihn zu politisieren. Und damit deutlich am rechten Rand gefischt, in der Hoffnung, den blaubraunen Idioten das Wasser abzugraben. Hat echt super funktioniert Horst; danke für nichts, du Bazi! Aber er ist bei weitem nicht der Einzige, der sich bei der Suche nach einer Identität auf Pfade verläuft, die eigentlich spätestens seit 1945 dauerhaft verbarrikadiert sein sollten. Sei’s drum. Ich sage ja immer, dass eine wehrhafte Demokratie mit 10-15% Idioten schon klarkommt. Ich jedenfalls bleibe dabei, dass Identität etwas fluides, etwas dynamisches ist, und nur zum Teil mit dem Ort zu tun hat, an dem man geboren wurde.

Mein Vater kam aus Sachsen, präziser aus der Oberlausitz, und meine Mutter aus Hannover. Die Unwahrscheinlichkeit ihres Zusammentreffens wurde durch die Wirren des vorhin bereits erwähnten Krieges erst möglich gemacht. Und so könnte man irgendwie doch sagen, dass ich ein Kind des 2. Weltkrieges bin. Allerdings mit deutlicher Verzögerung. Wie so vieles in Deutschland heute noch dem 2. Weltkrieg geschuldet ist. Sie wurden irgendwann im Badischen und schließlich in Mannheim heimisch, weil mein Vater als Feinmüllermeister eine Zeit lang das alte Credo „Das Wandern ist des Müllers Lust!“ gelebt hat. Meine Eltern erkannten Mannheim irgendwann als Heimat an, auch wenn sie bis dahin bereits einen langen Weg zurückgelegt hatten. Ich jedoch bin hier geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen. Hier traf ich meine Frau – die beste Ehefrau von allen! Hier habe ich leben, lieben, retten und lehren gelernt. Hier gehen meine Kinder zur Schule und meine Frau genauso wie ich zur Arbeit. Damit ist es ein Ort, mit dem mich unfassbar viel verbindet. Und selbst, wenn der südländische Teil meines Herzens auch die Toskana als Heimat betrachtet – Mannheim ist der Ort, an dem meine Seele wirklich wohnt.

Ich bin, nun ja, behütet aufgewachsen. Ich hatte zwar den (gefühlt) größten Abenteuerspielplatz der Welt direkt vor der Tür – und bin im Rahmen von dessen Erkundung vielen Erwachsenen gewiss gehörig auf den Zeiger gegangen. Manche haben mir das gezeigt, andere nicht. Doch das habe ich erst später verstehen gelernt. Denn dann kamen mein Zivildienst und meine Berufsausbildung; und das war DER Augenöffner in die andere, die echte Welt: Heidewitzka, was habe ich in meiner Anfangszeit einen riesigen Haufen selbstgefälliger Arschlöcher als sogenannte Chefs kennengelernt! Und was durfte ich in sehr kurzer Zeit alles über das Leben lernen! Über 25 Jahre hat mir mein Job die Möglichkeit gegeben, in dieser Stadt die reale Welt zu erkunden. An unfassbar vielen Stellen erlebe ich heute Verbundenheit, weil ich Geschichten über Dieses und Jenes erzählen könnte, die sich dort – nicht selten unter meiner direkten Mitwirkung – zugetragen haben. Dramatisches und oft Trauriges habe ich erlebt. Skurilitäten und Absurditäten vom Feinsten. Manchmal blanken Horror. Aber auch viel Lustiges. Und manches Verrückte. Ich möchte nichts davon missen, denn es hat den Mann geformt, der ich heute bin. Und wenn man mal davon absieht, dass ich ein bisschen abnehmen sollte, bin ich mit diesem Mann sehr zufrieden.

Auf manche persönliche Bekanntschaft hätte ich – aus der Retrospektive – gut und gerne verzichten können. Andererseits schenkt uns das Leben diese anderen Menschen – gleich, ob sie gut oder böse daherkommen – immer als Chance zum Lernen. Und wie das alte chinesische Sprichwort so richtig sagt: „Wenn du lange genug am Fluss sitzt, siehst du irgendwann die Leichen deiner Feinde vorbeischwimmen.“ Geduld ist tatsächlich eine Tugend. Und man sollte meine Geduld weder mit Schwerfälligkeit, noch mit Servilität verwechseln. Aber eigentlich bin ich gerade in versöhnlicher Stimmung. Das könnte daran liegen, dass mein Arbeitsjahr sich dem Ende, und damit dem Urlaub zuneigt. Und das die dortige Bilanz durchaus achtbar ausfällt. Es könnte auch sein, dass die Unruhe ob dessen, was ich – egal in welchem Bereich meines Lebens – noch nicht geschafft habe, ein wenig nachlässt, wenn man begreift, dass man eh nie alles erledigt bekommt. Und schließlich zieht man ja auch eine persönliche Bilanz, um dann daraus (vollkommen unnütze) Vorsätze für’s kommende Jahr abzuleiten. Sollte man sein lassen. Wandel ist zu jeder Jahreszeit möglich… Höchstwahrscheinlich ist es bei mir die Vorfreude darauf, mal ein paar Wochen mehr bei mir selbst sein zu können, als immerzu für andere da ein zu müssen. Wenn aus dem Müssen wieder ein Wollen werden darf, kehrt die Zufriedenheit bei mir fast wie von Zauberhand sofort zurück. Und hey… es ist Wochenende. Schönen 3. Advent.

Auch als Podcast…

Alles zerreden müssen…?

Unsere neue Bundesregierug ist kaum einen Tag im Amt, schon zerreissen sich die Medien ob der Frage, welches Amt nun für die Deutungshoheit in der Außenpolitik zuständig ist, das Maul: das Außenministerium, oder doch das Bundeskanzleramt? Das hier schon gleich zu Beginn um Macht gerungen wird, ist den Verlierern der letzten Wahl (zumindest vordergründig) ein Omen, dass die Bundesrepublik ohne deren erleuchtete Führung dem sicheren Untergang geweiht ist. Nichts könnte der Realität ferner liegen, nachdem die CDUdioten im Bund 16 Jahre lang wirklich alles Mögliche getan haben, um Wandel aktiv zu verhindern. Dass in der Politik Claims abgesteckt werden, ist nichts Neues. Das dies unter dem dauer-sezierenden Blick der Journalisten und dem unvermeidlichen Echo der (a)sozialen Medien geschieht, ist ein Symptom unserer Zeit. Und so sind diese televerbalen Scharmützel kaum eine hochgezogene Augenbraue wert. Spiegelfechterei und gezielte Provokation, um die Erregungsmaschine am Laufen zu halten. Denn hier muss ich den Fantastischen Vier widersprechen*: du bist tot, sobald du nicht mehr in allen Köpfen bist! [„Feinde oder Freunde, es gibt viele Stars. Sterben kannst du nicht, wenn du in aller Leute Köpfe warst“ Die Fantastischen Vier, „Populär“ vom ’95er Album „Lauschgift“]

Quelle Pixabay

Das Problem ist nicht, dass Politiker Aufmerksamkeits-Huren sein müssen. Das Problem ist, dass sie dabei die Sachargumente zerstören, und ihr Handeln irgendwann nur noch aus rhetorischen Figuren besteht, die inhaltsentleertem Influenzerismus gleich, höchstens dazu geeignet sind, Emotionen zu triggern. Und weil jede Seite Ihre Follower, ihre Die-Hard Fangirls- und Boys hat, bevölkert hoch emotionaler Bullshit-Terrorismus die Kommentarspalten unserer (a)sozialen Medien. Die gewünschte Funktion, die Menschen einander näher zu bringen, die einst als große Hoffnung an das Internet geäußert wurde, wird hier nicht nur verfehlt, sondern auf’s Brutalste in das Gegenteil verkehrt. Und alle glauben, sie hätten Recht, wären im Recht, wüssten worum es geht – und haben doch nur sinnlose Überschriften geliked oder gehatet, ohne zu verstehen, was wirklich Phase ist. Das Internet hat die Welt tatsächlich in einer Hinsicht demokratisiert: es hat die Möglichkeit, Partikular-Interessen zu äußern und zu promoten, aber auch diese anzugreifen und deren Vertreter zu mobben an jeden verteilt, der einen Netzzugang hat. Und dabei die Eintrittsschwelle hierzu, und zu den unweigerlich folgenden Diskussionen, auf das niedrigst mögliche Niveau gesenkt: man muss nur eine Maus bedienen, oder auf einem Bildschrim rumwischen können. Das kriegen auch Affen hin…

Man darf mich natürlich (gezielt) missverstehen – eine der möglichen Varianten, wie man „Gegner“ im Internet „bloßstellen“ kann – oder man nimmt einfach zur Kenntnis, dass ich NICHT denke, dass alle Nutzer sozialer Medien Affen sind, die keinen Durchblick haben. Allerdings genügt ein relativ kleiner Prozentsatz, um einem die Laune zu torpedieren. Denn natürlich sind die Apologeten der televerbalen Unverschämtheit noch dazu „Lautsprecher“ im wahrsten Wortsinn. Das wahrhaft Bedauerliche ist, dass dabei dies hohle Geschwafel ihrer „Volksvertreter“ in ihnen ausreichend Energie erzeugt, um selbst massenweise rhetorische Montgolfieren aufsteigen zu lassen; und doch erzeugen sie allesamt nur heiße Luft… Im Moment triggert mich das nicht etwa, weil ich mich so sehr für die (a)sozialen Medien interessiere (das tue ich, andernfalls wäre das hier nicht auch auf FB zu finden), sondern weil dieses dysfunktionale Ego-Geficke schon wieder eine antidemokratische Unwucht erzeugt, die meine ureigensten sozialen und politischen Instinkte in Wallung bringt. Um es auf den Punkt zu bringen: ich würde gerne jedem Grünen-Basher persönlich eine auf’s Maul geben. Und ich bin, verfickt noch mal, Sozialdemokrat. Noch mal Voltaire gefällig: „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“

Ich wollte mich nicht aufregen, ich weiß, ich weiß. Aber wenn man sich diesen Mist jeden Tag anschaut, einfach weil man nicht daran vorbeikommt, wenn man nicht in einem Erdloch ohne jedwede Verbindung zu Außenwelt überwintern möchte (und ich fände Winterschlaf wirklich toll), muss man halt irgendwie darauf reagieren. Und Leute durch meine Schreibe derbe anschreien, ist gar nicht mal so schlecht als Ventil. Darum jetzt noch mal grobe Kelle: AN ALLE ARSCHMADIGEN KOGNITIONSALLERGIKER DA DRAUSSEN; DIE MIT EINIGEN KOMPONENTEN DER NEUEN REGIERUNG NICHT KLARKOMMEN: VERZIEHT EUCH IN EURE ERDLÖCHER, UND GEHT EUCH GEGENSEITIG MIT EUREM IRRELEVANTEN GEJAMMER AUF DEN SACK. NIEMAND MIT VERSTAND BRAUCHT EUCH. UND TSCHÖ! Und ganz ehrlich; ich warte darauf, dass mich endlich mal jemand entfreundet, blockiert, oder gar beschimpft und bedroht, und sich so offen zu seiner / ihrer ewiggestrigen, antidemokratischen, asozialen und an allen Realitäten und Notwendigkeiten unserer Zeit vorbeigehenden Ideologie bekennt. Es wäre mir ein Fest, euch aus meinem Leben scheiden zu sehen. Denn wer immer noch nicht kapiert hat, dass die Uhr unserer Welt auf drei NACH Zwölf steht, dem ist jetzt auch nicht mehr zu helfen. Ich habe fertig…

Auch als Podcast…

Das Politische ist privat!

Dieser Tage las ich einem Artikel (Buchrezension, Autorinnen und Titel sind unten benannt), in dem es um die Frage ging, inwiefern, bzw. auf welche unterschiedlichen Arten Sex politisch sei. Und um gleich der Augenscheinlichsten, weil am häufigsten sabbernd zitierten Variante eine Absage zu erteilen: persönliche Sexyness als Kapital zu instrumentalisieren (vulgo: sich hochzubumsen), ist dabei nicht die wichtigste Form, in der sich Sex als objektifizierte Ressource einsetzen lässt, um Macht zu gewinnen, oder zu verteilen. Und um mit einem weiteren Vorurteil an dieser Stelle aufzuräumen: es geht nicht nur um weibliches Sexhandeln, sondern um Sexhandeln an sich; bzw. einen kontrollierten Mangel daran. Es sind also explizit alle Geschlechter angesprochen. Denn so wie sich Idealvorstellungen von Sexyness und Beziehung im Lauf der Zeit, im Wechselspiel mit unseren Kulturtechniken immer wieder wandeln, wandelt sich selbstverständlich auch der Tauschwert dieser Idealvorstellungen. Doch gehen wir zunächst einen Schritt zurück.

Manchmal braucht man eine neue Perspektive…

Das Private ist politisch!„, ist ein Slogan, der zuerst aus der Frauenbewegung kam. Sachverhalte des Alltags wurden plötzlich in der Öffentlichkeit diskutiert und so nach und nach politisiert. Gerade für die politischen Ziele des Feminismus war die „Politik der ersten Person“ (also aus der Individualperspektive) eine Möglichkeit, Ungleichheit, und vor allem ungleiche Behandlung transparent zu machen, um so unter aller Augen für die Rechte der Frauen kämpfen zu können. Das Ungesehene sichtbar zu machen war eigentlich auch damals schon nichts Neues mehr; neu war jedoch die Idee, Dinge aus der Privatsphäre in die Öffentlichkeit zu ziehen. Die Möglichkeiten, einen öffentlichen Diskurs anzustoßen, haben sich natürlich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Vor allem auch pluralisiert. Sprach ich die Tage nicht von der fraglichen Demokratisierung im Literaturbetrieb, durch sich stetig weiter entwickelnden Technologien des Internets? Nun, was dort nicht wirklich funktioniert hat, klappt bei den sogenannten Graswurzelbewegungen zumindest ansatzweise ganz gut. Und so fand natürlich das Konzept in den letzten Jahren auch vermehrt Eingang in anders gelagerte gesellschaftliche Bewegungen.

Quelle: Pixabay

Das Soziologinnen nun die Rückbindung auf das (zumindest theoretisch) privateste aller Dinge vornehmen – nämlich die erotische Beziehung als intimste Zone zwischen Menschen – erscheint unter diesen Vorzeichen nur konsequent. Und ist irgendwie auch nicht neu. Immerhin dreht sich die Frauenbewegung von Anfang an immer auch um den Kampf für die sexuelle Selbstbestimmung. Ein Kampf, der allerdings mitnichten zu Ende gefochten ist. Und so verwundert es wenig, wenn das Thema mal wieder prominent auftaucht. Die Autorinnen fassen (mal wieder ganz im Geiste Bourdieus) Sexualität als eine Form von Kapital auf, und unterscheiden vier Formen:

  • Keuschheit: das mag verwundern, aber das verschleierte Versprechen auf die Defloration (man möchte mir das Wortspiel bitte verzeihen) entfaltet erhebliche soziale Macht und hat in bestimmten Gesellschaften einen sehr hohen Tauschwert.
  • Sexarbeit: die direkte Umwandlung von sexuellem in pekuniäres Kapitals bedarf vermutlich keiner weiteren Erläuterung; auch wenn jedem klar sein sollte, dass dies allzu oft unter prekären Bedingungen und in Abhängigkeitsverhältnissen passiert.
  • Verkörpertes sexuelles Kapital: hier geht es wieder um das bloße Versprechen, dass für die Funktion der kapitalistischen Marktlogik dienstbar gemacht wird, ohne dass es zum Vollzug des Aktes als solchem kommt: SEX SELLS!
  • Neoliberales sexuelles Kapital: ein (hier unterstellt) abwechslungsreiches Sexleben der Mittelklassen, welches durch die Bereicherung der individuellen Selbstentfaltung positiv auf die kreative Leistung (auch) im Job wirken soll. Zudem ist es marktwirksam (Porno, Toys, Inanspruchnahme von Dienstleistungen, etc.).

Ganz ehrlich: aus persönlicher Betrachtung halte ich den letzten Punkt für grandiosen Buillshit. Einerseits, weil die Autorinnen tatsächlich selbst in die Falle der Objektifizierung individueller Intimität tappen – und damit paradoxerweise den Boden der Objektivität verlassen. Und zum anderen, weil ich es für höchst unwahrscheinlich halte, dass man hierzu aussagekräftige Daten erheben kann. Denn Männer stellen sich gerne als tolle Hechte dar, wohingegen Frauen sich – meiner Erfahrung nach – eher ungern dem Leistungsdruck durch Vergleiche in diesem speziellen Lebensbereich aussetzen wollen. Selbst wenn man also Daten zusammenbekäme, wäre ein großer Prozentsatz vermutlich schlicht erstunken und erlogen. Keine gute Basis. Denn hier ist, um den Zirkel zu schließen, das Politische eben doch privat genug, nicht allzu viel darüber reden zu wollen. Und auch, wenn das jetzt wahrscheinlich für Manchen ein wenig altmodisch klingt: das ist auch gut so. Ich wünsche eine gute Nacht, egal mit was sie auch erfüllt sein mag…

Dana Kaplan/Eva Illouz: Was ist sexuelles Kapital? A. d. Engl. v. Michael Adrian; Suhrkamp, Berlin 2021

Auch als Podcast…

Schreiben ist Leben!

Um es gleich vorweg zu schicken: für mich ist mein Schreiben auch (aber nicht nur) ein Vermittlungs-Prozess zwischen meinem ES und meinem ÜBER-ICH. Für diejenigen, welche mit Freud nicht so vertraut sind: das ES, das sind unsere Triebe, unsere Instinkte, unsere irrationalen, nicht prämeditierten Bedürfnisse; vielleicht könnte man bei verschiedenen Gelegenheiten auch sagen: unsere niederen Dämonen. Das ÜBER-ICH hingegen ist jene Sicherungs-Instanz, welche durch die Sozialisation, Erziehung, Imitationslernen zu jenem moralinsauren, ewig rationalen, erhobenen Zeigefinger erwächst, der unseren niederen Dämonen den Spaß verderben möchte; oder anders formuliert: unser innerer Kerkermeister. In der Mitte zwischen den niederen Dämonen und ihrem Kerkermeister sitzt der ärmste Tropf von allen: unser ICH, also jener fluide Prozess der ewigen Gleichgewichts-Suche, den wir gerne als Persönlichkeit bezeichnen; und von der wir fälschlicherweise so gerne annehmen, sie sei stabil… Tja, dumm gelaufen. Die Sicht ist hier bewusst dramaturgisch verzerrt und ironisch überspitzt, denn ganz so einfach ist es nun doch nicht. Aber für den Zweck dieses Posts mag diese Beschreibung vorerst genügen…

Ich fing an, über diese Fragen nachzudenken, als ich mit der Lektüre des abgebildeten Buches begann (ich bin noch nicht fertig, ist ein ganz schöner Wälzer…). Die Autorin stellt, unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven, Schreiben als einen Akt dar, der einerseits in die kreative Sphäre eingebettet ist, andererseits aber auch der Verwertungs-Logik des Marktes unterworfen wird; sofern man denn überhaupt an den Markt geht. Meine diesbezüglichen Erfahrungen sind ambivalent. Einerseits ist es schön, von einem größeren Personenkreis als der eigenen Familie oder den nahen Freunden rezipiert zu werden. Andererseits macht man relativ schnell die Erfahrung, dass man in den anderen Menschen den Bewertungsreflex auslöst – und selbstverständlich ist es für dieses mühsam kultivierte Pflänzchen names „Selbstwertgefühl“ ein waschechtes Waterloo, wenn man dann die ersten (unvermeidlich) weniger schmeichelhaften Kritiken bekommt. Denn wie so vieles andere auch, sind die Meinungen über literarische Produkte Geschmackssache.

Es ist mir wichtig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass ich die häufig angeführte Distinktion zwischen Hochkultur (und damit klassischer Literatur) und Populär-Kultur (und der damit assoziierten Trivila-Literatur) riesengroßen Käse finde. Nicht etwa, weil mir die Klassiker öde wären, sondern weil Kultur (wie schon so verdammt oft gesagt) ein fluider Prozess ist, ein dynamisches System, eine Verstetigung des Wandels, die damit im Kern ihres Seins jedweder ewig verehrenden Zurschaustellung von Kulturartefakten widersprechen müsste; aber wer bin ich schon… Ich ziehe es vor, jedwedes Kulturprodukt im Kontext seines Entstehungszeitraumes betrachten zu wollen. Damit entfällt auch ein nicht unerheblicher Teil dieser Wokeness-Debatten als unnötig, selbstreferentiell und arrogant. Wo „Kunstwerke“ zur Stigmatisierung oder Benachteiligung beitragen, müssen diese immer kritisch kommentiert werden. Aber dächte ich den Wokeness-Gedanken in seiner heutigen Darreichungsform konsequent zu Ende, dürfte es auch keine kritisch kommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“ geben. Ich finde jedoch, dass man sich genau mit solchen Dingen bewusst auseinandersetzen sollte. Ich möchte hier an Adornos Diktum erinnern „[…] dass Auschwitz sich nicht wiederhole […]“

Ich bin weit davon entfernt, mein Schreiben als Kunst bezeichnen zu wollen, ganz sicher aber ist es ein komtemporäres Kulturartefakt. Das Publizieren in seiner Gesamtheit hat sich in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert. Manche Leute sprechen gerne von einer Demokratisierung des Literaturbetriebes, befeuert durch die wachsenden Möglichkeiten des Selfpublishings. Die Unabhängigkeit von der etablierten Verlagsbranche wird als Sieg über die Macht der Lektoren gefeiert. Ich sehe ehrlich gesagt eher eine Prekarisierung. Denn, wer Literatur verkaufen möchte (oder gar muss), um seine Existenz zu finanzieren, unterliegt plötzlich der oben bereits benannten Verwertungslogik und den (bei Bourdieu so treffend beschriebenen) Notwendigkeiten des Massengeschmackes. Und das vollkommen unabhängig davon, ob mit Verlagsvertrag, oder doch als Selbstverramscher bei einem kleinen Onlinekaufhaus mit Regenwaldnamen… Denn beim Selfpublishing mag zwar das unternehmerische Risiko überschaubar wirken – es liegt dennoch zu 100% beim Autor. Und nur die Wenigsten schaffen tatsächlich Margen, die sich lohnen. Mal davon abgesehen, dass die handwerkliche Qualität auf diesem Markt der literarischen Ich-AGs sehr inhomogen ist, und nicht selten im eher überschaubaren Rahmen bleibt.

Für mich ist es eine Mischung aus Hobby, Selbstverwirklichung, Storytelling-Übung und Ergotherapie, die ich auf keinen Fall missen möchte. Ich bin kein leichtgläubiger Narr, der glaubt, dass ihm irgendwann die Verlage die Tür einrennen und alsbald danach Hollywood wegen der Filmrechte anklopft. Ich mache es zuerst, um wenigstens gelegentlich meinen inneren Kerkermeister austricksen zu können; und natürlich, weil ich irgendwann 2022 doch mal wieder was Eigenes veröffentlichen möchte, um herauszufinden, auf welchem Level ich denn nun tatsächlich stehe. Davor stehen aber noch einige andere Dinge an, die auf meiner Prioritäten-Liste höher angesiedelt sind. Wir werden sehen. Und wir lesen uns…

Auch als Podcast…

#zimbocompodcast

Leben ist Dynamik

Auch wenn der Titel vielleicht als Allgemeinplatz wahrgenommen wird, auch wenn Binsenweisheiten einen manchmal nicht weiterbringen, auch wenn Glückskekse nicht immer sonderlich lecker sein mögen: wenn wir in den letzten 21 Monaten als Menschen irgendwas gelernt haben könnten, dann, dass das Leben kein gerader Fluss ist! War es nie, ist es jetzt nicht und wird es niemals sein. Einer unser vornehmsten Fehler als Menschen ist es, sich am Bekannten, am Gewohnten, am Eingeübten festzuhalten. Weil es uns ein (allzu trügerisches) Gefühl von Sicherheit vermittelt. Und niemand ist sich seiner Selbst gerne unsicher, oder erlebt mit Wonne das Gefühl, keine Kontrolle über die Dinge zu haben. Aber echte Kontrolle ist eine Illusion. Leben ist nicht nur Dynamik – Leben ist Chaos! Allerdings ist es schwierig, den Begriff Entropie aus der Physik auf die Sozialwissenschaft zu übertragen…

In den Sozialwissenschaften diskutiert man Entropie als Maß für die Ordnung / Unordnung innerhalb eines sozialen Systems. Wie es bei allen Systemtheoretischen Ansätzen so geht, herrscht hier vor allem eines: Uneinigkeit. Ohne auf die akademische Diskussion eingehen zu wollen, muss man sich die Frage stellen, ob man eine grundsätzliche Ordnung der Dinge unterstellen möchte, oder eben nicht? Und das ist auch eine Glaubensfrage. Beziehe ich das zum Beispiel auf die Aluhüte, dann sehen diese überall geheimnisvolle Mächte am Werk, welche die Welt nach ihrem Bild zu formen versuchen. Dann wäre die (für uns verborgene) Ordnung der Dinge eben jenes Geflecht aus obskuren, im Dunkel des Ungesehenen und Ungeahnten operierenden Geheimbünden, Regierungsorganisationen und was weiß ich nicht noch alles. Wenn ich mir ansehe, wie schwierig es ist, verschiedene Partner bei relativ einfachen politischen Projekten unter einen Hut zu bekommen, fällt es mir sehr schwer, mir ein paar geheime Regierungsmitarbeiter vorzustellen, die mal eben die ganze Bundes-Bevölkerung 5G-chippen. Die meisten Behörden in Deutschland können ja nicht mal ihre IT vor russischen Hackern schützen…

Unterstelle ich jedoch irgeneine Form von Ordnung, komme ich irgendwann nicht mehr umhin, auch eine eher deterministisch orientierte Grundhaltung einzunehmen; einfach weil die angenommene Ordnung ja unterstellt, dass es Wenn-Dann-Kausalitäten gibt, die nur jeweils wenige, vorgegebene mögliche Pfade der Weiterentwicklung zulassen. Ein kurzer Blick über den Tellerrand sagt mir jedoch, dass diese Annahme nicht so ganz stimmen kann. Man denke an Mutationen und so…? Und wieder einmal stehe ich an meinem Schreibtisch und muss feststellen, dass sicher geglaubte Dinge doch nicht so sicher sind, dass Entwicklungen plötzlich, unerwartet Wendungen nehmen, die sich der innovativste Romancier nicht ausdenken kann; und dass alles Modellieren und Abwägen manchmal für die Tonne ist. Womit wir mal wieder beim Plan X wären.

„Improvisationstalent“ nennt man es, wenn Menschen aus den wenigen vorhandenen Ressourcen kurzfristig funktionierende Lösungen zaubern können. Die Bezeichnung „MacGyvern“ wäre wohl auch legitim, zumindest, wenn es um technische Probleme geht. Ein dauerhaftes Problem entsteht daraus allerdings, wenn der regelmäßige Einsatz des Improvisationstalentes als dauerhaft verfügbar betrachtet wird, und man auf Basis dieser Fähigkeit bewusst andere Ressourcen zu sparen versucht! Das endet mit MacGyver im Burnout und kaputten Projekten. Aber das müssen manche Menschen (insbesondere sogenannte Chefs) immer erst auf die harte Tour lernen! Besonders ärgerlich wird es, wenn dann auch noch Andere sich mit den Federn erfolgreicher Arbeit schmücken, die aus solchen Umständen heraus entstanden ist. Sowas vertreibt nämlich die MacGyver…

Manchmal ist die Ferne verlockend…

Ich bin eher ein Grübler, denn ein Renner. Ich schaue mir an, was läuft, was nicht läuft, und warum es nicht läuft. Und dann versuche ich nach und nach, an den verschiedenen möglichen Stellschrauben zu drehen, bis es besser läuft. Man nennt solche Leute wie mich, wenn ich recht weiß, Realisten und Pragmatiker. Und sagt Ihnen, zu Unrecht, eine gewisse Leidenschaftslosigkeit nach. Ich bin Realist, wenn es um das Beurteilen von Chancen und Risiken geht, doch Träumer genug, auch Projekte ín diese Betrachtung einzubeziehen, die Andere von vornherein ablehnen würden. Ich bin Pragmatiker, wenn es um die Bewältigung des Tagesgeschäftes geht, aber Theoretiker genug, nach einer immer besseren Fundierung meines pragmatischen Handelns zu streben. Insofern bin ich, wie viele Andere auch ein ambivalentes Wesen. Und ich habe mich zu sehr an das „Leben in der Lage“ gewöhnt, als dass mich die Botschaft von neuen Virusvarianten noch allzusehr aus der Reserve locken könnte. Just another problem to be solved by flexible means… Ich wünsche uns allen die Geduld, es noch ein wenig länger zu ertragen, die Vernunft, uns an die notwendigen Maßnahmen zu halten, und den Mut es danach auf’s Neue zu tun. Was auch immer ES sein mag. In diesem Sinne, schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

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Die Gedanken treiben lassen…

In Anbetracht der gegenwärtigen Lage ist es Zeit, sich eines Zitates von Mark Twain zu erinnern: „Mensch: das einzige Lebewesen, das erröten kann. Es ist aber auch das einzige was Grund dazu hat.“ Ich werde der Angelegenheit hier nur einen Paragraphen widmen, weil alle Argumente ausgetauscht, alle notwendigen Diskussionen geführt und alle sinnigen Angebote gemacht sind: WER BIS JETZT AUS EIGENEM ANTRIEB, UND OHNE JEDE MEDIZINISCHE NOTWENDIGKEIT FÜR SICH ODER FAMILIENMITGLIEDER DIE IMPFUNG GEGEN COVID VERWEIGERT, IST EINE ASOZIALE ARSCHTROMPETE! Ende der Durchsage! Wenn sich irgendjemand dadurch beleidigt fühlt, darf er mich gerne blocken oder sonstwas. Geht mit den Zwiebeln spielen, Schwurbler. Euch braucht eh keiner! Nachdem das nun für mich ein für alle Mal geklärt wäre – now to something completely different…

Wir steuern, einmal mehr, vollkommen unverschuldet auf Weihnachten zu. Auch hier hat die Politik nichts getan: Spekulatius und Lebkuchen gab’s schon im September. Das ist ja fast noch kränker, als diese öffentlichen Besäufnisse namens „Weihnachtsmarkt“. Vom Sodbrennen wegen des Glühweins mal abgesehen, dieses Jahr auch aus anderen Gründen Schwachsinn, da hin zu gehen. Wenn ich in Stimmung kommen will, schmücke ich meine Bude, und trinke selbstgemachten Glühwein. Ist eh besser. Scheiß auf das Sodbrennen. Aber auch andernorts ist der Konsumwahn auf vollen Touren. Heute ist dieser nervtötende, seit Wochen angekündigte Black Friday und ich frage mich immer noch, was diese Scheiße soll? Kriegen die Leute denn nicht mit, dass die Einzelhändler über das dritte und vierte Quartal langsam die Preise anheben, damit es zu Thanksgiving dann aussieht wie ein Schnäppchen?

Ich las heute auf Zeit Online ein Interview mit Gerald Hüther, diesem nervtötenden Neurodingensbummens, der immer meint, zu allem seinen Senf dazugeben zu müssen, Er könnte ruhig mal bei Würstchen bleiben, aber dieses Mal hat er zumindest einen halbwegs soliden Punkt gemacht: Konsum ist psychologisch wie eine Sucht. Seine Begründung ist abgedroschen (bei ihm findet immer alles zwischen Nucleus Accumbens, Amygdala und mesolimbischem System statt), die Folgen sind jedoch in der Tat real: je mehr man hat, desto mehr will man! Zumindest gilt das für einen nicht unerheblichen Teil der Menschen. Und, wenn ich mich mal so in meinem Büro umschaue, dann gebe ich zu, dass ich auch nicht unschuldig bin. Ich rede mich ja immer damit raus, dass ich Neues ausprobiere, und vieles in meinem Home-Office sich mittlerweile um Content-Production dreht. Was bedeutet, dass ein gewisser Professionalitätsanspruch auch gegenüber meinen Werkzeugen besteht. Zumindest in der Theorie.

Ich bin kein Streamer oder Youtuber. Jedenfalls nicht im klassischen Sinne. „Let’s Play“ wäre bei meinen miserablen Reflexen vermutlich auch eher langweilig anzusehen. Ich produziere kommentierte Präsentationen und How-Tos für meinen Job, die Ausbildung von Rettungs- und Notfallsanitätern*innen. Ich blogge und gerne möchte ich auch wieder öfter podcasten. Ich habe zwei Argumente, die jedenfalls für mich alle anderen schlagen: Arbeitsergonomie und Wohlfühlen. Ich stehe einfach gerne an meinem überarbeiteten Tisch, um kreativ zu werden (natürlich sitze ich auch gerne dran, aber allein diese Wahl zu haben…). Nach meiner Wahrnehmung braucht es bestimmte Umgebungsparameter, um überhaupt kreativ werden zu können. Zum Wohlfühlen gehört dabei für mich die Ruhe. Diese Ruhe, wenn niemand einfach so in dein Büro gelatscht kommen kann. Unbezahlbar für meine Produktivität.

Und doch hadere ich natürlich mit meinem Konsum. Einerseits kann man sagen, ich habe die Binnenkonjunktur anheizen geholfen und somit zur Stabilisierung unserer Wirtschaft beigetragen. Andererseits habe ich meinen CO2-Footprint wieder angeheizt. Und bin selbst in die zuvor beschriebene Falle getappt. Und ich werde es nicht leugnen. Allerdings bin ich jetzt auch für den nächsten Lockdown und vermehrtes Home-Office gut gewappnet. Denn solange niemand eine Impfpflicht und einen echten Lockdown JETZT durchsetzt, wird der wieder verschleppt bis Ultimo und dauert dafür dann extra lange. Weil unsere Politiker immer noch meinen, in einer Pandemie müsse man auf die Umfragewerte, anstatt auf die Fakten achten. Was das bringt, hat die CDU (Gottseidank) gerade am eigenen Leib erfahren müssen.

Ganz ehrlich – ich bin noch nicht in Weihnachtsstimmung. Zum einen, weil der Stress nicht abreißt. Und zum anderen, weil mein Körper gerade nicht so möchte, wie ich. Ich gehe davon aus, dass er mir damit etwas sagen will – und bin dementsprechend mal zu Hause geblieben. Irgendwie kriegt man den Laden immer ans Laufen. Was Weihnachten betrifft: es kommt, wie es kommt. Gerne mit wenigen, ausgewählten (geimpften und getesteten) Familienmitgliedern und Freunden. Alles Andere findet sich, wenn es soweit ist. Ein bisschen Konsum muss dann doch noch sein, weil es einige wenige gibt, denen ich gerne etwas Schönes schenken möchte. Herr Hüther meinte hierzu, man schenkt ja doch nur, um sich selbst gut zu fühlen; um sich an den positiven Gefühlen der Beschenkten zu bedienen. Solange das ein Handel auf Gegenseitigkeit ist, der nicht vollkommen aus dem Ruder läuft, bin ich dabei, scheiß auf Herrn Hüther. In diesem Sinne – mittlerweile ist draußen Black Friday. Gehabt euch wohl.

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