Herbst… mal wieder…

"The world breaks everyone. And afterward, some are strong at the broken places" (Ernest Hemingway aus "In einem andern Land")

"There is a crack, a crack in everything. That's how the light gets in" (Leonards Cohen aus "Anthem")

Das Internet hat daraus "We are all broken, that's how the light gets in" gemacht und das Zitat fälschlicherweise Hemingway zugeordnet.

Tatsächlich klebt der Spruch auf meiner Zettel-Box neben dem Schreibtisch, die ich jetzt seit knapp zwei Jahren zum Journaling benutze. Anfangs war das mehr so ein Spleen, denn manchmal vergaß (und vergesse ich immer noch), mich gleich hinzusetzen und es einfach aufzuschreiben, wenn mich etwas bewegt(e). Wir nehmen Dinge nur allzuoft als gegeben hin und stellen erst mit einem gewissen Abstand (also quasi aus der Meta-Perspektive) fest, dass es doch etwas mit uns macht. Ich denke in letzter Zeit oft darüber nach, welche streckenweise durchaus dramatischen Entscheidungen in den letzten drei Monaten im Job getroffen und umgesetzt werden mussten. Welche Herausforderungen sich zeitgleich im Privatleben ergeben haben und immer noch nicht überwunden sind. Und wie seltsam es sich unterdessen anfühlt, dennoch zu funktionieren. Ich meine… ja, ich hatte eine kurze Krankheitsphase, aber im Moment…? Im Moment spüre ich oft eine Gleichmut, die mich mit der Frage konfrontiert, ob meine sonst so präsente Wut gerade alleine Urlaub macht und sich den grünen Pelz von der Sonne wärmen lässt, während ich hier im deutschen Herbst herumsintern muss und nach natürlicher Vitamin-D-Induktion LECHZE! Die Sonne ist fort. (Ehrlicherweise muss man zugeben… in Irland hatten wir auch nicht so viel davon…)

Ich denke, es ist dieses Licht, von dem das Falsch-Zitat spricht. Die Sonne, die sich den Weg in dich hinein bricht, um an Stellen zu gelangen, deren Existenz und deren Bedarf an Sonne dir nicht einmal bewusst sind. Die fehlende Meta-Perspektive, von der ich eben noch sprach. Auf welche Art und Weise man seine (hoffentlich heilende) Introspektion herstellt, ist im Grunde genommen einerlei, doch zu wissen, wann man etwas tun muss, um an mehr Licht für die wunden Stellen in seinem Selbst zu kommen, ist der Schlüssel dazu, nicht wahnsinnig zu werden im Angesicht der Probleme, Sorgen, Herausforderungen, welche das Leben uns in so großer Vielzahl in den Weg zu legen die unfassbare Chuzpe besitzt. Klingt das nach Fatalismus, nach “dem Schicksal die Schuld geben”? Ich denke nicht. Es klingt für mich eher nach einer Mahnung, sich NICHT in extramiesen Gedanken-Schleifen fangen zu lassen, sondern – wenigstens gelegentlich – bewusst anzuerkennen, dass wir a) nicht wirkich Herr*innen unseres Schicksals sind, weil der ganz banale Zufall ein sehr mächtiger Gegner ist (denkt an die unüberwindbare Mauer der nächsten Sekunde) und wir b) viel zu selten über die guten Dinge nachdenken, welche wir erleben dürfen. Ich selbst etwa zehre immer noch von den unfassbar schönen Eindrücken, welche ich während unseres Urlaubes mitnehmen durfte; und auch, wenn die Arbeit mich fordert, ist mein Daheim – trotz aller Aufs und Abs – derzeit ein Hafen der Ruhe. Nur Zeit für meine eigenen Ideen habe ich momentan nicht im gewünschten Umfang. Man bezahlt mir halt Geld für einen nicht unerheblichen Teil dieser Zeit, damit ich anderer Leute Probleme löse…

Das Licht… es ist für mich mehr als nur eine Metaphaer. Ich wusste bislang nicht, dass es für sowas sogar einen eigenen Namen gibt: “end of summer sadness”. Aber wenn ich so in mich hineinfühle, dann ist es genau dieses Gefühl, welches mich gerade heimsucht. Ich vermisse eben jetzt einen Sommer, der irgendwie gar nicht stattgefunden hat. Wir waren im Verlauf des “Sommerurlaubs” in kühleren Regionen Europas unterwegs; und Anfangs hatte sich das total gut angefühlt, weil die mittlerweile im Sommer subjektiv tropischen Wettergegebenheiten in der Heimat gelegentlich schon ganz schön anstrengen können. Und doch… die Bahnen im Pool oder im See, um der Hitze kurz zu entgehen, die langen Abende auf dem Balkon (oder auf der Terrasse manchen südlichen Urlaubsdomizils), überhaupt dieses Gefühl, dass das Leben sich draußen abspielt – all das hat mir schon unterwegs gefehlt und tut es jetzt noch viel mehr, da dieser Spätsommer in (der Natur zugegebenermaßen wohltuendem) Regen absäuft. Meine Stimmung ist nämlich mit abgesoffen. Auch meine Energie schwindet zusehends, wenn ich nur daran denke, dass ich höchstens noch wenige Wochen davon entfernt bin, morgens im Dunkeln zur Arbeit zu gehen und Abends im Dunkeln wieder heimzukommen. Was für eine Mist, denn das ist pures Futter für meine Depression. Ich will Licht! Oder genauer gesagt: ich will Sonne auf der Haut und Wärme, die mich umfließt, um mir freundlich zuzuflüstern, dass der nächste Sommer nicht ganz so weit entfernt ist, wie meine aufgeschreckte Psyche mich das gerade glauben machen möchte!

Herbstdepression…? Scheiße! Ich hätte echt nie gedacht, dass es SO EINFACH sein könnte, meine Krankheit zu triggern. Aber offenkundig ist es genau das. Diese verfickt unheilige Mischung aus Verpflichtungen, die mir derzeit mehr Last sind, als irgendwas sonst und einem eklatanten Mangel an südlicher ars vivendi macht mich derzeit gerade zutiefst unglücklich. Nimmt man noch dazu, dass es mit dem Zocken gerade überhaupt nicht so klappen will, wie ich mir das vorstelle, ist eine Trias negativer Befindlichkeiten komplett. Und was macht man dagegen? Saufen ist nur bedingt eine Option (denn Wirkdauer vs. Rekonvaleszenzzeit muss man immer wieder neu abwägen), kündigen kann ich mir im Moment nicht leisten (auch wenn die Versuchung immer mal wieder da ist), der erlösende Lottogewinn lässt auf sich warten… also Urlaub? Wenn es nur so einfach wäre. Mein aktueller Therapeut hat mich darum gebeten, meine nächtlichen Träume aufzuschreiben, wenn ich mich denn mal an sie erinnern kann, was mir tatsächlich eher selten passiert. Also muss ich mich vorerst damit begnügen, hier meine bewussten Träume zu reflektieren. Dann wird’s wohl bei Urlaub bleiben, wenngleich ich noch nicht weiß, wie das funktionieren soll. Im Moment sind da einfach zu viele Prozesse auf einmal, die ich am laufen halten soll… Ich denke, das ist jetzt das sechste Spätjahr in Folge, welches mich am Rotieren hält. Wird Zeit für eine neue Routine, oder…? Hat meine Frau doch Recht und ich bin nicht für das Chefsein gemacht? Wir werden sehen, ob ich auch in dieser Nacht von Sonntag auf Montag mal wieder unruhig schlafe, weil irgendein Scheiß mich beschäftigt, der eigentlich erst im Licht des Tages wichtig wird. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert