Sonntag. Während in der Küche, in einem altmodischen Bräter das Boeuf Burguignon für’s Mittagessen fröhlich simmert, sitze ich vor der matten Scheibe und schreibe. Etwaige Diskussionen um Art und Form der dargereichten Nahrung werde ich weder zur Kenntnis nehmen, noch durch Einstieg würdigen; denn für diejenigen, die (aus welchen Gründen auch immer) kein Fleisch mögen, gibt es eine vegane Alternative. Und fertig ist die Laube! Aber darum soll’s ja auch gar nicht gehen. In den letzten Tagen habe ich mal wieder mit angehenden Praxisanleitenden gearbeitet und wir sind dabei – einmal mehr – dem Thema “Gamification” ein bisschen näher gekommen; und gleichsam wieder zu dem Schluss, dass in jedem von uns ein Spielkind steckt, welches wenigstens gelegentlich mal raus gelassen werden möchte… Es ist ja nun nicht so, dass Ausbildung ein Spiel wäre, auch wenn manche Auszubildende sich gelegentlich gerne so aufführen. Doch einzelne Aspekte dürfen sehr gerne spielerisch ausgeführt sein, um die Motivation nicht vollends zu killen. Doch jedes Mal, wenn ich anderen darüber erzähle, nachdenke, einzelne Methoden selbst im Lehrsaal zur Anwendung bringe, kommt in meinem Hinterkopf die Frage auf, ob ich das jetzt für meine Azubis oder für mich tue. Denn ICH bin ein furchtbares Spielkind. Ich fummele furchtbar gerne an manchen Tech-Spielereien herum und mag Go-Go-Gadgets. Ich liebe außerdem social games, wie etwa TTRPG; und manchmal finden sich Aspekte des Storytellings auch in meiner Lehrsaalarbeit wieder. Allerdings wesentlich seltener, als mir lieb wäre, wenn man bedenkt, dass ich meinen Master darüber geschrieben habe… nun ja. Und schlussendlich ist u.A. es genau dieser Umstand – nämlich dass ich manche meiner schon lange gepflegten Hobbies im Arbeitskontext gewinnbringend einsetzen kann – der mich meinen Job so lieben lässt. Wenn wir nur Benefits messen möchten, ist es wohl für beide Seiten von Gewinn, wenn ich ein wenig spielen darf. Es könnte also öfter auch auf Arbeit Wonderland sein. Wenn ich denn nicht mit manchen Kollegoiden zu tun hätte…

Ich nehme immer wieder wahr, dass es manchen Menschen sehr schwer fällt, mich zu verstehen. Was mich massiv irritiert, denn ich spreche oft genug EXAKT das laut aus, was ich denke und zu tun gedenke. Doch Menschen, die daran gewöhnt sind, hinter allem, was gesagt wird einen Hintergedanken suchen zu müssen – weil sie dummerweise selbst hinter allem, was sie sagen Hintergedanken verstecken – können oft nicht verstehen, dass die Bedienoberfläche des Gegenübers auf Ehrlichkeit basiert. Now, don’t get me wrong… ich kann dieses Spiel auch spielen, wenn’s denn unbedingt sein muss. Aber ich fühle mich dabei nicht wohl und finde ganz grundsätzlich derlei Bigotterie, die ja nur Machtspielchen dient, ermüdend nutzlos und energieverschwendend. DAS ist es, was mich hier manchmal so genervt und vielleicht auch ein Mü verzweifelt klingen lässt. Eventuell ist gerade ein solcher Knoten mal in die andere Richtung geplatzt, was mir Luft zum Atmen verschafft. Und in dieser frischen Luft finde ich tatsächlich neue Zugänge zu spielerischen Spaß. Es ist für mich schon eine Wohltat, an einem Tag wie heute so gut wie nichts zu müssen. Selbst das anfangs erwähnte Kochen – für manch andere ja ihr Broterwerb – ist mir eine Muse. Denn einerseits weiß das Ergebnis zumeist zu erfreuen. Und andereseits muss ich dabei nicht über Hintergedanken sinnieren. Denn die Zutaten wehren sich nicht gegen meine Arbeit. Ich kann mich mit meinen Ideen und manchmal auch Fantasien zurückziehen und mich ganz darauf konzentrieren, Freude in meinem Tun zu finden. Auch das Bloggen, für andere Menschen durchaus auch Arbeit, weil sie damit ihre Brötchen verdienen müssen, ist für mich mehr ein Spiel; die Suche nach der richtigen Mischung zwischen filigraner Eleganz und brachial-frontalen Klatschen für die ganzen dämlichen Nazis, Chauvies, Rassisten, Möchtegern-Leistungsträger und das ganze andere menschoide Netz-Geschmeiß da draußen ist manchmal regelrecht anstrengende Hochleistungs-Wortschnitzerei. Und dennoch liebe ich es! Wenngleich ich mir manchmal viel mehr Interaktion hier auf dieser Seite wünschen würde, weiß der tiefe Grund meines Herzens, dass dieses Abarbeiten an der Welt in wahrgenommener (Klickzahlen) aber nicht unterbrochener (sehr wenige Kommentare) Solitude mir wahrscheinlich besser tut, als dauernde Online-Diskussionen. Gab ja einen Grund, warum ich von Facebook weg bin…
Spielen hat viele Facetten. Ich bin natürlich Pen’n’Paper-Zocker und manchem Videospiel nicht abgeneigt. Aber, wie eben dargestellt sind dies bei weitem nicht die einzigen Aspekte meines Daseins, die ich quasi gamifiziere. Macht mich das weniger erwachsen? Ich würde das anders sehen wollen: ich glaube, dass Menschen, die ihren Spieltrieb mit immer weiter fortschreitendem Alter einzuhegen, zu negieren und zu vergessen versuchen ziemlich arm dran sind. Denn ihnen fehlt ein möglicher Zugang zur Welt, der es erlaubt, auch die ernsten Dinge wenigstens nicht immerzu völlig ernst nehmen zu müssen. Spieltrieb und Humor sind eng miteinander verwandt; und das Humor nunmal ist, wenn man trotzdem lacht, sollte man einfach akzeptieren und so oft wie möglich umsetzen. Schlicht weil es einem hilft, nicht vollkommen durchzudrehen im Angesicht einer immer bekloppter werdenden Welt. ich werde für den Rest des Tages mein Spielkind abfeiern und dadurch hoffentlich morgen früh entspannt in die letzte Arbeitswoche des Jahres starten können. Ich gehe jetzt in mein Wonderland. Euch da draußen wünsche ich übrigens das gleiche – außer ihr gehört zu den dämlichen Nazis, Chauvies, Rassisten, Möchtegern-Leistungsträgern und dem ganzen anderen menschoiden Netz-Geschmeiß. Dann wünsche ich euch die Pest an den Hals und dass ihr in der Hölle rösten mögt! Frohen dritten Advent!
