My true story…?

Ich lag auf dem Rücken. Nein, dies ist nicht der Beginn SO einer Geschichte. Dennoch lag ich heute Morgen unter einem Baum am Badesee, und blinzelte durch die Blätter. Ich lese im Moment, teils zweckgebunden, teils aus persönlichem Interesse ein Buch, welches sich aus der Sicht eines Ethnologen mit Hannah Arendts „The Human Condition“ auseinandersetzt. Es geht in diesem Buch im Kern um die Frage, auf welche Weisen und auf welchen Ebenen die mannigfaltigen individuellen Geschichten der Menschen miteinander interagieren und was das für die Begriffe „privat“ und „öffentlich“ bedeutet. Der Autor spricht über Storytelling als eine Grundform des menschlichen Ausdruckes und der jeweiligen Identität. Selbstverständlich muss sich jemand mit meiner Verbindung aus Hobby (Pen’n’Paper-Rollenspiel) und professionellem Background (Erwachsenen-Pädagogik und Organisations-Entwicklung) quasi auf so ein Topos stürzen. Sowas bleibt bei mir allerdings selten lange ohne Folgen für meine Denke und was diese so ausspuckt, wenn der Tag lang ist…

Meine Gedanken wanderten zu dem Moment, da ich mit meinem Bruder brach. Ich ertrug sein selbstgefälliges, stets an den materiellen Dingen ausgerichtetes Geschwafel im Nachgang des Todes unserer Mutter nicht mehr, und habe ihn damals, ohne weiter darüber nachzudenken – per Whatsapp – aus meinem Leben befördert. Seit 22 Monaten ist Funkstille. Und ich bereue das nicht. Was ich allerdings bereue ist, nicht früher nach den Untiefen der Geschichte meiner Familie geforscht zu haben. So vieles blieb – meinen ausdrücklichen Fragen an meine Mutter und meine Geschwister zum Trotze – unausgesprochen. Und so vieles ist für mich bis heute nur schwer einzuordnen. Was ich allerdings bis heute UNMÖGLICH finde, ist die Art, in der meine älteren Geschwister so taten / tun, als wenn ich ein Kind wäre, das nichts versteht. Unabhängig davon, ein 48jähriger Familienvater und leitender Angestellter im Gesundheitswesen zu sein, bin ich vermutlich, Kraft meiner Erfahrung, meiner Ausbildung und meiner durch die eigene Depressionserkrankung geschärften Sinne der EINZIGE, der manches verstehen könnte. Klingt das arrogant? Ich denke nicht. Denn meine Geschwister haben das was war, zumindest soweit ich weiß, nie aufgearbeitet.

Jedenfalls gingen meine Gedanken heute Morgen, ziemlich unvermittelt, zu diesen Orten auf der Landkarte meines eigenen Narrativs zurück, die ich selbst mittlerweile dem Vergessen anheim gegeben habe; überwuchert von dem, was JETZT ist. Und ich verstehe nun, nach ein paar Dutzend Seiten in diesem Buch, welches ich gerade lese auch, warum! Denn nach einer kurzen Beschäftigung mit diesen bitteren Erinnerungen kam ich zu folgendem Schluss: DRAUF GESCHISSEN! ICH BIN NICHT MEHR TEIL DIESER GESCHICHTE! Ich will es nicht sein, weil ich weiß, dass es mir nicht gut täte. Und ich erwarte auch nicht mehr, dass noch irgendjemand kommt, und mir irgendwas zu erklären versucht. Der Zug ist endgültig abgefahren. Ich will einfach nur weiter meinen Frieden damit halten. Ob ich irgendwann auch meinen Frieden mit meinem Bruder mache? Wer weiß? Vielleicht bei einer Beerdigung; denn das waren die jeweils letzten Anlässe, zu denen ich ihn zu sehen bekam. Falls diese Worte irgendjemandem bitter vorkommen sollten – das sind sie nicht! Ich habe nur keine Lust mehr, um den heißen Brei herumzureden. Bei manchen meiner Kollegn*innen bin ich mittlerweile als No-Bullshit-Guy bekannt, weil ich es lieber direkt mag. Und da dies MEIN Leben ist, setze ich dieses Bedürfnis auch um.

S0, das wäre raus. Das Wochenende ist fast rum, Zeit sich mit den letzten Arbeitstagen und den letzten Urlaubsvorbereitungen zu befassen. Schönen Abend.

  • Jackson, Michael (2013): The Politics of Storytelling. Variations on a Theme by Hannah Arendt. Second Edition. Kopenhagen: Museum Tusculanum Press.
Auch als Podcast…

Summer won’t last too long…

Gibt es ihn wirklich – den perfekten Moment? Ich meine, ich habe – eines der wenigen Privilegien des Alterns – schon einige Momente erleben dürfen, die aus individueller Perspektive besondere Qualitäten hatten. Ob die perfekt waren? Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht. Und JA, ich war dabei! Aber NEIN, ich möchte diese Beurteilung nicht treffen müssen. Denn wenn ich DEN perfekten Moment jetzt definiere, beraube ich mich des Wertes vergangener Erinnerungen. Und verbaue mir evtl. gleichzeitig ein neues positives Erleben. Wenn ich Erwartungen formuliere, Maßstäbe definiere für etwas, dass im Grunde keinen intersubjektiven Maßstab haben kann, wenn doch perfekt für jede*n Andere*n etwas Anderes bedeutet, kann ich nur verlieren. Wie bombastisch muss der Sonnenaufgang denn sein, wie kitschig die Farben, welche der Sonnenuntergang auf den Himmel zaubert? Wie gut muss die Blumenwiese duften und wie himmlisch das Picknick schmecken? Wie sehr muss die Sonne scheinen, und wann ist Gewitter angemessen, um uns daran zu gemahnen, dass wir nur „Dust in the Wind“ sind…? Ich würde meinen, dass ich jetzt eine Menge unterschiedlicher Antworten insammeln könnte.

Besondere Momente lauern dann, wenn man sie nicht herbei sehnt…

Während ich diese Zeilen schreibe, kriecht die Abendsonne langsam um die Häuser und hält den Ofen am Laufen. Mannheim, dieser bewohnte Schamottstein, den ich meine Heimat nenne, macht einem im Sommer einerseits das Leben leicht, lädt die alte Dame doch freundlich ein, draußen zu sein – weil drinnen sein ohne Klimaanlage allzuoft eh keinen rechten Spaß mehr macht. Und gleichzeitig wird das Leben in ihr schwer, weil der Sommer ja doch stets nur ein „in-between“der Ars Vivendi bleibt; ein Interludium der Leichtigkeit. So sehr wir diese scheinbar endlosen Sommerabende herbei sehnen, so schnell und schmerzhaft ist das Vergnügen (subjektiv) jedes Mal wieder vorbei! Dieses Jahr umso mehr, als das Ende des aktuellen Sommers wohl dann doch die, vielfach medial beschworene Verzichtsralley einläuten wird, vor der so viele Menschen eine Scheißangst haben! Now, don’t get me wrong, ich verstehe das, obwohl meine Mischpoke und ich in der durchaus privilegierten Position sind, dem eher gelassen entgegen schauen zu können. Wir sind nicht reich, aber wir werden klarkommen. Ob es dann tatsächlich zu so schlimmen Verwerfungen kommen wird, wie manche Postille das dieser Tage gerne schwarz an den Horizont malt? Keine Ahnung. Wenn ich mir allerdings die Qualität der Prognosen unserer Ökonomen in den letzten Jahren so ansehe, beginne ich doch ein wenig am wissenschaftlichen Charakter der Fächer BWL und VWL zu zweifeln… Nostradamische Spiekenkökerei steht offenkundig gerade hoch im Kurs.

Ich muss gestehen, dass ich von den entsetzlichen Zukunftsvisionen übersättigt bin. Die geneigten Leser*innen wissen, wovon ich spreche. Ich glaube an die Menschen und ihre unerschöpfliche Anpassungsfähigkeit, Duldsamkeit und Hoffnungsfreude. Und ich glaube, dass wir (fast) alles schaffen können – Aliens könnten evtl. ein Problem werden, zumindest, wenn sie irgendwas von Roland Emmerich gesehen haben und sich dachten „Och ja, ganz nett eigentlich, so’n globaler Vernichtungszug. Diese Menschen scheinen ja auch total drauf zu stehen…“. Wir werden in ein paar Tagen in die wohlverdiente Sommerfrische fahren und ich freue mich darauf, andere Dinge zu sehen und erleben zu dürfen. Ich freue mich auf eine Auszeit, auch wenn ich die Befürchtung habe, dass ich einen oder zwei Nachmittage für’s Studium werde verwenden müssen. Und ich freue mich darauf, wieder etwas mehr Zeit mit halbwegs zweckfreiem Lesen, Denken und Schreiben verbringen zu können. Und KNIPSEN! Andere, schöne Orte und Dinge anschauen. Habe ich übrigens Knipsen erwähnt…? Müßiggang ist keine Frechheit, sondern eine Tugend. Und auch, wenn die Reise diesmal länger und vielleicht auch strapaziöser sein könnte, verlasse ich mich doch darauf, dass eine Reise immer auch gute Geschichten erzeugt. Ich versuche einfach, nicht zu viel zu erwarten, lasse den Diesel schnurren (ich weiß, ich weiß…, immerhin isses kein Flugzeug), und nehme es, wie’s kommt. Nämlich vermutlich anders, als erwartet. Und ich werde euch berichten, so viel ist sicher. Einstweilen erst Mal ein schönes Restwochenende.

Auch als Podcast…

Systemischer Blick vs. Blick für’s Detail!

Es fällt mir schwer zu verleugnen, dass ich ein Kind meiner Zeit bin. Ich bin zwar mittlerweile darin geübt, mich mit neuer Technologie zu arrangieren und dass, was ich davon brauche auch für meine Arbeit zu adaptieren. Und dennoch stehe ich manchmal mit den staunenden Augend eines Kindes vor irgendwelchen Gadgets und denke mir „unfassbar – DAS geht…?“ Nun besteht Wandel, gleich welcher Art ja eigentlich nicht aus den Gadgets… oder doch? Wenn man Marshall McLuhan folgen möchte, dann sind alle Geräte und Techniken, die der Mensch je ersonnen, hat nichts anderes als Erweiterungen unserer Physis. Maschinen für’s Heben und Tragen erweitern unsere Körperkraft, eine Brille verbessert meine Sehkraft, die Schrift verbessert unsere Kommunikation… STOP! Tut sie das wirklich? Auch McLuhan kämpfte mit der Frage und denkt dann Folgendes: Jedes Mal, wenn wir eine Technik adaptieren, welche einen speziellen Sinn „verbessert“ gerät der eigentliche Sinn (Sehen, Hören, Fühlen, etc) aus dem Blick und die Technik, die wir gerade nutzen, wird unbewusst, wird zu einer qua-natürlichen Verlängerung unserer Selbst. Das Originelle an dieser Denkart ist, dass sich recht einfach dadurch erklären lässt, warum der ubiquitäre Gebrauch von Smartphones und mobilem Internet (insbesondere antisocial media) unsere Aufmerksamkeitsspanne killt – wir sind uns der Tatsache des Gebrauches nicht mehr bewusst, wir reflektieren nicht mehr, was wir da wie benutzen und strukturieren in der Folge auch unseren ganzen restlichen kommunikativen Duktus nach dem Muster der Smartphone-Nutzung: schnell, kleinschrittig, unmittelbares Feedback, geringe reflexive Tiefe, visuell orientiert und immer verfügbar!

Was ist interessanter – Fluss oder Rebe?

Das erzeugt Ungeduld (und in der Folge häuslichen Unfrieden), denn viele Details werden so in immer schnellerer Folge wahrgenommen, ohne tatsächlich reflektiert werden zu müssen. Es besteht kein Bedarf der Selbstadaption an neue Erfahrungen, neue Menschen – nur an das Gerät, denn die Welt ist in dem Gerät, womit das Gerät zur Welt wird. Mediatisierung des frühen 21. Jahrhunderts generiert vor allem eines: mehr Appetit auf Medien und in der Folge mehr Konsum. Warum brauchen nicht wenige von uns Menschen wohl jedes Jahr das geile, neue Phone von xxxxx oder yyyyyyy…? Der Clou an der Sache ist, dass McLuhan diese Gedanken 1962 niedergeschrieben hat – 33 Jahre, bevor man das erste Mal kommerziell ins Internet konnte, oder es ein Smartphone gab. Das erste Smartphone war übrigens der „Simon Personal Communicator von IBM“ (ein 510g schwerer Trümmer von 1994). Das erste Smartphone, wie wir es heute kennen, war natürlich das First Gen IPhone von 2007, volle 45 Jahre nach McLuhan. Warum also denke ich, dass die Erklärung relevant ist? Weil sich bei genauerer Betrachtung wenig Unterschiede zwischen dem Sprung von der wörtlichen Erzählung zu bewegten Lettern, und dem von den bewegten Lettern zu den bewegten Bildern und Informationen ergeben. Der cultural Impact war in beiden Fällen phänomenal!

In der Folge verlieren Menschen heute häufiger den systemischen Blick, die Fähigkeit, große Zusammenhänge zusammenzupuzzeln und sich auch mal über den Tellerrand zu erheben, weil sie sich immerzu mit Details, mit Snipets of Info and Entertainment to go abspeisen lassen; weil sie vorgedacht bekommen, ganz so wie Vogelküken vorgekaut bekommen… und in der Folge den Dingen nicht mehr folgen können. Ganz sicher wollen manche (vielleicht auch viele?) das auch nicht, weil die Komplexität und Bedrohlichkeit unserer Welt in Folge der langen Dominoreihe von Krisen seit den frühen 2000ern endlich auch im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen ist. Und das hat vielleicht gedauert. So wie McLuhan 1962 einen Blick in die Zukunft der Kulturtechnik getan hat, so hat der Club of Rome 1972 seinen mittlerweile berühmten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht. NEUNZEHNHUNDERTZWEIUNDSIEBZIG IHR NARREN! Und was ist seitdem passiert? Wir haben Klimaerwärmung, politische Unruhe, soziale Ungleichheit, mangelnde Bildung – aber immerhin Smartphones! Großartig, oder?

Ist doch noch ganz schön hier, woll…?

Ich fange immer mehr an, mich zu fragen, wie viel ICH noch tun kann, denn die ANDEREN, tja, die glotzen auf ihre Smartphones. Eigentlich habe ich heute gute Laune, denn meiner Gesundheit geht’s gut und meine Gedanken fließen; auch wenn es viel zu heiß ist. Aber das hier musste ich mal loswerden. Und jetzt tue ich etwas, irgendwas, was mich aufheitert. Lesen vielleicht. Muss man mal wieder probieren. Am besten mit einem echten Buch. Wie wär’s mit dem hier unten? Einstweilen, schönen Tag!

  • McLuhan, Marshall (2011, im Original 1962): Die Gutenberg-Galaxis. Die Entstehung des typographischen Menschen. Mit einem Vorwort von Richard Cavell. Hamburg: Gingko Press Verlag. ISBN13: 978-3-943330-00-7
Papier auf Holz, Zimmermann, A., 2022… 😉
Auch als Podcast…

Immer wieder Dienstags…

Um es kurz zu machen – ich hatte mich sozusagen in einen Retreat zurückgezogen, weil ich noch dringend was für’s Studium fertigstellen muss/will. Das Leben als berufsbegleiteter Master-Student ist manchmal irgendwie nicht ganz so gescheidig, wie man sich das romantischerweise vorstellt… Am zweiten Abend jedenfalls hatte ich ein unpleasant encounter mit meiner Gesundheit. Long Story Short: das Krankenhaus in Wittlich hat zumindest auf mich als Patient einen sehr guten Eindruck gemacht; und Hausarztpraxen im Moseltal halten manchmal (viel mehr) bereit, als man von außen erwarten würde. So viel zu meinen Stereotypen. Es geht mir wieder gut und mit meiner Arbeit flott voran, so dass es dazu eigentlich gar nicht so viel zu sagen gibt.

Es ist ansonsten ganz nett hier…

Zu warten und selbst der Patient zu sein, lehrt einen Demut vor dem eigenen Job, und natürlich auch dem der anderen Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. Und Demut ist offenkundig ein Gut, an welchem wir derzeit einen eklatanten Mangel leiden. Zumindest könnte man zu diesem Schluss kommen, wenn man mal wieder den Mut aufbringt, durch die Kommentarspalten unter Themen wie „Neue Corona-Maßnahmen“, „Wird Donald Trump noch mal kandidieren?“, oder ähnliches zu scrollen. Seien wir doch mal ehrlich – die Neuen Coronamaßnahmen sind die Alten, denn es sind ja immer noch die selben Politiker und es ist immer noch das selbe Virus. Was Trump angeht: Zombies halten sich oft relativ lange. Bei dem hier fragt man sich nur, wann und wo er seine Gehirne frisst; beim Golfen? Aber die versammelte Idioteska der Egomanen, Dogmatiker und Kognitionsallergiker ist manchmal schon ein sehr dicker Brocken zum Runterschlucken. Meiner Gesundheit zur Liebe versuche ich, weniger davon zu konsumieren. Also bleibt dann erstmal, weil die Anderen ja diesbezüglich offenbar postfrontal eher spärlich ausgestattet sind nur, die EIGENE Demut zu pflegen. Das geht relativ gut, indem man sich dessen erinnert, wofür man dankbar ist…

  • Meine beste Ehefrau von allen (ja auch die Kinder…) Meine Frau ist, was sie ist: bekloppt genug, es mit mir – okay, im Moment gerade mal ohne mich – und meinen mannigfaltigen Schrullen und Fehlern auszuhalten. Das ist schon was! Und meine Kinder…? Sie lieben bedingungslos, auch wenn ich manchmal nicht die Qualität von Vatersein erreiche, die ich irgendwann naiverweise mal angestrebt hatte. Passt schon.
  • Meine Freunde Und damit meine ich FREUNDE, nicht irgendwelche Bekannten, nicht die notwendigen Beziehungen im Arbeitsleben (auch, wenn zugegebenermaßen da der/die eine oder andere irgendwann zum Freund/in werden könnte), und auch sonst keine „Weak Ties“. Ich meine Menschen, die mich seit Jahrzehnten begleiten, und mit denen es selbst nach einen paar Monaten Pause immer wieder geil ist. Jene, die man anrufen kann, wenn man Sorgen und Probleme hat… und die meinen nackten, betrunkenen Körper in London am Kings Cross Bahnhof abholen würden, auch wenn NIEMAND einen Schimmer hätte, wie ich dahin gekommen bin…
  • Meine Freiheiten Muss man nix drüber sagen – außer vielleicht, dass ich manchmal eben ausbrechen muss, und dann keine allzu großen Hindernisse in den Weg gestellt bekomme.
  • Meine Kreativität Yeah Baby, die zieht mich öfter aus tiefen Tälern, als die allermeisten das mitbekommen. Aber nur fast so oft, wie meine beste Ehefrau von allen und meine Freunde. Allerdings kostet mich das manchmal auch was – und nicht unbedingt immer nur Geld.

Nun ist Mittwoch Abend, und nach einem mehrkilometrigen Spaziergang fühlt es sich hier wieder so an, wie ursprünglich geplant. Weiß nicht, was die nächsten Tage parat halten, denn offenkundig werden Pläne vom Zufall / Schicksal ja manchmal abgeändert. Also haltet die Ohren steif, lasst euch nicht von der Hitzewelle zu Tode brutzeln. Wenn meine Pläne klappen geht’s am Freitag weiter zur letzten Präsenz in Kaiserslautern an der Uni und dann am Sonntag zurück nach Hause zum Barbecue mit Freunden. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°44 – on storytelling in general…

Ich hörte schon vor einer Weile folgende Theorie, die ich streckenweise ganz charmant finde: In der fantastischen Literatur ist die äußere Welt (also das Setting) oft eine Reflexion des inneren Konfliktes des bzw. der Protagonisten. Ich will versuchen, diese These an einem Beispiel zu illustrieren: Frodo Beutlins Heimat, das Auenland ist ein Ort, der aus Mittelerdes Drittem Zeitalter gefallen zu sein scheint; ein Ort des Friedens und der Entschleunigung, der dem jungen Mann doch sehr eng scheint. Fällt er einmal (mehr oder weniger gezwungen) aus diesem Ort heraus, erfüllt sich sein Wunsch nach Abenteuer in dramatischer Weise über, so dass ihn am Ende der Reise schlussendlich die Sehnsucht nach der alten Heimat überkommt – in die er jedoch nicht mehr zurückkehren kann, weil dieser Frodo ein ganz anderer ist, als Jener der aufbrach. Eine zerstörte Seele, die auf den Frieden in Valinor hoffen muss. Dass Tolkien hier seine eigenen Erinnerungen an den Dienst im ersten Weltkrieg verarbeitet – und das Trauma, welches er und seine Freunde dabei erlitten haben müssen – wird auf mannigfaltige Art klar. Frodos innerer Konflikt manifestiert sich im Außen einerseits durch die Stimmen die ihn gemahnen, den Ring im Schicksalsberg zu vernichten und andererseits jenen, die ihn anflehen, den Ring zum Wohle Mittelerdes einzusetzen. Es ist die Wahl zwischen Ehre und Pflicht, zwischen Macht und Verzicht, zwischen Demut und Stolz.

Wer tränke wohl aus diesem „Gral“…?

Ich hätte auch andere Beispiele nutzen können, vermute aber, dass der „Herr der Ringe“ viel mehr Menschen geläufig ist, als andere Fantasy-Schinken, die in meinen Regalen stehen. Storytelling ist nicht nur mein Hobby, es ist, wie ich hier gelegentlich habe durchschmecken lassen, auch ein Teil meines Berufes, mit welchem ich mich überdies mittlerweile auch aus akademischer Sicht befasse. Je mehr ich in diese Fragen eintauche, um so klarer wird, dass den variierenden Anforderungen zum Trotze, im Kern ein paar Dinge immer gleich bleiben – es braucht Immersion, die nur durch ausreichend tiefes Buy-In (hier im Sinne von „mir die Geschichte abkaufen“) der Teilnehmer, Zuhörer, Mitspieler zu erreichen ist. „Suspension of disbelief“ zu erzeugen, ist aber weder trivial, noch funktioniert es immer auf die gleiche Weise. Weshalb innerhalb der erzählten Geschichte Kohärenz und Kontinuität eigentlich unabdingbar sind. Bei einem Werk der Fiktion nimmt man mir Plotholes nur dann NICHT übel, wenn die restliche Geschichte ansonsten Spaß macht. In einer pädagogischen Veranstaltung mag organisatorische Improvisation oft notwendig sein; wenn ich das jedoch auch inhaltlich tue, klappen in den Hirnen meiner Zuhörer die Läden runter, und ich habe schlicht verloren.

Kohärenz bedeutet, dass eine Geschichte in sich logisch ist. In einem Werk der Fiktion kann die Rahmenhandlung noch so weit von meiner tatsächlichen Lebensrealität abweichen – solange sich alles innerhalb der Geschichte nach erkennbaren, für alle Figuren identischen Regeln abspielt, und diese halbwegs logisch sind, bzw. zur Rahmenhandlung passen, kann man eine Menge Bullshit treiben und die Zuschauer, Zuhörer, Leser, Mitspieler nehmen es mir trotzdem ab. In einer Lehrveranstaltung, in der ich mit Storytelling arbeite, muss die Geschichte sachlogisch und semantisch zur Lebens- und Arbeitsrealität passen – und trotzdem Irritation erzeugen, um Reflexionsprozesse auslösen zu können. Eine Gratwanderung par Excellence. In beiden Fällen sollte man sich vor deus ex machina oder storyteller fiat [hier fiat (lat.) für „es werde gemacht“] sehr hüten. weil beides ganz schnell die Immersion killt. Kontinuität steht damit im engen Zusammenhang, weil erst aus der Verbindung von Sach- und Inhaltslogik mit dem Handeln der Protagonisten ein Kontinuum entsteht. Und dabei ist es vollkommen einerlei, ob es sich dabei um beschriebene / dargestellte Figuren in Film, Buch, Pen’n’Paper-Rollenspiel, Videospiel, etc. handelt – oder die Teilnehmer an einem Simulationstraining. Logik, Regeln und Realitätsbezug müssen stimmen, weil Brüche hier ebenfalls die Immersion killen => und damit einen möglichen Spiel- oder Lernerfolg.

Das mit der äußeren Welt als Spiegel der inneren Konflikte stimmt übrigens für eine Menge Werke der fantastischen Literatur, oder auch Filme des Genres. Im Pen’n’Paper würde es immens Arbeit bedeuten, die Backstories aller Spielercharaktere nach möglichen Plothooks zu durchforsten. Im Gegensatz zu Matt Mercer in den „Critical Role“-Streams nutze ich sowas eher sparsam, weil ich denke, dass die Welt sich auch weiterdreht, und Antagonisten ihre Pläne verfolgen, wenn Charakter XYZ seinen Ödipus-Komplex NICHT gelöst bekommt. Vielleicht rührt die Ignoranz aber auch aus zu vielen vollkommen kaputten, dysfunktionalen Teilzeit-Soziopathen, die ich im Laufe der Zeit gesehen habe. Ich mache mir immerhin einen Haufen Arbeit mit World- und Storybuilding und lasse dauernd den Plotbus nach Cottbus fahren; den können sie nehmen, oder es lassen. Wobei es MIR als SL, der ebenfalls Spieler am Tisch ist mehr Freude bereitet, wenn sie wenigstens ab und zu einsteigen, ohne noch nach fünf anderen Haltestellen zu suchen…!

Im Moment herrscht mal wieder Pause, weil Urlaubszeit ist. Wir haben noch einen Termin Anfang August, bei dem ich ein Dungeon fertig leiten muss, und dann ist erst mal bis Mitte September Sense. Zeit, weiter über die theoretischen Aspekte nachzudenken. Wenn mir was Relevantes einfällt, werdet ihr das hier bestimmt zu hören bekommen. Bis dahin einen guten Start in den August und die neue Woche – always game on!

Auch als Podcast…

Von der Pein(lichkeit) der Anderen…

Verschiedene Dinge im Leben erfordern manchmal, Konzessionen zu machen, Kompromisse einzugehen, zurückzustecken – kategorischer Imperativ halt. Zumindest versuche ich selbst, so oft wie möglich auf diese Art an die Dinge heranzugehen. Meine kleine Tochter hingegen will, was sie will; HIER, JETZT und UNEINGESCHRÄNKT. Mit 9 sieht die Welt halt auch noch anders aus. Wenigstens will sie üblicherweise nur Kleinkram, und wenn es doch mal der Ruf nach einem eigenen Pony ist, frage ich sie halt, ob wir das Viech dann im Flur (Breite, ca. 1,20m) halten sollen? Beim Nachdenken über das Problem vergisst sie meist die Frage – und das Pony. Hilfreich. Klappt bei Erwachsenen leider nicht so, denn manche meiner Mitmenschoiden sind halt doch nicht ganz so dämlich, wie sie aussehen. Und sie begründen ihre, durchaus nicht selten vollkommen überzogenen Forderungen gerne mit dem Hinweis auf ihre, im Grundgesetz verbrieften Freiheiten – da hätten wir wieder den Konflikt mit dem kategorischen Imperativ, der speziell FDP-Wähler offenbar ja eher wenig schert. Und so stolperte ich heute Mittag über diese Frage auf meinem kleinen Inspirator…

Die kurze Antwort lautet: JAAAAAAAA! Die etwas elaboriertere Variante, an welcher ich mich im Folgenden versuchen möchte, beginnt mit folgendem Satz: das hängt vom Umfang des individuellen Missverhältnisses zwischen Forderung und Rechtmäßigkeit ab! Denn fordern kann man herzlich viel. Man kann auch über herzlich viel diskutieren. Zum Beispiel über die 42h-Woche, welche der ehemalige angebliche Sozialdemokrat Gabriel dieser Tage medienwirksam ins Sommerloch erbrochen hat. Es fand sich nur noch niemand, der dieses Verbal-Exkrement wirksam hätte entfernen können. Dem Fachkräftemangel durch eine Steigerung der Überforderung der noch vorhandenen Fachkräfte begegnen zu wollen, ist schlichter Humbug. Bedenkt man, dass der Senile Siggi dabei auch noch dem BDI-Präsidenten Russwurm sekundiert, der eine derartige Arbeitszeitverlängerung mit einem Hinweis auf die aktuell schwierige wirtschaftliche Lage sicher gerne mit einem Almosen nahe Null entgälte, kann man ruhig mal wieder Max Liebermann zitieren. Im geschilderten Fall ist der eklatante Missbrauch der Redefreiheit durch vermutlich cerebralexsikkierte, saturierte ältere Herren in der Tat total peinlich. Allerdings ist es mit solcher Peinlichkeit wie mit der Dummheit und dem Totsein – ES TUT NUR DEN ANDEREN WEH!

Freiheit als solche kann natürlich nicht peinlich sein, weil der Begriff erst durch die jeweilige Inanspruchnahme mit Leben gefüllt wird. Wie bei Dienstleistungen wird hier das Uno-acto-Prinzip erfüllt (etwas wird verbraucht, noch während es produziert wird – gilt zum Beispiel auch für Unterricht). Womit klar wäre, dass es selbstverständlich auch die total unpeinliche Freiheit geben muss; oder besser, den total unpeinlichen Gebrauch der Freiheit! Der erfüllt sich in aller Regel allerdings, ohne dass wir diesen wahrnehmen! Dieses Problem mit der Wahrnehmungsschwelle erklärt überdies, warum so viele Covidioten immer noch glauben, dass ihre individuelle Freiheit ein uneinschränkbares Gut sei, und sich daher im Versuch der Ausübung des vermeintlich Beschnittenen total peinlich benehmen. Weil sie nämlich nicht wahrnehmen können, wie viele Freiheiten sie den ganzen Tag über als selbstverständlich in Anspruch nehmen, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein: Freizügigkeit im Bundesgebiet und Schengenraum (sofern nicht wegen Infektionsgefahr eingeschränkt), Freie Berufswahl, freie Meinungsäußerung, Freiheit der Vereins- und Parteiengründung, freie Religionszugehörigkeit, freie Entfaltung der sexuellen Identität, und, und, und. Macht doch mal einen Ausflug nach Ungarn, in die Türkei oder nach Russland. Und dann viel Spaß mit dem Knüppel beim Einfordern dieser Rechte.

Nochmal zum Mitschreiben – nur der Gebrauch der Freiheit kann peinlich sein, dann aber unter Umständen wirklich total! Darum werde ich meine Freiheit dieses Wochenende und auch die nächsten Tage total unpeinlich in Anspruch nehmen und anstatt für meinen Job für mein Studium arbeiten… allerdings mit hoch angemessenen Pausen. Ansonsten wünsche ich euch ein schönes Wochenende. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Was vom Tage übrig blieb…

Keine Sorge, hier folgen keine Ausführungen über Katsuo Ishiguros gleichnamigen Roman. Das Einzige, was ich von einem Literaturnobelpreisträger hier plagiiere, ist ein Satz, der meine momentane Haltung und Situation recht gut umschreibt. Meine Gattin beteiligt sich dieses Wochenende an unserem Stadtteilfest mit einem Stand, in welchem Kunsthandwerk und Gebasteltes feilgeboten werden. Ich saß oder stand gestern einige Stunden in diesem Stand und gab den Verkäufer. Und ich kam nicht umhin, einmal mehr feststellen zu müssen, warum ich die allermeisten Menschen hasse. Es ist nicht einmal der Umstand, dass arrogant-desinteressierte Gesichter in Massen vorbeiströmen, und einen blöd anglotzen, wenn man „Guten Tag!“ sagt. Ich bin nicht ausgestopft, wisst ihr… An die „Hab-ich-alles-schon-tausend-Mal-gesehen“-Miene, wahlweise in ledrigen Ibiza-Gesichtern, wahlweise gezeichnet in vornehme Blässe unter breitkrempigen Sonnenhüten, mal jung mal alt, mal weiblich, mal männlich, mal was auch immer euch beliebt, habe ich mich auf Messen und Festen gewöhnt; beiderseits der grausamen Demarkationslinie Verkaufstisch.

Auch Kinderhände, die wieder und wieder alles mehrfach anfummeln müssen, weil ihre Eltern entweder nicht die Zeit, nicht die Geduld, nicht das Herz oder nicht das Hirn haben, der Frucht ihrer Lenden ein Mindestmaß an Anstand und Respekt vor anderer Leute Arbeit mitzugeben – geschenkt. Bei den nämlichen Erwachsenen nervt es aber noch viel mehr. Wahrscheinlich wird diese Erziehungs-Unfähigkeit in manchen Kreisen von Generation zu Generation durchgereicht – mit den salbungsvollen Worten „Sei ein aufrechter Assi!“ Man zuckt mit den Schultern, gewöhnt man sich an Idioten doch nur allzu leicht, weil’s halt so viele davon gibt! Was mich aber wirklich auf die Palme treibt, ist die Hast, mit der Leute durch ihre Freizeit paniken; immer verfolgt von der Sorge des Etwas-Verpassens, immer alle Multi-Optionalitäten abgrasen wollend, immer auf der Jagd nach dem noch geileren Schnäppchen… Die Menschen, welche in diesen Ständen sitzen – also jetzt nicht ich, ich vertrete nur meine Frau! – arbeiten Stunden und Stunden mit Herzblut an den ausgestellten Objekten, um dann Desinteresse, spöttische Blicke, ein gelegentliches „Das ist aber zu teuer!“ oder die Killerphrase „Ich schau vielleicht später noch mal vorbei“ wahrnehmen zu müssen; hinter Letzterem verbirgt sich dann zumeist der Schnäppchenjäger in dir.

Ich will nicht in Abrede stellen, dass es auch sehr befriedigende, freundliche, gar staunende Kundenkontakte gibt – aber die machen halt die Minderzahl aus. Und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass befriedigender Kundenkontakt nicht zwangsweise auch bedeuteten muss, etwas verkauft zu haben. Das ist dann das Sahnehäubchen mit Kirsche. Ich freue mich schon, wenn es gute Gespräche und positive Bestätigung gibt – vor allem für meine beste Ehefrau von allen. Ich frage mich ernsthaft, was genau es heute so anstrengend macht, sich solche Events als Aussteller zu geben: Ist es die Parole „Geiz ist Geil“, für die ich den entsprechenden Werbefuzzi von Mediamarkt heute noch an ein brennendes Kreuz nageln könnte? Der Selbstoptimierungswahn, der wirklich alle Bereiche unseres Lebens durchflutet, wie ein verschissener Krebs? Die durch unsere asozialen Medien kaputtgezüchtete Aufmerksamkeitsspanne, die selbst jene der Goldfische noch locker unterbietet? Ist es tatsächlich wirksamer Klassismus in einem Stadtteil, der seit ca. einem Jahrzehnt langsam durchgentrifiziert wird? Wahrscheinlich eine unfassbar nervtötende Mischung aus allem, die mich langsam aber sicher den Glauben an die Überlebensfähigkeit, vor allem aber das Überlebensrecht unserer Spezies verlieren lässt. Und das mir als Notfallsanitäter und Lehrer…

Trübe Gedanken, deshalb gehe ich jetzt für ein weiteres Rodeo wieder an den Stand. Habt einen schönen Sonntag und morgen einen guten Start in die Woche. Ciao…

Auch als Podcast…

Wenn einer eine Reise tut…

Wann immer ich von Ausflügen nach Hause komme, überfallen mich eine gewisse Ermattung und eine mehr oder weniger tiefe Melancholie. Ermattung, weil Ausflüge halt in mannigfaltiger Hinsicht anstrengend sein können. Melancholie, weil ich manchmal ganz gerne weg bin. Noch heute Morgen, vor dem Beginn des letzten Seminarvormittages an der TU in Kaiserslautern sagte ich zu unserer Dozentin, dass ich manchmal, wenn mir alles zu viel wird, einfach rausgehe in den Waldpark, bis mir nicht mehr allzu viele Menschen begegnen und mich dann zum Denken unter einen Baum setze. Habe ich in letzter Zeit zu selten getan. Obwohl es so vieles zu bedenken gäbe. Ich habe mir mal wieder gleich vom Start weg zu viel Mist aufgeladen und damit muss ich jetzt klarkommen. Ich habe mir aber auch Auszeiten eingeplant. Mal sehen, ob’s klappt. Melancholisch bin ich dennoch. Als ich nach Hause kam, überfielen mich große und kleine Menschen und hatten (durchaus legitime) Ansprüche an mich, obwohl ich mir nach zwei Tagen Dauer-Chitter-Chatter einfach etwas Ruhe gewünscht hätte. Mal sehen, wie’s damit weitergeht.

Der schwarze Schwan – das Sinnbild für unerwartete Ereignise…

Kaiserslautern war prall. Uni mit lehrreichen, anstrengenden, inspirierenden, kontroversen Diskursen, zumeist auf unbequemen Seminarstühlen sitzend. Warme Abende, volle Stadt, gefühlt die halbe Westpfalz auf einem Open-Air-Festival in der Innenstadt unterwegs. Eine Busfahrerin, die einfach so auf offener Strecke müde Geher mitnimmt; wohlgemerkt hat sie uns dazu aufgefordert reinzuhüpfen. Eine sehr gastfreundliche Unterkunft. Das Gefühl, abends zwischen Essen und Absacker noch weiterarbeiten zu müssen… Es war von allem etwas dabei. Wenn ich denn mal kurz in der Innenstadt unterwegs war, fielen mir immer ein paar Dinge auf, die ich persönlich… nun sagen wir… ambivalent empfinde. Zum einen wirken sich sommerliche Temperaturen bei den Flanierenden sichtlich auf Textilmenge und -Art aus; das erzeugt ganz unterschiedliche Empfindungen, und nicht alle davon sind positiv. Damit sind dann auch explizit nicht nur Formen gemeint, sondern eher häufiger die Art der Verpackung. Auch die Art des Umgangstones und die Darreichungsform des sogenannten „Cornerns“ erzeugte in mir Kopfkratzen. Zu meiner Zeit haben wir das Herumlungern genannt, und es hat NICHTS von seinem Mangel an Charme verloren. Schließlich die Unart des Posens, insbesondere unter Zuhilfenahme aufgebrezelter Fossilverbrenner, über deren „stilsichere“ Aufmachung man mehr als nur selten trefflich streiten könnte – das kotzt mich mittlerweile echt an! Zumal es auch noch gefährlich ist [JA, ich werde langsam alt…]

Eigentlich hatte ich hier über die Erfahrungen aus dem Seminar schreiben wollen, aber das stecke ich mir für’s erste, weil es so viel andere Dinge gibt, die mich gerade bschäftigen. Und dabei bleiben globale Probleme sogar fast vollkommen außen vor, weil ich schlicht keinen Nerv habe, jetzt auch noch meinen Senf DAZU geben zu müssen. Diese Würstchen sind doch eh schon verbrannt. Und das – zumindest beim Klima – im wahrsten Wortsinne. „Wir erwarten sommerliche Temperaturen“ ist doch auch nur der neue Euphemismus für „Bringt Oppa in den Keller, da isses ’n bisschen kühler…“. na ja; viele Radiomoderatoren haben seit diesem kognitiv-rhethorischen Totalausfall Elmar Hörig wohl bestenfalls noch abgebaut. Oder aber, die lassen heute jeden Volontär ans Mikro. Vielen Dank für nichts. Obwohl… vielleicht versuche ich das auch mal, schlimmer kann’s ja kaum werden.

Ich habe also eine Reise getan (wenn auch nur eine kurze) und ich habe so einiges an Eindrücken, Erfahrungen und Inspiration mit nach Hause gebracht. Ob mir das was nutzt, müssen die nächsten Tage zeigen. Jetzt gilt es, nicht zu verdunsten und die eigenen Ressourcen gut einzuteilen. Dann besteht Grund zur Hoffnung. In diesem Sinne wünsche ich allen hohe Resilienz und eine gute Kühlung. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N° 41 – …irgendwas mit Medien!

Egal, wie man es auch dreht und wendet – Corona war bisher zu 95% Scheiße: weil es alle Altersgruppen krank gemacht – und zum Teil auch getötet – hat; und weil sehr viele deshalb Verluste erlitten haben. Weil wir, um uns selbst und die Anderen zu schützen, auf sehr viel verzichten mussten; eine Aussage, die sich allerdings bei näherer Betrachtung als wohlstandsverwahrlostes Gejammer auf hohem Niveau beinahe vollkommen in Luft auflöst. Weil wir es bis heute nicht geschafft haben, sinnvoll und zielgerichtet als Gesamtgesellschaft zu agieren; im Gegenteil hat Corona die Selbstbezogenheit und den Egoismus weiter Teile unserer Bevölkerung auf beeindruckend hässliche Art demaskiert. Und schließlich, weil auch die Politik eher auf Partikularmeinungen, denn auf Vernunft hört. Die anderen 5% jedoch haben uns auf verschiedenen Gebieten weitergebracht: man kommt bei der Arbeit in einigen Bereichen auch ohne dauernde Präsenztermine aus, was jede Menge Reise-Ressourcen spart. Für mich als Lehrer war es der Lackmus-Test, ob wir es hinbekommen können, verschiedenste Inhalte auch über die Distanz irgendwelcher Conferencing-Systeme zu vermitteln. Und wir als Lehrende haben dabei, sowohl technisch, als auch didaktisch einiges dazugelernt. Und für mich selbst habe ich überdies herausfinden dürfen, wer und was mir wirklich wichtig ist…

Wohlwollend strahlt der Himmel seine Segen auf die Industriekulisse…

Ambivalenz ist ja ein bedeutender Motor der (Selbst)Reflexion, und weil man als Berufs-Pädagoge natürlich weiß, dass die Haupt-Transferleistung des Lernens während der Reflexion des gerade (im Unterricht?) Erlebten stattfindet, darf man diese denn auch ruhig als Katalysator für Denk- und Lernprozesse nutzen. Ich weiß nicht, ob es den SuS an der von mir geleiteten Institution überhaupt bewusst ist, warum wir sie aus der Reserve zu locken und auf’s Glatteis außerhalb der individuellen Komfortzone zu führen versuchen. Denn oft genug wirkt es nämlich so, als wenn ihnen das gar nicht recht wäre; und wird folgerichtig auch gelegentlich verweigert. Irgendwie suchen die Kinder doch immer nach dem Weg des geringsten Widerstandes. Witziger Weise habe ich ihnen sogar erklärt, was ich tue. Aber es ist wie bei ein Stage-Magician, der seine Tricks vorher langsam zeigt, und man dann trotzdem nicht mitkommt, wenn er sie in voller Geschwindigkeit durchzieht. Nun kann man aber die jungen Leute (auch die Alten natürlich) nicht lernen machen. Manche Menschen in meiner Organisation glauben aber immer noch, man hockt Menschen am Besten vor ein vorkuratiertes, asynchrones Instruktionsdesign, lässt sie hinterher sofort eine Lernzielkontrolle schreiben, und wenn sie mindestens eine Vier schaffen hat sich’s damit! Schnell, fast komplett wiederverwendbar, und daher billig. Und billig ist toll! Solche Ansichten rütteln immer an meinem Ohrfeigenbaum, und ich darf doch nicht aus der Haut fahren, wie es eigentlich angemessen wäre…

Ginge es um nur das Vermitteln rein mechanischer Fertigkeiten, kann man das schon so machen. Und auch für manche Teile des notwendigen theoretischen Wissens ist diese Bastardisierung ganz klassichen Frontalunterrichts durchaus zielführend. Komplexe Kompetenzen kann ich damit jedoch nicht vermitteln – insbesondere nicht die, in meinem Berufsfeld so wichtigen sozialen. Denn wenn die SuS hinterher mit den Patienten so reden, wie mit dem Computer…? Das ist jetzt natürlich ein polemisch überspitztes Bild, aber ohne das Reiben am Ausbilder, ohne die ständige Hinterfragung gewachsener (oder von den „Senioren“ der Wache unreflektiert übernommener) Überzeugungen, ohne das Entstehen der Bereitschaft – ja vielleicht sogar der Lust – sich nach dem Ende der Ausbildung selbstständig weiterzubilden, erzeugen wir mit unseren Bildungsangeboten nicht jene Art von Rettungsfachpersonal, die es braucht, um die Herausforderungen unseres Zeitalters an das Gesundheitswesen als Ganzes bestehen zu können! Und dabei interessiert mich zugegebenermaßen der Wunsch nach einem möglichst kostengünstigen Bildungs-Angebot nur, wenn es gar nicht anders geht. Ansonsten reize ich die Spielräume voll aus. Denn es geht um nicht mehr, aber auch nicht weniger, als die Zukunft meines Berufsstandes. Ein Umstand, der irgendwelche Controller in Unternehmen wie HiOrgs nicht zwingend interessiert – mich selbst aber brennend!

Ich wünschte mir, dass die meistenteils noch recht jungen Menschen, welche sich da gegenwärtig durch diese Ausbildung arbeiten, solche Hintergrundgedanken verstehen, vielleicht aber wenigstens respektieren lernen könnten, geht es doch um ihre eigene berufliche Zukunft! Allerdings weiß ich auch, wie ich selbst mit 20 Lenzen drauf war; irgendwie ist es ein Wunder, dass ich hier sitze, und diese Zeilen schreiben kann. Wie es auch weitergehen mag: ich werde nicht lockerlassen in meinem Bemühen, sie an ihre Grenzen zu führen. Und vielleicht gelegentlich auch darüber hinaus. Wenn ich dafür irgendwas mit Medien machen muss – also Distanzlehre gestalten, welche diese Bezeichnung auch verdient – dann ist das so. Wird aber weder einfach, noch billig. In diesem Sinne, nutzt die kommende Woche weise. Schönen Abend noch.

Auch als Podcast…

Mir fehlen die Worte!

Das ist natürlich eine contradictio in adjecto, weil hier Wörter stehen, die ich zu Bildschirm brachte. „Oh Sprache, du mächtigste aller Waffengattungen, deren Werkzeug, die Zunge das einzige ist, welches m. W. durch ständigen Gebrauch schärfer wird; könntest du mir wohl den Gefallen tun, und dich meinem Sinnen unterwerfen, um dich zu meinem Wohle und Gefallen nutzen zu lassen?“ Mächtiges Gebet des Schreiberlings; wird allerdings nicht allzu oft erhört. Ob das gut ist, oder schlecht, bleibt dem Betrachter / Zuhörer überlassen. Denn wohlverstanden wird sofort klar, dass derart Betende vor allem nach Macht mittels Manipulation streben; oder sollte ich lieber sagen – nach Influence… Und die weitaus meisten influenzestuösen Menschoiden da draußen, wollen vor allem eines: Kohle scheffeln. Was aber nur funktioniert, wenn sie ihre Werbeaufträge erfüllen, und Kunden generieren. Denn Konsum, die kleine Bastardschwester des allmächtigen Mamon will angebetet werden; und die Hochämter der Verehrung werden heute durch die digitalen, schnitt-optimierten Liturgien willfähriger, selbstoptimöser Möchtegern-Celebrities abgebildet. Schön schnell, ungefähr so authentisch wie die Titten der meisten Porno-Darstellerinnen und so nachhaltig wie Seifenblasen. Womit diese Inszenierungen ja wenigstens auf’s Trefflichste zu den angeblich nicht beworbenen Produkten passen.

…ob diese Konstruktion nachhaltiger ist? Zumindest macht es den Anschein.

Nun leben wir in einem hoch virtusualisierten Zeitalter [Spoiler: neues Kunstwort aus virtuell und visualisiert]; Sprache wird im Rahmen der oben beschriebenen Nutzung oft zu einem Hilfsvehikel für die Bildgewitter degradiert. Mit dem lästigen Nebeneffekt, dass zumindest die in anti-sozialen Medien genutzte Sprache sich derzeit sehr schnell verändert. Ich werde an dieser Stelle keine wissenschatlichen Studien zitieren, sondern mich ganz allein auf meine anekdotische Evidenz verlassen, denn dies ist MEIN verdammtes Blog! Und ich sehe vor allem Folgendes: grammatikalische Simplifizierung, mehr Neologismen und importierte Redewendungen. All das sind Moden, wie ich sie auch in meiner Jugend schon erlebt habe – und das Allerwenigste davon hat sich bis heute erhalten. Doch der aktuelle Sprachwandel scheint mir eine andere Qualität zu haben, die tatsächlich in nachhaltiger Veränderung münden könnte. Das für sich betrachtet wäre kein Thema, denn Sprache ist gelebte Kulturpraxis – und das Kultur nun mal immer ein weiterlaufender Prozess und nichts statisches ist, habe ich hier schon so oft gesagt, dass ich’s nicht mehr zählen kann. Problematisch ist lediglich der allzu häufig auf beiden Seiten ideologisch aufgeladene Umbau hin zu einer geschlechtersensiblen, gewaltfreieren Sprache. [Exemplarisch hier Martenstein vs. Arndt in ZON (paywall)]

Denn genau da fehlen mir Worte. Nicht etwa solche, wie das N-Wort, das Z-Wort oder das M-Wort. Ich verstehe und respektiere, dass manches sprachliche Diktum voran gegangener Zeiten heute einfach nicht mehr gebraucht werden sollte. Was mir fehlt, ist die historische Einordnung. Ja verdammt, Kant war ein Rassist und Chauvinist. Wie allerdings so gut wie alle anderen seiner Zeitgenossen auch. Und sein Rassismus ändert absolut gar nichts daran, dass seine moralphilosophischen Einlassungen bis heute Bestand und Geltung haben. Weil sie – ganz im Gegensatz zu vielen seiner alltäglichen Äußerungen – universell les- und deutbar sind; und damit alle Menschen inkludieren. Auch, wenn er das vielleicht gar nicht so wollte. Oder aber, er konnte tatsächlich so weit abstrahieren, dass er sich zumindest gelegentlich eine andere Welt vorzustellen vermochte als die, in welcher er nun mal lebte. Klingt komisch, ist aber durchaus denkbar. Denn klug war er allemal.

Ich will hier beileibe nicht jenen Menschen nach dem Munde reden, die eine Umkehr hin zur guten alten Zeit der richtigen deutschen Sprache fordern; denn das ist unverhohlen rechtsnational-identitätspolitischer Nazi-Quatsch. Aber ich würde mir wirklich wünschen, dass man sich des „eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ erinnerte, den Habermas in seiner Theorie des kommunikativen Handelns formulierte. Indem wir jedoch einfach alles, was auch nur des leisesten Hauches potentiell kontroverser Bedeutung verdächtig sein könnte, auf den Müllhaufen der Geschichte werfen, berauben wir uns einerseits notwendiger Referenzpunkte für das Verständnis eben jener Geschichte; was in der Verunmöglichung des Lernens aus der Geschichte enden könnte. Und andererseits verhindern wir eben jene Kontroversen, die einen echten öffentlichen Diskurs überhaupt erst konstituieren. Ich will kein influenzialisiertes, verashtaggtes Abziehbild einer kritischen Öffentlichkeit. Denn eine wehrhafte Demokratie lebt von dieser kritischen Öffentlichkeit, die gerade mal von der einen, mal von der anderen Seite diskreditiert wird.

Ich will streiten können, notfalls dabei auch mit der groben Verbalkelle austeilen und scheue mich nicht, dann auch einzustecken. Jedoch – und das sei an dieser Stelle ausdrücklich betont – an der Sache und an den Taten der jeweils Streitenden orientiert. Nicht an irgendwelchen prominenten physischen oder sozialen Merkmalen. Kriegen wir das vielleicht irgendwann wieder hin? Ich versuche gerne das Meine. Und wünschte mir, mal Kommentare zu bekommen, die tatsächlich eine Diskussion entstehen lassen. Aber vermutlich haben es bis hierhin gar nicht alle geschafft. Also verhallt auch dieser Aufruf im Zeitalter der aberzogenen Aufmerksamkeit vermutlich ungehört. Drauf geschissen. Ich kriege euch schon noch dazu, mit mir zu diskutieren. Schönen Abend.

Auch als Podcast…